Der Traumfalter Jahresrückblick 2023

2023 war ein ganz besonderer Jahrgang seit stenographischer Aufzeichnung, also dem Festhalten von etwas durch Schrift, Bild und Ton. Denn in diesen Tagen feiert der Traumfalter Jahresrückblick zehnjähriges Betriebsjubiläum. Ein schöner Grund, kurz mal hinter die Kulissen zu blicken. Am 29.12.2013 erschien hier die erste große Jahresretrospektive, damals gab es noch Videopremieren, im Kino wurde GRAVITY 3D zum Hit, die GENRENALE startete und auf der Playstation 3 erschien THE LAST OF US. Zehn Jahre später lautet die Bilanz: 3D ist tot, Streaming Exclusives auf allen Kanälen, die GENRENALE gibt’s nicht mehr, dafür aber THE LAST OF US als Serie. Kosmische Fügung? Prädestination? Karma, Kismet, Fatum? Wie auch immer, der Traumfalter Jahresrückblick komprimiert eben nicht nur zwölf Monate Kino und TV, sondern gewährt inzwischen auch Einblicke in die Varianz der Film- und Seriendekaden.

 

 

Was braucht es dazu? In erster Linie Strom. Dann Durchhaltevermögen. 2023 starteten in Deutschland 343 neue Filme im Kino. Davon habe ich 166 Filme gesehen, neun davon doppelt, im Jahresrückblick werden nun 77 Filmperlen besprochen oder bebildert. Hinzu kommen 50 Serien, von denen hier 21 der Rede wert sind. Dann noch 23 Filme außer Konkurrenz, die nichts mit dem Jahr 2023 zu tun haben, das macht zusammen 325 Quadratkilometer Filmrübenfeld, welches es zu beackern gilt. Obgleich Objektivität oberster Ordnung obliegt (so viele O’s?), ist das Ganze hier natürlich ein subjektives Sortieren samt sachlicher Sorgfalt (Sssss). Und natürlich bisschen Show. Denn Show muss sein. Nun heißt es Bühne frei. Dann seid ihr mit dabei. Mein Name ist Christian Hempel und ich schaue Filme und Serien. That’s all, Folks. Willkommen beim Traumfalter Jahresrückblick 2023.

 

Hollywood on Strike!

 

Die Coronapandemie ist für den Kinobetrieb 2023 kein Thema mehr. Dafür gab es in diesem Jahr neue Herausforderungen und neue Krisen. Die schlechte Nachricht von der Box Office Front: Etliche Blockbuster aus Franchises und Filmuniversen performte unter den Erwartungen, müssten diese doch mindestens das Doppelte ihres Budgets einspielen, um profitabel zu sein. Für einige Filme wurde das beinahe zum Nullsummenspiel. Aber es gab auch unerwartete Lichtspielblicke. Mit 1,4 Milliarden US-Dollar Einspielergebnis setzte sich BARBIE an die Spitze der internationalen Kinocharts, auch in Deutschland reichte es mit 5,9 Mio. Besuchern für Platz 1. Auf Platz 2 landete DER SUPER MARIO BROS. FILM mit 1,3 Milliarden US-Dollar weltweit und 5,3 Mio. Besuchern in Deutschland. Die Bronzemedaille erlangte OPPENHEIMER mit weltweit 950 Millionen US-Dollar, hierzulande waren es 4,1 Millionen Besuchern.

 

 

BARBIE holt die Spitzenposition im internationalen Kino, für DER SUPER MARIO BROS FILM reicht es nur für Platz 2. Erfolgreichster Deutscher Film 2023: DIE DREI ??? – ERBE DES DRACHEN

 

 

Im letzten Jahr verzeichneten auch die großen Streaminganbieter herbe Verluste, 2023 wurden harsche Gegenmaßnahmen ergriffen. Netflix ging als erster gegen das beliebte Accountsharing vor und konnte so weltweit 9 Millionen neue Nutzer:innen verzeichnen, wohl aber auch wegen eines neuen werbefinanzierten Abos, ein Modell, bei dem auch andere Anbieter mitzogen. Dafür gingen sowohl bei Netflix als auch bei Disney+ die Preise für HD und 4K Content hoch. Bei Disney hatte man noch ganz andere Einsparideen – einfach weg mit Content! Neben der Serie WILLOW verschwanden auf Disney+ im Mai 2023 über 50 Titel, knapp 2 Milliarden US-Dollar konnte der Konzern so steuerlich abschreiben. Ob diese Filme oder Serien nun an andere Anbieter ausgeliehen werden oder der Content für immer im digitalen Nirwana verschwindet, wird man abwarten müssen.

 

 

Streik der Schauspieler und Autoren lähmt Hollywood, Netflix geht gegen Account Shring vor und Disney entfernt Content von seinem Streamingservice.

 

 

Doch nichts traf die Kino- und Streamingbranche 2023 so hart wie der Doppelstreik der US-amerikanischen Drehbuchautoren- und Schauspielergewerkschaften. Was war da los? Im Mai 2023 traten rund 11.500 Autoren der WGA nach gescheiterten Verhandlungen mit diversen Studios in Streik, im Juli folgte die SAG-AFTRA, die Gewerkschaft der Schauspieler. So einen Doppelstreik gab es zuletzt vor 60 Jahren. Es ging um Mindestvergütung, um Verbesserungen der Renten- und Krankenversicherung und mehr Schutz vor der allgegenwärtigen KI. Die Folge des Streiks: diverse Verschiebungen von Filmen auf das Jahr 2024 sowie Zwangspausen für etliche Film- und Serienproduktionen. Nach 148 Tagen Streik einigten sich die Drehbuchautoren und Studios auf neue Tarifverträge, nach 118 Tagen auch die Schauspielgewerkschaft und die Streiks wurden offiziell für beendet erklärt.

 

 

Jonathan Majors (Kang, die Zukunft des MCU) wird im Dezember 2023 wegen Körperverletzung und Belästigung schuldig gesprochen und von Disney gefeuert. Andrea Riseborough darf nach Lobbyvorwürfen ihre OSCAR Nominierung behalten, Skandal um Bradley Coopers Nasenprothese in MAESTRO, in Deutschland machte ein betrunkener Til Schweiger am Filmset Schlagzeilen.

 

 

Im letzten Jahr drehte sich alles um Will Smith, 2023 gab es schon wieder einen OSCAR-Skandal, aber eine Nummer kleiner. Dem Team des Films TO LESLIE wurde vorgeworfen, mit einer Onlinekampagne gegen die Lobbyvorschriften der Academy verstoßen zu haben. So sollen Insiderverbindungen Hauptdarstellerin Andrea Riseborough eine OSCAR-Nominierung für die beste weibliche Hauptrolle verschafft haben. Problem: Mitgliedern der Academy ist eine direkte Bewerbung für Filme eigentlich untersagt. Auf der anderen Seite stammten diese Regeln noch aus einer analogen Zeit und Social Media verwischt die Grenzen zwischen Meinung und Werbung. Letzten Endes durfte Riseborough ihre Nominierung behalten und die Academy will in Sachen Onlinewerbung ihre Lobby-Regelungen anpassen. Für mich ist dieser Skandal allerdings ein alter Hut: die fantastische Andrea Riseborough wurde bereits im Traumfalter Jahresrückblick 2013 zur Besten Schauspielerin des Jahres gekürt und das gänzlich ohne Onlinelobby.

 

Die Nichtkinofilme

 

Let’s wind the clocks back ten years. 2013 waren exklusive Streaming Movies noch kein Thema. Im Jahr 2023 scheint es so, als wäre dieser Zenit bereits überschritten. Aber auch in diesem Jahr hat Apple TV+ hier qualitativ wieder die Nase vorn. Im November 2023 erschien mit FINGERNAILS ein berührender Sci-Fi Liebesfilm des griechischen Regisseurs Christos Nikou mit Jessie Buckley und Riz Ahmed in den Hauptrollen, indem eine Maschine anhand von Fingernagelproben testen kann, ob zwei Menschen auch wirklich ineinander verliebt sind. Nur bei hundertprozentiger Übereinstimmung ergibt in FINGERNAILS eine Beziehung gesellschaftlich überhaupt noch Sinn. Doch Anna, eine Mitarbeiterin jenes Love Institutes, hat ihre Zweifel, sowohl an ihrer 100% Beziehung als auch an den Testergebnissen der Maschine. FINGERNAILS erinnert ein wenig an die Filme von Michel Gondry (ETERNAL SUNSHINE OF THE SPOTLESS MIND), ist wunderbar offen, warmherzig, skurril und melancholisch, eine echte Streaming Filmperle.

 

 

FINGERNAILS von Christos Nikou (Apple TV+)

 

2023 war das Jahr für Filme über Spielzeuge und auch Apple TV+ hatte zwei bemerkenswerte Produktionen im Programm. Da wäre zunächst TETRIS von DRECKSAU Regisseur Jon S. Baird mit Taron Egerton als Videospielverkäufer, der sich in den 1980er Jahren um die internationale Vermarktung des in der Sowjetunion entwickelten Computerspiels Tetris bemüht. Das ist nicht nur für Gamingfans interessant, sondern eine turbulente Zeitreise in die Spätphase des Kalten Krieges zwischen Spionagethriller und Daddelnostalgie. Über einen eher kurzlebigen Spielzeughype erzählt hingegen der Film THE BEANIE BUBBLE, in dem Plüschtierhersteller Ty Warner (Zach Galifianakis) mit seinen limitierten Beenie Babys Millionen verdient, bis diese Spielzeugblase in den 90er Jahren spektakulär platzt. Eine irrwitzige Geschichte, im Gegensatz zu TETRIS aber weit weniger sympathisch und herzlich inszeniert.

