G For Genrenale
Es gibt viele unschöne Dinge mit G am Anfang, Genickbruch, Gentrifizierung, Genmanipuliertes oder Generationskonflikte, ein paar ganz nette Sachen wie Genussmittel oder Genesungswünsche, aber nur ganz wenige Angelegenheiten, die wirklich aufregend sind. Bis vor ein paar Jahren wäre mir da nur Genitalbereich eingefallen, doch diese Zeiten sind Gott sei Dank vorbei. Denn seit es jenes “tiny little german genre festival” in Berlin gibt, hat faszinierende, phantastische, fesselnde, wilde, subversive, mutige und vor allem leidenschaftliche Genrefilmkultur aus deutschen Landen wieder ein Synonym – die GENRENALE.
Die GENRENALE is back, zog sie sich 2018 doch in rauhe Berge zurück, doch im Mai 2019 erstrahlte wieder Genreglück, wie Goethe einst verdichtete, der alte Genrehaudegen. Alles neu macht nun nicht mehr nur der Mai, sondern auch die GENRENALE, neue Zeit, neuer Ort, neues Blut, so das Motto der sechsten Festivalausgabe im Jahr 2019. Vier Tage deutscher Genrefilm in all seiner Pracht, von Horror, Sci-Fi, Fantasy über Thriller, Western, Noir bis Found Footage und Dark Drama, Experimentelles, Unangepasstes, Verschrobenes, Brachiales und Unter-die Haut-Gehendes, mit sechs Langfilmen, 41 Kurzfilmbeiträgen, Trailern, Pitching, Podium und neuen Awards brannte die GENRENALE6 ein Filmfeuerwerk sondergleichen ab, welches einmalig ist in der hiesigen Branche.
Die GENRENALE, das ist nicht mehr nur die Zwei-Mann-Armee Paul Andexel und Krystof Zlatnik, die Initiatoren und Organisatoren des Festivals, das sind mittlerweile dutzende Helfer und Supporter, ohne die ein solcher Aufwand nicht zu stemmen wäre Denn das tägliche deutsche Filmgeschäft äugt noch immer skeptisch auf das Verlangen von Filmemachern und Filmemacherinnen nach mehr Vielfalt und Horizonterweiterungen im deutschen Film, hier gibt es keine Kulturförderung oder ähnliches, es tönt eher “Nicht noch ein Filmfestival in Berlin!” oder “Wo bleibt die gesellschaftliche Relevanz?”. All das nur, weil Filmemacher ihrer Leidenschaft folgen, dafür in der hiesigen Festivallandschaft fast völlig ignoriert werden und um jede Facette ihres Traums kämpfen müssen.
So kommt es glücklicherweise zur Verbrüderung der Genrefilmemacher mit der GENRENALE, eine naheliegende Allianz, denn ohne Genrefilme kein Genrefilmfestival und umgekehrt. Und genau darum soll es heute im kleinen Rückblick auf die GENRENALE6 gehen, nicht um ein Festivaltagebuch von Donnerstag bis Sonntag, sondern um die Stars des Festspiele, die Filme, die Macher, die Träume und die Perspektiven. Die Messlatte lag ob der fulminanten GENRENALE5 im Jahr 2017 schwindelerregend hoch, aber die Beiträge der GENRENALE6 schaffen locker den Quanten-Fosbury-Flop und springen direkt ins All.
“Sie brauchen keine Angst zu haben. Die sind ganz klein.”
Steigen wir sogleich ein mit den Preisträgern der diesjährigen GENRENALE, welche von einer besonderen Jury ausgewählt wurden, nämlich Genrefilmfans, die nicht in der Brache arbeiten. Ganze sieben Awards wurden vergeben, der erste Bärenkopf der Kategorie BAD ASS ACTION ging an das vollkommen abgefahrene Action-Musical HARD WAY – THE ACTION MUSICAL von Daniel Vogelmann.
HARD WAY ist die weltweit erste und somit einzigartige Kombination zwischen einem Actionfilm und einem Musical, von Bollywood mal abgesehen. Dass das ziemlich gut funktioniert, beweist Daniel Vogelmann in fast jeder Szene. Getreu dem Motto „We’re not killing them while they’re singing or dancing“ kämpft sich ein kerniges SWAT-Team unter ihrem auf Rache sinnenden wie singenden Teamleaders durch eine Horde Terroristen. Ein singendes und tanzendes SWAT-Team, das ist genauso witzig, wie es klingt, denn HARD WAY kleckert nicht, sondern klotzt in beiden Genredisziplinen. Action, Choreographie und Optik sind überaus fulminant, die Musicalnummern zum Schreien komisch, vor allem wegen dem Kontrast. Aber es ist keine Persiflage, weil jedem Element höchste Ernsthaftigkeit innewohnt. Und genau deshalb funktioniert HARD WAY so gut und macht irre Spaß. Glückwunsch!
