Ninety Minutes Magic
Script Development XI: Filmlänge & Zeitempfinden
Hey, ein gesundes neues Jahr Euch da Draußen! So, jetzt ist aber mal genug der langen Vorrede. Wir wollen uns mal wieder mit der Zeit im dramaturgischen Kontext beschäftigen. Das haben wir bereits einmal getan, nämlich in Script Development II: Clock Is Ticking Fast, doch ging es da um erzählte Zeit innerhalb der Geschichte. Zeitliche Aspekte sind beim Film aber nicht nur von inhaltlicher Bedeutung, sondern auch struktureller Natur. Filme, das sind endliche Objekte mit einer bestimmten Laufzeit. Es ist nicht so, dass szenisches Erzählen am Ende einen Film mit einer ganz bestimmten Länge resultieren lassen. Das kann natürlich passieren, aber die Länge eines Films ist im seltensten Fall einfach nur die Summe einer minutiösen Additionsaufgabe. Die Länge eines Spielfilms ist auch eine Charakteristika. Kurzfilm, 90minüter, Überlänge, Dreistundenschwarte – heute wollen wir uns damit beschäftigen, was es mit diesen Zeitschablonen im Film auf sich hat. Irgendjemand muss sich das doch ausgedacht haben.
Im Bereich Script Development bleibt die Frage nach der Länge eines Films anfänglich natürlich am Autor hängen. Denn ein Drehbuch ist, so es strukturell einer Norm entspricht, ein Indikator für die Laufzeit des jeweiligen Films. Nicht immer, aber fast immer. Doch auch beim Drehbuchschreiben ist es selten so, dass die letztgeschriebene Drehbuchseite den Film zeitlich festnagelt. Grundsätzliche Überlegungen, wie lang dieser oder jener Film werden könnte, passieren schon wesentlich früher im Entwicklungsprozess, oder sollten es zumindest. Für einen Autor ist die limitierte Länge seines Drehbuches immer eine unangenehme Angelegenheit. Aber bevor wir zu den Schwierigkeiten des Schreibens kommen, gehen wir erstmal von Seiten des Konsumenten an die Materie heran. Denn im besten Fall ist ein Drehbuchautor beides, Autor und Konsument.
Es soll Autoren geben, ich will keine Namen nennen, aber die beharren darauf, dass ihre Geschichte, ihr Film, eben so lang ist, wie er ist, weil er es sein muss, weil die Geschichte eben so ist und weil es eben so ist, wie es ist, Punkt. Dies alles würde gar nicht so süffisant von oben herab klingen, wenn Konsumenten ähnlich denken würden. Natürlich tun wir das, wir Konsumenten und Filmliebhaber, jeder Film ist nun einmal so lang wie er ist und das ist erstmal gut so. Gemeckert wird hinterher. Aber das stimmt eben nur zum Teil.
Ich beispielsweise, Autor UND Konsument, stehe manchmal vorm Videothekenregal und unter bestimmten Umständen ist da die Länge eines Filmes durchaus ein Kriterium, sich diesen Film auszuleihen und jenen nicht. Da ich viele Filme im Vorfeld irgendwie kenne, Genre, Geschichte, Besetzung, Stab, etc., fällt mein erster Blick zuerst auf die Rückseite, auf der meist in ganz winziger Schrift die Länge angegeben ist – 179 Minuten BLAU IST EINE WARME FARBE, darauf hatte ich lange Zeit wenig Lust, trotz Léa Seydoux. Eigentlich müsste man frohlocken und jauchzen: “179 Minuten mit Léa Seydoux sind eigentlich noch viel zu kurz!”, aber die Wahrheit ist, nicht immer hat man Bock auf überlange Filme. Was ich mir dann oft und gern anschaue, sind die profanen Neunzigminüter, diese DIN-Filme, diese anderthalb Stunden, deren Dramaturgie man inzwischen ganz gut verinnerlicht hat. Und irgendwo muss es ja herkommen, dass 90 Minuten sowas wie den Mercedes Benz unter den Filmlängen darstellt.
Das Material ist flach…
…und ein Film dauert 90 Minuten, so eine alte Filmemacherweisheit. Stimmt aber nur bedingt. Ein 90-minütiges Fußballspiel wird, von der Halbzeit mal abgesehen, zeitlich ganz anderes wahr genommen als ein Spielfilm gleicher Länge. Rippchen brauchen 90 Minuten im Backofen, Traumphasen wechseln sich alle 90 Minuten mit Tiefschlafphasen ab und in 90 Minuten umkreist die Internationale Raumstation einmal die Erde. Was ist da dran, an diesen exakt 5400 Sekunden Film mit einer räumlichen Länge von 2470 Metern Filmmaterial? Warum diese 90 Minuten Filmmagie?