 

 

Starke Exclusives auf Apple TV+: TETRIS von Jon S. Baird, THE BEANIE BUBBLE von Kristin Gore und Damian Kulash & SHARPER von Benjamin Caron

 

Im letzten Jahr war PREY, ein neuer Film innerhalb des PREDATOR Franchise, ein exklusiver Sleeper Hit auf Disney+. 2023 gab es mit NO ONE WILL SAVE YOU eine ähnliche Überraschung. Außenseiterin Brynn Adams lebt zurückgezogen in ihrem kleinen Haus mitten im Nirgendwo und führt ein sehr beschauliches Leben. Bis eines Nachts außerirdische Wesen in ihr Haus eindringen und es auf sie abgesehen haben. Doch Brynn ist überaus clever und stellt sich den Invasoren entgegen. Was wie ein typischer 80er Jahre Alien Home Invasion Plot klingt, ist auch einer, mit einem kleinen Unterschied – Hauptfigur Brynn, grandios gespielt von Katlyn Dever, hyperventiliert, stöhnt, ächzt und brabbelt, spricht aber (fast) nicht. Tatsächlich ist NO ONE WILL SAVE YOU ein Sci-Fi-Horror Stummfilm, doch es ist kein fancy Gimmick, es funktioniert fantastisch und ist spannend von der ersten bis zur letzen Minute.

 

 

NO ONE WILL SAVE YOU von Brian Duffield (Disney+)

 

Regisseur David Fincher produziert weiterhin gern für Netflix, auch wenn sein letzter Film MANK nicht überall gut ankam. Düstere Spannung gab es zudem seit GONE GIRL 2014 nicht mehr, nun aber erschien mit THE KILLER endlich wieder ein neuer Thriller aus dem Hause Fincher. Michael Fassbender spielt den titelgebenden und ansonsten namenlosen Auftragskiller, dessen letzter Auftrag schief ging und der sich nun selbst als Gejagter wiederfindet. Das klingt nach einer 60er Jahre Thriller Blaupause und erinnert auch visuell stark an DER EISKALTE ENGEL mit Alain Delon. Stilistisch ist THE KILLER ein Volltreffer, zynische Voice Over, die Songs von The Smith, Fassbenders dunkle Subtilität – am Ende aber verliert sich der Film in seiner Bedeutungslosigkeit der Figuren und Handlungen. Immer noch ein guter Thriller, aber nicht unbedingt einer der besten Filme von David Fincher.

 

 

THE KILLER von David Fincher (Netflix)

 

Netflix hatte 2023 einige exklusive Schmankerl im Gepäck, die ganz und gar nicht konventionell daherkamen. In der schrägen Mystery Sci-Fi Gangsterkomödie THEY CLONED TYRONNE findet Drogendealer Fontaine (John Boyega) heraus, dass er nur ein Klon ist und irgendwo irgendjemand die gesamte US-Bevölkerung durch Doppelgänger ersetzen will. In einer famosen Nebenrolle mit dabei: Jamie Foxx. Nach JACKIE und SPENCER widmet sich Regisseur Pablo Larraín dieses Mal … richtig, dem chilenischen Diktator Augusto Pinochet, der in EL CONDE gar nicht tot ist, sondern als Vampir sein Unwesen treibt, bis er nach 250 Jahren genug davon hat und sein endgültiges Ableben plant. Eine wahnwitzige Satire in schwarz-weiß, wenn auch ein wenig sperrig.

 

 

Netflix Bizarre: THEY CLONED TYRONE von Juel Taylor, die vierteilige Roald Dahl Kurzfilmsammlung von Wes Anderson & EL CONDE von Pablo Larraín

 

Netflix trieb es 2023 filmtechnisch also ziemlich weird. Nach weird und weirder aber kommt WEIRD: DIE AL YANKOVIC STORY mit Daniel Radcliffe in der Titelrolle des Musikerphänomens Weird Al Yankovic, der in den 70er und 80er Jahren die Musikszene mit neuen Texten zu bekannten Hits förmlich aufmischte. Aus My Sharona von The Knack wurde My Bologna, aus Michael Jacksons Beat it wurde Eat it. Auf dem Gipfel seines Erfolges in den 80ern war es ein Privileg, von Yankovic textlich parodiert zu werden. Davon erzählt auch das Netflix Biopic, aber zum Glück nur zur Hälfte. Der Rest ist frei erfunden, völlig abstrus und hirnverbrannt und das ist auch gut so, denn das macht aus WEIRD einen Riesenspaß für alle Popmusikfans und glühende Verehrer des jugoslawischen Akkordeongenies. Ebenfalls zum Schreien: Evan Rachel Wood als Madonna.

 

 

WEIRD: DIE AL YANKOVIC STORY von Eric Appel (Netflix)

 

Wem das alles zu unkonventionell ist, der hatte 2023 eventuell Spaß mit dem ein oder anderen exklusiven Actionspektakel. Ich jedenfalls nur bedingt. TYLER RAKE: EXTRACTION 2 setzt den Überraschungshit aus dem Jahr 2020 nach dem Prinzip Größer, Härter, Unlogischer fort und liefert bombastische Action, abermals mit einem coolem Chris Hemsworth in der Titelrolle. Nicht ganz so wuchtig, aber immer noch unterhaltsam fiel HEART OF STONE mit Gal Gadot in der Hauptrolle aus, der glatt ein Asylum Mockbuster von MISSION IMPOSSIBLE sein könnte. Der Apple TV+ Konkurrent GHOSTED von ROCKETMAN Regisseur Dexter Fletcher setzt indes auf Ana De Armas und Chris Evans als streitendes Liebespärchen, sie ist Geheimagentin, er ein Vollidiot, nichts funktioniert wirklich in dem Film, aber irgendwie kann ich De Armas und Evans nicht böse sein, beide sind einfach zu knuffig.

 

 

Actionfilm Offensive via Streaming: TYLER RAKE: EXTRACTION 2 von Sam Hargrave + HEART OF STONE von Tom Harper (Netflix) & GHOSTED von Dexter Fletcher (Apple TV+)

 

DER GRIFF NACH DEN STERNEN befand sich bereits bei Netflix in Entwicklung, bis sich die Amazon Studios die Vertriebsrechte sicherten und die Filmbiographie im September exklusiv zu Prime Video wanderte. Es ist die wahre Geschichte des mexikanischen Wanderarbeiters José Moreno Hernández, der davon träumt, Astronaut zu werden, elf Mal von der NASA abgelehnt wurde und es letztendlich doch ins Weltall schaffte. Als fiktiver Stoff vielleicht zu kitschig, als wahre Geschichte jedoch herzerwärmend, auch wenn der Film ziemlich glatt daherkommt und den Rassismus ein wenig herunterspielt. Das liegt vor allem an Michael Peña und Rosa Salazar, die wunderbar miteinander harmonieren und die eigentlich vertraute Underdog-Geschichte mühelos tragen.

 

 

DER GRIFF NACH DEN STERNEN (A MILLION MILES AWAY) von Alejandra Marquez Abella (Amazon Prime)

 

Mit DER GRIFF NACH DEN STERNEN und GUY RITCHIES DER PAKT hat Amazon nun endlich mal zwei brauchbare Exclusives im Filmprogramm, das war ja finster die letzten Jahre. Allerdings hab ich CANDY CANE LANE mit Eddie Murphy bislang noch nicht gesehen, zu traumatisch sind noch die Erinnerung an DER PRINZ VON ZAMUNDA 2. Trotz FINGERNAILS und TETRIS aus dem Hause Apple TV+ hat Netflix 2023 filmtechnisch mehr gewagt als die Konkurrenz. Eins aber ist sicher, exklusive Streaming Filme bleiben im Gegensatz zu Serien eher Prestigeobjekte und bis auf ein paar Ausnahmen sind die meisten davon recht verzichtbar.

 

Staffellauf im Sitzen, das geht heut’ die ganze Nacht!

 

Begeben wir uns nun auf die Suche nach der Besten Serie 2023. Das ist gar nicht so einfach, wenn man wirklich objektiv bleiben will. Fangen wir an. Das Serienjahr 2023 begann fulminant, bereits im Januar erschien mit THE LAST OF US ein echter Hochkaräter. THE LAST OF US basiert auf dem gleichnamigen Videospiel aus dem Jahr 2013 und wer immer das gespielt hatte, wusste, das ist kein leichter Stoff. Endzeitapokalypsen gab es ja auch im Serienformat zuhauf, Videospieladaptionen hatten bis auf wenige Ausnahmen keinen guten Ruf und natürlich wurde anfangs auch wieder über die Besetzung gemault. Am Ende verstummten die Vorabkritiker, Pedro Pascal und Bella Ramsey lieferten Glanzvorstellungen ab, stilistisch ist THE LAST OF US ein Brett, kein anderes Videospiel wurde je so werksgetreu inszeniert. Doch das ist auch ein Problem, denn wer das Spiel kennt, für den ist die Serie relativ überraschungsfrei. Aber was blieb den Showrunnern Craig Mazin (CHERNOBYL) und Neil Druckmann schon weiter übrig?

 

 

THE LAST OF US von Craig Mazin und Neil Druckmann (HBO/WOW)

 

Noch mehr Endzeit gab es auf Apple TV+, wenn auch gänzlich anders. SILO basiert auf der gleichnamigen Romanreihe von Hugh Howey und erzählt von einer dystopischen Welt, in der die Reste der Menschheit in einem gigantischen Silo leben. Draußen wartet nur der Tod, doch wer sich traut, darf gern rausgehen und sich selbst überzeugen, bevor man einen qualvollen Tod stirbt. So erging es einst dem Sheriff des Silos, dessen Nachfolgerin Juliette (Rebecca Ferguson) glaubt ebenfalls, dass hinter der Fassade mehr verborgen steckt als die Silo-Regierung vorgibt und schon nimmt der durchaus spannende Plot seinen Lauf. SILO wird gänzlich von Rebecca Ferguson getragen, die physisch wie emotional alles gibt. Im Gegensatz zu Rapper und Oscarpreisträger Common, ich hab selten so etwas schnarchnasiges gesehen. Auch das Ende von Staffel 1 wirft mehr Fragen auf als beantwortet werden, ja ich weiß, dafür gibt’s ja Staffel 2 und 3, aber Serie des Jahres wird man so nicht.