Das Aufreibendste zwischen den Polen Thrill und Horror ehrt der in diesem Jahr ebenfalls erstmalig vergebene SCARED SHITLESS AWARD und die Bärenkopftrophäe geht an Nicole Scherer und ihrem Berghorroralptraum ALTITUDE. Darin gerät ein Wanderpärchen auf dem Weg zu einer Berghütte in einen dichten Gebirgsnebel und gleichzeitig in merkwürdige Geschehnisse, welche die Grenzen zwischen Realität und Illusion verzerren. Die Fokussierung auf die zwei Figuren und die unheimliche Location schüren eine überaus dichte wie unangenehme Atmosphäre, in ALTITUDE gibt es kein Blabla und keinen Jumpscare Budenzauber, sondern echte Gänsehaut. In der Tat der gruseligste Beitrag der GENRENALE6, völlig zu Recht mit dem SCARD SHITLESS AWARD ausgezeichnet.
Auch der CREATING WORLDS AWARD ist neu und es gab auf der GENRENALE6 gleich mehrere Genrewelten, die einem lange nicht aus dem Kopf gehen wollen wie in ENDE NEU oder F FOR FREAKS. Der Preis aber ging an die liebenswerte Pappkartonwelt aus MASCARPONE von Jonas Riemer. Für MASCARPONE wurde eine Film Noir Hollywood Metropole aus Pappe entworfen, geschnipselt und verklebt, in der ein junger Filmvorführer Ärger mit einem Gangsterboss bekommt und dabei von einem Pappfettnäpfchen ins nächste tritt. Jene Welt ist mittels Retrotechniken, 3D-Animationen und Stop Motion Tricks absolut stimmig in Szene gesetzt, der Film eine Verbeugung vor Klassikern wie DAS CABINET DES DR. CALIGARI und SCARFACE und ein rundum gelungener Spaß.
Die Preise KILLER PERFORMANCE MALE und FEMALE hingegen sind schon seit ein paar Ausgaben GENRENALE-erprobt und auch in diesem Jahr spannend, denn es tummeln sich in den Filmbeiträgen so einige Glanzlichter der Spielkunst. KILLER PERFORMANCE FEMALE ging an Emma Bading für ihre Rolle als Marie in dem Endzeitfilm FREMDE von Tim Dünschede. Marie lebt mit ihrem Vater und ihrem Bruder in einem Bunker unter der Erde. Als nach einem Jagdausflug ein verletzter Fremder in den Untergrundverschlag gebracht wird, kümmert sich Marie um den zwielichtigen Gast, bis weitere Fremde auftauchen und die Situation eskaliert. FREMDE ist ein ungemein spannender und dichter Beitrag und Emma Bading in der Tat das Glanzlicht des düsteren Endzeitfilms.
KILLER PERFORMANCE MALE ging an Daniel Christensen für BLEI von Benjamin Leichtenstern. Im Bayern des Jahres 1866 jagt der Bayer Alois den fahnenflüchtigen Preussen Friedrich, der ihm seine Ersparnisse geklaut hat. Der Fehde zwischen den beiden Kriegsgegnern gesellt sich allerdings auch ein Trupp von bayrischen Banditen, was Alois und Friedrich zum Zusammenhalt zwingt. BLEI ist ein waschechter Schnee- und Bergwestern vor grandioser Kulisse mit dichter Figurenspannung, exzellent gespielt von allen Akteuren, aber Daniel Christensen, der in der Rolle des Alois ein bisschen an Joaquin Phoenix erinnert, überragt sie alle.
Für völlig wahnwitzige Elemente und unbegreifliche Szenerien jenseits der üblichen Genreerwartung steht der WTF AWARD und der ging in diesem Jahr an PAN von Anna Roller. Darin geht es um Juno, die glaubt, den Gott des Waldes Pan auf einer Party entdeckt zu haben, was in ihr eine besondere Gier auf das Jagen auslöst. Wirklich beschreiben kann man PAN aber nicht, diesen orgasmatischen Rausch aus Farben, Sound und Wachtraum kann man wahrlich nur mit einem Begriff betiteln: WTF!
