Fantasy Filmfest 2018 Quick’n’Dirty
Nach zwölf Tagen Genredauerfeuer schloss das Fantasy Filmfest gestern in Berlin die Höllenpforten, in den anderen Festivalstädten läuft die 32. Ausgabe zum Teil noch bis zum 30. September. Für uns aber ein guter Zeitpunkt für ein Quick and Dirty mit stolzen 15 Kurzreviews der Festivalhighlights. Vorweg, 2018 ist ein wahrer Killerjahrgang mit mindestens drei Meisterwerken, eine wirklich gelungene Auswahl an aktuellen Genrehighlights aus über 20 Ländern und eine kunterbunte Mischung Fear Good Movies, vom bedrückenden Fantasydrama über schräge Neo-Noir Thrillereien bis zur bluttriefenden Trashperle. Begeben wir uns nun also auf eine möglichst spoilerfreie Kurzreviewreise durch das diesjährige Programm und picken uns die Rosinen aus dem Genrekuchen.
Opening Night: Wer ist Panos Cosmatos? Der kanadische Regisseur ist der Sohn von George Pan Cosmatos, auf dessen Konto manch Genresahnestück wie RAMBO 2, DIE CITY COBRA oder LEVIATHAN gehen. Sohnemann Panos legt nach dem verschrobenen BEYOND THE BLACK RAINBOW nun seine zweite Regiearbeit vor. Und wer war gleich nochmal Nicolas Cage? Der 90er Jahre Actionheld (THE ROCK, FACE OFF) und OSCAR-Preisträger (LEAVING LAS VEGAS) betrieb die letzten Jahre Schuldenabbau durch unzählige B-Movies, die nie das Licht der Leinwand erblickten. Nun haben sich Panos Cosmatos und Nicolas Cage zusammengetan und einen Horrorfilm namens MANDY gedreht, der nach unzähligen Vorschusslorbeeren das diesjährige Fantasy Filmfest eröffnet. Was ist da los?
1983. Der robuste und schweigsame Forstarbeiter Red (Nicolas Cage) lebt mit seiner Frau Mandy (Andrea Riseborough) in einer abgeschiedenen Waldhütte. Eines Tages begegnet Mandy auf einem Waldspaziergang einer Sektengruppe um Anführer Jeremiah (Linus Roache), der sofort ein Auge auf die hübsche Frau im Black Sabbath T-Shirt geworfen hat. Des Nachts dringt die Sekte in das Haus des Paares ein, stellt Red ruhig und versucht Mandy in ihren Bann zu ziehen. Als die sich weigert, verbrennen die Kultisten Mandy vor den Augen ihres Ehemanns und ziehen von dannen. So nimmt sich der gequälte Red ein Herz, eine Hellebarde und eine Kettensäge, um jeden einzelnen der Sektenmitgliederin all seinem Hass und seiner Verzeiflung niederzustrecken.
And I need you today, oh Mandy! Welchen getrockneten Kaktus haben Panos Cosmatos und Nicolas Cage gelutscht, um dieses brachiale Monster von Film zu verwirklichen? MANDY ist eine Slo-Mo Achterbahnfahrt auf LSD, verzerrt und zerfiltert, in dreckigster 80er Jahre Metal-Ästhetik, mit kongenialem Score vom viel zu früh verstorbenen Komponisten Jóhan Jóhansson und mittendrin der Berzerker Cage in der Rolle seines Lebens. Was für ein Fick! MANDY ist der zu Fleisch gewordene Doom-Metal-Alptraum, eine Tour De Farce durch das Horrorgenre mit Anleihen aus HELLRAISER und der surrealen Wucht der letzten TWIN PEAKS Staffel. Das ist natürlich nicht jedermanns Sache. Aber selten hat einem ein Filmwerk so von der Leinwand ins Gesicht geschlagen wie MANDY. Was kann das noch toppen? Nun, wer weiß, nach Schwarzenegger in MAGGIE und Cage in MANDY, vielleicht kommt in den nächsten Jahren Dwayne “The Rock” Johnson mit einem Horrorfilm namens MANUELA um die Ecke und zieht ähnliche Register.
FFFAZIT:
Farbenrausch & vollste Metal-Dröhnung, LSD-Achterbahnfahrt, bluttriefende Schlachteplatte, kurzum: der pure Wahnsinn aus einer anderen Filmdimension. Nicolas Cage’s furioses Comeback ist der brachialste Film des Jahres!
MANDY (USA 2018) mit Nicolas Cage, Andrea Riseborough, Drehbuch: P. Cosmatos & Aaron Stewart-Ahn, Regie: Panos Cosmatos
Koch Films, ab 01. November im Kino und ab 22. November auf Blu Ray & DVD
Während eine Gruppe Damen mittleren Alters in OCEANS 8 den Zuschauer mit einem komplett spannungsbefreiten Raubzug langweilen, kommt mit AMERICAN ANIMALS der wahrlich spektakulärste Heistmovie des Jahres. Mit den Jungstars Barry Keoghan (THE KILLING OF A SACRED DEER) und Evan Peters (X-MEN, AMERICAN HORROR STORY) gelingt Dokumentarfilmer Bart Layton ein bitterkomischer Mix aus Crimedrama und Doku nach der wahren Geschichte um den subversivsten Kunstraub der US-Geschichte.
Spencer (Barry Keoghan) und Warren (Evan Peters) führen in Lexington, Kentucky ein überaus gelangweiltes Studentenleben ohne Perspektiven, bis eines Tages ein Silberstreifen am Horizont erscheint. Nach einem Besuch in der Universitätsbibliothek reift der Plan, das dort ausgestellte teuerste Kunstbuch der Welt zu stehlen – “The Birds of America” von John James Audobon. Zusammen mit zwei Komplizen hecken Spencer und Warren einen todsicheren Plan aus, die Umsetzung jedoch verlangt Spontanität und bittere Entscheidungen. Aus dem anfänglich genialem Coup wird so ein komplettes Desaster mit Ansage.