Für die Standardisierung von neunzig Filmminuten gibt es einen Berg von Mutmaßungen und Hintergründen, überall steckt ein wenig Wahrheit drin, aber so ganz eindeutig ist das gar nicht zu beantworten. 90 Minuten Film, das ist so, weil im TV nun mal die Sendeplätze eine solche Zeitspanne einnehmen, hab ich mal gelesen. Doch was war eher da, der Film oder der Sendeplatz, das Huhn oder das Ei? Doch reden wir hier mal nicht über das Fernsehen mit festen Sendeplätzen und Zeitslots. In ähnliche Richtung zielen Vermutungen, es hat traditionell etwas mit der Vorführtechnik zu tun, die Länge der Filmakte oder die Größe eines Filmtellers. Sicherlich hat das die Entwicklung zu heutigen Längenformen beeinflusst, aber ich bezweifle, dass solche Fragen im großen Stil von technischen Belangen diktiert wurden. Auch hat die Entwicklung einer 180 Minuten VHS-Leerkassette nicht wirklich die Evolution des Neunzigminüters beeinflusst, sondern war eher eine Folge dessen.
Die Geschichte der Filmlänge ist gar nicht so kompliziert. Sie ist aber auch nicht eindeutig. Ganz zu Beginn der Filmwirtschaft bestimmten sogenannte Einakter die Vorführungen. Filme gingen dementsprechend auch nur 10 – 15 Minuten. Erst durch technische Fortschritte wie das Überblenden zwischen zwei Projektoren konnte die Filmlängen erhöhen, was Anfang des 20. Jahrhunderts einen entscheidenden Schritt ermöglichte – hin zum abendfüllenden Spielfilm. Dieser Wunsch war auch deshalb so präsent, weil man liebend gern Weltliteratur verfilmen wollte, das aber unter dem Längenaspekt schwierig zu realisieren war.
Das Kino stand seinerzeit in Konkurrenz zum Theater. Dort gab es abendfüllende Vorstellungen bis zu mehreren Stunden, was sich auch in den Ticketpreisen spiegelte.
Es gibt heute keine einheitliche Regelung, was ein abendfüllender Spielfilm oder auch Feature Film für eine Minimallänge haben darf. Die Academy of Motion Picture Arts and Sciences (AMPAS) verlangt, dass ein Feature Length Motiuon Picture eine Laufzeit von mindestens 40 Minuten haben muss. Grundsätzlich ist es so, dass ein Film mit seiner Länge ein Abendprogramm füllen sollte. Doch es gibt Vereinigungen, die das ganz anders definieren, nämlich ab einer Länge von 58 bis 80 Minuten. Früher habe ich auch mal 74 Minuten als Kriterium für einen abendfüllenden Spielfilm gelesen. Ob das jemals Bestand hatte? Ich bezweifle es heute, denn es gab schon immer abendfüllende Spielfilme, die zwischen 60 und 75 Minuten Laufzeit pendelten. Worauf kann man sich nun also einigen? Der erste narrative Spielfilm war THE STORY OF THE KELLY GANG aus dem Jahr 1906 mit einer Laufzeit von 60 Minuten. Klingt gar nicht so schlecht.
Ein Maximum der Laufzeit hingegen ist nicht wirklich existent. Die extremsten Auswüchse sind auch nicht sonderlich aufschlussreich für eine generelle Betrachtung. So hat der Film CINÉMATON von Gérard Courant eine Länge von 9120 Minuten, doch ist CINÉMATON eher ein Experimentalfilm als eine klassische Erzählung. Solche Extremlängen finden sich eher in filmischen Installationen oder Kunstwerken. Schauen wir deshalb lieber auf narrative Spielfilme, die jede zeitliche Norm sprengen. Das sind vor allem die großen Monumentalschinken von CLEOPATRA über BEN HUR, DIE ZEHN GEBOTE oder LAWRENCE VON ARABIEN. Dass große Geschichten von epischen Ausmaßen mehr Zeit in Anspruch nehmen, scheint klar.