Der neue Hauptpreis der GENRENALE6 sorgte für Trouble in der Community – der KING OF GENRENALE wurde genregendergerecht zerfleischt, gewann ihn doch eine Regisseurin und somit eine QUEEN OF GENRENALE. Nun heißt der Award übergangsweise BESTER FILM, was mir völlig egal ist, denn selten hat mich eine Genrefilmwelt so in ihren Bann gezogen und nicht mehr losgelassen – F FOR FREAKS von Sabine Ehrl. Ich hatte das Glück, den Film bereits für das Filmfest Dresden auswählen zu dürfen, dann ist er auch auf der GENRENALE gelandet und gewinnt auch noch. Und die Regisseurin Sabine Ehrl kann den Preis noch nicht mal entgegennehmen, denn sie kommt zu spät von der Festivaltour ihres Werkes aus Busan und Brüssel. So wie’s sein muss.
F FOR FREAKS ist vielleicht deshalb so überwältigend, weil er nicht unbedingt ein Genrefilm sein wollte. Einzig etwas “Wildes” wollte Sabine Ehrl drehen, aber es ist noch mehr als das geworden. F FOR FREAKS erzählt von einer dystopischen Welt, in der degenerierte Freaks Jagd auf kleine Menschen machen, welche als Ersatzteillager für Krebskranke dienen. Aber F FOR FREAKS erklärt diese Welt und ihre Regeln nicht plakativ, sondern lässt sie den Zuschauer selbst entdecken, er nimmt die Welt, die er kreiert, völlig ernst, aber drückt sie dem Zuschauer nicht aufs Auge. F FOR FREAKS ist vieles, aber nicht gefällig oder einfach, der Film polarisiert weiterhin, was sich in Diskussionen mit Freunden und Gästen abermals bestätigt hat und das ist auch gut so.
Moorleichen, Pflanzenmenschen & Zeitspringer
Soweit zu den Preisträgern der GENRENALE6, aber die waren bei Weitem nicht die einzigen Highlights des Festivals. Sechs Langfilme waren am Start, darunter drei Berlin-Premieren und eine Deutschland-Premiere. Der Eröffnungsfilm der diesjährigen GENRENALE war DER LETZTE MIETER von Gregor Erler um einen Altmieter eines Wohnhauses, der sich der bevorstehenden Räumung verweigert. So kommt es zwischen dem alten Mann, seinem Sohn und dem anwesenden Makler des Hauses zu einer Spirale der Eskalation, zu Geiselnahme und Bombenterror, aber eben nicht in der Form eines Actionkloppers oder drögen Dramas, sondern reichlich clever und überaus spannend im Psychothriller-Kammerspielgewand. Super Film und ein klasse Eröffnungsabend.
Über den Zusammenbruch der Zivilisation erzählen sowohl ENDE NEU von Leonel Dietsche als auch ENDZEIT von Carolina Hellsgård, trotzdem können beide Beiträge nicht unterschiedlicher sein. ENDE NEU ist ein extrem düsterer, aber auch philosophischer Film, in der eine postapokalyptische Welt entworfen wurde, in der scheinbar nur Männer übrig geblieben sind. Warlords, Ärzte und vermeintliche Heiler bilden neue soziale Zusammenkünfte, in denen Gewalt, Unterdrückung und Missbrauch herrschen. Das ist stellenweise unerträglich düster und radikal inszeniert, auch prominent besetzt mit Sylvester Groth, Georg Friedrich und Samuel Schneider und verlangt einem viel ab. Ein bisschen übertrieben wurde es mit der Stilisierung, Voice Over und Kapiteleinteilungen sind ein wenig viel Führung in dieser Welt, die man auch allein entdecken kann. Dennoch ein ungemein finsterer Beitrag mit visuellen Abgründen, die einem lang nicht aus dem Kopf gehen werden.
ENDZEIT hingegen widmet sich der Postzombieapokalypse, verortet das Ganze in Thüringen, wo nur noch die Städte Weimar und Jena die Zivilisation aufrecht erhalten. In ENDZEIT kämpfen sich Vivi und Eva ihren Weg von Weimar nach Jena, ein typischer Zombiefilm ist die Graphic Novel Adaption aber nicht, die Tonalität ist eher ruhig und zum Teil poetisch, statt graubrauner Tristesse gibt es viel Sonne und Grün und die Welt ist nicht nur bedrohlich, sondern zum Teil auch bizarr schön. Aber nicht alles ist gelungen an ENDZEIT, der Film wirkt teilweise sprunghaft und die Handlungen der Charaktere sind nicht immer nachvollziehbar. Doch ich mag den Film wegen seiner Unaufgeregtheit und auch seiner Stimmung irgendwo zwischen THE LAST OF US und ANNIHILATION.
