Der Traumfalter Jahresrückblick 2018
Und wieder ist ein Jahr zu Ende, mittlerweile zum zweitausendundachtzehnten Mal in Folge seit Aufzeichnung beziehungsweise der Geburt Jesus Christus. Ich kann mich noch gut an ihn erinnern, Jesus und ich saßen damals schon in der galiläischen Mittagssonne auf Steinquadern, lauschten dem sanften Blöken der Heidschnucken und rekapitulierten die besten Filme und Serien des Jahres. Damals war das Programm noch überschaubarer. Die Leute allerdings waren der heutigen Generation nicht unähnlich, sie waren wie aufgescheuchte Hühner und Hähner und zerrissen sich ihre Mäuler über das internationale Makakentum, dass einem die Ohren nur so wegflogen. Schon damals mochte ich Heidschnucken lieber.
Die Politisierung der Popkultur
Die Welt ist im Wandel, ich spüre es im Schwip Schwap Glas. Während draußen vor der Tür der ignorante Wischmopp die Welt zum Fragwürdigen verändert, bedeuten Filme immer noch eins – Eskapismus. Aber auch diese Fassade bröckelt. Was waren das noch für Zeiten, in denen Remakes verachtet wurden und Fortsetzungen nie so gut waren wie das Original. Das ist heut kaum mehr der Rede wert. Film, das wurde im Jahr 2018 zunehmend zum Politikum. Angefangen hatte das bereits Ende letzten Jahres, als STAR WARS: DIE LETZTEN JEDI die Fangemeinde zerspaltete. Dabei ging es nur am Rande um Luke Skywalkers neue Vorliebe für Seekuhmilch. Wer richtig auf die Kacke hauen wollte, der unterstellte Lucasfilm einfach, gesellschaftspolitische Meinungsmache zu betreiben.
Der Beginn einer verheerenden Kettenreaktion. Es ist eine Geschichte voller neuartiger Fabelwesen wie Trolle, Bots und politische Aktivisten mit Flügeln, deren Rhetorik völlig aus dem Ruder gelaufen ist. Ihre Waffe ist der Hass und wer sich auf eine Diskussion einlässt, gießt nur Öl auf Muttis Lampe. So wie Rian Johnsons Reaktionen auf den wütenden Mob, der sich dadurch nur noch bestätigt fühlte und sich neue Opfer suchte – wie Kelly Marie Tran aus DIE LETZTEN JEDI. Nach einem Viralbombardement an Hassnachrichten zog sich die junge Schauspielerin aus diversen sozialen Netzwerken zurück. 2:1 für die sogenannte Fangemeinde.
Fanservice war das Filmunwort des Jahres 2017 – harmlos im Vergleich zu den Schlagwörtern des Jahres 2018: Blackwashing, kulturelle Aneignung und voreilender Gehorsam, der Ton wird rauer, auch innerhalb von Film und Fankultur. Hersteller und Konsumenten sind gleichermaßen Schuld an der hochgeschaukelten Diskussion. Die Fans wittern politische Meinungsmache hinter BLACK PANTHER, hinter einem möglichen schwarzen oder weiblichen James Bond, eine Asiatin in STAR WARS? Wo kommen wir denn da hin? Die Filmhersteller wiederum haben Angst, denn es geht um Millionen, ja Milliarden. Roseanne Barr wird nach einer rassistischen Tirade gefeuert, zu Recht. James Gunn wird auch gefeuert, wegen zehn Jahre alter Tweets. Auch zu Recht? Oder fußt dieser vorauseilende Gehorsam auf der Angst, irgendjemand irgendwann einmal auf die Füße zu treten?