 

 

SILO von Graham Yost (Apple TV+)

 

Es ist ohnehin unmöglich, bei der Fülle an neuen Serien alle Geschmäcker zu treffen. Ich mag es sehr gern, wenn es absurd und unkonventionell wird, andere schreckt das eher ab. Netflix experimentierte in KALEIDOSKOP damit, ob man Serienfolgen einer Staffel auch durcheinanderschauen kann, das Konzept ging für mich aber nicht wirklich auf. Dann lieber stilistische Experimente. Mit COPENHAGEN COWBOY legte der dänische Regisseur Nicolas Winding Refn bereits seine zweite Miniserie nach TO OLD TO DIE YOUNG vor. COPENHAGEN COWBOY ist Refn in Reinkultur, hypnotischer Bildersturm, erzählerisches Nichts, Stil kilometerweit über Substanz, Egozentrik ohne Inhalt, kurzum: Ich liebe es! Auch DER BIENENSCHWARM ist nicht leicht verdaulich und wirft einen subversiven Blick auf toxische Popmusik Fandoms, wenn ein obsessiver Schwärmer auf einen blutigen Roadtrip geht, um ihrer Lieblingskünstlerin nah zu sein. In diesem Sujet perfekt in einer Nebenrolle besetzt: Filmdebütantin Billie Eilish.

 

 

Serien Bizarre: COPENHAGEN COWBOY von Nicolas Winding Refn (Netflix), DER BIENENSCHWARM von Donald Glover und Janine Nabers (Amazon Prime) & THE CURSE von Nathan Fielder und Benny Safdie (Paramount+)

 

Die Überraschung des Serienjahres war für viele, inklusive mir, die Verfilmung des Mangas und Animes ONE PIECE. Ich kannte die Vorlagen und war mir sicher, Realverfilmungen von Animes funktionieren nicht, siehe COWBOY BEBOP. Falsch gedacht, ONE PIECE ist einfach umwerfend, Look & Feel, Drehbuch, Inszenierung, Besetzung, alles passt und macht jede Menge Spaß. Aber das Budget von 18 Millionen US-Dollar pro Folge, ist da nicht ein Flop vorprogrammiert? Auch nicht, ONE PIECE wurde so euphorisch aufgenommen und landete in 86 Ländern auf Platz 1. Nicht schlecht. Die Abenteuer von Monkey D. Ruffy, Nami, Lorenor Zorro, Sanji, Lysop und Koby können also weitergehen, Stoff gibt es immerhin für 20. Staffeln.

 

 

Überraschung des Jahres: ONE PIECE von Matt Owens und Steven Maeda (Netflix)

 

Disney baut trotz aller Problemchen hier und da ihre Serienfranchises weiter aus und platzierte in diesem Jahr eine neue Serie und eine Fortsetzungsstaffel im Marvel Cinematic Universe. Im Juni startete SECRET INVASION über Nick Fury und den in CAPTAIN MARVEL begonnenen Plot um die auf der Erde versteckten Skrulls. Tonal eine echte Spionage Thrillerserie, ich mag die Geschichte um die Skrulls sehr, steckt darin doch viel STAR TREK Flair. Kam nicht sonderlich gut an, ist aber wesentlich besser als ihr Ruf. Eigentlich gehe ich im Jahresrückblick kaum auf neue Staffeln von Serien ein, aber in diesem Jahr muss man über Season 2 von LOKI reden. Die Fortsetzung pfeift auf so manche Entwicklung der Vorgängerstaffel und erzählt einen wahren Zeitzerrungsopus rund um die TVA, mit Oscarpreisträger Ke Huy Quan als überaus sympathischen Neuzugang, aber auch Owen Wilson und Sophia Di Martino sind wieder an Bord, natürlich auch Tom Hiddleston als Lokivariante, dem ein ergreifendes wie episches Finale zuteilwird.

 

 

LOKI von Eric Martin, Justin Benson und Aaron Moorhead (Disney+)

 

Auch in Sachen STAR WARS geht es munter weiter, gleich zu Beginn 2023 mit einer neuen Staffel THE BAD BATCH und später im Mai mit einer weiteren Staffel STAR WARS VISION, in der dieses Mal nicht nur japanische Animationsstudios den Krieg der Sterne interpretieren durften. Mit dabei sind auch die Aardman Animation Studios (WALLACE & GROMIT) mit dem wundervollen Beitrag I AM YOUR MOTHER. Zwischen den beiden Animationsserien erschien dann auch die 3. Staffel von THE MANDALORIAN, welche den bisherigen Höhepunkt der Abenteuer um Din Djarin und Grogu darstellt und im Staffelfinale pure STAR WARS Magie versprüht. Wie es mit dem Mandalorian weitergeht, ist noch nicht ganz klar, womöglich gipfeln die Abenteuer von Mando und Baby Yoda in einem fulminanten und alles abschließenden Kinofilmspektakel von Dave Filoni.

 

 

STAR WARS 2023: THE BAD BATCH Staffel 2, THE MANDALORIAN Staffel 3 und Staffel 2 für STAR WARS: VISIONS (Disney+)

 

Dave Filoni. Seit 2008 Showrunner der STAR WARS Animationsserien, dann Executive Producer, Autor und Regisseur aller anderen STAR WARS Serien, seit November 2023 Chief Creative Officer bei Lucasfilm. Heißt, alles, was kreativ mit STAR WARS zu tun hat, geht durch Filonis Hände. Die Krönung kommt nicht von ungefähr, bewies doch Filoni mit der Serie AHSOKA, dass keiner STAR WARS so gut versteht wie er. AHSOKA kam im August zu Disney+ und machterschütterte spätestens mit Folge 4 die gespaltene Fangemeinde. AHSOKA führt große Teile von THE CLONE WARS und STAR WARS REBELS zu einem gigantischen Finale, setzt Hayden Christensen als Anakin Skywalker ein grandioses Denkmal und öffnet die Saga für neue Wege und Universen. Was für ein ergreifendes Epos. Kaum etwas hat mich so berührt in diesem Jahr als das Wiedersehen mit Ahsoka, Anakin, Hera, Sabine und Ezra. Dann noch Ray Stevenson und Lars Mikkelsen! Man muss aber auch fairerweise sagen, für alle, die CLONE WARS und REBELS nicht kennen, wird AHSOKA ein Buch mit sieben Siegeln bleiben. Objektiv betrachtet ist AHSOKA also auch nicht Serie des Jahres.

 

 

AHSOKA von Dave Filoni (Disney+)

 

Werden wir in auf der Suche nach der Serie des Jahres 2023 wieder etwas erdiger. In Sachen Crime gab es einige Hochkaräter, in unterschiedlichster Couleur. Echten True Crime servierte LOVE & DEATH mit einer hinreißenden Elizabeth Olsen und einem gewohnt großartigen Jesse Plemons. Worum es in LOVE & DEATH geht? Um Mord, meine Freunde! In WHITE HOUSE PLUMBERS hingegen geht es im weitesten Sinne um Einbruch und zwar von zwei Vollidioten von Regierungsmitarbeitern, die die Wiederwahl Nixons sichern wollen und deshalb das Wahlkampfbüro der Demokraten ausspionieren, welches sich im Watergate Hotel befindet. Wenn in dieser Politsatire auch nur ein Körnchen Wahrheit steckt, dann war der Watergate Skandal an Dummheit nicht mehr zu übertreffen. WHITE HOUSE PLUMBERS ist dank Woody Harrelson und Justin Theroux eine der witzigsten Serien des Jahres.

 

 

Crime is Crime 2023: LOVE & DEATH von David E. Kelley und Lesli Linka Glatter (HBOMax/RTL+), WHITE HOUSE PLUMBERS von Alex Gregory and Peter Huyck (HBO/SKY) & TULSA KING von Taylor Sheridan (Paramount+)

 

Wer auf Agentenaction steht, kam 2023 definitiv auf seine Kosten, mal mehr, mal weniger. Neben den Action Streaming Filmen erschienen noch drei Serien um allerlei Spionageirrsinn. Wer hätte das gedacht, aber Arnold Schwarzenegger gibt sein Seriendebüt in guter alter TRUE LIES Manier mit einem familientauglichen Plot, auch Tom Arnold schaut nochmal vorbei, ansonsten hat FUBAR natürlich wenig mit James Camerons Hit von 1994 zu tun, sympathisch ist die Agentenhatz trotzdem. Im Gegensatz zu Amazons THE CITADEL mit Richard Madden und Priyanka Chopra Jonas, hier gibt’s gar keine Chemie zwischen den Figuren, dafür umso mehr Pyrotechnik für stolze 300 Millionen US-Dollar. Wem das alles zu krawallig ist, der findet mit DIPLOMATISCHE BEZIEHUNGEN eine weitaus realistischere Thrillerserie um eine US-Botschafterin in London mit jeder Menge Krisen, Allianzen und Spionageaktivitäten.

 

 

Agentenserien Overkill: FUBAR von Nick Santora (Netflix), THE CITADEL von Josh Appelbaum und Bryan Oh (Amazon Prime) & DIPLOMATISCHE BEZIEHUNGEN von Debora Cahn (Netflix)

 

Vielleicht ist die Serie des Jahres ja im Horrorgenre zu finden. Verdient hätte es in jedem Fall Mike Flanagan mit seinem Netflix Finale THE FALL OF THE HOISE OF USHER. Man spricht in Insiderkreisen auch vom Flanaverse, denn für Netflix inszenierte der Regisseur und Autor bislang vier Horrorserien. Sein Meisterwerk wird für immer MIDNIGHT MASS bleiben, aber THE FALL OF THE HOUSE OF USHER ist ein würdiger Abschluss seines Schaffens für Netflix, bevor er für Amazon arbeitet. Einen cleveren Genderswap legte das Serienremake DEAD RINGERS vor. Die Neuinterpretation von Cronenbergs DIE UNZERTRENNLICHEN handelt noch immer von den Mantle Zwillingen, nur werden die nun nicht mehr von Jeremy Irons, sondern von Rachel Weisz gespielt. Und das funktioniert prächtig, weil es sich nicht zu streng an die Vorlage hält und dem Plot neue Facetten abgewinnt.

