Schönwetterscript
Script Development XX: Das Wetter im Film

Es herrscht wieder einmal Reizklima in der Misanthroposphäre. Abkömmlinge im Pariser Klimaabkommen, Feinstaub im Cola-Bier-Mischgetränk und Fipronil in jedem siebten Hühnerei. Schlagende Wetter. Da mach ich´s wie die Sonnenuhr, ich zähl die heiteren Stunden nur. Aber auch darauf ist kein Verlass mehr. Klebrige Schwüle unter der Beduinentracht, brennender Asphalt, die Felder verdörren, die Kartoffeln vorwiegend schrumpligkochend, die Katze checkt im Tiefkühlfach ein. Denn sie weiß, gleich kracht es. Dann türmen sich die Wolkenberge übereinander wie Königsberger Riesenklopse und die Superzelle wird zum Megazyklon.

 

Aus Wetter wird Unwetter. Eigentlich eine schöne Sache, wenn man nicht gerade unterm freien Himmelszelt lustwandelt. Man könnte Schutz suchen unter Bäumen, wenn man nur noch wüsste, welche man nehmen darf bei Gewitter. Soll man Buchen nun suchen oder verfluchen? Am Ende nützt alles nix. Denn ob’s schön wird oder regnet, hängt einzig und allein vom Wetter ab.

 

 

Wer kennt ihn nicht, den allseits beliebten Spaghettitornado aus WOLKIG MIT AUSSICHT AUF FLEISCHBÄLLCHEN

Genau, Wetter. Dieses sächliche, viel besungene Ding. Das gute Wetter ist weiblich, die Sonne, die kühle Brise, die Muggeligkeit. Dem gegenüber steht der Sturm, der Regen und der Hagel, schlechtes Wetter ist überaus männlich. Deswegen sagt man auch Miesepeter und nicht Miesepetra. Was aber hat das jetzt alles zu tun mit…ja, mit was eigentlich? Ach ja, mit Film.

 

Auch zwischen Film und Wetter bestehen Abhängigkeiten. Man sagt, gutes Wetter sei schlecht für´s Kino. Weil die da alle im Biergarten sitzen, sagt man. Aber wenn´s stürmt und schneit setzen die Leute auch keine Fuß vor die Tür, ein Dilemma. Kino geht also wohl nur bei Miesepeterwetter, wenn´s grau ist und deprimierend. Dann geht man gern ins Lichtspielhaus, um der Tristesse draußen zu entfliehen und schaut dann SCHINDLERS LISTE oder so. Dann ist alles wieder gut.

 

 

SINGING IN THE RAIN (1952)

Jetzt mal ohne Spaß. Wetter und Film, das ist so eine Sache. Das Wetter beeinflusst nicht nur den Kinobesuch, es wirkt sich auch auf den Film selbst aus. Um Wetterausprägungen kommt man nicht umhin, wenn man die echte Welt im Film abbilden will. Denn Wetter gehört zum Leben dazu. Und irgendein Wetter is ja immer. Zudem ist Wetter unberechenbar. Deswegen wird es für den Film zum Problemfall.

 

Denn das echte Wetter hält sich nicht an Drehpläne oder Dispo´s, es macht, was es will. Deshalb wird Wetter für den Film meist künstlich erzeugt, mit Maschinen oder Partikeleffekten. Doch ist diese technische Seite gar nicht so interessant wie die Wirkung von Wetter im Film.

 

 

 

 

Summer In The City, Winter In Kleinpösna

 

Doch auch wenn wir heute über dramaturgische Aspekte des Wetters im Film oder Drehbuch reden wollen, Wetter bestimmt auch die Platzierung von Filmen und Genres im Gesamtkinojahr. Es gibt den Begriff Sommerblockbuster. Ob dieser Begriff heute noch die gleiche Bedeutung hat wie in den 90er Jahren?

 

Denn dort war er besonders stilprägend. Aber vielleicht war das auch nur so ein Gefühl. Denn ich kann nicht mehr mit Gewissheit sagen, ob die Actionblockbuster des Sommers jene Atmosphäre vom Kinosaal nach Draußen transportierten oder umgekehrt. Ich erinnere mich an den Sommer des Jahres 1995, als ich im Berliner Zoo Palast STIRB LANGSAM – JETZT ERST RECHT gesehen habe. Im Vorspann Joe Cockers “Summer In The City”, New York ein aufgeheizter Moloch, die Luft flimmert, dann plötzlich explodieren Bomben in der Innenstadt.