Die Zeit, in der Filme purer Eskapismus waren, sind wohl vorbei. Heute ist Film ein Politikum. Bloß niemandem auf die Füße treten, im besten Fall alle zufriedenstellen. Wohin führt das? In erster Linie dahin, dass es beim Mainstreamfilm momentan an einer Sache mangelt – an Infantilität. Es führt aber auch zu Duckmäusertum. Wer etwas gut findet, muss mit denen unter einer Decke stecken oder eine politische Agenda haben. Wer STAR WARS: DIE LETZTEN JEDI gut findet, der muss ein “linksgrün versiffter Gutmensch” sein. Kelly Marie Tran wird gemobbt, man will “sowas” nicht in STAR WARS. Schwarze prügeln sich mit Weißen vor einem Kino, in dem BLACK PANTHER läuft, denn es ist angeblich ihr Film, in dem Weiße nichts verloren haben. Und wehe, Ciri in der neuen WITCHER Serie wird nicht mit einer weißen Darstellerin besetzt, sonst gibt es Scheißestürme und Petitionen. Was für eine Welt.
Aber ich mache da nicht mit. Und ich lade jeden hier ein, mit mir zusammen da nicht mitzumachen. Dann beruhigt sich vielleicht auch wieder die “Gegenseite”. Filme sind nicht nur Fluchttüren, sie sind selbstverständlich ein Teil des gesellschaftspolitischen Blickes auf die Welt. Aber das sind sie auch, ohne da man sie dafür instrumentalisiert oder glaubt, sie würden es tun. Wir werfen heute wieder einen Blick zurück auf ein bewegtes Filmjahr, ein schwieriges Filmjahr, aber auch ein erfüllendes Filmjahr, wenn man nur gewillt ist. Willkommen beim Traumfalter Jahresrückblick 2018.
Anderthalbt- und Zweitverwertung
Kino fand 2018 nicht nur im Kino statt. Letztes Jahr prophezeite ich den Untergang der Direct-to-disc Veröffentlichungen, bedingt durch den Aufstieg der Pay-TV Giganten. Was früher nicht im Kino landete, wurde als Videopremiere veröffentlicht. Heute gibt lukrativere Verwertungsanstalten wie Netflix und dort landen nun nicht mehr nur Filme zweiter Wahl oder Abschmierer im Kino.
Doch es gibt sie noch, die guten alten Direct-to-Disc Filme, die oft auch an großen Filmfreunden unbemerkt vorbeigehen. Manche haben durchaus Blockbusterqualitäten, wie die frankokanadische Koproduktion A BREATH AWAY. Nach einem Erdbeben wird ganz Paris in eine giftige Gaswolke gehüllt, wer im obersten Stockwerk eines Wohnhauses lebt, kann sich glücklich schätzen. Betroffen davon sind auch Anna (Olga Kurylenko) und Mathieu (Romain Duris), deren Tochter aufgrund einer Krankheit in einer hermetisch abgeriegelten Röhre lebt und der langsam der Sauerstoff ausgeht. Da muss man vor Spannung auch des Öfteren die Luft anhalten.
Auch I KILL GIANTS hätte Leinwandqualitäten gehabt, erschien hierzulande aber nur auf Silberscheibchen. Die dreizehnjährige Madison Wolfe spielt eine Teenagerin namens Barbara, die sich in eine düstere Fantasywelt voller Riesen flüchtet, welche sie erlegen muss. I KILL GIANTS ist eine wundervolle Coming-of-Age Geschichte, super besetzt (unter anderem mit Zoe Saldana und Imogen Potts) und einfach herzerwärmend ergreifend.
Auch ANON, der neue Film von Andrew Niccol (GATTACCA, LORD OF WAR), kam weder ins Kino noch in die deutsche Netflixbibliothek. Zwar kann Niccols elegante Dystopie nicht mit den Glanzwerken seines früheren Schaffens mithalten, interessant ist der Stoff und die audiovisuelle Umsetzung dennoch. Das Remake des Klassikers FAHRENHEIT 451 hätte gern radikaler umgesetzt werden können, aber Michael Shannon ist eine Wucht., genauso wie Anne Curtis im philippinischen BUY BUST.
Doch einen Aufschrei wegen Videopremieren, die nicht im Kino laufen, gibt’s schon lang nicht mehr. Dafür rumort es in Sachen Netflix Firmenpolitik umso mehr. Groß war die Enttäuschung über Alex Garlands ANNIHILATION mit Nathalie Portman, Oscar Isaac und Jennifer Jason Leigh, dessen Kinostart wegen möglicher Zuschauerüberforderung gestrichen wurde und der im März exklusiv auf Netflix landete. ANNIHILATION wäre einer der Kinofilme des Jahres gewesen, nun ist er leider nur noch Netflixfilm des Jahres.