 

 

THE FALL OF THE HOUSE OF USHER von Mike Flanagan (Netflix)

 

So Kinder, was machen wir denn nun mit der Besten Serie des Jahres? THE LAST OF US zu werksgetreu, COPENHAGEN COWBOY und THE CURSE zu nischig, AHSOKA ohne Vorkenntnisse kein Impact. Schwierig, schwierig. Aber da fällt mir noch eine Serie ein, die mich gepackt hat, die Traditionelles mit Neuem verbindet, clevere Drehbücher bietet, exzellent besetzt bis in die kleinsten Nebenrollen ist und die eine breite Masse ansprechen könnte, wenn sie denn auf Netflix laufen würde. Tut sie nicht, denn die Serie erschien auf WOW und ist somit an vielen vorbeigegangen. Ihr Schöpfer ist umstritten und wird leidenschaftlich gehasst, ist aber ein überaus erfolgreicher Filmemacher. 2023 produzierte er seine erste Serie, ein klassisches Crime Format, modern und Retro gleichermaßen und mir fällt kein Gegenargument ein, daher: Serie des Jahres ist POKER FACE von Rian Johnson.

 

 

POKER FACE von Rian Johnson (WOW)

 

POKER FACE handelt von Charlie Cale, die eigentlich keinen Lebensplan hat, anfangs aber in einem Casino arbeitet. Cale hat ein besonderes Talent, sie weiß, wenn ihre Mitmenschen lügen. Als menschlicher Lügendetektor fällt ihr so augenblicklich auf, wenn jemand Bullshit labert. Das ist dann meist der Ausgangspunkt für einen entsprechenden Case of the Week, in der Charlie ein illustres Verbrechen aufklärt, in bester COLUMBO Manier. Genau, POKER FACE ist eine moderne Version diverser Krimiserienformate und vor allem von COLUMBO inspiriert. Es gibt kaum eine dramaturgische Horizontale, jede Folge ist ein funkelndes Krimikleinod mit überraschenden Gaststars und noch überraschenderen Wendungen. Je mehr ich über POKER FACE sinniere, desto sicherer bin ich, das ist das beste Rundumpacket für Serienliebhaber 2023. Staffel 2 ist bereits geordert.

 

 

Wie im Vorjahr ist die Serienlandschaft fast unüberschaubar, die Genres zersplittert, jeder kriegt, wonach ihn gelüstet, man muss nur bisschen suchen oder den Traumfalter Jahresrückblick lesen. Es gibt eben einfach viel zu viel und auch wenn es nicht alle in die Top 12 des Jahres geschafft haben, gibt es dicke Empfehlungen für HELLO TOMORROW, THE MUPPETS MAYHEM, das THE BOYS Spin Off GEN V, MRS. DAVIS, die neuen Staffeln von STAR TREK STRANGE NEW WORLD (mit klasse Musicalfolge), BLACK MIRROR und FOUNDATION. Irgendwann muss es ein staatlich verordnetes Jahr Serienfrei geben, um alles Verpasste nachzuholen.

 

Stars, Comebacks, Breakthroughs & Goodbyes

 

Bevor wir an dieser Stelle traditionell die besten Schauspieler und Schauspielerinnen des Jahres auszeichnen, werfen wir einen kurzen Blick auf das interne Konkurrenzgerangel. Cillian Murphy und Robert Downey Jr. lieferten in OPPENHEIMER die wohl besten schauspielerischen Leistungen ihrer Laufbahnen ab. Auch Florence Pugh begeistert in OPPENHEIMER, aber mehr noch in Zach Braffs A GOOD PERSON. Besonders bei den Schauspielerinnen war es dieses Jahr schwierig, Rebecca Ferguson hatte nach ihrer großartigen Performance in SILO einfach Pech, in MISSION IMPOSSIBLE: DEAD RECKONING PART 1 wurde sie von Vanessa Kirby glatt an die Wand gespielt und DUNE 2 wanderte ins Jahr 2024. Und Margot Robbie ist nach BABYLON und BARBIE im Schauspielolymp der Götter angekommen. So weit, so bekannt, aber das kann doch noch nicht alles gewesen sein?

 

 

Herausragende Performances 2023: Robert Downey Jr. in OPPENHEIMER, Greta Lee in PAST LIVES, Mark Hamill in THE FALL OF THE HOUSE OF USHER, Leonie Benesch in DAS LEHRERZIMMER, Lilly Gladstone in KILLERS OF THE FLOWER MOON, Nick Offerman in THE LAST OF US, Florence Pugh in A GOOD PERSON und Franz Rogowski in PASSAGES

 

Den Besten Schauspieler 2023 hatte ich viele Jahre gar nicht so auf dem Schirm und die meisten dürften auch erst 2016 mit ROGUE ONE auf Ben Mendelsohn aufmerksam geworden sein. In der Rolle des imperialen Direktors für Waffenforschung Orson Krennic konnte man ihn dann zu Jahresbeginn auch wieder in THE BAD BATCH sehen bzw. hören. Doch das war nur der Anfang. In Marvels SECRET INVASION spielt er erneut den Skrull Talos aus CAPTAIN MARVEL, pendelt zwischen brachial und feinfühlig und lässt den übrigen Cast weit weit hinter sich. Doch der Höhepunkt seines Schaffens war die Rolle des FBI Ermittlers Lemmark in CATCH THE KILLER an der Seite von Shailene Woodley. Oder war es sein Part als Entführer Jacob Holbrook in THE MARSH KING’S DAUGHTER? Was auch immer, der Award Schauspieler des Jahres geht an Ben Mendelsohn.

 

 

Schauspieler des Jahres 2023: Ben Mendelsohn für TO CATCH A KILLER, SECRET INVASION & THE MARSH KING’S DAUGHTER

 

Auch wenn die Konkurrenz groß war in diesem Jahr, durchweg begeistert hat mich 2023 Shailene Woodley, die genau vor zehn Jahren im ersten Traumfalter Jahresrückblick zur Durchstarterin des Jahres gekürt wurde. Nach der DIVERGENT Reihe wurde es um sie ein wenig still, doch in diesem Jahr drehte Woodley wieder auf, zunächst an der Seite von Ben Mendelsohn in CATCH THE KILLER als selbstmordgefährdete Streifenpolizistin. In der überdrehten Sci-Fi Komödie ROBOTS hat sie eine Doppelrolle als kleines Miststück plus ihrer eigenen Roboterdoppelgängerin, beide Facetten spielt sie einfach wundervoll. Da braucht es ihre kleineren, aber ebenso feinen Auftritte in DUMB MONEY oder FERRARI gar nicht mehr, um den Award einzusacken. Glückwunsch, Shailene.

 

 

Schauspielerin des Jahres 2023: Shailene Woodely für TO CATCH A KILLER, ROBOTS & DUMB MONEY

 

Der Award Durchstarterin des Jahres geht an Sophia Lillis, die 2017 ihren großen Durchbruch mit der Neuverfilmung von Stephen Kings ES hatte. 2023 geht sie jetzt durch die Decke, als Druidin und Gestaltwandlerin Doric im bezaubernden DUNGEONS & DRAGONS: EHRE UNTER DIEBEN, als jüngstes Geschwisterlein im berührenden Coming of Age Drama THE ADULTS und als Wunderkind in Wes Andersons ASTEROID CITY. Wow, was für ein Hattrick. Es gibt wohl nur eine Sache, die noch mehr adelt als ein Traumfalter Award und das ist die Hauptrolle in einem Spiel von Hideo Kojima, und genau diese bekleidet Sophia Lillis mit OD im Jahr 2024. Wenn das kein Durchstarten ist, weiß ich auch nicht.

 

 

Durchstarterin des Jahres 2023: Sophia Lillis für DUNGEONS & DRAGONS: EHRE UNTER DIEBEN, ASTEROID CITY & THE ADULTS

 

Echte Newcomer zu finden ist immer schwer, gleich mit der ersten Filmrolle zu brillieren, wie oft passiert das schon? Eine grandiose Entdeckung 2022 war die 13jährige Irin Catherine Clinch im Film THE QUIET GIRL, der erst im Dezember 2023 hierzulande in die Kinos kam. Auch Billie Eilish gab 2023 ihr Filmdebüt in der Serie DER BIENENSCHWARM und das war kein Metagag oder so, das war eine wirklich gut gespielte kleine Rolle, das kann die Eilish gern öfter machen. Der 16jährige Franzose Ethann Isidore spielte 2023 seine erste Spielfilmrolle überhaupt, aber wen interessiert das, wenn es ein INDIANA JONES Film ist, so hat Ke Huy Quan auch angefangen und ist mittlerweile OSCAR Preisträger. Weiter so, ihr Früchtchen!

 

 

Newcomer des Jahres 2023: Catherine Clinch in THE QUIET GIRL, Billie Eilish in DER BIENENSCHWARM & Ethann Isidore in INDIANA JONES UND DAS RAD DES SCHICKSALS

 

Gibt’s auch ein gelungenes Comeback in diesem Jahr? Nicht unbedingt bei den Schauspielerinnen und Schauspielern. Aber ein Comeback darf 2023 nicht unerwähnt bleiben und das ist die Rückkehr von Action Papst John Woo nach Hollywood. Seine letzte US-Produktion PAYCHECK erschien 2003 und somit vor 20 Jahren. Mit SILENT KILLER kehrt er in bester John Woo Manier zurück und liefert einen actiongeladenen Stummfilm par excellence ab, als wäre nix gewesen. Der inzwischen 77jährige „Mozart der Verwüstung“ hat es immer noch drauf, willkommen zurück, John Woo!

 

 

Comeback des Jahres 2023: Regisseur John Woo für SILENT NIGHT

 

 

Während der Nachwuchs gedeiht, die Küken durchstarten und die Granden zurückkehren, fällt für einige im Jahr 2023 der letzte Vorhang. Wie immer heißt es Abschied nehmen von den Stars und Sternchen, welche wie immer zu früh von uns gegangen sind, durch ihr Werk aber unsterblich bleiben. Dunkel ist es nun um Euch, Freunde, doch von Stund an tragen wir Euer Licht weiter bis dass wir uns einst wiedersehen in Walhalla!

 

 

Rest in Peace: Julian Sands (WARLOCK), Castingikone Simone Bär, Ray Stevenson (AHSOKA), Tina Turner (MAD MAX: JENSEITS DER DONNERKUPPEL), Treat Williams (DEAD HEAT), Alan Arkin (LITTLE MISS SUNSHINE), Paul Reubens (PEE WEES IRRE ABENTEUER), Peter Simonischek (TONY ERDMANN), Tom Sizemore (HEAT), Michael Gambon (HARRY POTTER), Piper Laurie (TWIN PEAKS), Matthew Perry (FRIENDS)

 

OPPENBARBIE oder BARBENHEIMER?

