Welches Schweinderl hätten’s denn gern?
Script Development IX: Berufe im Drehbuch
Es gibt so Vieles, was einen tagtäglich bedrückt, sorgt, nervt oder auf die Gonaden geht. Ärger mit dem Vermieter, dem Finanzmakakentum, Individualterror durch Individualindividuen, harte, unstreichbare Butter. Doch am meisten drückt einem der Arbeitsschutzschuh. Die ganzen Sorgen um den selbstgewählten Beruf, das Risiko der Freiberuflichkeit und der damit verbundenen Ängste und Nöte, das kann einem schon mal den Festplattenspeicher blockieren. Dann sitzt man da und grübelt und grübelt, worüber man denn Schreiben könnte, doch nichts fällt einem ein. Ein Scheißberuf ist das! Wie vielen Autoren ging es bereits so, bis sie nicht anders konnten, als ihr eigenes muffiges Dasein, all die unerfüllten Hoffnungen und das Konglomerat an Sorgen in eine Figur, eine Geschichte, in ein Drehbuch zu pfropfen. Seltsamerweise eröffnet sich mir über diesen steinigen Gedankenweg eine Ideenpforte. Beruf, Job, der ganze Firlefanz ist eigentlich ein interessantes Thema innerhalb der Figurenentwicklung.
Hauptberuf oder Nebenjob?
Wenn man Figuren erschafft, dann bestückt man sie mit Eigenschaften, mit Hoffnungen, Sehnsüchten, aber auch mit Talenten und Spezialfähigkeiten. Meist spielt der Beruf der Charaktere bei diesen Überlegungen nur eine untergeordnete Rolle. Denn entweder ist der Beruf, den eine Figur ausüben wird, ein Resultat seiner Eigenschaften oder der Beruf ist eine Schablone für sein individuelles want und need. Für ein begnadetes Talent wird der Beruf dann schnell zur Berufung, woraus dramatische Geschichten entstehen können. Andererseits begegnen wir Figuren, die Berufe ausüben, welche viel über ihre Eigenschaften aussagen.
Bevor man sich also einen Katalog an Charakterzügen zusammenstellt, greifen viele auf einem schlichten Beruf zurück, der diese Wesenszüge bündelt, wenn auch im Klischee. Krankenschwestern sind dann schnell selbstlos und auch im Privatleben vom Helfersyndrom geplagt, Anwälte schmierig, Journalisten besessen, Polizisten korrupt oder unbestechlich, Zahnärzte bieder, Lehrer frustriert und Künstler von Selbstzweifeln zerfressen.
Grundsätzlich ist daran nichts falsch, denn ein Beruf kann einer Figur ganz selbstverständlich eine Fülle von Eigenschaften anheften, sie ohne großes Tamtam formen, unabhängig davon, ob es nur Klischees sind oder Vorstellungen um einen Beruf, der in der Realität ganz anders aussieht. Das Problem ist, dass der Beruf einer Figur im Drehbuch meist der Geschichte im Weg steht, so nicht der Beruf Dreh- und Angelpunkt ist.
Berufe für Figuren zu definieren ist ein schwieriges Unterfangen. Ein beliebtes Arbeitsinstrument eines Autors ist das sogenannte Figurenportrait, welches man entwirft, bevor man mit dem eigentlichen Schreiben beginnt. Eine Figur formt sich wohl meist zuerst im Kopf, dort aber ist sie noch fahrig, unbestimmt, wird meist von einer einzigen Eigenschaft bestimmt. Das ist gut so, denn diese Eigenschaft ist meist das Samenkorn der Geschichte. Doch noch befindet sich diese Figur im luftleeren Raum, völlig isoliert und von der Außenwelt abgeschnitten. Sie nun in die Realität der Geschichte zu pressen, egal ob in ein jetztzeitliches Drama oder eine Fantasygeschichte, verformt die Figur.
Das Problem ist, in Figurenportraits geschieht das nicht, solche Figurenportraits finden immer im luftleeren Raum statt, nicht in der Geschichte. Deswegen bin ich skeptisch über den Gebrauch solcher Portraits.