Anbieter Netflix aber weiß um den Prestigefaktor großer Filmpreise und kommt in Zukunft nicht umhin, einigen Lizenzeinkäufen oder Eigenproduktionen limitierte Kinostarts zu gestatten, um auch mal einen OSCAR abstauben zu können. So kamen zumindest in einigen Ländern Filmliebhaber in den Genuss von Alfonos Cuaróns ROMA auf großer Leinwand, bevor er in der Netflix Mediathek verschwand. Allerdings nicht spurlos, man kann ihn finden und man sollte ihn auch anschauen, denn ROMA ist erzählerisch wie technisch ein filmisches Meisterwerk.
Alex Garland und Alfonso Cuarón sind nur zwei große Filmemachernamen, deren neuen Werke nur auf Netflix zu bestaunen sind. Der neue Coen Brothers Film THE BALLAD OF BUSTER SCRUGGS oder HOLD THE DARK von Jeremy Saulnier – auch das gibt es nur beim Pay-TV Anbieter. Große Namen versprechen nicht immer großartige Filme, das neue Werk von Duncan Jones (MOON) namens MUTE beispielsweise ist eher spröde und sperrig. Aber ignorieren kann man das alles als Filmfan nicht.
So auch THE OTHER SIDE OF THE WIND, ein Film von Orson Welles, der erst nach über 30 Jahren fertiggestellt werden konnte und nun auf Netflix ein neues Zuhause gefunden hat. Die Netflix Mediathek füllt sich langsam mit interessanten Exklusivtiteln, um die man als Filmfan nicht herumkommt. Dennoch spielen Filme bei den Pay-TV Anbietern weiterhin die zweite Geige. Auch im Jahr 2018 sind Serien das beste Mittel zur Zuschauerbindung über viele Staffeln und Jahre hinweg.
This is some multi-reality brain magic
So ist 2018 nicht nur ein Jahrgang für Serienneustarts, sondern auch für die Fortführung erfolgreicher Serienformate. Während die zweiten Staffeln von WESTWORLD und THE HANDMAIDS TALE locker das Niveau ihrer Vorgänger halten konnten, schafften es auch zwei Serien, dem Vorherigen noch eins drauf zu setzen. Die schrullige Serie DIRK GENTLY’S HOLISTIC DETECTIVE AGENCY zum Beispiel schraubt Wahnwitz und Skurrilität ums Doppelte auf, zu viel für den Zuschauer, eine dritte Staffel wird’s leider nicht geben. Auch DAREDEVIL kehrte zurück und schaffte es mühelos, die beiden vorherigen Staffeln inszenatorisch in den Schatten zu stellen.
Doch so richtig Vollgas gaben eine Handvoll neuer Formate, wie HAPPY um einen abgehalfterten Cop, dem ein lila CGI-Einhorn erscheint und mit dessen Hilfe er einen pädophilen Weihnachtsmann zur Strecke bringt. Auch DIE EINKREISUNG (THE ALIENIST) überrascht, weil Daniel Brühl als Dr. Lazlo Kreizler eine Glanzvorstellung seiner Laufbahn abliefert und die Suche nach einem Mörder im New York des Jahres 1896 spannend und atmosphärisch umgesetzt ist.
LOST IN SPACE hingegen, wie gern würde ich diese Serie nach dem fantastischen Piloten lieben, eine tolle Neuauflage der alten Sci-Fi Serie, super besetzt, edel gefilmt, aber die Autoren verschenken durch sprunghaftes Erzählen eine Menge Spannungspotential. Schade, da wär so viel mehr drin gewesen. So streiten sich am Ende zwei andere Netflix Produktionen um den Traumfalter Award Beste Serie 2018, der im Vorjahr konkurrenzlos an TWIN PEAKS: THE RETURN ging.