Was AMERICAN ANIMALS von gewöhnlichen Heistmovies unterscheidet, sind die dokumentarischen Einschübe der echten Kunsträuber von 2004, die das Geschehen sehr subjektiv rekapitulieren. Die Kids waren weder Masterminds noch skrupellose Verbrecher, ihr Plan war dilettantisch und aus anfänglichem Spaß wird alsbald schmerzlicher Ernst. Layton gelingt fast durchgehend dieser Spagat zwischen Komik und Drama, nur das Ende wird ein wenig zu melodramatisch breitgetreten. Die Absurdität der Tat und die komplette Selbstüberschätzung der Täter aber fesseln knapp 120 Minuten, die Jungstars spielen frech und frisch auf und nach dem Abspann bleibt ein Hauch Melancholie zurück. Ebenfalls mit von der Partie: Deutschlands Genreurgestein Udo Kier.
FFFAZIT:
Ein dilettantischer Plan, eine noch stümperhaftere Umsetzung und doch sind die Sympathien über weite Strecken auf der Seite der Kunsträuber. Ein sehr unterhaltsamer Mix aus Crime, Doku und Drama mit bittersüßem Abgang.
AMERICAN ANIMALS (USA 2018) mit Barry Keoghan, Ewan Peters, Udo Kier, Drehbuch & Regie: Barry Leyton
Ascot Elite Entertainment
Fresh Blood: Mit EL SECRETO DE MARROWBONE inszeniert der gefeierte spanische Drehbuchautor Sergio G. Sánchez (THE ORPHANAGE, THE IMPOSSIBLE) sein Kinospielfilmdebüt in englischer Sprache mit einer Handvoll angesagter Jungstars: George MacKay (CAPTAIN FANTASTIC), Anya Taylor-Joy (SPLIT), Charlie Heaton (STRANGER THINGS) und Mia Goth (NYMPHOMANIAC) müssen sich in einem alten Anwesen ihrer tragischen Vergangenheit, unsicheren Zukunft und einem mutmaßlichen Geist stellen.
In den 60er Jahren flieht Mutter Rose mit ihren vier Kindern vor ihrem gewalttätigen Ehemann auf das altes Anwesen Marrowbone mitten im amerikanischen Nirgendwo. Trotz der Flucht bestimmt die Angst das Leben der innigen Familie. Nach dem frühen Tod der Mutter müssen sich die Kinder in Heimlichkeit üben, bis der Familienälteste Jack das 18. Lebensjahr erreicht, um nicht im Waisenhaus zu landen. So wird der Tod der Mutter vor den Behörden geheim gehalten. Während sich Jack im Nachbarort in eine Bibliothekarin verliebt, gehen auf Marrowbone seltsame Dinge vor sich. Hat sich ein Geist in das alte Anwesen eingeschlichen?
MARROWBONE beginnt mit vermeintlich bekannten Versatzstücken aus diversen Mysterystreifen, ein altes Haus, ein knarzender Geist, verhangene Spiegel und angsteinflößende Erscheinungen. Aber Sergio G. Sánchez ist ein listiger Autor und spinnt einen Storyfaden, der bis zur letzten Minute fesselt. Die Bilder von Kameramann Xavi Giménez (THE MACHINIST) sind edel, Musik und Soundeffekte lassen einem die Nackenhaare aufstehen, die Atmosphäre ist überaus unheimlich und der Cast durch die Bank weg großartig. Doch der Star von MARROWBONE ist die Geschichte mit überraschenden Haken und Ösen und einem der cleversten Twists seit THE SIXTH SENSE. Selten hat sich ein Mysteryfilm so galant und in sich stimmig aufgelöst wie Sánchez’s Regiedebüt.
FFFAZIT:
Clevere Story, stilsichere Inszenierung und jede Menge Gänsehaut machen aus MARROWBONE einen der besten Mysterystreifen seit THE OTHERS. Die dramatische Familiengeschichte fesselt von der ersten bis zur letzten Minute.
MARROWBONE (ESP 2017) mit George MacKay, Anya Taylor-Joy, Charlie Heaton, Mia Goth, Drehbuch & Regie: Sergio G. Sánchez
Universum Film, ab 26. Oktober auf Blu Ray & DVD
Mit einer Mischung aus Grimms Märchen und Sozialdrama erschafft der deutsche Produzent und Regisseur Fritz Böhm einen Fantasyfilm der besonderen Art. Komplett getragen von der wundervollen Newcomerin Bel Powley (CARRIE PILBY, MARY SHELLEY) entfaltet WILDLING einen atmosphärischen Sog in ein modernes Märchen und eine berührende Coming-of-Age Geschichte, die zuweilen an GINGER SNAPS erinnert, mit Liv Tyler und Brad Dourif (LORD OF THE RINGS) auch in den Nebenrollen bestens besetzt.
Das kleine Mädchen Anna (Bel Powley) lebt seit sie denken kann in einem kleinen Zimmer inmitten einer Waldhütte, behütet von einem alten Mann (Brad Dourif), den sie “Daddy” nennt. Der gibt vor, das Mädchen vor der schrecklichen Außenwelt zu beschützen, insbesondere den im Wald hausenden Wildlingen, welche kleine Kinder fressen. Als Anna in die Pubertät kommt, versucht “Daddy” die Geschlechtsreife seiner “Tochter” mittels Medikamenten zu unterdrücken, doch vergeht in Selbstzweifeln und wählt den Freitod. Wenig später wird Anna von Polizistin Ellen gefunden und in die Zivilisation gebracht. Doch der Alptraum ist noch nicht vorüber.