Minutenfeilscherei
Auch Adaptionen und Literaturverfilmungen wie GONE WITH THE WIND erzählen in ausgelassener Breite und Länge. Andersherum gesehen, wenn man sich an die Verfilmung einer Literaturschwarte macht oder eine historische Begebenheit verfilmt, wird man wohl häufig auch einen langen Film entwickeln. Nicht zuletzt ist eine stattliche Länge auch etwas, was einen Film zu einer gewissen Epik verhilft. Und man kann auch argumentieren, dass man für sein Geld einfach mehr Film bekommt und das kann so schlecht ja nicht sein. Zwei ganz treffende Beispiele laufen derzeit noch im Kino. Zum einen EXODUS, die Geschichte um Moses und Ramses und den Auszug der Israeliten aus Ägypten, ein Thema, was sich schwierig in 90 Minuten abfrühstücken lässt. Auf der anderen Seite hat der letzte HOBBIT-Teil DIE SCHLACHT DER FÜNF HEERE gerade mal eine Laufzeit von 144 Minuten. 144 Minuten, das scheint beinah zu kurz für einen epischen Abschluss einer epischen Trilogie.
Länge als solche wird nur in wenigen Fällen positiv aufgenommen. Beim Hobbit teilen sich beispielweise die Gemüter in zwei Parteien, jene, die gern und immer wieder in Mittelerde verweilen und auch noch längere Extended-Versionen konsumieren, andere wiederum stöhnen ob der Langatmigkeit bereits in der Kinofassung. Nun sind die Verfilmungen der Herr-der-Ringe- oder der Hobbit-Bücher nicht wirklich plot driven, sie entführen in das Verweilen in einer fantastischen Welt. Science-Fiction oder Fantasystoffe bieten zudem audiovisuell-aufregende Actionsequenzen, die ein ganz anderes Pacing und somit eine längere Laufzeit resultieren lassen. Das macht sich auch im Drehbuch bemerkbar oder besser gesagt, eher nicht, denn Actionszenen werden im Script relativ nüchtern und kurz abgehandet.
Im Gegensatz dazu gibt es kaum Horrorfilme oder Thriller, die Überlänge haben. Hat vielleicht das Genre doch mehr mit der Laufzeit eines Films zu tun. Schon irgendwie, aber es ist nicht das Genre an sich. Thrill, Spannung oder Nervenkitzel, das sind alles Elemente, die von der Zeit abhängig sind, sowohl von der erzählten Zeit innerhalb der Geschichte als auch von der Gesamtlänge. Horrorfilme erzählen beispielsweise eine sehr verdichtete Zeit, spielen in einer Nacht oder an einem Ort. Es gibt weniger Zeitsprünge, denn der Fokus des Interesses liegt auf der Figur, die etwas durchleidet. Diese Kompaktheit führt am Ende auch zu einer relativ kurzen Laufzeit – sollte sie zumindest. Doch wo es bei einem epischen Stoff vielleicht egal sein mag, ob er 145 oder 155 Minuten geht, fällt der Unterschied zwischen 90 und 100 Minuten bei einen Spannungsstoff markanter auf.
Was nützt einem das jetzt beim Drehbuchschreiben selbst? Alles! Denn die größten Lerneffekte resultieren aus der Analyse. Ich selbst war früher verzweifelt, die Länge eines Films respektive Drehbuches war eher ein Grund zum Fürchten. Es darf ja nicht zu lang werden, da meckern Produzenten. Zu Recht, denn es gibt Argumente, die für oder gegen bestimmte Filmlängen sprechen. Warum es so wenige überlange Filme gibt, hat durchaus wirtschaftliche Gründe.
Man muss kein Milchmädchen fragen, aber ein Film mit 90 Minuten Länge ist wohl etwas billiger als ein 180-Minüter. Früher lag das zu großen Teilen am Filmmaterial, welches teuer zu erstehen und zu entwickeln war. Das Problem ist durch digitales Filmen zwar ein wenig entschärft, aber der Rattenschwanz bleibt, es bedarf doppelter Zeit, doppelter Bearbeitung, doppelter Anstrengung und am Ende hat man leider halbierte Auswertungsmöglichkeit. Man kann einfach weniger Vorstellungen bespielen mit einer Drei-Stunden-Schwarte. Man kann vielleicht positiv bemerken, dass so ein Film an der Kinokasse weniger schnell verbrennt. Ein TITANIC hielt sich monatelang in den Kinos, ist wohl aber eher eine Ausnahme.
Doch gibt es auch psychologische Faktoren. Eine davon ist ein wenig Mumpitz, meiner Meinung nach. Oft liest man, dass ein Film deshalb so oft und gern 90 Minuten geht, weil das Gehirn des Menschen wohl nicht länger aufnahmefähig sei. Wir kennen das aus Mathematik-Doppelstunden, aber bei Film? Ich glaube, ich kann einen neunzigminütigen Film ebenso aufmerksam erfassen wie einen Film von zwei oder drei Stunden Länge. So ein Gehirn schaltet nicht einfach ab. Dennoch, ganz unwahr ist diese Behauptung nicht. Wenn man wie ich unzählige Filme schaut, von denen wiederum unzählige 90 Minuten lang sind, kann man tatsächlich gewisse Dinge an sich feststellen.
