Predestination
Unter hunderten Filmen, die es Jahr für Jahr nicht ins Kino schaffen und hierzulande nur direkt auf DVD und Blu ray veröffentlicht werden, kann man immer mal wieder wirklich tolle Sachen entdecken. Dazu gehört natürlich auch viel Fortsetzungsmüll, aber manchmal sind darunter Filme, die einfach aus dem Nichts auftauchen, von denen man im Vorfeld kaum etwas oder gar nichts vernommen hat und die vielleicht deshalb oft mehr überraschen als so mancher umworbener Blockbuster. Solche Direct-to-Disc-Filme gab es bereits in der goldenen VHS-Zeit, ich erinnere mich an GEGEN DIE ZEIT mit Johnny Depp, später dann BRONSON mit Tom Hardy oder DEFENDOR mit Woody Harrelson und was weiß ich noch alles. Darüber könnte man mal ein interessantes Special machen, aber genug des langen Vorworts. Soeben frisch in den Videotheken steht nun ein weiterer hochkarätiger Direct-to-Disc-Film – PREDESTINATION, ein Sci.Fi-Thriller, der sich klammheimlich an die Spitze der besten Zeitreisefilme geschlichen hat.
2003 debütierten die australischen Spierig Brother Peter und Michael Spierig mit dem illustren Zombiestreifen UNDEAD, der gar nicht so übel war und der beiden Filmemachern Türen zu Größerem öffnete. Doch auch ihr Zweitwerk DAYBREAKERS war mit 20 Millionen Dollar Budget eher ein Low Budget Werk in Hochglanz, leider nicht ganz so aufregend in Sachen Story und Erzählweise, auch DAYBREAKERS schaffte es in Deutschland nur in die Videothek. Nun inszenierten die Spierig Brothers eine Adaption einer Geschichte aus Robert A. Heinleins “All you zombies”, und zwar “Entführung in die Zukunft” und obwohl niemand wirklich damit gerechnet hat, ist ihnen mit ihrem dritten Spielfilm in allen Belangen ein ganz großer Wurf gelungen.
PREDESTINATION ist ein Zeitreisethriller und ein Mindfuck-Movie vor dem Herrn, was es mir schwer macht, über Story und Figuren zu schreiben, denn die größte Wirkung entfaltet der Film natürlich bei der völlig unvorbereiteten Erstsichtung. Andererseits ist es schwer möglich, die komplexe Geschichte überhaupt verbal wiederzugeben. Die ersten Minuten von PREDESTINATION versprechen aufregendes, visuell vorzügliches Science-Fiction-Kino, es passiert viel in diesen wenigen Minuten und man ist gespannt, was der Exposition folgt. Und gerade in diesem Punkt überrascht PREDESTINATION. Denn er fährt alle Sci-Fi-Geschütze zurück und beginnt eine scheinbar völlig andere Geschichte zu erzählen.
In den ersten Minuten lernt man Ethan Hawke als Zeitreiseagenten kennen, wenig später befindet man sich im Jahr 1970, Ethan Hawke ist Barkeeper und zapft Bierchen. An den Tresen setzt sich ein Mann, der mit dem Barkeeper um eine Flasche Whisky wettet, die unglaublichste Geschichte aller Zeiten erlebt zu haben. Dann beginnt er zu erzählen. In Rückblicken erfährt man von einem Waisenkind Jane, die hochintelligent ist und der eine Karriere in der Raumfahrt bevorsteht. Doch Schicksalsschläge verändern Jane, sowohl psychisch als auch physisch. Jane ist ein Zwitter, verfügt sowohl über weibliche als auch männliche Geschlechtsorgane und aus Jane wird John.
Rückblenden sind dramaturgisch schwierig, weil sie oft Fahrt aus der Geschichte nehmen. Aber manchmal gelingt das Kunststück und man wird durch eine Lebensgeschichte in einen erzählerischen Strudelsumpf gezogen. Genau das schaffen Peter und Michael Spierig. Ganze 45 Minuten erfährt der Zuschauer die Leidens- und Lebensgeschichte von Jane/John, aber es ist so fantastisch erzählt und bebildert, dass man völlig den Bezug dazu verliert, was man sich da eigentlich gerade anschauen wollte – nämlich einen Zeitreisethriller. Die Geschichte wandert vom Jahr 1945 in die sechziger Jahre, aber was das mit dem futuristischen Zeitreiseagenten Hawke zu tun hat, der Verbrechen in der Vergangenheit vereitelt und der einen Bombenleger sucht – PREDESTINATION schneidet sogar erfahrenen Zeitreisefans eine schnittige Fratze.
Die erste Hälfte der Geschichte besteht aus diesen Rückblenden, man spürt, dass das alles nur der Auftakt zu etwas viel Größerem ist und nach 45 Minuten kommt es dann auch zur ersten Zeitreise. Was dann folgt, ist ein Ereignissog, der nur deshalb so fantastisch funktioniert, weil eben jene ersten 45 Minuten die Basis für eine der komplexesten Zeitreisestorylines gelegt haben, ohne, dass man es dick aufs Brot geschmiert bekommen hat. Es ist wahrscheinlich die komplizierteste Zeitreisegeschichte ever, aber den Spierig Brothers gelingt es durch ihre klare Erzählweise, dass man ihr logisch folgen kann und genau das ungeheure Spannung generiert.
PREDESTINATION ist ein wahrer Killerfilm, der alles richtig macht. Toll fotografiert und ausgestattet, tolles schlichtes Design und ein guter Schuss Film Noir Ästhetik. Großartige Musik, toller Schnitt, aber vor allen Dingen ist die Besetzung hervorragend, klar, Ethan Hawke vergöttere ich, der wahre Star des Film ist aber Newcomer Sarah Snook in einer doppelbödigen Doppelrolle als Frau und Mann.
Snook füllt ihre Figur mit so viel Herz und Schmerz, alles weit weg von Kitsch oder überzogener Duseligkeit. Die zweite Filmhälfte springt von einem “What the Fuck” zum anderen und auch ich als erfahrener Spurenleser wurde vom finalen Twist endlich mal wieder richtig überrascht.
Wer eine raffinierte Zeitreisegeschichte sucht, die irgendwo zwischen Film Noir, Kubrik, GATTACCA und Philip K. Dick verortet ist, darf sich PREDESTINATION nicht entgehen lassen. Selten war Science-Fiction-Kino, welches nie eine offizielle Kinoleinwand gesehen hat, so faszinierend, so spannend wie emotional erzählt, mit tollen Figuren, Akteuren und jeder Menge cleverer Kopfnüsse.
- Sarah Snook
- Komplexes Zeitreiseparadoxon…
- …glasklar und visuell erzählt
- Eine Prise Film Noir
- schlichtes, edles Design
- erzählerisch unkonventionell
- tolle Musik und Schnitt
- Cleverer Twist
- Geigenkoffer-Zeitmaschine
FAZIT:
Überraschung! In allen Punkten ist PREDESTINATION ein fantastischer Zeitreise-Trip mit Stil und Köpfchen. Am besten zweimal hintereinander schauen!
PREDESTINATION, AUS 2014, Regie: The Spierig Brothers, Drehbuch: Michael & Peter Spierig
Für Fans von GATTACCA, TIMECRIMES & BUTTERFLY EFFECT
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