Die Silbermedaille geht an THE HAUNTING OF HILL HOUSE, eine Gruselserie von Mike Flanagan (OCULUS) um eine Großfamilie, deren Leben nach einem schrecklichen Vorfall in einem Spukhaus nicht mehr das Selbe ist. Die Serie erfindet das Mysterygenre nicht neu, aber ist erzählerisch wie atmosphärisch einfach grandios umgesetzt. Verschachtelt auf mehreren Zeitebenen berührte mich das Schicksal der Familie Crain tief, die Besetzung ist klasse, die Figuren ebenso, es gibt einige gute Schocks, aber auf falschen Budenzauber verzichtet Flanagans Werk größtenteils zugunsten echter Figurenspannung bis zum emotionalen Finale.
Trotzdem, die Serie des Jahres ist für mich MANIAC von Cary Joji Fukunaga (TRUE DETECTIVES) mit Emma Stone und Jonah Hill. Was für ein Ritt! In MANIAC nehmen die überaus kaputten Hauptfiguren Annie und Owen an einer mysteriösen pharmazeutischen Studie teil, die sie tief in ihr Unterbewusstsein führt. Ein Erfinder verspricht eine Behandlung aller psychischen Störungen in drei ominösen “Sitzungen”, jede davon offenbart dem Zuschauer eine neue skurrile Wunderwelt des Wahnsinns in audiovisueller Finesse.
Selbst die kleinsten Rollen sind perfekt ausgearbeitet (Justin Theroux, Gabriel Byrne, Sally Field), die Flut an verrückten Ideen kann man beim erstmaligen Schauen gar nicht alle aufnehmen. MANIAC ist radikal, unvorhersehbar, schrill, berührend, völlig wahnsinnig und über die Maßen clever gestrickt. Hut ab vor Cary Joji Fukunaga, der sich in kürzester Zeit in den Filmolymp katapultiert hat und dem nun alle Türen offen zu stehen scheinen – inklusive Regieposten für den 25. James Bond Film 2019.
Stars, Comebacks, Breakthroughs & Goodbyes
Ja, es geht um Menschen hinter den Filmen, viele vergessen das in ihrer Angst, alles sei von Trollen und Internetbots gesteuert. So ehren wir vor den Filmen des Jahres immer zuerst die Menschen vor und hinter der Kamera. Während die Schauspielerin des Jahres bereits früh fest stand, gab es um die Krönung des besten Schauspielers einen harten Zweikampf. Ich als Ringrichter musste dann entscheiden und traf eine provokante Wahl. Ladies & Gentlemen, der Schauspieler des Jahres ist…
Richtig gelesen. Der Award Schauspieler des Jahres geht an Nicolas Cage und das nicht wegen einer oder mehrerer famosen Darstellungen, sondern wegen seiner Verbissenheit, seiner Trotzigkeit, seines unbedingten Willens, wieder auf die Beine zu kommen. Denn nach Nicolas Cage hat nun kaum noch einer gekräht in den letzten Jahren. Aber Cage biss sich durch, durch die unterirdischsten B-Movies, durch Skandale und Pleiten, doch der Herr gab ihm eine Chance auf ein Comeback. Und Cage nutzte sie.
Im Genreerdbeben MANDY von Panos Cosmatos lieferte Nicolas Cage eine der besten Leistungen seiner Karriere ab, sein Overacting hat sich mittlerweile verselbstständigt und jeder wartet doch nur auf einen Cage’schen Ausraster. “I’m the californian Klaus Kinski!” hat Cage ausgerufen und es scheint untertrieben. Wenn Cage auch nur mit MANDY auf die große Kinoleinwand zurückgekehrt ist, in seiner Performance macht er keinen Unterschied zwischen Blockbuster und B-Ware. Er drehte an der Seite von Selma Blair in MOM AND DAD völlig durch (“Der Allesschneider, wie sagt man so schön, schneidet einfach alles!”) und nach MANDY sieht man wegen Nicolas Cage auch die beiden Direct-to-Disc Produktionen LOOKING GLASS und 211 – COPS UNDER FIRE mit anderen Augen.