Ebenfalls ruhig und dezent schaurig geht es in WO KEIN SCHATTEN FÄLLT von Esther Bialas zu, eine Mischung aus Mystery und Coming-of-Age mit einer interessanten Hauptfigur, toll gespielt von Jungstar Valerie Stoll. Als die 14jährige Hanna in ihr Heimatdorf zurückkehrt, stößt sie nicht wirklich auf Wiedersehensfreude. Noch zu präsent sind die Geschehnisse vor Jahren im anliegenden Moor, wo Hannas Mutter verschwunden ist und drei Leichen auftauchten. Seither geht der Aberglaube um, Hanns Mutter sei eine Hexe gewesen. Und warum sollte Hanna nicht über die selben Kräfte verfügen, als plötzlich erneut unerklärliche Dinge geschehen? Ein wirklich klasse Mysteryfilm ohne typische Genreklischees, tolles Ensemble und ein wahrlich schaurige Moorlandschaft.
Neben diesen ruhigeren Festivalmomenten gab es aber auch zwei regelrechte Kracher im Programm und einer davon ist INGENIUM von Steffen Hacker, der nach einer Produktionsodyssee endlich seine Berlin-Premiere auf der GENRENALE feiern konnte, war er doch mit diversen Trailern in den letzten Jahren dort präsent. Und auch ich kenne den Stoff bereits seit vier Jahren und war überaus gespannt auf das Ergebnis, denn es war kein leichter Weg für INGENIUM. Umso bemerkenswerter ist das Resultat, denn INGENIUM ist eine derart wilde Achterbahnfahrt zwischen Mysterythriller und Action, dass einem die Kinnlade zu Boden klappt. Der Film hat zwei Stars, der eine ist Steffen Hackers Inszenierung, die keine Atempause zulässt, die Kamera immer in Bewegung, keinerlei Leerlauf. Der andere Star ist Esther Maaß, die diese Höllenfahrt ganze 88 Minuten mit unfassbarer Power fast allein trägt. Am Ende war es beinahe zu kurz, die Geschichte klärt nicht alle interessanten Fragen, aber vielleicht erledigt das ja INGENIUM 2 irgendwann.
Zum Abschluss der GENRENALE6 feierte noch SUPERCHAMP RETURNS von Felix Koch Deutschland-Premiere auf dem Festival, nachdem die luxemburgische Produktion im Heimatland sämtliche Einspielrekorde gebrochen hat. Zu meiner Schande muss ich aber gestehen, dass ich den Film nicht gänzlich sehen konnte, da mich die Kräfte am letzten Festivaltag verlassen haben und ich kopfscherzbedingt abbrechen musste. Dafür gelobe ich, sollte ich zeitnah nochmal die Gelegenheit für SUPERCHAMP RETURNS bekommen, reiche ich ein Review nach. Versprochen!
“Puh, das war harter Stoff!”
Ja das kommt davon, wenn man von Donnerstag bis Sonntag mehr oder minder im GENRENALE Palast lebt, maximal ein Stück Pizza und literweise Kaffee verklappt. Aus diesem Grund gibt es auch noch viel mehr zu sagen. Besonders toll an der GENRENALE, oder besser an den Visionen der Filmemacher, die dort laufen, ist die Liebe zum Science-Fiction Film, der es auch im internationalen Mainstream schwer hat zwischen Superheldenkonglomeraten und Franchiseeintöpfen. Auf der GENRENALE sieht man noch die cleveren Sci-Fi Plots und Stories wie FALTER von Harriet Maria Meining, Peter Meining, IN ZEITEN DER TELEPORTATION von Henning Pulss, AFTER THE FUTURE von Shai Tubali oder FREMDKÖRPERKREDIT von Alexander Frank.
Beide Bergwestern, BLEI und JEMAND UND NIEMAND haben mich begeistert, das Subgenre kann gern weiter bedient werden. Ebenso Mystery, was ja gern zum Klischee neigt, in diesem Jahr aber starke Beiträge wie HEXENMILCH oder ALBTRAUF hatte. Ungemein spannend fand ich auch AQUARIUMMANN von Matthias Wissmann, generell das Bewusstsein für Dialekte in einigen Beiträgen finde ich mutig und passend. Zwar wird immer noch viel in Englisch gedreht, was mal mehr (BLOOD IS SPIRIT), mal weniger passt (AFTER THE FUTURE), aber inzwischen wird auch nicht vor Bayrisch oder Schwäbisch zurückgeschreckt. Tollfand ich auch A LIFE IN 8BIT von Andreas Irmstorfer, DAS PIZZA IMPERIUM von Lutz Gottschalk und PANDORA von Daniel Rübesam.