Einerseits ist es toll und wichtig, für eine Figur eine Biografie zu entwerfen. In solchen Portraits stehen dann eine Unmenge Fakten, die man der Figur anheftet. Die Figur ist hilfsbereit, rücksichtsvoll, zuvorkommend, steht auf Hulk Hogan und isst gerne Königsberger Klopse. Von Beruf ist diese Figur Arzt, wie es auch der Vater war, zu dem diese Figur immer aufgeblickt hat, Zeit seines Lebens.
Hat man sich solche Steckbriefe für seine Figuren gebastelt, scheint der Weg des Schreibens gut geebnet. Das aber ist ein Trugschluss. Denn ein Figurenportrait nützt einem für das Storytelling meist nicht das Geringste. Da hat man sich nächtelang einen tollen Beruf für seine Hauptfigur ausgedacht, nämlich Spielzeugreparateur, und dann bemerkt man auf Seite 42 seines Drehbuches, dass der Beruf der Figur in der Geschichte bislang überhaupt keine Rolle spielt.
Auch kam es noch nie zu einer Szene, in der der Protagonist Königsberger Klopse gegessen hat. Die Wahrheit ist, so ein Portrait einer Figur hilft einem kaum, eine Geschichte zu erzählen. Dabei sind kleine, vernachlässigbare Dinge wie eine Vorliebe für Klopse noch das kleinste Problem. Ich kenne aber Fälle, in denen ein Exposé oder eben ein solches Portrait von einem Beruf der Figur berichtete, ohne dass dieser im Drehbuch auftauchte oder relevant wurde.
Denn genau das ist das Problem, man gibt seiner Figur einen Beruf und stellt dann fest, dass die Geschichte, die man erzählt, außerhalb des Berufes stattfindet. Was nützt der Job von nine to five, wenn man eine Geschichte von durchtriebenen Nächten erzählt oder diese im Urlaub spielt. Das ist generell eine schwierige Sache, denn im Bereich Spielfilm ist Zeit begrenzt. Zudem ist Arbeitsalltag selten etwas, was die Geschichte voranbringt. Gleichzeitig wird für eine Geschichte viel zu viel Alltag ausgeblendet. Auch das Genre und das Thema beeinflussen die Berufswahl in einer Drehbuch. In Liebesfilmen scheint es einfach, weil bei der Partnersuche der Beruf eine Rolle spielt, in welchem Maße auch immer. In einem solchen Fall kann einem der Beruf auch szenisch ziemlich gut helfen, zu erzählen, wie sich die Figuren fühlen.
Ein verliebter Webdesigner, der auf seinem Bürostuhl Pirouetten dreht und auf die große Bahnhofsuhr starrt, bis es endlich zum Feierabend schellt. Ein Beruf kann zeitliche Aspekte wiederspiegeln, ein “Ich muss arbeiten!” formt eine Zeitspanne von ungefähr acht Stunden, dann gibt es Berufsverkehr, der Edeka schließt um acht und man hat kein Bier mehr im Haus. Dramen sind vorprogrammiert. Ein Beruf ist aber in allererster Linie eine soziale Komponente, für das Schreiben ein Konstrukt, um auf nachvollziehbarem Wege Menschen zusammenzubringen, damit die sich auseinandersetzen können, auch mit dem eigenen Job.
Beruf und Geschichte unter einen Hut bringen
Probleme treten vorrangig auf, wenn der Beruf eine eher untergeordnete Rolle innerhalb der Geschichte spielt. Dann kommt es leicht dazu, dass der Job reine Staffage ist. Aber auch wenn er nicht im Mittelpunkt einer Geschichte steht, der Filmtitel selbst eine reine Berufsbezeichnung ist, kann ein Beruf oder ein Job noch mehr aussagen als Status, Talent und Leidenschaft.