Nicolas Cage lieferte sich ein Kopf-an-Kopf Rennen um den Titel Bester Schauspieler des Jahres mit einem anderen kernigen Kerl, der in diesem Jahr im Actionsegment sämtliche Konkurrenz einfach mit einem Fingerschnippen weg..äh schnippte. Platz 2, aber dafür mit der Sonderauszeichnung Bester Bösewicht des Jahres – Josh Brolin als Thanos in THE AVENGERS – INFINITY WAR.
Was für ein Kerl! Schon als Milchbubi in THE GOONIES war Josh Brolin eine coole Socke, nun, 33 Jahre später, darf er als Thanos oder als Cable in DEADPOOL 2 alles in Schutt und Asche kloppen und trotzdem ist die Sympathie auf seiner Seite. Ja, auch in THE AVENGERS – INFINITY WAR, denn dort beendet Brolin die lange Durststrecke an unwuchtigen Bösewichtern im Marvel Cinematic Universe, haut als Thanos so richtig auf den Putz und ist gleichzeitig ziemlich vielschichtig, zumindest für einen Marvel Film. Daneben versprühte Brolin noch als Feuerwehrmann in NO WAY OUT und als CIA Offizier in SICARIO 2 wahre Testosteronwolken.
Im Gegensatz zum Zweikampf Cage gegen Brolin fiel die Wahl zur Schauspielerin des Jahres recht leicht. 2013 war sie hier bereits Durchstarter des Jahres und schon lang kein Newcomer mehr, 2018 aber hätte nicht besser für sie laufen können: Saoirse Ronan.
Ausgezeichnet mit dem Golden Globe für LADY BIRD musste sie sich nur der übermächtigen OSCAR Kollegenkonkurrentin Frances McDormand geschlagen geben, ansonsten lieferte Ronan in Greta Gerwigs wundervollem Film eine ebenso grandiose Vorstellung ab. Sie wurde in Öl getupft für LOVING VINCENT, glänzte in THE SEAGULL und noch mehr in ON CHESIL BEACH (AM STRAND) und schloss das Filmjahr als MARY STUART, der in Deutschland allerdings erst im Januar 2019 in die Kinos kommt.
Was für ein Jahr für Saoirse Ronan, die bereits als 9jährige vor der Kamera stand. Ein OSCAR ist nur eine Frage der Zeit. Absolut hinreißend, die Ronan. In diesem Jahr gab es aber auch neue Gesichter in tollen Rollen und Filmen, ein wahrer Durchstarter 2018 ist Bel Powley, die bereits 2016 mit dem Film CARRIE PILBY positiv auffiel. In diesem Jahr spielte sie einen beeindruckenden WILDLING, an der Seite von Matthew McCornyriegel in WHITE BOY RICK (ab 14. Februar 2019 in deutschen Kinos) sowie an der Seite von Elle Fanning in MARY SHELLEY. Bitte mehr davon, Bel Powley!
Bester Newcomer des Jahres ist Timothée Chalamet für seine grandiosen Vorstellungen in CALL ME BY YOUR NAME, LADY BIRD und HOSTILES. Selten hat ein junger Bursche eine solche Visitenkarte hinterlassen. Der Lohn dafür – eine OSCAR Nominierung für CALL ME BY YOUR NAME und darüber hinaus, er darf Paul Atreides in Denis Villeneuves Neuverfilmung von DUNE spielen.
Große Schauspielkünste gab es einige in diesem Jahr und es gab auch das ein oder andere große Comeback. Natürlich hätte dieser Award auch Nicolas Cage gebührt, der mit MANDY wieder frontal ins Scheinwerferlicht gerückt ist. Mein Comeback des Jahres allerdings geht an eine Schauspielerin, bei der erst die Neuauflage einer Serie aufzeigte, wie schmerzlich sie gefehlt hat in den letzten Jahren und wie famos diese Dame doch ist – Sara Gilbert für ihre Rückkehr in ROSEANNE und THE CONNERS.