 

Was hat das Kinojahr 2023 geprägt? Zuallererst natürlich die Freuden der Vorfreude. Wenn man Anfang des Jahres auf kommende Filmhighlights blickt und den Kinostart nicht erwarten kann, dann ist das das Eine. Ob diese Erwartungen dann auch erfüllt werden, steht auf einer anderen Drehbuchseite. 2023 versprach einen großartigen Kinosommer, einen neuen INDIANA JONES, ein neuer MISSION IMPOSSIBLE, nochmal Michael Keaton als BATMAN 89, selten tummelten sich so viele heißgeliebte Hochkaräter in den Sommermonaten, doch nicht die üblichen Verdächtigen bewegte die Filmfans rund um den Globus. Es war nicht bloß ein Film, kein Franchise, kein Remake, keine Fortsetzung, es war die Magie des Kinos an sich, ein popkulturelles Phänomen, ein Kinofels in der Streamingbrandung, eine paradoxe Gegensätzlichkeit, zusammengefasst in einem schnuckligen Kofferwort: BARBENHEIMER. Am 20. Juli 2023 kamen zwei Filme in die Kinos, die unterschiedlicher nicht hätten sein können, die konträre Zielgruppen hatten und an deren Doppelerfolg keiner geglaubt hatte. BARBIE und OPPENHEIMER, wer kennt dieses Pärchen nicht. Was war da los?

 

 

Film des Jahres 2023 #1: BARBIE von Greta Gerwig (Warner)

 

Nach LADYBIRD und LITTLE WOMAN konnte es für Regisseurin und Drehbuchautorin Greta Gerwig nur noch eine Steigerung geben und die hieß BARBIE. Mit Produzentin Margot Robbie deutete Gerwig die beliebte Spielzeugpuppe zur unfreiwilligen feministischen Ikone um, sie nahmen die hysterische Genderdebatte auf und machten aus ihr einen gesellschaftlichen Spiegel. Der Film BARBIE nimmt an dieser Debatte nicht teil, er spiegelt sie und bringt dabei allerlei Gemüter in Rage. In etlichen islamischen Ländern verboten, in Saudi-Arabien dagegen kommerziell erfolgreich, BARBIE stellt die scheiß Welt auf den Kopf. Nochmal: BARBIE! Es gab eine Post-BARIE-Depression, an der Wall Street sprach man vom BARBIE-Effekt, vielleicht wird BARIE sogar noch US-Präsident. Ist das nun alles nur ein popkulturelles Phänomen oder taugt der Film auch ohne das Drumherum? Und wie, BARBIE strotzt nur so vor Einfallsreichtum, Selbstironie und Doppeldeutigkeiten, BARBIE ist ein Meisterwerk. Und trotzdem nur eine Hälfte der Medaille.

 

 

Film des Jahres 2023 #2: OPPENHEIMER von Christopher Nolan (Universal)

 

Denn am 20. Juli kam auch OPPENHEIMER von Christopher Nolan in die Kinos. Nolans 12. Regiearbeit ist genreuntypischerweise ein Arthouse Biopic, inszenatorisch wie erzählerisch aber ein echter Nolan. Und ein Test fürs Publikum: 180 Minuten lang, teils schwarz-weiß, komplexe Zeitsprünge, quälende Verhöre in Hinterzimmern, Geschichte Leistungskurs im Kinosessel. Und dennoch oder genau deswegen fesselt die Filmbiographie von Robert J. Oppenheimer, Erfinder der Atombombe, von der ersten bis zur letzten Minute. Cillian Murphy trägt den Film mühelos, ein schauspielerischer Kraftakt, aber auch der Rest des Casts brilliert. Ein monumentales Kinoerlebnis. Aber was ist nun Film des Jahres, BARBIE oder OPPENHEIMER? Es ist keiner von beiden allein, aber im Doppelpack BARBENHEIMER ist es die Quintessenz des Kinos, die Magie der Figuren und Geschichten, wie sie selten in zwei unterschiedlichen Filmen zusammengeführt wurden. BARBIE und OPPENHEIMER fegten in diesem Jahr sämtliche Konkurrenz weg und Roger Corman arbeitet bereits an einem echten BARBENHEIMER Film. Welch wundervoll Pointe.

 

 

DUNGEONS & DRAGONS: EHRE UNTER DIEBEN von John Francis Daley und Jonathan Goldstein (Universal)

 

Eine der größten Überraschungen des Kinojahres 2023 war die Fantasykomödie DUNGEONS & DRAGONS: EHRE UNTER DIEBEN, denn die hatte nach der Trash Trilogie aus den 2000er Jahren wohl keiner auf dem Schirm. Der Film basiert grundlegend auf der gleichnamigen Rollenspielreihe, doch während THE LAST OF US ein Videospiel extrem werksgetreu adaptierte, beweist DUNGEONS & DRAGONS: EHRE UNTER DIEBEN, wie kreativ man Gamemechaniken ins Filmische übersetzen kann. Im Grunde ist der Film eine High Fantasy Variation der GUARDIANS OF THE GALAXY, ein bunter Figurenhaufen mit jeder Menge Dynamik, Gags und witzige Ideen am laufenden Band, aber eben nicht nur Parodie, sondern durch und durch ein fulminantes Fantasyepos.

 

 

INDIANA JONES UND DAS RAD DES SCHICKSALS von James Mangold (Disney)

 

Indy ist zurück! Nach dem eher unbeliebten KÖNIGREICH DES KRISTALLSCHÄDELS von 2008 sollte ein letzten Indiana Jones Film mit Harrison Ford die Reihe abschließen und die Fangemeinde versöhnen. Geklappt hat das so mittelprächtig. Auf der Habenseite stehen ein gut gelaunter Ford samt passablen Deaing, die Rückkehr von Salah, Mads Mikkelsen aus Nazischerge und jede Menge Action. Statt Spielberg inszenierte James Mangold, was ein wenig auf Kosten der Leichtfüßigkeit geht, INDIANA JONES UND DAS RAD DES SCHICKSALS ist leider zu viel Non Stop Action, ein bisschen mehr Mystery und Grabräuberstimmung hätten die Hatz auf den obligatorischen MacGuffin gutgetan. Die Chemie zwischen Indy und Patentochter Helena ist teilweise fürchterlich, das Finale wiederum äußerst gelungen. Insofern bleibt INDY 5 ein bisschen hinter den großen Erwartungen zurück.

 

 

MISSION IMPOSSIBLE: DEAD RECKONING PART 1 von Christopher McQuarrie (Paramount)

 

Vom großen Finale ist Geheimagent Ethan Hunt und somit Tom Cruise mindestens noch einen Film entfernt, denn MISSION IMPOSSIBLE: DEAD RECKONING ist lediglich PART 1 eines Zweiteilers und führt die Geschichte erst 2025 zu Ende. Teil 1 aber liefert wie gewohnt spektakuläre Action und Setpieces, das beliebte Team um Luther, Benji und Ilsa, aus früheren Teilen kehren Henry Czerny als Kittridge und Vanessa Kirby als Alanna Mitsopolis zurück, neu dazu stößt Haylay Atwell und wirbelt gleich alles durcheinander. Alles drehte sich im Vorfeld um den großen Motorradstunt, an der Kinokasse musste sich MISSION IMPOSSIBLE: DEAD RECKONING PART 1 allerding der BARBENHEIMER Konkurrenz geschlagen geben. Insgesamt kann man sagen, FALLOUT war eine Spur besser, auch wenn die Story noch nicht abgeschlossen ist. Ob das dann PART 2 richten wird, bleibt abzuwarten.

 

GUARDIANS OF THE GALAXY VOL.3 von James Gunn (Disney)

 

Das Kinoduell MARVEL gegen DC kam 2023 zu einem vorläufigen Finale, denn ab nächstem Jahr müssen die Marvelhelden gegen das neue DC Universe von James Gunn antreten. Gunn bescherte Disney und den Fans noch den abschließenden GUARDIANS OF THE GALAXY VOL. 3 und lieferte damit seinen bislang besten Film ab, bevor er die Führung der DC Studios übernimmt. Während ANT MAN AND THE WASP: QUANTUMANIA an der Kinokasse erfolgreich startete, dann aber „nur“ bei 475 Millionen US-Dollar landete, floppte THE MARVELS gewaltig und stellte einen Negativrekord für das MCU auf. Zu Unrecht, THE MARVELS ist viel besser als sein Ruf. BLUE BEETLE und SHAZAM! FURY OF THE GODS vom DCU waren sogar noch erfolgloser, der zweiter AQUAMAN: LOST KINGDOM kommt erst noch. Auch dem DC Flagschiff THE FLASH war 2023 kein großer Erfolg beschieden, trotz der fulminanten Rückkehr von Michael Keaton als BATMAN 89, der auch gewaltig rockt, genauso wie Sasha Calle als SUPERGIRL. Mit Ezra Miller als Barry Allan aber werde ich wohl nicht mehr warm. Egal, nächstes Jahr werden die Comickarten neu gemischt.

 

 

THE FLASH von Andy Muschietti (Warner)

 

Comicverfilmungen also mal wieder am Ende, oder was? Von wegen. SPIDER-MAN: ACROSS THE UNIVERSE zeigt in allen Belangen, wie es richtig geht, stilistisch, storytechnisch wie episch. Die Fortsetzung von A NEW UNIVERSE um Miles Morales, Gwen Stacy und jeder Menge multiuniversaler Spider-Wesen spielt als Mittelstück einer Trilogie in der gleichen Liga wie DAS IMPERIUM SCHLÄGT ZURÜCK oder THE DARK KNIGHT und verspottet zuweilen den Multiversumsquark in SPIDER-MAN: NO WAY HOME. Ein wahrer Overkill an Ideen, Action, Style, Referenzen und Hommagen, dass einen 141 Minuten lang die Kinnlade runterklappt. Nun heißt es Warten auf 2024, wenn SPIDER-MAN: BEYOND THE UNIVERSE diese Trilogie hoffentlich ebenso kongenial abschließen wird.