Mogli, Nell & Kaspar Hauser – zu diesen Wolfs- oder Findelkindern gesellt sich nun Anna, der Wildling. Doch Regisseur Fritz Böhm wechselt nach dem düsteren Märchenbeginn nur kurzzeitig ins Sozialdramafach, wenn Anna die Zivilisation mit all ihren Vor- und Nachteilen kennenlernt. Denn das besondere an WILDLING ist, dass er im Kern keine bloße Metapher an sich, sondern ein echter Fantasy-Horrorfilm ist, der ebenso brutal endet wie er beginnt. Hauptdarstellerin Bel Powley liefert dabei eine tolle Vorstellung als Wildling Anna ab, man nimmt ihr jede Gefühlsregung in der grauen Zivilisation ab. Trotz der Genrewechsel innerhalb der Geschichte fühlt sich WILDLING rund an, sieht toll aus und geht dank der Darsteller wirklich zu Herzen.
FFFAZIT:
Berührendes modernes Märchen mit einer grandiosen Hauptdarstellerin, düsterer Waldatmosphäre in blauschwarzer Edeloptik, einfühlsame Coming-of-Age und furioses Horrorfinale – ein seltener Genremix, der funktioniert.
WILDLING (USA 2018) mit Bel Powley, Brad Dourif, Liv Tyler, Drehbuch: Fritz Böhm & Florian Eder & Regie: Fritz Böhm
IM Global / Capelight Pictures, ab 26. Oktober auf Blu Ray & DVD
Jim Hosking ist zurück. Nach seinem fulminanten Debüt THE GREASY STRANGLER vor zwei Jahren heißt es nun AN EVENING WITH BEVERLY LUFF LINN. Mit an Bord sind neben Hoskings Haus- und Hofmimen die quirlige Aubrey Plaza (LIFE AFTER BETH), Jemaine Clement (WHAT WE DO IN THE SHADOWS), Emile Hirsch (THE AUTOPSY OF JANE DOE) und Craig Robinson (ZACK AND MIRI MAKE A PORNO). Und wie immer ist Jim Hoskings Werk ein Film von einem anderen Stern.
AN EVENING WITH BEVERLY LUFF LINN heißt es und Aubrey Plaza kuckt schräg wie gewohnt von Plakaten und Screenshots, doch zur allgemeinen Verwunderung ist Aubrey Plaza gar nicht Beverly, sondern Lulu Danger. Die arbeitet mit zwei anderen schrägen Vögeln im Café ihres Ehemanns Shane (Emile Hirsch), den Geldsorgen plagen. Deshalb beraubt Shane Lulus Bruder seiner Ersparnisse, der wiederum setzt Colin Keith Threadener (Jemaine Clement) auf Lulus Bruder an, die Kohle wiederzubeschaffen. Doch Lulu schnappt sich sowohl Geld als auch Colin und brennt durch, ihr Ziel ist ein Hotel, in dem der große Künstler Beverly Luff Linn (Craig Robinson) auftreten soll. Denn mit ihm verbindet Lulu ein gut gehütetes Geheimnis ihrer Vergangenheit. Nach und nach finden sich alle Parteien im besagten Hotel ein und das Chaos beginnt erst Recht.
Wie bei THE GREASY STRANGLER ist es schier unmöglich wiederzugeben, worum es sich bei Hoskings schrägen Filmen handelt. Hoskings Geschichten und Figuren sind ein eigener Mikrokosmos, wer ein Faible für Schlingensief oder 00 SCHNEIDER – JAGD AUF NIHIL BAXTER hat, wird wohl leichter Zugang finden, andere kucken fragend aus der Wäsche. Dabei ist AN EVENING WITH BEVERLY LUFF LINN sogar zugänglicher als THE GREASY STRANGLER. Neben dem schrägen Humor und all den (stark zurückgefahrenen) Fäkalfrotzeleien ist AN EVENING WITH BEVERLY LUFF LINN aber vor allem ein großartiger Liebesfilm und das verdankt er neben Aubrey Plaza hauptsächlich Jemanine Clement, dem absoluten Star des Films. Wenn Lulu und Colin am Ende zu “Words (Don’t Come Easy)” von F. R. David tanzen, dann weitet sich das Herz zu einem saftigen Steak. Komm bald zurück, Jim Hosking!
FFFAZIT:
Der Erschaffer des Bratfett-Killers ist zurück mit einer hinreißenden Lovestory, skurrilen Ideen und noch verrückteren Figuren, allen voran Jemaine Clement und Aubrey Plaza. What a magical, magical event!
AN EVENING WITH BEVERLY LUFF LINN (USA 2018) mit Aubrey Plaza, Drehbuch: J. Hosking & D. Wike, Regie: Jim Hosking
Protagonist
Centerpiece: Regisseur Ali Abbasi (SHELLEY) verfilmt in seinem Zweitwerk eine Geschichte von John Ajvide Lindqvist (SO FINSTER DIE NACHT), gewinnt mit BORDER den “Prix Un Certain Regard” in Cannes und darf für Schweden ins OSCAR-Rennen um den besten fremdsprachigen Film. Die schwedisch-dänische Koproduktion ist ein einmaliger Mix aus Fantasydrama und Kriminalfilm mit einer überragenden Eva Melander in der Hauptrolle und zu Recht das Centerpiece des diesjährigen Fantasy Filmfestes.