Kompetenzgerangel, Geld, Zukunftssorgen, Selbstverwirklichung, aber auch Selbstfindung, Ausbrechen aus dem Berufstrott, Lug und Trug, Hierarchien. Auch wenn vieles klischeebehaftet ist, unrealistisch ist es das alles nicht. Denn ein Arbeitsplatz ist eine Petrischale, auf der soziales Gerangel gedeiht. Filme über Büroarbeit spiegeln weniger faktische Arbeit als das sie ein einen sozialen Brennpunkt darstellen, in dem es zu Auseinandersetzungen kommt, die in eine Geschichte münden können. Dennoch scheint es eine Trennwand zwischen dem Beruf und der Geschichte zu geben, viele Geschichten bilden einen Beruf nur ab, als sie ihn zum zentralen Angelpunkt eines Konfliktes machen.
Dann gibt es zwei Extreme, einerseits einen außerordentlich auffallenden, ungewöhnlichen Beruf, der zum Teil nur daraus resultiert, dass der Autor Exotik in die Geschichte bringen will. Auf der anderen Seite schreiben Autoren gern über Dinge, die ihnen nahe liegen und die sie kennen. Das ist auch ihr gutes Recht und immer noch besser, als Figuren mit Standardberufen zu bestücken. Das hat aber dann auch zur Folge, dass jeder zweite Protagonist entweder selbst Autor, Journalist oder arbeitslos ist. Denn arbeitslos ist ja irgendwie auch ein Beruf. Viel wird auch gemeckert, dass es fast immer die selben Berufe sind, die für eine klare Schwarz-Weiß-Trennung herhalten müssen.
Ganz vorn dabei sind Architekten, Designer und Grafiker im Bereich Establishment, Unmengen an Kellnern, arbeitslose Schauspieler, Taxifahrer oder Drogendealer im anderen Extrem, selten Kfz-Mechaniker, Rechtsanwaltsgehilfen oder Fliesenleger. Denn hat man erstmal einen Beruf für seine Figur gefunden, dann erkrankt diese recht bald an den Folgeerscheinungen oder Trivialitäten jenes Berufes, weil man sich inzwischen gut daran gewöhnt hat. Klar hat das mit Dramatik zu tun, jemand, dem der Beruf zum Hals heraushängt, scheint mehr Spannungspotential zu haben als ein zufriedener Lochkartenstecher. Eine heroische Figur, die um jeden Preis der Welt “ihren Job gut machen will” ist auch dramatischer als jemand, der um achtzehn Uhr den Stift aus der Hand legt. Es ist wie gesagt recht schwer, Story und Beruf unter einen Hut zu bringen, wenn der Beruf keine tiefere dramaturgische Verwurzelung zur Geschichte aufweist. Aber genau da liegt auch Potential, denn man kann auch über den Beruf eine Geschichte zu Tage fördern.
Drogendealer gibt es unzählige in Filmen und Serien, aber einer der beliebtesten ist mit Sicherheit Walter White aus der Serie BREAKING BAD, der eigentlich Chemielehrer ist. Somit haben wir es bei BREAKING BAD mit zwei Berufen oder Berufungen zu tun, zwischen beiden besteht eine Verbindung, eine logische Konsequenz, die direkt zur Story führt.
Auch FACK JU GÖHTE ist so ein Beispiel, bei dem die Geschichte an den Beruf gekoppelt ist. Beide Fälle, so unterschiedlich sie auch trotz des Lehrerberufes sind, sind Beispiele, wo ein Beruf nicht nur etwas über den Charakter der Figur aussagt, ihr teilweise sogar widerspricht. Aber die Herangehensweise beginnt hier mit Überlegungen über den Beruf, nicht selten kann das in einer Logline ein gewichtiges Storyelement sein: Harmloser, schicksalsgebeutelter Chemielehrer fängt an, Crystal zu kochen, Kleinganove nimmt Lehrerstelle an, um an seine Diebesbeute zu gelangen.
Aus dem Beruf oder zumindest aus Berufsumständen kann eine Geschichte resultieren. Was dabei auch resultiert, sind andere Figuren, Schauplatz und zeitliche Aspekte. Hat man einen solchen Kern, geht vieles leichter von der Hand als in einer Geschichte um einen Protagonisten, der eben nebenbei arbeiten geht.