Natürlich ist das ganze Programm der GENRENALE wild, aber manche Beiträge legen da immer noch eine Schippe drauf. Dazu gehören vor allem INTERGALAKTIC DETECTIVE – DR. MONKULA von Alexander Iffländer, DIE SCHÖNSTEN BAHNSTRECKEN HESSENS von Christopher Tauber (gehört ins Nachtprogramm des HR, ohne zusätzliche Erklärungen) sowie der recht weirde WHO KILLED BAMBI? von Jesse Moravec & Tizia Florence. Auch immer wieder toll, alte Bekannte in Form von Filmemachern und Langzeit- wie Folgeprojekten wiederzusehen, geflasht war ich vom neuen Trailer zu THE DREAMLANDS von Huan Vu und natürlich der Rückkehr der 2ALIENS in FOUND FOOTAGE FIASKO aus der Ein-Mann-Filmproduktionsschmiede FILMZEUGS von Thomas Zeug.
Pitch & Podium
Neben den Filmen nehmen zwei Sonderveranstaltungen der GENRENALE traditionell einen wichtigen Platz ein, zum einen natürlich der ARRI Media GENRE PITCH, zum vierten Male auf der GENRENALE ausgetragen, kuriert und moderiert von Stephan Greitemeier, Christine Pepersack und Annette Schimmelpfennig. Sechs Stoffe rangen um die Gunst der Jury, bestehend aus Produzent Thomas Wöbke (ANATOMIE), Moritz Peters von Koch Media (DER NACHTMAHR) und Regisseur und Autor Baran Bo Odar (WHO AM I, DARK). Gepitcht wurden fünf Serien- und ein Spielfilmstoff.
Von Carsten Jäger stammt das Konzeot für die Sci-Fi-Superhelden-Verschwörungsserie DIE KÄLTE um geheime Machenschaften im Kalten Krieg und die Auswirkungen auf die Gegenwart. Von Hannes Blamayer kommt das interessante Sci-Fi Projekt WHITE WALLS um eine Firma, welche bestimmte Erinnerungen löschen kann. STERNENKINDER von Orlindo Frick erzählt eine ungewöhnliche Körpertauschgeschichte, in der ein weiblicher Neonazi in den Körper einer Jüdin im Jahr 1941 fährt wie anders herum.
Cedric Kiefer aus Luxemburg erzählt in der Anthologieserie GERMAN FEAR die Geschichte um einen lokale Schauergestalt, während Christopher Tauber mit der Mockumentary DER GIFTSCHRANK selbigen öffnet, um etwas über nie realisierte Filmvorhaben in Deutschland zu berichten. Schlussendlich gewonnen hat aber das Spielfilmprojekt HAUS RUFT HILFE von Martin Funke, eine Art AMITYVILLE meets EINSATZ IN VIER WÄNDEN. Als ein Filmteam in einem Haus eine Dokusoap drehen will, wird sie dahingehend überrascht, dass jenes Haus, besessen von einem boshaftem Myzelnetzwerk, gegen das Filmteam zurückschlägt. Irre, das fand auch die Jury, welche HAUS RUFT HILFE zum Gewinner der Pitchingveranstaltung kürte. Herzlichen Glückwunsch, Martin.
Auf der Agenda der diesjährigen Podiumsdiskussion, dem AVID Genre Panel, moderiert von Anne Closta, stand das Thema “Neue Deutsche Genreheldinnen”. Darüber diskutierten Regisseurin Carolina Hellsgård und Autorin Olivia Vieweg von ENDZEIT, Tini Tüllmann, Regisseurin und Autorin von FREDDY/EDDY sowie Tanja Bubbel, die Gewinnerin des ARRI Media Genre Pitches 2017. Da in diesem Jahr mehr Filme mit und vor allem von Frauen als je zuvor im Programm waren, ein naheliegendes Thema. Es ging um Fragen der Perspektiven, um Gleichstellung im Filmbetrieb und damit natürlich auch um die Zukunft des deutschen Genrefilm.