Tina (Eva Melander) hat eine ungewöhnliche Gabe. Sie kann Angst, Schuld und Scham an Menschen riechen. Mit dieser Fähigkeit arbeitet sie als Grenzbeamtin an der schwedischen Grenze und erkennt so Schmuggler, Diebe und andere Kriminelle. Doch eines Tages begegnet sie Vore (Eero Milonoff), der genau wie sie einen Chromosomenfehler zu haben scheint, ein deformiertes Gesicht sowie Narben unbekannter Herkunft. Doch bei Vore funktioniert Tinas übermenschlicher Geruchssinn nicht. Stattdessen strömt Vore eine gewisse Anziehungskraft gegenüber Tina aus, der sie nicht wiederstehen kann. Beide scheinen für einander geschaffen, verbringen gemeinsame Zeit in den Wäldern Schwedens, bis Vore Tina ein Geheimnis anvertraut.
Man sollte im Vorfeld nicht zu viel über BORDER wissen, umso mehr trifft einen die Auflösung der ergreifenden Geschichte. Ali Abbasis Film ist zu jedem Zeitpunkt beklemmend, mystisch, ergreifend, traurig, grotesk, erschütternd, abstoßend und anziehend zugleich. Was auf dem Papier als obskurer Genremix erscheint, funktioniert auf der Leinwand über die Maßen, vor allem durch das eindringliche Spiel von Eva Melander und Eero Milonoff, deren Emotionen trotz extremer Maske einfach unter die Haut gehen. Trotz eines Paukenschlagtwistes sind es die ruhigen Töne, die einen noch Stunden nach dem Anschauen beschäftigen und nicht mehr loszulassen scheinen. BORDER ist beklemmend wie erschütternd und zugleich märchenhaft hoffnungsvoll. Ein grandioser Film!
FFFAZIT:
Zwei geheimnisvolle Außenseiter, ein bedrückender Kriminalfall, ein berührendes modernes Märchen, kurzum ein wahres Fantasyfilmfest. BORDER trifft mitten ins Herz und lässt einen für lange Zeit nicht mehr los.
BORDER (GRÄNS) (SWE 2018) mit Eva Melander, Drehbuch: A. Abbasi, Isabella Eklöf, John Ajvide Lindqvist & Regie: Ali Abbasi
Wild Bunch Germany / Capelight Pictures, Kinostart 2019
Irgendwie habe ich einen Faible für Genrefilme aus Isreal, die letzten Fantasy Filmfest Beiträge BIG BAD WOLVES und LAND OF THE LITTLE PEOPLE haben mir gut gefallen. Nun melden sich auch die Gebrüder Doron und Yoav Paz zurück, die 2015 mit dem Found Footage Horrorfilm JERUZALEM ein grundsolides Debüt hinlegten. Ihr neustes Werk THE GOLEM wurde für das Online-Portal Dred Central produziert und erzählt die jüdische Legende vom Golem und wie er in die Welt kam.
Im Litauen des Jahres 1673 wütet die Pest , auch den Sohn von Hanna hat der schwarze Tod geholt, seitdem vergräbt sich Hanna in heilige jüdische Schriften. Eines Tages überfallen Christen das jüdische Dorf und drohen es niederzubrennen. Hanna versucht ihre Gemeinde zu schützen, indem sie sich an einem alten Ritual versucht, der Erschaffung eines Beschützers, dem Golem. Das gelingt auch und aus dem Lehmklumpen entsteigt ein kleines Kind mit übernatürlichen Fähigkeiten, welches die barbarischen Eindringlinge vertreiben kann. Doch auch die Dorfbewohner scheinen nicht sicher vor der Macht des Kindes und so versucht die Gemeinde, den Golem wieder loszuwerden. Doch das will Hanna auf keinen Fall zulassen.
Endlich nimmt sich ein Genrefilm mal wieder der alten Legende um den Golem an, nach dem wegweisenden expressionistischen Stummfilm von Paul Wegener aus dem Jahre 1920. THE GOLEM ergründet diese Legende neu und erzählt eine wirklich tolle Geschichte mit neuen, glaubhaften Figuren und der dramatischen Tragik von Frankenstein oder Dracula. Das Script von Ariel Cohen ist superb, die Regie der Paz Brüder solide, aber zum Teil ein wenig pulpig. Mit geringem Budget holen Doron und Yoav Paz viel aus der spätmittelalterlichen Szenerie heraus, aber in dem Fall wünscht man sich fast ein paar mehr Schauwerte. Sei´s drum, THE GOLEM ist atmosphärisch, hat ein dramatisches Finale, gute Mimen und einen wirklich fiesen kleinen Lehmbengel.
FFFAZIT:
Interessante Neuinterpretation der Golem-Legende mit toller Geschichte und Figuren, aber zum Teil unnötig pulpiger Inszenierung und wenig Schauwerten, dennoch ein sehenswerter Mittelalter-Horrorfilm aus Israel.
THE GOLEM (ISR 2018) mit Alex Tritenko, Drehbuch: Ariel Cohen, Regie: Doron Paz & Yoav Paz
Epic Pictures
Director’s Spotlight: 2014 sorgte David Robert Mitchell mit dem Horrorfilm IT FOLLOWS weltweit für Furore, umso größer waren die Vorschusslorbeeren an sein Zweitwerk UNDER THE SILVER LAKE mit Andrew Garfield (THE AMAZING SPIDER-MAN). Mitchell aber pfeift auf Erwartungen und liefert statt einem neuen Horrorfilm eine surreal angehauchte Neo-Noir Krimikomödie im Stil von CHINATOWN und MULHOLLAND DRIVE, eine Liebeserklärung an Los Angeles und Hollywood in epischen 139 Minuten.