Es gibt Berufe, die initialisieren Handlung, körperliche Jobs, heroische Berufe wie Feuerwehrmann, Polizist, Sprengstoffexperte oder Kampftaucher. Andere Professionen lassen die Figuren leiden, an Selbstzweifeln, an Wissbegierde und an Forscherdrang. Berufe können Figurenmotoren sein. Man muss sich nicht als erstes die Frage nach dem Beruf stellen, in der Hoffnung, dass sich daraus eine Geschichte entwickelt. Aber genau diese Überlegungen können manchmal die Initialzündung schlechthin sein. Ein Museumswärter, ein Bestattungsunternehmen, Tatortreiniger, Tierdetektiv, welches Schweinderl hätten’ s denn gern? In manchen Berufsbezeichnungen steckt bereits eine interessante Geschichte.
Vom Haderlump zum postapokalyptischen Gameshow-Moderator
Geht man von der Realität entweder in die Vergangenheit oder die Zukunft, dann liegt es manchmal einfach so vor einem. Berufe, die heute nüchterner Alltag sind, erscheinen in der Vergangenheit plötzlich in einem anderen Licht. Gerade die Entstehung von Berufen oder ihre Anfänge sind spannende Geschichten. Ein Kriminalplot, der im Hier und Jetzt nur einer von vielen ist, kann vor hundert Jahren völlig neue Faszination entfachen. Die Geschichte der Verbrechensbekämpfung ist so ein Beispiel, wie auch sämtliche Sparten der Wissenschaft und Forschung.
Ich rede jetzt weniger von biografischen Geschichten um Physiker, Chemiker, Astronomen, Evolutionsforscher oder Komponisten. Der Film DIE HEBAMME mit Josefine Preuß und Axel Milberg, nebenbei bemerkt ein Trashjuwel, der mir sehr viel Spaß gemacht hat, beleuchtet die Anfänge der Hebammenkunst und ist deshalb spannender als in heutiger Zeit, weil sämtliche Umstände nun doch ein wenig anders waren. Das trifft auch auf DAS PARFÜM oder DER MEDICUS zu, historische Berufe und Figuren, die diese bekleiden, sind ein tolles Spielfeld für spannende Geschichten.
Auch der nicht mehr so geläufige Barbier wird dann eine interessante Figur, aber wohl nur deshalb, weil er seinen Beruf zur persönlichen Rache umstrukturiert, genau wie die Pastetenbäckerin, die mit jenem Barbier aus SWEENEY TODD eine makabre Verquickung beider Gewerke eingeht. Wenn man sich eine Liste an historischen Berufen zur Hand nimmt, von denen man vielleicht nur gut ein Drittel namentlich kennt, dann kann das ein interessanter Zugang zu neuen Stoffufern sein.
Denn die Vergangenheit gehört nicht wirklich den großen Helden der Zunft, die sich weniger durch Berufe als aus Berufungen heraus definieren. Ritter, König, Edelmann, diese Tätigkeiten beziehen ihre Faszination stärker aus dem Charakter der Figur, der sie für diese Profession empfiehlt. In MARY REILLY von Stephen Frears geht es zwar um den Mythos Dr. Jekyll & Mr. Hyde, das ganze wird aber durch die Augen des Dienstmädchens Mary (Julia Roberts) erzählt, eine interessante Perspektive, zudem noch sehr realistisch in der Schilderung dieses Berufsstandes. Nicht so realistisch, aber ungemein unterhaltsam ist das berufliche Treiben von BURKE & HARE, die sich als Leichenfledderer verdingen und tote Körper an wissensdurstige Mediziner verkaufen.
Während bei historischen Berufen größerer Rechercheaufwand nötig ist, ist die Zukunft der Zunft eine eher philosophische Betrachtung unter Zuhilfenahme der eigenen Phantasie. Ob es später wohl mal wirklich Polizisten und Richter in Personalunion geben wird (JUDGE DREDD), PreCrime-Cops Verbrechen vereiteln, bevor sie geschehen (MINORITY REPORT) oder Androidenjäger mittels Void-Kampff-Test echte Menschen von Künstlichen unterscheiden können (BLADE RUNNER), man wird sehen. Der beste Beruf der Zukunft für mich bleibt der Postapokalyptische Gameshow-Gastgeber.