 

 

SPIDER-MAN: ACROSS THE UNIVERSE von Joaquim Dos Santos, Justin K. Thompson und Kemp Powers (Sony)

 

Generell war im Animationsfilmbereich viel los in 2023. SUPER MARIO BROS. DER FILM, eine Kooperation zwischen Nintendo und den Illumination Studios, wurde zum weltweiten Erfolg und spiele 1,3 Milliarden US-Dollar ein. Ein buntes, rasantes und gänzlich harmloses Vergnügen für Mariofans, Kids und Junggebliebene, ich persönlich fand den SUPER MARIO Film von 1993 aber besser. Auch die Turtels kehren mit dem wundervollen TMNT: MUTANT MAYHEM zurück. Pixar brachte ihr neues Werk ELEMENTALS in die Kinos, der nicht ganz in der Oberklasse der Pixarwerke mitspielt, doch ganz knuffig daherkommt. Mehr Spaß hatte ich aber mit RUBY TAUCHT AB aus dem Hause DreamWorks Animation sowie NIMONA von Netflix.

 

 

Animation Allstars 2023: DER SUPER MARIO BROS FILM von Aaron Horvath und Michael Jelenic (Universal), TEENAGE MUTANT NINJA TURTLES: MUTANT MAYHEM von Jeff Rowe und Kyler Spears (Paramount), ELEMENTAL von Peter Sohn (Disney) & RUBY TAUCHT AB von Kirk DeMicco (Universal)

 

Das Kinojahr 2023 hatte aber noch mehr zu bieten als Franchises, Fortsetzungen und Comicadaptionen. Ein echtes Brett war das US-Debüt des argentinischen WILD TALES Regisseur Damián Szifron TO CATCH A KILLER. In diesem düsteren Serienkiller Thriller machen Streifenpolizistin Elena und FBI Ermittler Lemmark Jagd auf einen perfiden Killer, dabei liefern sowohl Shailene Woodley als auch Ben Mendelsohn schauspielerische Höhepunkte ihrer Karriere ab. Das Ganze ist so derart fucking intense, dass einem der Atem stockt, einen ähnlichen Effekt hatte ich so zuletzt bei David Finchers SIEBEN. Vom psychologischen Aufbau der Figuren über die eiskalte Atmosphäre bis zum erschütternden Finale stimmt hier einfach alles. Und bei all den Filmüberlängen hat CATCH THE KILLER mit 119 Minuten, also weit unter zwei Stunden, auch die perfekte Laufzeit. Anschaubefehl!

 

 

CATCH THE KILLER von Damián Szifron (LEONINE)

 

Apropos Überlänge, viel Sitzfleisch wurde von den Kinogängern 2023 verlangt, dafür wurde man belohnt mit großartigen Werken alter Regiehaudegen. Allen voran Martin Scorcese, der mit KILLERS OF THE FLOWER MOON wieder besser in Form ist als noch bei THE IRISHMAN und in dem Leonardo DiCaprio, Robert De Niro und Lilli Gladstone schauspielerisch auftrumpfen, in epischen dreieinhalb Stunden. Mit 158 Minuten fühlt sich dagegen Ridley Scotts NAPOLEON mit Joaquim Phoenix und Vanessa Kirby fast ein bisschen zu kurz an, hier musste wohl für die Kinofassung viel Material raus, eine 4 Stunden Version via Apple Tv+ wird das aber richten, denke ich. NAPOLEON beeindruckt aber auch im Kino bereits mit opulenten Schlachten, einem gewohnt brillanten Phoenix und einer noch besseren Vanessa Kirby.

 

 

Alte Regiehaudegen – neue Filme: KILLERS OF THE FLOWER MOON von Martin Scorcese (Paramount/Apple TV+) & NAPOLOEN von Ridley Scott (SONY/Apple TV+) & SILENT KILLER von John Woo (LEONINE)

 

Das jüngste Highlight des Kinojahres startete am 7. Dezember mit dem Musical WONKA, der Vorgeschichte zu Roald Dahls CHARLIE UND DIE SCHOKOLADENFABRIK von PADINGTON Regisseur Paul King. Hier erfahren wir endlich, wie Willy Wonka, gespielt von Thimothée Chalamet, erste Versuche als bezaubernder Schokoladenmacher unternimmt. Auch der Rest des Casts spielt überaus charmant, von Olivia Coleman, Hugh Grant bis zu kleinen Nebenrollen wie etwa Rowan Atkinson. Das Beste an WONKA ist tatsächlich der fehlende Zynismus, den noch die Verfilmungen mit Gene Wilder oder Johnny Depp ausgemacht haben. WONKA ist einfach zuckersüß, herzlich und voller Liebe zum Detail, perfekt für die Weihnachtszeit, eine Fortsetzung darf gerne kommen.

 

 

Wonka von Paul King (Warner)

 

Finanzielle Enttäuschungen gab es 2023 zuhauf, was aber hat mich inhaltlich oder erzählerisch unbefriedigt zurückgelassen? Gemessen an den Erwartungen war die Enttäuschung des Jahres wohl Garret Edwards Sci-Fi Epos THE CREATOR, der zwar fulminant ausschaut, aber unlogisch, konfus und vor allen unspannend ist. Das muss man ob der Möglichkeiten von Story und Look erstmal hinkriegen. M. Night Shyamalans neuer Film KNOCK AT THE CABIN wurde überall gelobt, ich frag mich warum, ich fand das alles zu dröge und erwartbar, das sage ich als Fan seiner eher unbeliebten Filme. Aber so ist das. Entgegen der Meinung des Feuilletons hat mich auch Wes Andersons ASTEROID CITY eher kaltgelassen, der Großteil des grandiosen Cast wurde in Miniauftritten verheizt, der Theaterrahmen nervt, alle Figuren sind Emotionszombies, das soll zwar so sein, aber das kann Wes Anderson irgendwie besser.

 

 

Aber es gab auch fantastische Filme im Kino abseits des Mainstreams. Mit großer Vorfreude erwartete ich den neuen Film von Ari Aster, der mich und viele andere mit HEREDITARY und MIDSOMMER nachhaltig verstört hat. Nun aber sollte BEAU IS AFRAID kein Horrorfilm werden, sondern etwas ganz anderes. Was genau, darüber bin ich mir immer noch nicht sicher. Wir haben den fantastisch aufspielenden Joaquim Phoenix, der nach dem Tod seiner Mutter 180 Minuten lang in Richtung Hölle taumelt. Eine kafkaeske Odyssee voller Angstzustände, Selbstgeißelung und ständigem Unbehagen. Das klingt wie eine konsequente Fortführung des Werkes von Ari Aster, wirkt aber oft auch überladen, unnötig sperrig und hinterlässt vor allem Leere.

 

 

BEAU IS AFRAID von Ari Aster (LEONINE)

 

Leer fühlten sich auch meine Tränendrüsen nach dem Filmdebüt der koreanischen Dramatikerin Celine Song PAST LIVES. Die Presse beschrieb den Film passend als klischeefreies Gegenstück zu Richard Linklaters BEFORE SUNRISE und das trifft es eigentlich ganz gut. Die 12jährge Na-young und der gleichaltrige Hae-sung verlieben sich als Jugendliche, doch dann wandert Na-young mit ihrer Familie von Südkorea nach Toronto aus und das junge Liebesglück zerbricht. Als beide 24 werden, blüht ihre Liebe via Facebook wieder auf, dann verlieren sie sich wieder und treffen sich nach 24 Jahren endlich wieder. Na-young ist inzwischen verheiratet, doch da sind noch Gefühle für Hae-sung. PAST LIVES umschifft in diesem bekannten Storygerüst tatsächlich alle Klischees und ist eine realistische und unfassbar ergreifende Liebesgeschichte.

 

 

PAST LIVES von Celine Song (ARTHAUS/STUDIOCANAL)

 

Ein Highlight des Kinojahres war für mich auch HOLY SPIDER von BORDER Regisseur Ali Abbasi. Eine junge iranische Journalistin aus Teheran stellt in Maschhad, der zweitgrößten Stadt des Iran, Nachforschungen über eine Reihe von Morden an Prostituierten an. Die Polizei unternimmt fast nichts gegen den Spinnenmörder, der von vielen Iranern als Held betrachtet wird. HOLY SPIDER ist heftigster Tobak und entfaltet einen erzählerischen Sog, dem man sich nicht entziehen kann. Auch TÀR mit einer kolossalen Cate Blanchett ist zueilen schwer verdaulich. Das Portrait einer übergriffigen Dirigentin erinnert inszenatorisch an die Werke von Kubrik und Haneke und hat in machen Sequenzen sogar etwas von einem Horrorfilm.

 

 

HOLY SPIDER von Ali Abbasi (Alamonde), TÀR von Todd Field (Universal) & INSIDE von Vasilis Katsoupis (LEONINE)

 

Im Kino reichlich untergegangen ist dagegen THE ADULTS von Dustin Guy Defa. Schade, denn die Geschichte um drei Geschwister, gespielt von Sophia Lillis, Hannah Gross und Michael Cera ist einfach zutiefst melancholisch, bittersüß und manchmal aber auch verdammt komisch. Im französischen Film PASSAGES spielen Franz Rogowski, Ben Whishaw und Adèle Exachopoulos ein Dreieckspärchen, vor allem Rogowski zieht als Narzisst eine beeindruckende Show ab und es tut fast weh, was die Figuren alles über sich ergehen lassen, nur um einen Moment Wärme und Liebe zu spüren. Ein beeindruckender Film, der lange nachhallt.

 

 

THE ADULTS von Dustin Guy Defa (Universal), PASSAGES von Ira Sachs (MUBI) und ANATOMIE EINES FALLS von Justine Triet (PLAION)

 

Neben TETRIS erschienen 2023 noch zwei andere Filme mit biographischen Zügen über popkulturelle Phänomene. Zum einen DUMB MONEY – SCHNELLES GELD, der in gewisser Weise eine Fortsetzung von THE BIG SHORT darstellt. In DUMB MONEY geht es um Aktienleerverkäufe und den großen Skandal um die GAME STOP Aktie, mit der der YouTuber Keith Gill alias Roaring Kitty die Wall Street zum Erschüttern brachte. Nicht minder aufregend ist die wahre Geschichte um das erste Smartphone BLACKBERRY, bevor Apple und Samsung den Markt übernahmen. Beide Filme atmen jede Menge Zeitgeist und sind überaus unterhaltsam.