 

Adrenalin und Schweiß: Der Actionheld rennt durch die hochsommerliche Großstadt, um fiese Bombenleger zur Strecke zu bringen – zum Beispiel in SPEED (1994).

Hochsommer, Großstadt, Action und Explosionen, irgendwie passt das gut zusammen. Das war in den Neunzigern aber auch noch eine andere Betrachtung. Zum Sommer gehörte der Actionblockbuster. Er hatte auch eine äußere Wirkung, wie eine Rückschau der Filmplakate jener Couleur aufzeigt. Dunkles Rot, fühlbar fiebrige Hitze, Schweißperlen auf sonnengebräunten Leibern, Explosionen. Wenn man aus STIRB LANGSAM – JETZT ERST RECHT kam, war man so elektrisiert, dass man am liebsten gleich das KaDeWe in die Luft jagen wollte.

 

 

 

Die Erfindung von Kunstschnee. Vor IST DAS LEBEN NICHT SCHÖN (1946) wurde Schnee mittels weiß angemalter Cornflakes realisiert – der Alptraum eines jeden Tonmeisters.

Im Winter hingegen muss es mollig sein. Winter, das ist die Zeit für Fantasy und Märchen. Auch eine Gefühlslage, aber genau darauf schielen wohl die Verleiher. Ein HERR DER RINGE im Juli passt nicht so gut, im Dezember hingegen vorzüglich. Filme mit Schnee und Christbaumschmuck funktioniert sowieso nur im Dezember, das is klar. Aber die Wetterfühligkeit der Kinobesucher ist auch ein Gradmesser für die Platzierbarkeit eines Films. Auch im Frühjahr und Herbst lässt sich dieses Prinzip anwenden.

 

 

 

Das ist wohl eher Prägung, zu unterschiedlichen Jahreszeiten hat man unterschiedliche Präferenzen. Es ist eine Art Wetterfühligkeit des Filmkonsumenten und ein ewiger Klimakreislauf. Im Sommer kracht es, im Herbst bestimmen Melancholie und zunehmende Düsternis das Kinobild, im Winter mag man es muggelig wie am Kamin mit einem guten Buch. Nur das Frühjahr inklusive des unbestimmten Wetters ist eine doofe Zeit, der April meist der umsatzschwächste Monat im Jahr.

 

 

Der berühmte ICE TWISTER ist soetwas wie der T-Rex unter den filmischen Wetterkapriolen

Aber auch ein Filmverleiher kann einen Film nur dahingehend platzieren, wo er denkt, den Menschen ob seiner filmischen Wetterfühligkeit abzuholen. Die Korrelation von Wetter und Stoff ist vornehmlich eine inhaltliche. Denn Wetter ist ein dramaturgisches Element des Films in unterschiedlichster Ausprägung. Wettererscheinungen im Film können verschiedenen Aufgaben erfüllen.

 

 

Das sind in erster Linie inhaltliche Faktoren, wenn Wetter thematisiert wird. Wovon wir aber heute nicht sprechen wollen, sind Filme, die Wetterlagen storytechnisch thematisieren. Das scheint nur auf den ersten Blick interessant, denn dreht man einen Film wie TWISTER um Tornadojäger, dann muss man seine Hausaufgaben machen, in Recherche und Abbildung des Wetterphänomens. Filme über extreme Wettererscheinungen behandeln wir zudem in der nächsten Kleinen Genrefibel um Naturkatastrophen. Im Film wie im echten Leben sind das eher Randerscheinungen. Das normale Wetter kann für das Storytelling viel schwieriger und vielschichtiger sein.