Interessant ist es zudem, aktuelle Gewerke für die Zukunft weiterzuspinnen. Es gibt Berufe, die werden wohl nicht überleben. Wie lang wird es wohl noch Postboten oder Briefträger geben? Aber genau solche Überlegungen, wie Berufe in der Zukunft aussehen, können Geschichten entstehen lassen. Wie wird das Schauspielhandwerk wohl in fünfzig, sechzig Jahren aussehen? Habe ich darüber nicht schon mal geschrieben? Wenn der Status Star abgeschafft ist, weil jeder ein Star sein kann, jeder über Technik und Equipment verfügt, Schauspieler für private, personalierte Spielfilme vom Endkunden selbst gebucht werden können oder man selbst John McClane sein kann? Ist man da nicht schon mitten im Stoffentwicklungsprozess?
Im dem Film THE FINAL CUT spielt Robin Williams einen Cutter, der Erinnerungsaufnahmen nach dem Tod eines Menschen zu einer Art Best-of-Clip zusammenschneidet. Was für eine faszinierende Ausgangslage, die sofort weiter Überlegungen los tritt. In THE ISLAND gehen Klone, die nicht wissen, das sie welche sind, einem streng geregelten Arbeitsalltag nach, sind in Wahrheit aber nur lebende Organspender für die Upperclass. Und mittels Extraktion können Spezialisten Gedanken aus Träumen filtern, wie sie auch Gedanken einpflanzen können, so gesehen in INCEPTION.
Das gesamte Science-Fiction-Genre, welches sich durch wissenschaftlich-technische Belange als auch durch gesellschaftspolitische Aspekte definiert, ist zum Teil auch eine Überlegung bezüglich zukünftiger Berufe. Eine Raumschiffcrew beispielsweise ist ein Sammelbecken für Karrieren, Hierarchien und Kompetenzgerangel. Und selbst, wenn ein Schmugglerschurke wie Han Solo eher wie ein Abenteurer wirkt, auch er will für seine Dienste bezahlt werden.
Die Ladenhüter
Mag sein, dass Berufe nur einen anderen Glanz verströmen, wenn man sie in der Vergangenheit oder der Zukunft behandelt. In der Gegenwart sind Angestelltenverhältnisse dagegen recht bieder. Es sei denn, es handelt sich um den Status der Selbstständigkeit. Ein Autor, ein Schauspieler oder ein Musiker, daran sind immer große Hoffnungen und Zweifel geknüpft und eine Geschichte mündet häufig darin, ob jener Traumjob am Ende überhaupt fruchtet oder man wieder an Kasse Vier sitzt und der Barcodescanner qualmt. Es gibt aber auch eine Handvoll Geschichten, denen viel Potential inne liegt, weil sie einen nachvollziehbareren Traum erzählen, nämlich den vom eigenen Laden. Plattenladen ist doch klasse, eine Videothek sowieso, Frauen backen gerne Cupcakes, obwohl es gibt auch diesen Kuchenbäcker aus PUSHING DAISIES. Konnte der nicht Totes wieder zum Leben erwecken, inklusive verschimmelter Erdbeeren? Ein ziemlich guter Grund für eine Geschäftseröffnung, obwohl er mit dieser Fähigkeit schlecht bei einem Kreditgeber werben kann. Aber auch das ist ein guter Ausgangspunkt einer Geschichte.
Stattdessen scheint es so, als stünden sich die übrigen Plattelädenbesitzer und Videothekeninhaber den ganzen Tag die Beine in den Po. Es sei denn, jemand löscht aus Versehen sämtliche Videokassetten, worauf die jungen Inhaber jene Filme nachdrehen müssen, was wieder einen neuen Berufszweig eröffnet (so gesehen in BE KIND REWIND).