Sam (Andrew Garfield) hat nur noch wenige Tage Zeit, seine Mietschulden zu begleichen, doch statt das Geld aufzutreiben oder sich einen Job zu suchen, beobachtet er lieber seine geheimnisvolle Nachbarin Sarah am Pool. Kurz darauf begegnen sich beide tatsächlich in der Wohnanlage und kommen ins Gespräch, verbringen eine nahezu romantische Nacht zusammen und verabreden sich für den nächsten Tag. Doch als Sam an Sarahs Tür klopft, stellt er fest, dass die Wohnung komplett leer steht, einzig eine Pappschachtel mit einem Foto von Sarah befindet sich noch in einem Wandschrank. Nach ein paar mysteriösen Zwischenfällen spürt Sam, dass Sarahs Verschwinden in höchstem Maße suspekt erscheint und er begibt sich auf eine skurrile Odyssee durch L.A..
UNDER THE SILVER LAKE ist ein clever-verschachtelt angelegtes Puzzlespiel, eine irrwitzige Schnitzeljagd durch berühmte Orte und Wahrzeichen Hollywoods, mehr noch, durch ganze Dekaden Popkultur mit unzähligen Anspielungen auf Filme, Popsongs und Videospiele. Mitchell jongliert mit obskuren Verschwörungstheorien, erschafft Labyrinthe und generiert Rätsel, die man als Zuschauer genauso unbedarft und naiv wie Hauptfigur Sam entdecken darf. Eine Prise Polanski und Lynch sind unverkennbar, aber vor allem erinnert UNDER THE SILVER LAKE an Richard Kellys SOUTHLAND TALES. Doch im Gegensatz zu Kelly führt Mitchell die surreale Odyssee in UNDER THE SILVER LAKE zu einem grandiosen Finale, bei dem man sofort zurückspulen möchte, um es noch einmal zu erleben. David Robert Mitchells zweiter Film ist das, was PULP FICTION für Tarantino war – ein absolutes Meisterwerk.
FFFAZIT:
Mit seinem zweiten Film katapultiert sich David Robert Mitchell direkt in den Genrehimmel. Story, Cast, Inszenierung, Optik und Soundtrack lassen nur ein Urteil zu – ein Meisterwerk von Anfang bis Ende.
UNDER THE SILVER LAKE (USA 2018) mit Andrew Garfield, Riley Keough, Topher Grace, Drehbuch & Regie: David Robert Mitchell
Weltkino, ab 06. Dezember 2018 im Kino
1989 verwirklichten Produzent Charles Band und Regisseur David Schmoeller einen kleinen B-Movie Horrorfilm namens PUPPET MASTER, nicht ahnend, dass der Film ganze zwölf Fortsetzungen nach sich ziehen würde. 2018 ist es nun wieder soweit, Andre Toulon und seine Mörderpuppen sind zurück mit THE LITTLEST REICH, nach einem Drehbuch von S. Craig Zahler (BONE TOMAHAWK, BRAWL IN CELL BLOCK 99) und unter der Regie von Sonny Laguna und Tommy Wiklund (WE ARE MONSTERS).
Der frisch geschiedene Edgar kehrt in seine Heimatstadt zurück und findet im alten Zimmer seines Bruders eine interessant und vor allem teuer ausschauende Puppe, welche er auf einer Konvention zum 30. Jahrestag der Toulon-Morde gewinnbringend veräußern will. Zusammen mit neuer Schnalle Ashley und Comicfan Markowitz begibt sich Edgar auf einen Trip mit anderen Puppensammlern, bis während der Feierlichkeiten die ein oder anderen Teilnehmer plötzlich bestialisch zerhackstückelt werden. Es dauert nicht lang und der Verdacht reift, die Mörderpuppen waren es, gesteuert von einem unsichtbaren Strippenzieher.
Für Genrefans sprechen folgende Fakten: Nazi-Puppen, Udo Kier als Andre Toulon, Barbara Crampton, Handmade Splattereffekte, Brüste, Chestburster, sanfte Geburt, Pinhead, Junior Führer. Wer das alles innig herzelt, für den ist PUPPET MASTER: THE LITTLEST REICH ein Trashfest vor dem Herrn. Trotz all dem Splatterspaß, der vor allem von seiner liebevollen Effektgestaltung lebt, hätte das Drehbuch von S. Craig Zahler ein wenig unkonventioneller und die Regie von Laguna und Wiklund ein wenig dynamischer sein können. Im Kinosaal mit Gleichgesinnten sicherlich ein Heidenspaß, allein mit einem Kamillentee vor der Glotze allerdings ein wenig fad und vor allem nicht ganz so atmosphärisch wie manch anderer PUPPET MASTER Teil.
FFFAZIT:
Ultra-makabrer Nazi-Puppen Splatterspaß mit handgemachten Effekten und einer guten Portion Fanservice für den Trashfreund, aber auch spannungsfrei und nicht sonderlich atmosphärisch. Benötigt viel Bier und Gleichgesinnte.
PUPPET MASTER THE LITTLEST REICH (USA 2018) mit T. Lennon, Drehbuch: S. Craig Zahler, Regie: Sonny Laguna & Tommy Wiklund
Cinestate
Dean Devlin ist ein überaus erfolgreicher Drehbuchautor, auf dessen Konto Filme wie INDEPENDENCE DAY oder UNIVERSAL SOLDIER gehen. Letztes Jahr gab er sein Regiedebüt im Kino mit GEOSTORM, sein neuster Streifen ist ein paar Nummern kleiner, aber ein ordentlicher Home Invasion Thriller mit Dr. Who Star David Tennant als sadistischer Serienkiller sowie Robert Sheehan (MOONWALKERS) und Kerry Condon (THREE BILLBOARDS OUTSIDE EBBING, MISSOURI).