Nach der Serie ROSEANNE folgte 1992 noch ein denkwürdiger Auftritt in POISON IVY an der Seite von Drew Barrymore, dann aber verschwand Gilbert für lange Zeit hinter Kleinstrollen von TV-Serien, bis es 2018 zur großen Reunion der Conners in einer zehnten Staffel von ROSEANNE kam. Die Reunion aber währte nur kurz, da Roseanne Barr rassistische Tiraden via Twitter von sich gab und der Sender sie feuerte. Traurig für alle anderen Conners, denn das Revival von ROSEANNE war klasse, vor allem wegen Gilbert. Aber die Serienmeute rottete sich zusammen und nahmen das Spin Off THE CONNERS in Angriff, in dem nun Sara Gilbert das Zepter anführte, ebenso großartig wie eh und je. Gebt dieser Frau mehr Rollen bitte!
Natürlich heißt es auch wieder Abschied nehmen von einigen geliebten Stars und Sternchen, die 2018 die Bühne für immer verlassen haben. Mögen sie in Frieden ruhen oder weiterhin irgendwo Unruhe stiften. Wir werden sie vermissen, aber im Film bleiben sie ja zum Glück unsterblich.
Fingerschnippen
Apropos Film. Auch im Kino wurden 2018 vereinzelt Filme gezeigt, all den Serien und exklusiven Pay-TV Schnäppchen zum Trotze. Aber gibt es das überhaupt noch, so ein richtig gefühltes Kinojahr mit neuen Facetten und Richtungen innerhalb der Kunst? Wenn doch Retrospektive und Fanservice so wichtig erscheinen, um Kassen klingeln zu lassen. Für den einen scheint es so, als gäbe es wieder viel aufgewärmtes, ein anderer ergötzt sich ausschließlich am Bekannten, auch in neuen Produktionen.
2018 war ein schwieriges Jahr für den Blockbusterfilm. Wer hätte gedacht, dass ein STAR WARS Film um Han Solo an der Kinokasse abschmieren würde? Sicherlich eine Verkettung unglücklicher Vorfälle, vom Regiewechsel bis zur Platzierung im Mai. Oder ist die Marke STAR WARS wirklich tot? Fakt ist, SOLO: A STAR WARS STORY ist einer der besseren neuen STAR WARS Filme, die Besetzung ist klasse, nur wenige Dinge trüben das Filmvergnügen. Aber STAR WARS spielte 2018 eh nur die zweite Geige. Es war das Jahr der Zusammenführung aller bisherigen Marvelfilme zu einem einzigen großen Spektakel.
Das erste Signalfeuer entzündete im Februar BLACK PANTHER mit weltweiten Einnahmen von 1,35 Milliarden US-Dollar. Mit diesem Erfolg hatte wohl nicht einmal Disney gerechnet. Dabei wurde BLACK PANTHER ebenfalls gespalten ausgenommen und wurde zum Objekt von Hasstiraden und einer neuen Rassismusdebatte. Plötzlich sprach man in diesem Zusammenhang von Blackwashing und kultureller Aneignung afrikanischer Werte oder was auch immer. Der Film ist ein durchaus beenidruckendes Comicspektakel, sicherlich nicht der heilige Gral der Marvelfilme, aber durchaus unterhaltsam und optisch recht schick.
Doch kein Vergleich zu dem Feuerwerk, was zwei Monate später THE AVENGERS – INFINITY WAR abbrannte. Auch damit hätte keiner wirklich gerechnet, obgleich klar war, dass jener Film nun liefern muss, was 18 Filme zuvor versprochen hatten, nämlich das epische Aufeinandertreffen aller Einzelhelden gegen den mächtigen Thanos, der die Ordnung des Universum wiederherstellen will.
Es fällt schwer, INFINITY WAR isoliert zu betrachten, denn ohne die zehn Marveljahre im Kino hätte er nicht so einen Impact entwickeln können. Er hätte es auch nicht, wenn er nur gekleckert hätte, aber INFINITY WAR hat geklotzt vor dem Herrn. Er ist wuchtig, übergroß und ein einziger emotionaler Payoff der gesamten Marvelfilmriege, er ist es genau deshalb.
Thors oder Captain Americas Rückkehr hätten nicht so emotional funktioniert ohne die Vorgänger, aber kann das eine Kritik sein, wenn es eben nur deshalb funktioniert? Völlig egal, natürlich wird INFINITY WAR keinen bekehren, den die Superheldenmaschinerie aus dem Hause Disney/Marvel anödet. Aber er funktioniert über die Maßen für jene, die sich diesem Eskapismus in den letzten zehn Jahren hingegeben haben.