 

Wetterbedingt

 

Wenn das Wetter nicht Thema des Films ist, kann es zumindest die Geschichte beeinflussen. Für manche Autoren kann das Wetter ein Rettungsanker für das Storytelling sein. Denn es ist in gewisser Weise eine nicht steuerbare Fügung. Tauchen plötzlich Figuren aus dem Nichts auf, die dem Helden helfen, spricht man von einer unmotivierten, göttlicher Konfliktlösung, dem sogenannten Deus Ex Machina Prinzip. Dramaturgisch ist das immer heikel, denn eine solche Hilfestellung oder Verhinderung aus dem Nichts fühlt sich meist unnatürlich an. Auch das Wetter kann ein solcher Deus Ex Machina Moment sein, das nehmen wir aber als überaus natürlich hin. Denn der Mensch weiß, wie unberechenbar das Wetter sein kann.

 

So ist Wetter ein gutes Mittel, um verzwickte Ausgangslagen zu initiieren oder bestimmte Entwicklungen zu hemmen oder zu blockieren. In DER ZAUBERER VON OZ (1939) löst ein Wirbelsturm die Story aus, der Dorothy in das Land Oz bringt. Der Sturm setzt die Geschichte in Gang. In UND TÄGLICH GRÜSST DAS MURMELTIER hingegen ist ein (Un)Wetter der Grund, warum Meteorologe Phil in dem kleinen Kaff Punxsutawney festsitzt, der Highway ist gesperrt. Gleichzeitig befindet er sich in einer Zeitschleife und muss diesen Tag wieder und wieder erleben.

 

 

Wetterbedingt: Wetter beeinflusst Story, Dramaturgie und Figuren in UND TÄGLICH GRÜßT DAS MURMELTIER (1993)

Das Wetter als nicht steuerbares Element bewirkt hier, dass bestimmte Möglichkeiten für die Story nicht funktionieren, aber nicht zusätzlich motiviert werden müssen. Wetter begünstigt und Wetter verhindert so Storyelemente.

 

Wetterkapriolen haben Geschichten immens beeinflusst und sind doch so natürlich, dass man sie selten in Frage stellt. Bei aller Gerissenheit um eine clevere Story, es ist ein Blitz, der den Weg ZURÜCK IN DIE ZUKUNFT ebnet. Wetter ist auch ein Element des Schicksals. In L.A. STORY verrät eine Anzeigentafel in Hollywood dem Wetterfrosch Harris, dass das Wetter sein Leben zwei Mal verändern wird.

 

 

 

 

“Why does it always rain on me?” Wetterinszenierungen für den Hauptdarsteller in TRUMAN SHOW (1998)

Erst zeichnet Harry die Wettervorhersage vorab auf, natürlich sagt er Sonnenschein voraus, doch es regnet wie aus Kübeln. Daraufhin wird Harry gefeuert. Am Ende verhindert ein Sturm, dass Harrys Geliebte mit dem Flugzeug davonfliegt und stattdessen zu ihm zurückkehrt. Das Wetter kann dem Autor helfen, aus verschiedenen verzwickten Situationen zu entkommen.

 

Nun ist aber nicht jedes dramaturgische Problem mit einem plötzlich auftretenden Blizzard zu lösen. So wird Wetter für den Film meist eine andere Rolle zuteil, Wetter wird zum Hilfsmittel der Symbolik.

 

“God is in the rain”

 

Auch das ist meist treffsicher und passend, denn der Mensch hat das Wetter bereits weitestgehend personifiziert. Ein heraufziehender Sturm kann meteorologisch gemeint sein oder als Bild für nahenden Streit. Wir sprechen vom “Regen in die Traufe” kommen, von stürmischer Beziehung, Liebesflaute und dass jemand kuckt wie drei Tage Regenwetter. Wetter eignet sich hervorragend als Symbol und als audiovisuelle Verdichtung des Geschehens und der Charaktere. Im Wetter kann jede Menge subtropischer Subtext stecken.

 

 

In MAGNOLIA regnet es Frösche, in THE SHAWSHANK REDEMPTION ist der Regen ein Symbol der Freiheit. Der Sturm in TAKE SHELTER ist eine Metapher der Angst vor nahendem Unheil und der Unfähigkeit, dem entgegenzuwirken. Solche Beispiele funktionieren, wenn man Wetterlagen an metaphorische Bedeutungen koppelt. So stehen Stürme und Tornados für Chaos, Gewalt und Zerstörung, Schnee und Eis für Gefühlskälte, aber auch für den Tod oder Überleben, während Sonnenschein und Regen eine Vielzahl von Deutungen zukommen.