Die beiden Freunde Sean (Robert Sheehan) und Derek (Carlito Olivero) haben einen guten Job und einen noch besseren Nebenverdienst, als Parkplatzwächter eines Edelrestaurants kümmern sie sich um die Autos der Gäste, fahren diese aber zu den Heimen der Besitzer und räumen dort die Bude aus. Als ein gewisser Cale (David Tennant) großschnäuzig seine Autoschlüssel übergibt, scheint das ein gefundenes Fressen für die Kleinkriminellen. Doch im Haus des vermögenden Ekels wartet eine heftige Überraschung – eine in Ketten gelegte Geisel in einem Überwachungsraum. Robert ist tatsächlich in das Haus eines Serienkillers eingebrochen. Doch damit beginnt die wilde Hatz erst, denn Cale ist ein überaus cleverer Sadist.
Die Kritiken zu BAD SAMARITAN sind allesamt durchwachsen, schade, denn neben den Zerstörungsorgien aus der Feder von Dean Devlin macht dieser kleine Fiesling von Thriller eine ganz gute Figur. Devlin hat auch als Regisseur ein gutes Gespür für Timing und Thrill, mit David Tennant einen gut aufgelegten Fiesling und zwei wirklich bemitleidenswerte Kleinkriminelle. Aber nach der stylischen und spannenden Ausgangssituation mehren sich gen Ende die Logiklöcher, das Script schießt im Finale das ein oder andere Mal übers Ziel hinaus, unterhaltsam ist die Hetzjagd aber in jedem Fall.
FFFAZIT:
Fieser kleiner Thriller mit einem gut aufgelegten David Tennant als cleverer und sadistischer Serienkiller, dem am Ende leider ein wenig die Luft ausgeht. Trotz allem spannende Unterhaltung vom INDEPENDENCE DAY Autor.
BAD SAMARITAN (USA 2018) mit David Tennant, Robert Sheehan, Drehbuch: Brandon Boyce, Regie: Dean Devlin
Atlas Film, ab 05. Oktober auf Blu Ray & DVD
Fresh Blood: 2016 begeisterte Nicolas Pesce mit seinem Debüt THE EYES OF MY MOTHER. Bevor er 2019 die Genrefans mit einer Neuauflage von THE GRUDGE beglückt, drehte Pesce den kleinen, fiesen Thriller PIERCING mit Mia Wasikowska (STOKER) und Christopher Abbott (IT COMES AT NIGHT), der auf dem Sundance Film Festival Premiere feierte und im Fresh Blood Wettbewerb läuft. Wie in THE EYES OF MY MOTHER kombiniert er in PIERCING verstörende Absurdität mit elegischer Bildkomposition.
Nachdem er sich von seiner Frau und seiner kleinen Tochter für eine “Geschäftsreise” verabschiedet hat, geht Reed (Christopher Abbott) in Wahrheit einer düsteren Fantasie nach. Er checkt in ein Nobelhotel ein und ordert eine Edelprostituierte, um sie zu ermorden. Reeds Plan ist wohlüberlegt und gut vorbereitet, die Gerätschaften präpariert und alle Eventualitäten bedacht. Doch als die “Erwählte” (Mia Wasikowska) dann auftaucht, verläuft nichts mehr wie geplant. Was folgt, sind sadistische Machtspiele, ein Horrortrip auf LSD und eine blutige, abartige Romanze zwischen zwei gestörten Seelen.
Wie in THE EYES OF MY MOTHER mixt Pesce abgründige Extreme mit bitterböser Komik und kleidet das Ganze in betörende Bildkompositionen. Wasikowska und Abbott haben an dem bizarren Katz-und Mausspiel ihre helle Freude und je weiter die absurde Gewaltspirale sich dreht, desto skurriler werden Pesces Ideen. Leider ist nach weniger als 80 Minuten plötzlich Schluss mit dem Theater, obwohl der Spaß gerade auf dem Höhepunkt schien. Perfektes Ende oder Coitus Interruptus? Bin mir nicht sicher. Dafür betört aber auch im Abspann noch der Soundtrack mit einem Best-of Sampler von Dario Argento Werken der Band Goblin.
FFFAZIT:
Makabres Psychoduell in blutigster Zuspitzung, trotzdem macht es eine helle Freude, den beiden gestörten Seelen bei ihren Spielchen beizuwohnen. Optisch wie akustisch virtuos inszenierter Edelthriller der bösen Sorte.
PIERCING (USA 2018) mit Christopher Abbott, Mia Wasikowska, Drehbuch & Regie: Nicolas Pesce
Memento Film
TERRIFIED heißt der internationale Titel von Demián Rugnas argentinischen Beitrages ATERRADOS, der nach erfolgreichen Festivalläufen vom Streaming Service Shudder gekauft wurde. Zuvor darf er allerdings noch den Gästen des diesjährigen Fantasy Filmfests das Fürchten lehren, denn ATERRADOS ist ein überaus wirksamer Horrorschocker, bei dem es sich in der Gruppe gleich doppelt so gut gruseln lässt. Und die argentinische Antwort auf THE CONJURING weiß wahrlich alle Scarjumpregister zu ziehen.
Irgendwo in Buenos Aires lebt ein Ehepaar, in dessen Abflussrohren unheimliche Stimmen erklingen. Kurz darauf wird die Ehefrau des Hauses von einer unsichtbaren Macht angegriffen, der Ehemann dafür als mutmaßlicher Mörder festgenommen. Doch war das nicht der einzige Vorfall in der Gegend, im Nachbarhaus lauert eine kahlköpfige Gestalt unter dem Bett, vor einem weiteren Haus wird ein kleiner Junge überfahren, der am nächsten Tag seinem Grab entstiegen scheint. Diese paranormalen Zwischenfälle rufen eine Doktorin, ihren früheren Kollegen, einen Wissenschaftler und einen Polizisten auf den Plan, die die Vorfälle in der Wohngegend untersuchen wollen. Und die Nacht der tausend Schrecken nimmt ihren Anfang.