 

“Es pilchert mehr, als es schwärmt.” – sagt Schätzing

 

Der neue deutsche Genrefilm war 2013 noch ein zarter Plänzlein und drehte in den darauffolgenden Jahren mächtig auf, doch 2023 scheint dieser Zenit leider auch schon wieder überschritten. Immerhin konnten ein paar deutsche Genrefilmmacher:innen für diverse Streamingportale produzieren, im Kino hingegen ist tote Hose. Im März machte die vom ZDF produzierte internationale Serie DER SCHWARM nach dem Roman von Frank Schätzing Schlagzeilen. Mit 40 Million Euro Produktionsbudget war das die aufwendigste Fernsehproduktion im deutschsprachigen Raum überhaupt. DER SCHWARM will ein Science-Fiction Thriller sein, das gelingt aber nur zur Hälfte, der Sci-Fi Anteil stimmt, spannend ist das Ganze oft nur bedingt. An der Besetzung liegt es nicht, die ist mit Leonie Benesch, Cecile De France, Oliver Masucci und Barbara Sukowa erstklassig. Aber am Drehbuch haperts, viel, was für die Figurenkonstellationen hätte spannend sein könnte, wurde einfach nicht erzählt. Auch wirken so manche Effekte für das üppige Budget unterwältigend. Schade drum, denn der Stoff ist wirklich spannend.

 

 

DER SCHWARM von Frank Doelger (ZDF)

 

Mit wesentlich weniger Budget schafft da die Serie KOHLRABENSCHWARZ nach den gleichnamigen Hörspielen von Tommy Krapppweis und Christian von Aster ein weitaus besseres Ergebnis, auch wenn man das genretechnisch schwer vergleichen kann. Aber der Serie für Paramount+ gelingt es, die Vorlage exzellent ins Filmische zu übertragen. KOHLRABENSCHWARZ nimmt sich düsterer teutonischer Sagen und Legenden an, ein erfrischendes Ermittlerteam stößt auf immer merkwürdigere Fälle um Schlächter, Sünder, Zwerge und andere Fantasygestalten. Der launige Mix aus Mystery, Krimi, Märchen, Horror und Humor hat mich köstlich unterhalten, vor allem weil das Ganze so ungezügelt versponnen ist und immer wieder einen draufsetzt. Die Besetzung ist fantastisch, im Gegensatz zu DER SCHWARM wird ein Maximum aus dem Budget herausgeholt und dank der Hörspielvorlagen und dem Ideenreichtum der Autoren ist KOHLRABENSCHWARZ startklar für eine hoffentlich ebenso gute zweite Staffel.

 

 

German Genre Award 2023: KOHLRABENSCHWARZ von Tommy Krappweis, Michael Kessler und Erik Haffner (Paramount+)

 

Auf Netflix erschien mit BLOOD & GOLD der neue Film von Peter Thorwarth, der 2021 mit dem Vampirthriller BLOOD RED SKY für Furore sorgte. BLOOD & GOLD ist zünftige Naziploitation gemixt mit Italowestern Atmosphäre, durchgeknallt, blutig, die Action stimmt und macht ungemein Laune. Tonal ganz anders kommt der dystopische Science-Fiction Thriller PARADISE daher, in dem junge Menschen in Geldnöten Lebensjahre an Superreiche verkaufen können oder manchmal sogar müssen. Das klingt ein wenig nach IN TIME von Andrew Niccol, hat aber durchaus eigene Ideen. Mit dabei sind Kostja Ullmann und eine fantastische Iris Berben.

 

 

BLOOD & GOLD von Peter Throwarth (Netflix), PARADISE von Boris Kunz (Netflix) & DER GREIF von Sebastian Marka und Erol Yesilkaya (Amazon Prime)

 

Auch der gute alte Wolfgang Hohlbein bekam 2023 endlich eine adäquate Verfilmung eines seiner Werke spendiert, mit über 43 Millionen verkauften Büchern immerhin einer der erfolgreichsten Genreautoren Deutschlands. In der Serie DER GREIF für Amazon Prime von Sebastian Marka und Erol Yesilkaya unterjocht ein weltenverschlingendes Wesen die Menschheit im Schwarzen Turm, drei Freunde ziehen aus, um den bestialischen Greif zu erlegen. Der wilde Mix zwischen STRANGER THINGS und Der Herr der Ringe ist ziemlich atmosphärisch und blutig geworden. Noch mehr Fantasy, allerdings für eine jüngere Zielgruppe, gabs auf Prime mit SILBER UND DAS BUCH DER TRÄUME nach der Romanreihe von Kerstin Gier, dessen Effekte sich wirklich sehen lassen können.

 

 

DAS LEHRERZIMMER von İlker Çatak (Alamonde)

 

Abseits von der ein oder anderen Genreperle gab es 2023 richtig gutes deutsches Kino, allen voran DAS LEHRERZIMMER von İlker Çatak mit Leonie Benesch. Als eine junge Lehrerin heimlich Videoaufnahmen eines Diebstahls im Lehrerzimmer macht, eskaliert die Lage an einem deutschen Gymnasium. Kollegen und Schüler stellen sich gegen sie, ihr droht sogar eine Anzeige wegen Verletzung von Persönlichkeitsrechten. Das Ganze wird eine Spirale an Demütigung bis hin zu handfester Gewalt und ist stellenweise unerträglich spannend. Leonie Benesch glänzt sowohl in DAS LEHRERZIMMER als auch in DER SCHWARM und ist die deutsche Durchstarterin des Jahres. Der Film wurde zweimal für den Europäischen Filmpreis nominiert und ist deutscher Kandidat für den OSCAR in der Kategorie Bester internationaler Film. Da drücken wir mal die Daumen.

 

 

SOPHIA, DER TOD UND ICH von Charlie Hübner (LEONINE)

 

Als Schauspieler mittlerweile eine kleine Legende, legte Charlie Hübner mit SOPHIA, DER TOD UND ICH sein Regiedebüt vor und liefert (fast) einen perfekten Fantasy Roadmovie ab. Basierend auf dem gleichnamigen Roman von Thees Uhlmann erzählt der Film die Geschichte des abgerockten Altenpflegers Reiner, der Besuch von einem Sensenmann namens Morton de Sarg bekommt. Der Transfer ins Jenseits aber scheitert und nun müssen sich Reiner und der Tod nicht nur mit Reiners Ex und Mutter auseinandersetzen, sondern auch mit einem weiteren Gevatter, der Morton de Sargs Misere richten soll. Mit Dimitrij Schaad, Anna Maria Mühe und Marc Hosemann glänzend besetzt pendelt der Film leichtfüßig zwischen Humor und Melancholie. Nur die Sidestory um Reiners Sohn Johnny ist einfach nicht gut erzählt. Ansonsten ist SOPHIA, DER TOD UND ICH ein wundervoll makabres und witziges Regiedebüt.

 

 

Mit WANN WIRD ES ENDLICH WIEDER SO, WIE ES NIE WAR von Sonja Heiss erschien im Februar 2023 einer der besten deutschen Filme des Jahres. In der autobiografischen Geschichte geht es um Joachim Meyerhoff, der seine Kindheit und Jugend auf dem Gelände einer psychiatrischen Klinik verbringt, in der sein Vater arbeitet. Der Film zeigt Stationen im Leben von Joachim, die erste Liebe, die Trennung der Eltern und der Tod seines Bruders, immer eingebettet in den Klinikalltag und das ist mal irre witzig, dann wieder todtraurig, insgesamt ein wundervoller Film. Es gab schon schlechtere Zeiten für den deutschen Film. Leonie Benesch geht national durch die Decke, Sandra Hüller international durch mehrere Stockwerke, Dank Streaming gibt es einen kleinen Platz für deutsche Genreware, aber die große Zeit des Aufbruchs scheint erstmal vorbei.

 

Ein Händchen für gute Genreware

 

Internationales Genrekino hat es da nicht viel leichter, es ist immer noch ein Kraftakt, etwas ohne bekannte Vorlage oder Stars zu produzieren. Im letzten Jahr legte David Cronenberg einen neuen Body Horrorfilm namens CRIMES OF THE FUTURE vor, in diesem Jahr zieht sein Sohnemann Brandon nach und liefert mit INFINITY POOL einen ultra-brutalen Trip in ein abgründiges Urlaubsresort. Nach einem tödlichen Autounfall kann sich der Unfallverursacher mittels eines Klones seiner Schuld freikaufen, nicht er selbst wird hingerichtet, sondern sein genetisches Abbild. Oder ist doch alles anders auf der Insel La Tolqa? Wie immer hält auch Cronenberg Junior das surreale Treiben lange Zeit in der Schwebe. Das ist ein bisschen CLOCKWORK ORANGE trifft auf Gaspar Noé, ein LSD-Trip mit einem fantastischen Alexander Skarsgård und einer wie immer gewohnt brillanten Mia Goth.

 

 

INFINITY POOL von Brandon Cronenberg (Universal)

 

Luc Besson ist zurück und knüpft mit DOGMAN an sein Frühwerk an, roh, intensiv und drastisch. Caleb Landry Jones entfaltet in jeder Szene eine intensive Aura des Unbehagens und erinnert ein wenig an Joaquim Phoenix‘ JOKER. Noch düsterer wurde es mit dem Neo Noir Serienkillerthriller LIMBO aus Hongkong, der zwar bereits auf der Berlinale 2021 lief, dank Fantasy Filmfest und Capelight Pictures 2023 auch nach Deutschland kam. In kontrastreichem schwarz-weiß wandelt LIMBO auf den Spuren von Finchers SIEBEN und ist ein stilistischer Berserker aus Gewalt, Blut und Schlamm, also einfach hinreißend!