 

Regensymbolik in V FOR VENDETTA (2006)

Es gibt Filme mit wunderschönen Wettermetaphern und Symboliken, zum Beispiel in V FOR VENDETTA, in der ähnlich wie in THE SHAWSHANK REDEMPTION Regen als erlösendes Element inszeniert wird – “Gott ist im Regen”. Manche Metaphern sind gar nicht so einfach zu entschlüsseln. Regen kann für vieles stehen, für Erkenntnisgewinn, für das Abwaschen von Sünde, für Durchhaltevermögen. Nicht immer ist Regen mit einem negativen Bild verbunden.

 

Das gilt auch für Sonne und Hitze, was nicht nur Spaß und Wonne vermitteln kann. Drückende Hitze ist klebrig, man kann ihr nicht entfliehen. Das schürt die Dramatik von Figuren und Ereignissen. Der Erotikthriller weiß Hitze natürlich exzellent zu bebildern, denn Wetter bildet sich auf den Menschen ab. Man muss nicht das Wetter selbst zeigen, die Auswirkungen auf die Figuren sind entscheidender.

 

 

Hitze als Druckmittel in FALLING DOWN (1993)

Hitze bedeutet auch, dass ein Topf zum Überkochen neigt, wenn die Temperatur stetig steigt. Hitze wird so zum Pulverfass, wie in FALLING DOWN, der dieses Gefühl den ganzen Film durch lebendig bebildert und fühlbar macht. Die Auswirkungen sieht man vor allem im Gesicht der Figur Foster, den die Hitze innerlich zermürbt und dessen Druck sich jederzeit wie ein Gewitter entladen kann.

 

 

 

 

Schnee als Bindemittel in EDWARD MIT DEN SCHERENHÄNDEN (1991)

Ein wahrlich märchenhaftes Wetterbild mit tiefer Bedeutung steckt dagegen in EDWARD MIT DEN SCHERENHÄNDEN. Dort ist es Edward ob seiner Scherenhände nicht möglich, Dinge zu berühren, ohne sie zu verletzten. Das mag beim Wasserbett zwar ärgerlich, aber noch vertretbar sein. Aber niemals könnte Edward das Gesicht seiner großen Liebe Kim berühren.

 

So macht er, was er am besten kann, er schnitzt Eisskulpturen, unter seinen schnittigen Händen fliegen die Eiskristalle wie Schnee durch die Luft und setzen sich auf das Gesicht von Kim ab, die es wie eine Berührung von Edward empfindet. Der Schnee ist ein Vermittler zweier tragischer Figuren.

 

 

 

Nebel des Grauens

 

Wetter im Film kann Thema, Storyelement und Symbol sein. Darüber hinaus ist Wetter ein audiovisuelles Mittel zur Generierung von Atmosphäre. Ist Wetter deshalb besonders genreaffin? In gewisser Weise ja. Im Horrorfilm kommt Wetter eine besondere Aufgabe zu. Natürlich ist das entscheidende Element im Horrorfilm die Dunkelheit, bzw. die Nacht. Bis auf den Umstand, dass Nachts selten die Sonne scheint, macht Wetter keinen Unterschied bei den Tageszeiten..

 

Im Drehbuch allerdings vermerkt man nur die Location und die Zeit Tag oder Nacht. Wetter wird dann in der Szenenbeschreibung gesetzt oder sollte es zumindest.Auch ist es keine Ausrede, dass man Wetter nur im Draußen inszenatorisch beachten muss. Im Horrorfilm sind vor allem die audiovisuellen Auswirkungen von Wetter interessant, wenn Regen an die Fensterscheiben klatscht, es donnert und blitzt oder der Wind unheimlich pfeift. Diese Kulisse braucht man vor allem in geschlossenen Räumen und es macht das Szenario lebendig.