Die Delle der Aufmerksamkeit
Wenn ich einen 90-minütigen Film schaue, dann gibt es eine Stelle, an der ich die Faden des Interesses ein wenig verliere. Es ist der Moment, an dem man sich eine Zigarette anmacht oder an einer Bulette kauen möchte. Vielleicht muss man aber einfach nur auf die Toilette oder schaut mal auf sein Smartphone, egal, weil mir das aufgefallen ist, habe ich versucht, das zu analysieren. Wann immer ich beim Genuss eines Neunzigminüters auf diesen Moment der Ablenkung traf, habe ich mit die Stelle der Laufzeit des Films notiert. Erschreckend, denn dieser Moment ist fast immer exakt bei einer Stunde. Beim 90-Minüter wohlgemerkt, bei einem Film von zwei Stunden, also 120 Minuten Länge, liegt dieser Punkt etwas weiter hinten, so bei 1 Stunde und 15 Minuten. Zunächst kann man erkennen, für das Erreichen dieses Punktes ist nicht allein die verstrichene Zeit verantwortlich, auch die Dramaturgie.
Bei Genrefilm, insbesondere beim Horrorfilm, geht auch die Filmhandlung nach ca. 60 Minuten in eine Phase der kurzen Entspannung. Bei Neunzig Minuten Film ist das ein Ergebnis einer Drei-Akt-Struktur vor dem letzten Drittel. Wenn man sich darüber bewusst ist, dass diese Wirkung wohl ganz allgemein Viele erreicht, kann man im Entwicklungsprozess oder beim Drehbuchschreiben vielleicht gegensteuern. Was passiert oft beim Horrorfilm nach einer Stunde? Der geschundene Held hat eine kurze Ruhepause, die er für das Finale braucht. Wenn man auf Seite 60 seines Drehbuches angekommen ist und sich und seinem Held eine solche Pause gönnen will, kann man das ob dieses Wissens auch mal sein lassen. Doch das gelingt selten, weil man die Geschichte biegt und das nicht der Geschichte wegen. Es gibt einen besseren Weg.
Ich persönlich mag dieses Konstrukt 90 Minuten. Vieles liegt dabei an einer gewissen Gewöhnung, einen 90-Minüter hat man über die Jahre einfach gelernt, zu erfassen. Es ist nicht umsonst die präsenteste Filmlänge. Ich mag Neunzigminüter. Aber mehr noch mag ich noch kürzere Filme. Für einen Spannungsstoff halte ich 74 bis 85 Minuten für die perfekte Länge.
Es gibt einige Filme, die kurz und knackig sind, aus verschiedenen Gründen. Animationsware ist kurz, weil sie für ein jüngeres Publikum gemacht ist und auch deswegen, weil jede animierte Filmminute schweineteuer ist. Viele Debütfilme sind kurz, denn sie sind riskant. Filme von bestimmter dramaturgischer Machart verlangen Kürze, wie etwa REC oder PARANORMAL ACTIVITY, die aus Found Footage oder Videoüberwachungsmaterial bestehen. Vor allem aber sind High-Concept-Filme oft kurze Werke, denn sie spinnen eine klare Sache in ihrer Konsequenz aus. NICHT AUFLEGEN ist so ein High Concept, der Film ist mit 78 Minuten extrem dicht. Christopher Nolans Thriller FOLLOWING geht sogar 69 Minuten und bündelt die Spannung um ein Vielfaches.
Oft geht es mir so, dass bei kürzeren Filmen diese Delle nach einer Stunde nicht auftritt. An dieser Stelle setzt beim 75-Minüter bereits das Finale ein. Man kann das nicht verallgemeinern, aber es gibt auch nicht so viele Filme unter 80 Minuten. Früher habe ich beim Schreiben das Einhalten einer Länge als Last empfunden. Aber sich eine Länge zu setzen, auf der man die Entwicklung des Stoffes aufbaut, kann eine große Hilfe sein. Geht mir zumindest inzwischen so. Das ist natürlich von Stoff zu Stoff verschieden und man spürt das wohl auch, wenn man so viel konsumiert und analysiert hat. Ich hatte einen Stoff, bei dem war mir vorher vollkommen klar, dass er nicht in die 90-Minuten-Schiene passt, aber auch kein Zweistünder war. Ich habe überlegt, welche ähnlichen Filmreferenzen mir einfallen, die inhaltlich wie dramaturgisch dieser Geschichte ähneln, und jene waren allesamt typische 100 bis 110 Minuten lang, waren unchronologisch erzählt und besaßen strukturell eine längere Exposition.