 

 

HYPNOTIC von Robert Rodriguez (Telepool), DOGMAN von Luc Besson (Capelight Pictures) & LIMBO von Soi Cheang (Capelight Pictures)

 

In Sachen Science-Fiction gab es in diesem Jahr ein paar interessante Zukunftsvisionen. Der Film THE POD GENERATION erzählt mit satirischem Schelm eine bezaubernde Geschichte um Embryos, die in abnehmbaren, künstlichen Gebärmuttern, auch Pods genannt, ausgetragen werden, was die werdenden Eltern Emilia Clarke und Chiwetel Ejiofor vor einige Probleme stellt. Roberto Rodriguez‘ meldet sich zurück, aber HYPNOTIC von der Presse und Fans zerrissen, zu Unrecht, wie ich finde. HYPNOTIC ist Trash, keine Frage, in manchen Momenten stilistisch eine THE DARK KNIGHT Kopie, aber die hypnotische Hatz zwischen Ben Affleck und William Fichtner ist einfach wunderbar durchgeknallt wie unterhaltsam.

 

 

FOE von Garth Davis (Amazon), THE POD GENERATION (BABY TO GO) von Sophie Barthes (SPLENDID) & BIRTH/REBIRTH von Laura Moss (Focus Features)

 

Wie immer schießt unser kleiner Jahresrückblick mit den besten Horrorfilmen 2023. Besessenheit war das Gruselthema Nr. 1, am effektivsten hat das TALK TO ME umgesetzt und bekommt dafür den Award Bester Horrorfilm. Ein eiskaltes Händchen eines verstorbenen Mediums steht im Mittelpunkt der schaurigen Geschichte um eine Gruppe von jungen Leuten, die mittels Berührung und den Worten „Talk to me!“ die Toten erwachen lassen. Wenn man allerdings dieses makabre Spiel nicht rechtzeitig beendet, bleiben die Geister in den Rufern. Das klingt klassischer als es letzendlich ist, denn das Spielfilmdebüt der Australier Danny und Michael Philippou ist innovativ, frisch und voller cleverer Ideen. Vor allem begeistert die Hauptfigur, die eben keine strahlende Heldin, sondern ein selbstsüchtiges Arschloch ist. Zudem gibt’s echte Schocks statt plakativer Jumpscares und ein böses Finale.

 

 

Horrorfilm des Jahres 2023: TALK TO ME von Danny und Michael Philippou (Capelight Pictures)

 

Damit schlägt TALK TO ME in diesem Jahr auch den großen Konkurrenten EVIL DEAD RISE. Im mittlerweile fünften Ableger der EVIL DEAD Reihe nistet sich das Böse in einem Hochhaus ein und terrorisiert die Schwestern Beth und Ellie sowie deren drei Kinder. Das Ganze ist nicht so gut wie der Vorgänger aus dem Jahr 2013, aber immer noch für einen zünftigen Splatterspaß gut. Mit WHEN EVIL LURKS legt der argentinische Filmemacher Demián Rugna sein zweites Werk nach dem schockierenden TERRIFIED vor und auch der hat es in sich. Zwei Brüder treffen auf einen von einem Dämon infizierten Mann und entsorgen den aufgequollenen Leib, doch das Böse werden sie dadurch nicht los, im Gegenteil. In APPENDAGE wiederum manifestieren sich die Selbstzweifel einer jungen Frau in einem absonderlichen Körperanhängsel, der Film versprüht richtig gute BASKET CASE Vibes und ist überaus freakig.

 

 

Possession Partys: EVIL DEAD RISE von Lee Cronin (Warner), WHEN EVIL LURKS von Demián Rugna (Indeed Film) & DER EXORZIST – BEKENNTNIS von David Gordon Green (Universal)

 

 

Auch 2023 gab es wieder viele Rückkehrer klassischer Horrorfiguren, allen voran Ghostface, der sein Unwesen in SCREAM 6 dieses Mal in New York auslebt und Jagd nach WEDNESDAY Star Jenna Ortega macht. Die INSIDIOUS Reihe bekam mit THE RED DOOR eine unerwartete Fortsetzung spendiert, dieses Mal inszeniert Hauptdarsteller Patrick Wilson selbst und das gar nicht mal schlecht. Der BOOGEY MAN wurde auch nochmal geremaked, besser als die Versuche zuvor. Ob es einen zehnten Teil der SAW-Reihe hätte geben müssen, darüber kann man sich streiten. Obwohl das Franchise mittlerweile rebootet wurde, geht SAW X zurück in die Zeit zwischen Teil 1 und 2 und Tobin Bell alias Jigsaw darf nochmal lustige Todesmaschinen konstruieren. Konstruiert trifft somit auch auf die Handlung zu, aber wenigstens stimmt der Splatter und Gore Faktor.

 

 

Horror Franchises 2023: SCREAM 6 von Matt Bettinelli-Olpin und Tyler Gillett (Paramount), THE BOOGEYMAN von Rob Savage (Disney), INSIDIOUS – THE RED DOOR von Patrick Wilson (Sony) & SAW 10 von Kevin Greutert (STUDIOCANAL)

 

Manch Horrorfilm ist eine versteckte Perle, die man erstmal ausbuddeln muss. Da hatte es das Found Footage Experiment SKINAMARINK noch leicht, denn hier wurde viel in die Werbung investiert. SKINAMARINK ist ein Horror Experimentalfilm und selbst für Freunde von Found Footage eher ungewöhnlich. Für die einen ist das in höchstem Maße nervenaufreibend, andere empfinden den Low Budget Hit als pure Langeweile. Doch noch ein anderer Found Footage Film spaltete 2023 die Fans. THE OUTWATERS erzählt vom Trip einer Filmcrew, die in der Mojave Wüste ein Musikvideo drehen wollen, bis etwas Schreckliches über sie hereinbricht. Das ist vor allem im Finale völlig durchgeknallt und bizarr, dass es einem die Fußnägel hochrollt.

 

 

Horror Bizarre 2023: SKINMARINK von Kyle Edward Ball (Capelight Pictures), HUESERA – THE BONE WOMAN von Michelle Garza Cervera & THE OUTWATERS von Robbie Banfitch

 

Ich war froh, dass im letzten Jahr die dämliche HALLOWEEN Reboot Reihe endlich ihr Ende fand, dafür ging es 2023 mit einer unnützen Fortsetzung von DER EXORZIST weiter. Während die Dämonenhatz in DER EXORZIST – BEKENNTNIS anfangs noch ganz atmosphärisch daherkam, versagt der Film ab beginnendem Exorzismus und auch der Gastauftritt von Ellen Burstyn ist mehr Gimmick als storyrelevant. Und das soll jetzt auch eine Trilogie werden? Ganz gut gefallen hat mir indes DIE LETZTE FAHRT DER DEMETER, welcher Draculas Überfahrt von Transsylvanien nach England thematisiert. Das war zumindest ein spannender und schnörkelloser Gothic Horror Flick und lässt die Vorfreude auf Robert Eggers NOSFERATU 2024 steigen.

 

 

Horror ist ja mittlerweile auch mehr als serientauglich und somit gab es 2023 wieder eine neue Staffel AMERICAN HORROR STORY namens DELICATE, mit einer Variante von ROSEMARIES BABY wieder etwas mehr Back to the Roots, leider erschien bislang nur die erste Hälfte der inzwischen 12. Staffel. In Staffel 2 drehte auch die Mystery Horrorserie FROM wieder auf, THE WALKING DEAD bekam mehrere Spin Offs spendiert, ich blick da nicht mehr durch. Im nächsten Jahr erwartet den Horrorserienfan dann vielleicht eine Prequel Serie zu FREITAG, DER 13. mit dem Titel CRYSTAL LAKE sowie mit WELCOME TO DERRY eine weitere Adaption von Stephen Kings ES. Ob das was wird, erfahren wir spätestens Ende 2024 hier im Jahresrückblick.

 

Vorbei, Vorbei

 

Denn nach zehn Jahren Jahresrückblick kann man nicht so einfach aufhören, so mittendrin im Jahrhundert. Schon allein wegen all der Überhangmandate zwischen den Jahren, den Verschieblingen wie DUNE 2 und den Zuspätkommern und potenziellen Filmen des Jahres 2024 wie POOR THINGS oder THE HOLDOVERS. Letzten Endes ist der Jahresrückblick ein Abfallprodukt, denn die Filme und Serien werden ohnehin geschaut, wieso nicht andere daran teilhaben lassen und damit etwas tun gegen den Hass, die Häme, die Vorurteile und das Nachtreten. Das ist zwar nicht der eigentliche Antrieb, der bleibt die Leidenschaft für die Fiktion, aber dieses Gerechtigkeitsbedürfnis fordert mich über das Jahr argumentativ wieder und wieder heraus.

 

 

Redaktionsschluss verpasst: REBEL MOON – TEIL 1: KIND DES FEUERS von Zack Snyder (seit 22. Dezember 2023 auf Netflix), AQUAMAN 2: LOST KINGDOM von James Wan (seit 21. Dezember im Kino) & POOR THINGS von Giorgos Lanthimos (US-Start: 8. Dezember 2023 / Deutscher Kinostart: 18. Januar 2024)

 

Tl;dr. Was bleibt nun hängen vom Film- und Serienjahr 2023? Es war das Jahr der Spielzeug- und Videogames Verfilmungen, es gab schlechte Zahlen für Franchises und Universen und doch, dank BARBENHEIMER, war Kino der große Gewinner. Indy geht in Rente, Margot Robbie wird bestbezahlte Schauspielerin weltweit und auch ihre Kolleg*innen plus die Autoren und Autorinnen haben sich bessere Vergütungen und Sicherheiten erkämpft. Nun schauen wir mal, wie der ganze Kladeradatsch so weitergeht. Wer also eine Ablenkung vom weltlichen Irrsinn braucht, der sei auch nächstes Jahr eingeladen, wenn es wieder heißt: Hier wird nicht geträumt, wir lernen Fantasie!

 

Bis dahin, eure Traumfalter Filmwerkstatt.

 

 

2 Comments

  1. Antworten

    […] Der Traumfalter Jahresrückblick 2023 ich sag’s wie es ist … wenn der Traumfalter-Rückblick auf Filme und Serien nicht erscheint, ist das Jahr einfach nicht zu Ende! […]

  2. Antworten
    Stepnwolf 14. Januar 2024

    Umfangreicher Abriss eines umfangreichen zurückliegenden Jahres. Und ich hab mit “Fingernails” und “No one will save us” sogar noch zwei Tipps mitgenommen, die ich schauend nachholen muss. Danke dafür. :-)

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