 

 

Regen als Katalysator in JURASSIC PARK (1993)

Unter freiem Himmel ist Wetter dann ein Feind oder ein zusätzliches Übel. Meist in Verbindung mit Dunkelheit verschärft das Wetter jede Horrorsituation. In JURASSIC PARK begegnen Zuschauer und Figuren den T-Rex in einer Regenszene. Der T-Rex ist streng genommen schon unangenehm genug, der Regen verschlimmert die Situation noch zusätzlich.

 

 

Blitze als Schlüsselelement in FRANKENSTEIN (1932)

Wetter hat viele Auswirkungen auf den Horrorfilm, neben der Atmosphäre und der Symbolik spiegelt das Wetter auch inhaltliche Belange. Ein FRANKENSTEIN wird mittels eines Blitzes zum Leben erweckt, in RETURN OF THE LIVING DEAD erwachen die Toten durch Gifte im saurem Regen.

 

Auch in SQUIRM ist ein Gewitter in Zusammenhang mit einem Strommast der Grund für eine tödliche Regenwurmplage. Der Nebel selbst ist wohl das Symbol klassischer Horrorfilme und wurde mit THE FOG sogar zum Namensgeber. In diese Richtung schielen auch WIND CHILL oder STORM WARNING. Und Horrorfilme in Eis und Schnee sind fast so etwas wie ein Kleinstgenre.

 

Tod durch Erfrieren in SHINING (1980)

Sonne und Hitze hingegen ist nicht wirklich ein Symbol für Angst und Schrecken. Es sei denn, von der Sonne geht eine ebenso große Gefahr für Leib und Leben aus wie vom fiesen Schlitzstrolch, siehe HELL. In diesem Fall verhält sich das erzählte Extremszenario aber nicht wie in einem postapokalyptischen Film, sondern erschwert das Überleben innerhalb eines Backwood- oder Survialplots.

 

Eine eher metaphorische Auswirkung hat Hitze im Film ANGEL HEART. Hier wühlt sich ein Privatdetektiv durch das klebrig schwüle New Orleans. Ob die Hitze ein Indiz für die Hölle ist, in die die Hauptfigur gerät und aus dessen Würgegriff sie sich kaum befreien kann?

 

 

Und nun die Wetteraussichten für Alpha Centauri

 

Man möchte meinen, der Fantasyfilm und der Science-Fiction Film sind ebenso wetteraffin wie der Horrorfilm. Im Bereich Fantasy ist das sehr nachvollziehbar, immerhin bestimmen Wildnis und Natur das Genre. Aber in Mittelerde herrscht meist auch mitteleuropäisches Klima, eine wirklich neue Rolle kommt dem Wetter in Fantasyfilmen nicht zu. In der Science-Fiction erkennt man das noch besser.

 

Bunte Wolken in VALERIAN (2017)

Man möchte meinen, der Fantasyfilm und der Science-Fiction Film sind ebenso wetteraffin wie der Horrorfilm. Im Bereich Fantasy ist das sehr nachvollziehbar, immerhin bestimmen Wildnis und Natur das Genre. Aber in Mittelerde herrscht meist auch mitteleuropäisches Klima, eine wirklich neue Rolle kommt dem Wetter in Fantasyfilmen nicht zu. In der Science-Fiction erkennt man das noch besser.

 

Eigentlich müssten fremde Planeten auch völlig neue Wetterlagen mit sich bringen. Doch bis auf die Ausprägung des postapokalyptischen Films ist das Wetter auf fremden Himmelskörpern ein zaghafter Spiegel des Erdenklimas. Einzig in VALERIAN sah ich kürzlich mal eine rühmliche Ausnahme, nämlich bunte Wolken. Mit Sicherheit gibt es in irgendeiner STAR TREK Folge auch ein interessantes nichtterrestrisches Wetter zu bestaunen. Aber Schwefelhagelkörner oder Säureregen sieht man in der Science-Fiction eher selten.

 

Allerdings hat sich die Science-Fiction auch inhaltlich mit dem Wetter oder besser der Wetterbeeinflussung befasst. So gab es im Film THE AVENGERS (gemeint ist aber die Kinoadaption der Serie MIT SCHIRM, CHARME UND MELONE) eine Figur namens Sir August de Wynter, der das globale Wetter beeinflussen wollte. Auch in einer AKTE X Folge nahm man sich diesem Thema an und das Wetter hat auch in Filmen wie X-MEN, HANCOCK, KINGSMEN oder INCEPTION eine Bedeutung.