Natürlich fällt dann ein Film wie ANT-MAN AND THE WAPS ein wenig ab, weil er sich ausklinkt aus dem großen Aufbäumen und eine eher unbedeutende Geschichte für das Gesamtuniversum erzählt. Aber das ist nicht seine Schuld, für sich genommen ist ANT-MAN AND THE WASP ein sehr unterhaltsamer Blockbusters. Auch wenn mit AQUAMAN das Kinojahr mit einer DC Produktion beendete und das nicht mal schlecht, Marvel bleibt die Instanz in Sachen Comicverfilmungen.
Vom ganzen Comicgedöns abgesehen gab es nur wenige wirklich funktionierende Blockbuster in diesem Jahr. Der OSCAR Gewinner THE SHAPE OF WATER ist eher ein Kammerspiel, FIRST MAN von Damien Chazelle dagegen lässt dieses Kribbeln erahnen, was gute Blockbuster ausmacht, groß, ergreifend, nachhallend. Überrascht hat mich dagegen sowohl PACIFIC RIM: UPRISING und SICARIO 2, beides direkte Fortsetzungen, die ein wenig nach Schnellschüssen klangen, aber trotzdem super Filme waren.
Daumen rauf gibt es übrigens auch für VENOM, der doch ganz spaßig daherkam und (Achtung: Shitstorm voraus) auch der neue PREDATOR: UPGRADE, der selbstverständlich ein Trashfest vor dem Herrn darstellt, aber immerhin ein unterhaltsames. Richtige Enttäuschungen dagegen stellten andere Filme dar.
JURASSIC PARK: DAS GEFALLENE KÖNIGREICH zum Beispiel, in der ersten Hälfte noch erträglich, strunzlangweilig dafür ab der zweiten Halbzeit. GRINDELWALDS VERBRECHEN kann die Magie des ersten Teils nicht reproduzieren, dafür ist die Story zu schwurbelig und J.K. Rowling keine gute Drehbuchautorin.
Der Film TOMB RAIDER bietet haargenau das Gleiche in Grün wie das Videospielreboot aus dem Jahr 2013 – trotz der schnieken Alicia Vikander finde ich keine Gründe, warum man das brauche. Ebenso der neue HALLOWEEN, für den man alle Fortsetzungen nach Teil 2 ignoriert hat. In all diesen Beispielen zeigt sich folgendes Dilemma, die Filme wollen immer nur liefern, liefern, liefern, was angeblich die Fangemeinde will. Das geht zu Lasten der Infantilität. Es wird mir zu wenig gesponnen, dafür umso mehr zitiert, zitiert, zitiert. Und das noch nicht mal wirklich gut. Denn Zitieren wird hier oft mit “Auf’s Brot schmieren” verwechselt. Es gibt zwei Beispiele, welche dieses Fehlannahme am besten verdeutlichen: Einer ist eine Enttäuschung, der andere Film des Jahres.
“Our world is filled with codes”
In READY PLAYER ONE von Steven Spielberg geht es um die Suche nach Easter Eggs. Der Filmbasiert auf einem Buch, welcher als heiliger Gral der Popkultur bezeichnet wird. Spielberg inszenierte 2018 nun den Film dazu, ein überdimensionales Wimmelbild an Anspielungen auf popkulturelle Hinterlassenschaften. Da sitzen dann Väter mit ihren Kindern im Kino und flüstern alle 30 Sekunden zu ihren Sprösslingen: “Kuck mal, das war Freddy Krüger, eine Horrorikone. Und da Jason Vorhees, noch eine Ikone!” Nicht nur die Väter machen das, der Film macht das selbst, aber nicht versteckt, sondern offensiv und damit alles andere als feinfühlig. “Wow, der Gigant aus dem All!” – “Kuck mal, das ist King Kong!” Ich meine, ich sehe es, es muss mir nicht alle 30 Sekunden souffliert werden.