TERRIFIED beginnt ultrarasant wie THE CONJURING auf Speed, mit markerschütternder Soundeffektkulisse und heftigen Schocks. Die sprunghafte Erzählweise lässt den Film anfangs etwas episodenhaft wirken, aber schnell haben die Parapsychologen alle Fäden in der Hand und man ist einer wilden Jumpscare-Achterbahnfahrt ausgeliefert. In Sachen krachige Inszenierung macht Rugna niemand etwas vor, aus den Schocks könnte man gut 15 INSIDIOUS Filme schustern. So gut diese auch sind, so schnell nutzt sich das Schreckenspotential leider ab, denn wirklich gruselig ist TERRIFIED nicht, er setzt mehr auf “Boo!” denn auf Gänsehaut. Darunter leidet auch die Geschichte, die bis auf die coole Idee der Interdimensionalität fast nicht existent ist. Aber wer sich mal wirklich derb erschrecken lassen will, der ist bei Demián Rugnas Geisterbahnfahrt an der richtigen Adresse.
FFFAZIT:
Jumpscare Schocks im Minutentakt mit Zusammenzuckgarantie und fiese Ideen machen aus ATERRADOS eine wilde Horrorachterbahnfahrt. Story und Figuren bleiben dabei leider auf der Strecke.
TERRIFIED (ATERRADOS) (ARG 2017) mit Agustín Rittano, Elvira Onetto, Drehbuch & Regie: Demián Rugna
Shudder
Der einzige Genrebeitrag aus Deutschland auf dem diesjährigen Fantasy Filmfest heißt LUZ von Tilman Singer. Nachdem im letzten Jahr SCHNEEFLÖCKCHEN von Adolfo Kolmerer und Autor Arend Remmers ein Mindfuckfeuerwerk vor dem Herrn abgefackelt hat, gibt sich LUZ ähnlich verdreht und skurril, aber auf ganz andere Weise. LUZ lief bereits in der Sektion “Perspektive Deutsches Kino” auf der diesjährigen Berlinale und ist frisch für den First Step Award 2018 nominiert. Was also ist drin und dran an LUZ?
In einer regnerischen Nacht betritt die chilenische Taxifahrerin Luz ein Polizeirevier und stammelt wirre, verdrehte Worte aus dem Vater Unser. Zur gleichen Zeit betrinkt sich der Polizeipsychologe Dr. Rossini in einem Nachtlokal und wird von einer Frau namens Nora angesprochen, einer angeblichen Freundin von Luz. Als Dr. Rossini zu einem Verhör gerufen wird, bemächtigt sich Nora (oder was auch immer in ihr haust) dem Körper des Psychologen. Dessen Weg führt nun in das Polizeirevier, um die dort festgehaltene Luz zu verhören. Unter Hypnose rekapituliert Luz diverse Geschehnisse der jüngeren Vergangenheit, die sie letztlich in das Polizeirevier geführt hat. Aber kann man dem besessenen Psychologen trauen?
So gelesen klingt LUZ nach einem okkulten Psychothriller, aber so einfach macht es Regisseur Tilman Singer dem Publikum mit seinem Debütspielfilm nicht. LUZ ist eher ein kryptisches Theaterstück, gebannt auf 16mm Film, ein grobkörniger Rausch mit doppelten Boden. Dieser doppelte Boden wird hauptsächlich aus der Musik und dem Sounddesgin erschaffen, der in LUZ eine wichtige narrative Ebene einnimmt. Tilman Singer liefert keine Antworten, man hat immer das Gefühl, dass man die Geschichte unter dem Gesehenen selbst entdecken muss. Das ist in jedem Fall faszinierend, wenn auch wenig massentauglich. Dafür hat LUZ eine ganz eigene Ästhetik und Dynamik, ist mehrfach chiffriert und lädt zum wiederholten Anschauen ein.
FFFAZIT:
Kryptisches Mysteryschachspiel mit surrealen Ideen und genialem Soundstorytelling. Tilman Singers Filmexperiment fasziniert mit ungewöhnlichem Ansatz, dürfte für Genrefans aber zu arthousig sein.
LUZ (D 2018) mit Luana Velis, Jan Bluthardt, Julia Riedler, Drehbuch & Regie: Tilman Singer
Bildstörung
Fresh Blood: Aus Norwegen kommt das Spielfilmdebüt von Jonas Matzow Gulbrandsen, ein überaus atmosphärischer Mix aus Coming-of-Age Film und Mysterydrama, der auch als diesjähriges Centerpiece diskutiert wurde. Aber VALLEY OF SHADOWS ist einer jener Fantasy Filmfest Beiträge, der die Genrefans spalten wird, wie es in den Jahren zuvor auch INTO THE FOREST oder JAMIE MARKS IS DEAD getan haben – viel Stille um Nichts. Oder doch nicht?
VALLEY OF SHADOWS handelt von dem sechsjährigen Aslak, dessen drogenabhängiger Bruder kürzlich starb und der nun allein bei seiner depressiven Mutter lebt. Aslak verbringt viel Zeit mit seinem Hund und dem Sohn des Nachbarn, der Schafe züchtet. Eines Tages entdeckt Aslak eine Reihe gerissener Schafe, die Dorfbewohner vermuten Wölfe aus dem umliegenden Wald, aber Aslak und sein Kumpel verdächtigen ein Monster oder einen Werwolf hinter der grausigen Tat. So begibt sich Aslak eines Tages in den unheimlichen Wald auf Spurensuche, welche ihn zu den Abgründen seiner eigenen Ängste führt.