 

 

Auffällig Ähnlichkeiten zwischen Quellcode und Niederschlag in MATRIX (1999)

Im Thriller und im Krimi scheint der Fall klar. Regen bedeutet auch immer Gefahr, in unterschiedlichster Ausprägung. Regen kann zum Beispiel auch Beweise vernichten, eine Flucht ermöglichen oder verkomplizieren. Aber es gibt auch Filme, die diese Vorzeichen zum Unbehagen des Zuschauers herumdrehen wie in David Finchers Film SIEBEN aus dem Jahr 1995.

 

Fast die gesamte Laufzeit des Films spielt in einer namenlosen, verregneten Stadt. Die beiden Helden Sommerset und Mills haben Schwierigkeiten, den Mörder im Dauerregen zu fangen. Doch dann stellt sich John Doe freiwillig und will buchstäblich Licht ins Dunkel der Ermittlungen bringen Das schockierende Finale von SIEBEN findet dann im Sonnenschein statt.

 

 

Invertierte Wetterfühligkeiten in SIEBEN (1995). Dauerregen während der Ermittlung…

…strahlender Sonnenschein im bitteren Finale

 

 

 

Spezifische Feuchte

 

 

Der Kuss im Regen

Eine ähnliche Verdrehung der Wetterfühligkeit kann man auch im Liebesfilm oder der Komödie beobachten. Natürlich gelten hier erstmal die Klischees, entweder ist alles eitel Sonnenschein oder die Beziehung ist verloren wie Tränen im Regen. Das kann man alles wunderbar mit der Einbeziehung des Wetters inszenieren. Aber Regen hat auch eine erotische Komponente (Stichwort: Wet T-Shirt Contest).

 

Der Kuss im Regen ist zum Beispiel ein vielzitiertes Bild und Regen eignet sich ja auch gut, um erhitzte Gemüter herunter zu kühlen. Zudem beeinflusst Wetter auch das Kostümbild. (Stichwort: Wet T-Shirt Contest)

 

 

 

 

So schön das Wetter als erzählerisches oder symbolisches Element im Film auch funktioniert, Wetter während der Dreharbeiten ist oft der Graus eines jeden Produzenten und Aufnahmeleiters. Das hat dann sogar bildliche Auswirkungen, wie oft ist eine nächtliche Straße im Film nass, lediglich aus Anschlussgründen. Denn das Wetter kann sich plötzlich ändern und dann hat man mal eine trockene, mal eine nasse Straße. Also gleich von Anfang an alles wässern, um Kontinuitäten zu wahren.

 

 

Quäle deine Figuren zusätzlich mit der Macht des Wetters!

So ist Wetter im Film in allen Gewerken ein Thema. Für den Autor ist Wetter seltener Fluch als Segen, denn Wetter kann Storywendungen und Figurenentscheidungen plausibel machen. Ein Autor muss aber auch etwaige Wetterlagen genau deklarieren, denn am Set müssen Effektspezialisten diese dann glaubhaft umsetzen. Nicht alles kann man nachträglich am Computer realisieren, digitaler Regen ist das eine, Kostümbild oder Maske etwas anderes. Auch macht Wetter eine Szene überaus lebendig, Figuren müssen reagieren und Wetterausprägungen in Mimik und Spiel spiegeln können.

 

 

Und wenn einem partout nichts einfällt, was man seinen beiden Hauptfiguren in den Mund legen soll, dann kann man sie immer noch über das Wetter debattieren lassen. Dafür ist dann auch kein Spruch zu dumm wie “Wenn die Finken kräftig schlagen, künden sie von Regentagen.” Oder die Drehbuchweisheit schlechthin: “Geht nicht auf das Wetter los! Wenn es sich nicht hin und wieder ändern würde, könnten neun von zehn Leuten kein Gespräch beginnen.”

 

 

 

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Christian Hempel | Autor, Dramaturg und Stoffentwickler | Gesslerstraße 4 | 10829 Berlin | +49 172 357 69 25 | info@traumfalter-filmwerkstatt.de