Fantasy Filmfest Nights 2017
Zum Abschluss unserer kleinen Reise durch die aktuelle Genrefilmszene werfen wir einen kurzen Blick auf die diesjährigen Fantasy Filmfest Nights, welche am Wochenende in Berlin und Hamburg starten, gefolgt von Frankfurt, Köln, München, Nürnberg und Stuttgart am 29. und 30. April. Streng genommen sind es bereits die zweiten Nights in diesem Jahr nach der Winterausgabe im Januar, den White Nights 2, wo vor allem unterhaltsame Genrewerke wie SAFE NEIGHBORHOOD, HUNT FOR THE WILDER PEOPLE oder THE NIGHT WATCHMEN gezeigt wurden. Die echten Nights 2017 bieten dieses Jahr dann wieder filigranere Kost, weniger Horror, dafür umso mehr Plotkonstrukte um Isolation und Gefangenschaft.
Ich mag die Konzeption der Nights fast mehr als das richtige Fantasy Filmfest. Die zehn Filme an zwei Tagen wirken ausgesuchter und manche Jahrgänge stellen eine vorzügliche Carte Blood dar, während sich in der Vielzahl der Festivalfilme des Spätsommers auch manche Gurken tummeln. Natürlich ist das oft Geschmackssache.
Wenngleich viele Filme bei den Nights 2017 interessante Genre-Crossover darstellen, irgendwie fehlen mutige wie brachiale Werke anderer Jahrgänge wie THE SEASONING HOUSE, GREEN ROOM oder GERMAN ANGST.
Aber auch ein Fantasy Filmfest kann nur das spielen, was letztendlich international verfügbar ist. Und es ist auch nicht ausgeschlossen, dass sich hinter den zehn Filmen die ein oder andere Überraschung verbirgt.
Schauen wir uns kurz das Programm an. Der vielleicht interessanteste Beitrag in diesem Jahr kommt aus Frankreich und Belgien, die Comicverfilmung ALONE (SEULS) von David Moreau. Moreau ist ein versierter Genrehandwerker, der im Jahr 2006 mit dem Horrorthriller THEM beeindruckte. Der Plot von SEULS erinnert ein wenig an einen Festivalbeitrag vom Vorjahr, der ebenfalls ALONE hieß. Eine Gruppe Jugendlicher findet sich plötzlich in einer menschenleeren Welt wieder und versucht, dem Mysterium auf die Spur zu kommen. Auch in SEULS begeistern starke Jungdarsteller, die Story driftet eher in Sci-Fi-Gefilde als in eine Zombieapokalypse, der Trailer schaut edel aus, das könnte ein Highlight werden.
Auch Dauergast Àlex de la Iglesia (WITCHING & BITCHING) ist mit einem neuen Werk vertreten und zwar THE BAR. In einer Bar in Madrid finden sich an einem Morgen eine Handvoll unterschiedlicher Charaktere ein. Als einer von ihnen die Bar verlassen will, trifft ihn eine Kugel im Kopf. Gefangen im Etablissement bricht nun Panik und Chaos in der Gruppe aus, die alles daran setzt, dieser Falle zu entkommen. Wer die Werke von Iglesia kennt, weiß wohl, was ihn mit THE BAR erwartet. Ich selbst bin kein großer Fan des Spaniers, aber THE BAR wird sicher gewohnt rasant und schwarzhumorig.
In THE BELKOW EXPERIMENT von Regisseur Greg McLean geht es ebenfalls um Eingeschlossene in einem Bürokomplex im kolumbianischen Bogota. Eine Gruppe von 80 Amerikanern nehmen dort, willentlich oder nicht, an einem mörderischen Sozialexperiment teil. Klingt spannend und wird wohl auch recht deftig werden, wenn Greg McLean ähnlich kompromisslos wie in WOLF CREEK inszeniert.
Auch in BERLIN SYNDROME der australischen Regisseurin Cate Shortland (LORE) geht es um Gefangenschaft. Eine australische Backpackerin verschlägt es nach Berlin und die adrette Touristin wacht nach einem One-Night-Stand mit Max Riemelt in einem verlassenen, barrikadierten Wohnblock auf. Doch damit beginnt der Alptraum um ein psychopathisches Spiel erst. BERLINE SYNDROME klingt nach einem harten, eiskalten Thriller, Max Riemelt ist bei weitem keine schlechte Besetzung und auch Teresa Palmer hat ordentlich Genreerfahrung (LIGHTS OUT, WARM BODYS, THE GRUDGE 2).