Ich will nicht altklug und wie ein alter, weißer, ja sogar weißhaariger Mann daherreden, aber der Ausgang der Diskussion war leicht vorhersehbar. Recht schnell wanderte die Debatte vom Genrefilm auf die gesamte Filmproduktionslandschaft, in der es Autorinnen und Filmemacherinnen noch immer schwerer haben, Fuß zu fassen, von gerechter Bezahlung ganz zu schweigen und endete in einer generellen Systemkritik. Zu Recht natürlich. Aber mich hätten inhaltliche Aspekte mehr interessiert, vor allem wegen des diesjährigen Outputs wie F FOR F REAKS oder PAN, die wahrlich eine neue Herangehensweise an Genre spiegeln. Machen Frauen eine andere Art Genrefilm, der jahrzehntelang von Männern und Männerphantasien geprägt wurde? Durch was kann dieser Blick gebrochen werden? Aber um diese Fragen zu klären, muss sich wohl erst etwas grundlegendes ändern in Branche und System. Zumindest gab es auf der GENRENALE6 einen Anstoß dazu.
Der Wolf im Bärenpelz
Vier Tage Deutscher Genrefilm, ein Untoter, überaus lebendig, ein Hoffnungsschimmer für die gesamte hiesige Filmlandschaft, was wurde nicht schon alles geschrieben über die GENRENALE, von mir vor allem. Aber alles stimmt. Doch es geht nicht um Phrasen, sondern um Herzensangelegenheiten. Als ich mit dem ganzen Filmmist angefangen habe, gab es nichts vergleichbares und alles andere stand unter einem Genreabwehrschild. Und während mich selbst als Autor die Branche mehr und mehr deprimiert, bewahrt mir die GENRENALE die eherne Leidenschaft. Darüber hinaus ist sie das sexieste Festival überhaupt.
Ich will nicht gehässig sein, ich liebe auch das Fantasy Filmfest, immerhin auch ein Genrefilmfestival in Deutschland, aber was mich dort seit längerem stört, ist eine gewisse Genrearroganz. Dort wird mehr und mehr unterschieden zwischen gutem und schlechtem Genre und so wird es um Teil auch kommuniziert. Ich schaue dort gerne Filme, aber ein Gefühl , unter Gleichgesinnten zu sein, stellt sich nicht mehr ein. Man traut sich nicht mal zu sagen, dass man MARVEL toll findet. Das ist bei der GENRENALE anders, das Festival ist viel näher dran an der Filmleidenschaft, wahrscheinlich auch wegen der Umstände. Bemerkenswert, wie optimistisch doch die Summe aller Gefühle nach vier Tagen Festival erscheinen. Es fühlt sich tatsächlich nach Bewegung an.
Doch das reicht noch nicht, der Wunsch hiesiger Genrefilmemacher und Genrefilmemacherinnen darf kein Flüstern bleiben. Die Ignoranz scheint überwunden, Genre ist kein Fremdwort mehr hierzulande, auch wenn nach wie vor Definitionskuddelmuddel besteht. Aber es bleibt ein Kampf, Genrefilmer gegen das deutsche Filmsystem. Der Kampf wird noch andauern, umso wichtiger ist es, innerhalb dieser Bewegung Neuer Deutscher Genrefilm auf hauseigene Synergien zu setzen. Denn es ist noch keine echte Bewegung. Macht sie dazu, Filmemacher! Ich bin zum Teil erschüttert, in keinem der Filmabspänne befindet sich das Logo der GENRENALE oder vom Neuen Deutschen Genrefilm. Mag eine nichtige Sache sein, aber sie demonstriert Zusammenhalt und Trotz.
Paul Andexel und Krystof Zlatnik haben am Ende der GENRENALE6 dazu aufgerufen, sich noch mehr einzubringen, noch mehr zu teilen und andere anzustacheln, als es bisher schon der Fall war. Es wird eine GENRENALE7 geben, da bin ich mir sicher. Das Festival fordert heraus, die Filme fordern heraus, neue erzählerische wie stilitische Wege zu gehen, Identitäten zu entdecken, Erfolge nach schwierigen Produktionsprozessen wie SCHNEEFLÖCKCHEN oder INGENIUM bestärken andere Filmemacher in ihrer Passion, alle Elemente sind enthalten, auch der Faden, der sie verbindet. Der Faden ist in diesem Jahr blutrot, der Wolf trägt einen Bärenpelz. Auch die GENRENALE bricht ab nächstes Jahr in ein neues Jahrzehnt auf. Der Ruck wird kommen, da bin ich mir sicher.
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