Phu, immer noch 89 Minuten!
Auch episodenhaftes Erzählen bewirkt ein anderes Zeitgefühl, ein PULP FICTION mit 154 Minuten Länge nimmt man gar nicht als so schweren Brocken wahr. Doch es ist schwierig, über Zeitempfinden in der Drehbuchphase zu diskutieren, weil man es nur abstrakt erkennt. Drehbuchseiten stoppen kann einem das nicht vermitteln. Über 90 Minuten muss man nicht so lange diskutieren, ein Drehbuch mit 113 Seiten aber wirft Fragen auf. In vielen Fällen ist ein 100-minütiges Drehbuch einfach nur noch nicht gescheit gekürzt. Schwierig, da Unterschiede festzustellen. Auch ist es nicht so, dass einem mehr Seiten Platz im Drehbuch wirklich helfen. Länger schreiben zu können bedeutet nicht, befreiter oder entspannter schreiben zu können.
Noch schwieriger wird der Fall dann ab 120 Minuten plus. Einen Dreistundenfilm will ich gar nicht schreiben. Klar kann man auch 180-Minüter ganz gut analysieren, denn eigentlich unterscheiden sie sich in Hinsicht einer Aktunterteilung nicht sonderlich von 90 Minuten (setup – conflict – resolution). Bis zum Jahr 2000 waren Kinoblockbuster stramme 120-Minüter, daneben gab es Drei-Stunden-Werke und nur wenige Ausreißer nach oben oder unterhalb der neunzig Minuten. Aus zwei Stunden Blockbuster sind heute mittlerweile zweieinhalb Stunden geworden, große Actionkracher pendeln momentan zwischen 140 und 160 Minuten. Ist das jetzt ein neues Längenformat? Keine Ahnung, möglicherweise sind 145 Minuten die neuen 180 Minuten.
Es gibt Leute, die sagen: “In der Kürze liegt die Würze!”, andere beschwören: “Auf die Länge kommt es an!” Im Bereich Drehbuch wird oft skandiert: “Zu lang! Kürzer!” Ich gehe da ja auch mit, aber es darf nicht zum Dogma werden. Für mich selbst ist eine Limitierung der Länge respektive Seitenzahl in einem Drehbuch, egal wie aussagekräftig das für einen späteren Film ist, ein Hilfsmittel, ein sehr Gutes sogar, aber ich klammere mich nicht an verordnete Längen, so ich nicht fürs Fernsehen schreiben muss. Denn es gibt sehr wohl hochspannende 114-Minüter, wie es auch stinklangweilige 80 Minuten Schrott da Draußen gibt. BLAU IST EINE WARME FARBE habe ich letzten Endes gar nicht als Dreistundenfilm wahrgenommen.
Im Kinosessel gibt es eine andere Verbindlichkeit dem Film gegenüber, ein anderes Aufmerksamkeitspotential, ja vielleicht empfindet man Zeit im Kino anderes als Zuhause vor dem Bildschirm, weil es ablenkende Faktoren gibt. Ist das deshalb ein Kritikpunkt an einer zu ausufernden Laufzeit? Man schiebt es immer den Filmen in die Schuhe, dieses Mantra von “Fasse Dich kurz!” ist vielleicht zu einseitig, denn es gibt solche und solche Neunzigminüter. Wenn überhaupt, dann ist nur ein Zitat wirklich logisch und aussagekräftig, nämlich das von Alfred Hitchcock, der gesagt hat: “Die Länge eines Films sollte in einem direkten Verhältnis zum Fassungsvermögen der menschlichen Blase stehen.” Die beträgt laut Wikipedia maximal 1500 ml. Müsste man mal ausrechnen.
[…] rund um Stoffentwicklung, Drehbuchtheorien und Drehbuchpraxen, mal ganz konkret, wenn es um Ort und Zeit geht, mal verschwurbelt und verkopft, wenn es um Inspiration geht. Wo aber positioniert sich […]
[…] der letzten Folge script development ging es gebackene Bohnen mit Speck. Es ging auch mal um das Verhältnis einer 180 Minuten VHS-Leerkassette zur Evolution des Neunzigminüters, um Figurenentwicklung mit Marzipanrohmasse und die Verwendung von ABBA-Songs im Drehbuch. Bloß […]
[…] von allerlei Seiten genähert. Es gibt Geschichten und Plots in unterschiedlichsten Zeiträumen und Lokalitäten, Figuren und deren Hinter- wie Beweggründe, Berufe und Berufungen, Dialoge, […]