Dramaturgie und Storytelling sind zwei verteufelte Windhunde. In der Analyse von Filmen und Serien kann man dramaturgische Elemente herausfiltern und verallgemeinern, dann sind sie schön logisch und jeder findet sie dufte. Figuren, Motivationen, Kausalitäten, ganze thematische Kreuze werden freigebuddelt, muss man sie aber dann im eigenen Script anwenden, sträubt sich die Feder oft, fortzufahren. Obgleich wir hier in der Rubrik Script Development schon immer hart am szenischen Beispiel gearbeitet haben, gehen wir heute noch einen Schritt weiter ins Detail und beschäftigen uns mit einem kraftvollen dramaturgischen Mittel, welches den Unterschied zwischen Larifari und einer gut erzählten Geschichte machen kann – dem sogenannten “Planting and Payoff”. Wöllte man diese beiden Begriffe nur in trockener, verallgemeinender Lehrbuchtheorie betrachten, käme man nicht weit.
Licht. Du rätselhaftes Wesen. Wo kommst du her, du sichtbarer Teil des elektromagnetischen Spektrums? War früher wirklich alles dunkel, bis Gott sprach, es werde Licht? Man hat versucht, dich zu vermessen, man trug dich säckeweise in dunkle Rathäuser, aber du warst einfach nicht zu fassen. Bis dich Thomas Edison mit Hilfe von Elektrizität unterwarf und dich in Glühbirnen stopfte. Für teuer Geld, wohlgemerkt! In muffigen Großraumbüros aber war´s dir irgendwann zu langweilig, du wolltest berühmt sein, ein heller Stern am Broadway. So gingst du zum Film. Schwere Buben trugen dich von Set zu Set, du wurdest kilowattweise im Studio verstreut, auf geschminkte Gesichter geworfen und wieder eingefangen durch die Camera Obscura.
In der illustren Reihe “Script Development” haben wir uns bislang Drehbuchaspekten von allerlei Seiten genähert. Es gibt Geschichten und Plots in unterschiedlichsten Zeiträumen und Lokalitäten, Figuren und deren Hinter- wie Beweggründe, Berufe und Berufungen, Dialoge, darüber hinaus Tools wie Titel, Untertitel, Loglines und Voice Over. Bleibt da noch überhaupt noch etwas übrig im dichten Dschungel der Filmstoffentwicklung? Wer achtet auf die kleinen Dinge? Wenn Protagonisten morgendlich vor dem Spiegel stehen und sich Zahnpasta auf die Bürste schmieren, sich in ihre Klamotten zwängen und mit dem Rennrad zur Arbeit fahren, ihre Smartphones malträtieren, heimlich auf dem Klo Comics lesen und nach Feierabend ihren Setzkasten neu bestücken, da heißt es Obacht für Autoren wie Requisiteure.
Ich war, bin und werde es immer sein – ein bekennender Horrorfan. Aber was heißt das? Wenn man sagt, man liebt Horror, meint man für gewöhnlich Horrorfilme, wo es wohlig schaudert oder derbe splattatert. Aber die Faszination an Horror geht weit über bloßen Filmkonsum hinaus. Als Kind lauschte man Gruselgeschichten am Lagerfeuer, das war mitnichten ein Filmklischee. Nachtwanderungen im Ferienlager waren der letzte Schrei, in dunklen Wäldern, wo das Unterholz knackte. Nie werde ich die Schallplatte “Von einem, der auszog, das Fürchten zu lernen” vergessen. In staubigen Bodenkammern fand ich alte Bücher, las “Der Doppelmord in der Rue Morgue” von Edgar Allan Poe. Doch die entscheidende Begegnung mit Horror machte ich im Frühjahr 1990, als andere Kinder mit Lego spielten und tonnenweise Hanuta verdrückten. Die Wende brachte nicht nur Süßkram und Spielzeug in die Läden, sondern auch obskure Drehständer mit bunten, aber auch düsteren Heftchen.
Der Sommer nimmt leise Abschied und das ist auch gut so, denn frühe Dunkelheit, Herbstlaub und Schmuddelwetter sind des Genrefans Freund. Im September und Oktober starten endlich wieder ein paar Horrorfilme in den Kinos (SINISTER 2, THE VISIT, REGRESSION, CRIMSON PEAKS, STUNG) und plötzlich ist sie wieder da, die pure Genrelust, der es im Sommer einfach zu heiß war und die sich in eine dunkle Ecke verkrochen hat. Passend dazu geht es langsam wieder mit den Vorbereitungen zur GENRENALE 4 im Februar 2016 los, denn so ein Festival braucht Futter. Abermals ruft die GENRENALE nach aktuellen Genre- Kurz und Langfilmen mit professionellem Anspruch aus Deutschland, Österreich und der Schweiz. Da will ich gern mitrufen!
In der letzten Folge script development ging es gebackene Bohnen mit Speck. Es ging auch mal um das Verhältnis einer 180 Minuten VHS-Leerkassette zur Evolution des Neunzigminüters, um Figurenentwicklung mit Marzipanrohmasse und die Verwendung von ABBA-Songs im Drehbuch. Bloß nicht zu unkonkret werden! Kann sein, dass es den Eindruck hinterlässt, um den heißen Hirsebrei herumzureden. So habe ich mich lang geweigert, mal über ein Thema zu schreiben, welches wirklich von dramaturgischer Bedeutung ist – zum Beispiel über Drehbuchdialoge. Aber so wie ich mich kenne, wird das dieses mal auch wieder nix.
Nun sitze ich hier und suche einleitenden Worte, nachdem ich ein Brötchen mit Salami und Alaska-Seelachs-Brotaufstrich verdrückt habe, dazu ein Hilton-Ei in perfekter Wachs-Weichheit, garniert mit Salatgurkenscheiben, schlussendlich den ganzen Kladeradatsch mit Kaffee runtergespült und noch´n Nikotinpflaster als Nachtisch zerkaut, fertig. Fette, Kohlenhydrate, Eiweiße, Eigelbe, kaum nachweisbare Spuren von Vitaminen, Fuselöle, Aldehyde, das alles beginnt zu gären, kalte Fusion unter Zuhilfenahme von Säuerungsmitteln, Stabilisatoren, Gehirnnahrung, Diktat des Hypothalamus, Gravitation, Newton – dieser Spinner, dem is auch nix eingefallen, bevor ihm ein Apfel auf´n Kopp gefallen is. Er, also Newton, hatte zwar diesen kurzen hellen Moment, doch dann aß er den Apfel, ward satt und schlief ein. Den Rest hat er sich ausgedacht.
Erstmals fand auf der GENRENALE 3 eine öffentliche Pitchingveranstaltung statt. Neun Autoren stellten in vier Minuten ihre Genreprojekte vor, vom schwäbischen Supercop über ein vollautomatisches Altersheim der Zukunft, die Begegnung eines kleinen Jungen mit dem Tod, mysteriöse Gedankenübertragung, High-Tech-Träumereien und Found Footage, insgesamt ein breiter und interessanter Genre-Stoffpool, und auch ich hatte die Möglichkeit, mein Projekt PANOPTIKUM vorzustellen, eine etwas andere Horror-Anthologie. Abschließend zum GENRENALE-Special möchte ich das Konzept auch hier nochmal schriftlich pitchen.
Christian Hempel | Autor, Dramaturg und Stoffentwickler | Gesslerstraße 4 | 10829 Berlin | +49 172 357 69 25 | info@traumfalter-filmwerkstatt.de