Eine Storygranate ist VALLEY OF SHADOWS nun wahrlich nicht, aber dem gegenüber steht eine wirklich bedrückende und unheimliche Atmosphäre, eingefangen in wunderschönen Bildern wie Stimmungen und einfühlsam getragen von Jungdarsteller Adam Ekeli. Natürlich geht es nicht um Werwölfe, sondern um die bildhaften Ängste eines verstörten Kindes innerhalb einer zerrütteten Familie. Während Aslaks Irrwegen durch die norwegischen Wälder findet Regisseur Gulbrandsen aber zum Teil wunderschöne Metaphern wie das treibende Boot oder das Ende, in dem Aslak das Monster Angst in sich auf eigene Weise zu bewahren versucht. Wer behauptet, es passiert rein gar nichts in VALLEY OF SHADOWS, der irrt. Aber dass nicht jedem dieser elegische, schwermütige und extrem langsame Film gefallen wird, ist auch mehr als verständlich.
FFFAZIT:
Beinahe stummes und extrem langsames Mysterydrama in edler Optik und einem einfühlsamen Jungdarsteller. Trotz grandioser Kulisse und Atmosphäre nicht das, was Trailer oder Klappentext verspricht.
VALLEY OF SHADOWS (NOR 2017) mit Adam Ekeli, Drehbuch: J. M. Gulbrandsen, Clement Tuffreau, Regie: J M. Gulbrandsen
Celluloid
Closing Night: Der letzte Film des diesjährigen Fantasy Filmfest wartet mit wahrem Horror auf. Zombies treffen auf Highschool Kids und die schlagen zurück mit einer Musicalrevue. ANNA AND THE APOCALYPSE beschert den Zuschauern ein waschechtes Weihnachtszombiemusical von Regisseur John McPhail mit einer Handvoll frischer, trällernder Jungstars. Die zuckersüße Mischung aus SHAUN OF THE DEAD und HIGH SCHOOL MUSICAL verlangt einem zum Festivalabschluss nochmal alles ab.
Kurz vor Weihnachten im beschaulichen Städtchen Little Haven. Während die anderen Kids das jährliche Weihnachtsstück proben, träumt Schülerin Anna (Ella Hunt) von Freiheit und Ferne. Anna will vor dem Studium nach Australien reisen, ihr bester Freund John (Malcom Cumming) auf die Kunsthochschule. Doch ihre Träume werden brüsk von einer Zombieapocalypse durchkreuzt, die nicht nur Little Haven, sondern die ganze Welt heimzusuchen scheint. Aus der Traum vom Abenteuerleben? Zusammen mit anderen Kids der Schule stellt sich Anna den umher schlürfenden Zombiehorden und zu jeder Notlage fällt ihnen ein passender Song ein.
Ich mag Horrorkomödien zum Festivalabschluss wie ATTACK THE BLOCK oder YOU’RE NEXT, auch die Zombiekomödie LIFE AFTER BETH entließ die Festivalzuschauer mit einem Grinsen. Als ultimative Steigerung gesellt aber nun ein Weihnachtszombiemusical dazu, kann das gut gehen? John McPhails Festivalhit bietet frische Gesichter, handgemachte Splattereffekte und ein paar wirklich coole Songs, wenn man sich vom ersten Trällerschock erholt hat natürlich. ANNA AND THE APOCALYPSE könnte der Guilty Pleasure des diesjährigen Filmfestes sein, aber dafür ist er dann doch zu einfach gestrickt. Jedes erdenkliche Musicalklischee wird hier nochmal durchgekaut, die zweite Hälfte krankt an durchgehender Plotlosigkeit. Ein paar Ideen und ein wenig echte Bissigkeit hätten es ruhig sein können. Schade eigentlich, denn sympathisch ist ANNA AND THE APOCALYPSE durchaus.
FFFAZIT:
Weihnachten, Highschool Kids, Zombies, ein Musical – ANNA AND THE APOCALYPSE ist genau das in der Summe, aber mehr auch nicht. Die Kids sind sympathisch und die Songs fetzig, der Rest ist eher einfallslos und wenig bissig.
ANNA AND THE APOCALYPSE (GBR 2018) mit Ella Hunt, Drehbuch: Alan McDonald, Ryan McHenry, Regie: John McPhail
Splendid Film ab 06. Dezember im Kino
That’s it, liebe Genrefan. Für mich stellt die 32. Ausgabe des Fantasy Filmfestes den besten Jahrgang seit Langem dar, Eröffnung, Centerpiece und Director’s Spotlight landen direkt in der Meisterwerkabteilung und über das Abschlussmusical komm ich auch drüber weg. Zusammen mit den Highlights der beiden Fantasy Filmfest Nights (A BEAUTIFUL DAY, THE ENDLESS, BRAWL IN CELL BLOCK 99, THE CURED) gibt es 2018 an der Genrefront absolut nichts zu meckern.
Nun heißt es darben bis zu den White Nights im Januar 2019, aber auch in den nächsten Monaten wartet ja noch das ein oder andere Horrorhighlight auf die Fanmeute (HALLOWEEN, SUSPIRIA). Leute, nochmal im Ernst, schaut euch unbedingt MANDY (01. November), UNDER THE SILVER LAKE (06. Dezember) und BORDER (Anfang 2019) im Kino an, diese Meisterwerke verlangen die große Leinwand. Bis dahin, einen schönen Genreherbst wünscht Traumfalter Filmwerkstatt.