Und noch ein Gefangenenszenario, aber diesmal mit ein wenig anders. In EAT LOCAL von Jason Flemyng (bekannt als Darsteller aus BUBE, DAME, KÖNIG, GRAS, X-MEN) sind eine Gruppe Vampire in einem Farmhaus gefangen, welches vom Militär umstellt wird. Die eingekesselten Blutsauger müssen sich nun ihren Weg in die Freiheit erkämpfen. Der britische Vampirfilm bringt vielleicht ein wenig frischen Wind ins Genre, zumal er keineswegs bierernst, sonder mit trockenen Humor daherkommt.
In GOING TO BRAZIL geht es dann mal nicht um Isolation, sondern um einen abenteuerlichen Hochzeitstrip einer Pariser Girls-WG nach Rio de Janeiro. Das liest sich alles recht witzig und rasant, auch ist Rio de Janeiro eine faszinierende Metropole, aber so wirklich reizt mich an diesem etwas deftigeren HANGOVER-Verschnitt nichts. Aber vielleicht liege ich da ja falsch.
PET ist das US-Debüt des Spaniers Carles Torrens, der 2001 mit APARTMENT 143 begeisterte. Die Besetzung stimmt (Dominic Monaghan (HERR DER RINGE, LOST) und Ksenia Solo (BLACK SWAN, THE FACTORY)), der Plot ist erneut Captive-Szenario, diesmal in einem Tierheim, welches in ein Psycho-Verwirrspiel mit ungewissem Ausgang mündet. Warum nicht.
IT STAINS THE SANDS RED von Colin Minihan (Teil der Vicious Brothers, GRAVE ENCOUNTERS) lässt mich ob des staubigen Wüstenszenarios eher kalt. Schon wieder eine Zombie-Apokalypse in einer kargen Landschaft, das klingt erstmal wenig verlockend. Zwar sind die Minihans patente Filmemacher, die ihr Handwerk verstehen, die Choose soll auch rasant und blutig inszeniert sein, doch Plot und Location ziehen mich nicht unbedingt ins Kino.
Dann schon eher THE LIMEHOUSE GOLEM aus Großbritannien mit Bill Nighy und Olivia Cooke. Regie führt Juan Carlos Medina, der mit PAINLESS ein Genresahnestück inszeniert hat. THE LIMEHOUSE GOLME verspricht ein schmutziges London am Ende des 19. Jahrhunderts, der Plot spiegelt ein wenig den Mythos um Jack, The Ripper, das Ganze schaut verzückend atmosphärisch aus und soll eine gelungene Mischung aus Gänsehaut-Grusel und schwarzem Humor sein.
Zu guter Letzt gibt es noch das Gothic-Dark-Drama SWEET SWEET LONELY GIRL des Argentiniers A. D. Calvo, welches in den Achtziger Jahren spielt und ein wenig DONNIE DARKO oder HEAVENLY CREATURES Atmosphäre versprüht. Im Mittelpunkt stehen die beiden Mädchen Adele und Beth, die bei einer reichen Erbtante als Haushaltshilfen arbeiten und düsteren Geheimnissen auf die Spur kommen. Ich mag Mystery mit Coming-of-Age-Einschlag, den 80er Jahre Stil á la STRANGER THINGS und die bereits im Vorfeld gelobte Musik. Nach SEULS mein zweites Highlight.
Alles in allem kein Hammerjahrgang wie 2016, aber doch ein ganz ansprechendes Programm mit interessanten Filmchen, vor allem SEULS und SWEET, SWEET LONELY GIRL. Leider finde ich es schade, dass die Plakatgestaltung seit letztem Jahr ein wenig eintönig ausfällt. Zum dritten Mal eine Variation des Basecapezombies finde ich langweilig, zumal er auch auf dem Poster des Hauptfestivals prangt.
Nichtsdestotrotz, wer am Wochenende Zeit und Muße findet, kann in Berlin oder Hamburg den ein oder anderen Beitrag mitnehmen. Denn bis zum 31. Fantasy Filmfest ab September ist es ja noch ein Stückchen hin. Alle weiteren Infos findet ihr hier auf der offiziellen Seite des Fantasy Filmfestes. Soweit von der aktuellen Genrefront, im Mai widmen wir uns dann erstmal wieder der Retrospektive.
[…] im Januar (mit HUNT FOR THE WILDER PEOPLE, SAFE NEIGHBORHOOD & THE MONSTER) und den regulären NIGHTS im April (mit SEULS, SWEET, SWEET LONELY GIRL, THE BELKOW EXPERIMENT & THE LIMEHOUSE GOLEM) tourt im […]