Das Schönste aber ist wohl eine eigene Chocolateria. Nein, der alte Buchladen in DIE UNENDLICHE GESCHICHTE, wo es nur Bücher gibt, die nicht pieppieppiepiep machen. Ach Mensch, ein eigener Laden, das hat schon was. Vielleicht hätte ich auch Schokolade statt dramaturgische Hilfe anbieten sollen? Oder Treatments mit Himbeeraroma…
Nicht zuletzt ist einer der beliebtesten Filmberufe, die sich ein Autor erdenken kann, wohl der Arbeitslose. Der Arbeitslose hat in jedem Fall Zeit, so dass sich eine Geschichte entwickeln kann. Solche Leute haben meist aber auch keinen Bock auf Trouble. Sind sie deswegen nun interessant oder undramatisch? Wenn sie einen Bademantel tragen, einen verfilzten Bart haben und ständig White Russian trinken, durchaus. Der Arbeitslose mag vielleicht wegen anderer Dinge interessant sein, als den Beruf, den er mal ausgeübt hat oder nicht. Aber auch ein Arbeitsloser ist von Berufsaspekten umgeben, ob er will oder nicht.
Denn daraus resultiert oftmals Witz und Schabernack. “Are you employed, Mr. Lebowski? You don’t go out looking for a job dressed like that? On a weekday?” Und der Dude antwortet: “Is this a… what day is this?” Schlimmer als arbeitslos zu sein ist aber das Praktikantendasein, welches filmisch bislang nur ganz selten thematisiert wurde. Selbst Rentner scheinen da interessanter. Insgesamt scheint es wohl besser, man hat einen Job. Kann auch nur Vermutungen darüber anstellen.
Wenn also der Beruf eine tragende Säule in einer Geschichte ist, hilft das einem als Autor oft, von Ast zu Ast zu springen. Hat der Plot wenig mit dem Beruf zu tun, scheint dieser sogar im Weg zu sein, dass man ihn gar nicht beleuchtet. Dabei kann auch ein sparsames, überlegtes “Unter-Vertrag-nehmen” für die Figuren sehr viel bedeuten. Als Paradebeispiel für den deutschen Film nehme ich wieder und wieder ABSOLUTE GIGANTEN zu Rate, der das für die drei Hauptfiguren super löst. Auch wenn die Geschichte nicht wirklich abhängig von den Berufen der Figuren ist, selten wirkt sie so homogen und unaufgeregt wie im Regiedebüt von Sebastian Schipper. Quasselstrippe Ricco (Florian Lukas) arbeitet in einer Imbissbude, kommt oft zu spät, diskutiert mit dem Chef, etc..
Walter (Antoine Monot, Jr.) schraubt in einer Kfz-Bude in Seelenruhe Autos zusammen und Floyd ist hin- und hergerissen zwischen seiner Bewährungsstrafe (auch eine Art Job) und der vermeintlichen Freiheit als Arbeiter auf einem Containerschiff. Obwohl die Drei ein Abenteuer in einer Nacht erleben, ihre Berufe oder Jobs sind ganz filigran und treffend für diese Figuren angelegt worden.
Das fühlt sich wahrhaftiger an als der Büroangestellte, der in seinem Drehstuhl sitzt, mit seiner Freundin chattet oder Däumchen dreht, als gäbe es im Büro nie etwas zu tun. Wenn der Beruf nicht im Mittelpunkt der Geschichte steht, man eine Figur aber durch den Beruf teilweise charakterlich definieren kann, dann sollte man das mit einer treffenden Szene realisieren, in der etwas konkretes passiert, anstatt langweilige Arbeitsroutine zu schildern, die in keinem Zusammenhang mit der Geschichte steht. Denn was nützt es einem, wenn man ein halbes Jahr Fakten rund um den Beruf Glasbläser recherchiert hat und die Hauptfigur dann in eine Geschichte geworfen wird, die vornehmlich nach Feierabend spielt.
[…] in unterschiedlichsten Zeiträumen und Lokalitäten, Figuren und deren Hinter- wie Beweggründe, Berufe und Berufungen, Dialoge, darüber hinaus Tools wie Titel, Untertitel, Loglines und Voice Over. Bleibt da noch […]