Die Kids indes kucken ihre Väter irritiert und fragend an, was meinen die nur? So witzig das erscheint, so ermüdend ist das Ganze. Die Popkulturschale ist riesig, aber irgendwie auch klein, denn es herrscht das Diktat, was wem zu gefallen hat. Es ist eine elendige Gleichmacherei, jeder will dann einen DeLorean, einen Schlapphut und Peitsche oder einen eigenen Gremlin. Dieses Fangeschenk ist in Wirklichkeit ein Einheitsbrei und erstickt jeden Individualismus. Und es bremst die Infantilität.
Nichts gegen Easter Eggs, wenn man sie selbst finden muss. Oder eine Hommage, ein Zitat, eine Verbeugung. Wer diese selbst erkennt, findet Glückseligkeit in seiner Passion. Was Spielberg aber macht ist, er kippt einfach eine Kiste Spielzeug über dem Zuschauer aus. In diesem Jahr gab es aber noch einen anderen Film, der prall gefüllt war mit Anspielungen auf die Popkultur, der das aber subtil gemacht hat, zum Selber entdecken, zum enträtseln, zum Eintauchen, in pure Leidenschaft. Nicht nur deshalb, aber auch deswegen ist er letztendlich für mich Film des Jahres – UNDER THE SILVER LAKE.
David Robert Mitchells Zweitwerk nach IT FOLLOWS ist das, was PULP FICTION für Tarantino war – ein Meisterwerk und eine Verbeugung vor dem Kino schlechthin. Aber er ist nicht anbiederisch, vielleicht noch nicht einmal massentauglich. Aber UNDER THE SILVER LAKE ist einfach pure Magie, die man mit nach Hause nehmen kann. Auch er ist eine überdimensionale Schnitzeljagd, sogar durch Hollywood selbst. Aber er ist so verdammt clever inszeniert, so stilsicher, so ergreifend, dass man sich so ein Abenteuer für sein Leben wünscht. Ich zumindest. Mich zieht es nicht sonderlich nach Oasis. In David Robert Mitchells Traumland jedoch ungemein, ein Film, den man dutzende Male sehen kann.
UNDER THE SILVER LAKE ist ein Blockbuster ohne Blockbusterattitüde, er ist einfach, er will nicht. War es auch ein schwieriges Jahr für den Blockbusterfilm, Filmperlen gab es 2018 zu Hauf. Neben den OSCAR Highlights LADY BIRD und THREE BILLBOARDS OUTSIDE EBBING, MISSOURI beeindruckte vor allem WIND RIVER von Taylor Sheridan. Die größte Überraschung des Jahres, weil unvorhersehbar – VOLLBLÜTER mit Anya Taylor-Joy (MARROWBONE) und Olivia Cooke (READY PLAYER ONE).
Auch eine Gurke des Jahres gibt es wohl 2018. Ich bin mir sicher, PREADTOR: UPGRADE wird innerhalb von Filmforendiskussionen, die ich verfolge, als Flop des Jahres ausgerufen werden. Ich kann das auch verstehen irgendwie, aber dafür habe ich mich zu sehr darüber amüsiert, als dass ich ihm dieses Prädikat verleihen möchte. Wenn ich aber einen Film sehe, der bar jeglicher Spannung eine völlig banale Geschichte in einem eigentlich spannenden Subgenre erzählt, dann ist das für mich gurkenwürdig. Und dieses Gefühl hinterließ bei mir in diesem Jahr OCEANS 8, der trotz formidabler Besetzung in allen Belagen an die Wand fährt.
Ein Wort ist nun mehrfach gefallen im Jahresrückblick und zwar der Begriff Infantilität, auch wenn’s sperrig klingt. Ich bemängele Filme oder Serien, die zu wenig infantil sind, zugunsten, dass sie allen gefallen mögen. Es wird nur noch selten richtig gesponnen in Hollywood. George Lucas hat übel rumgesponnen seinerzeit, die neuen STAR WARS Filme fühlen sich eher wie Laborzüchtungen an. Glücklicherweise sind es gerade deutsche Genreproduktionen in diesem Jahr, die mir bei diesem Erklärungsversuch zu Hilfe eilen. Denn es war mal wieder kein schlechtes Jahr für den deutschen Genrefilm, auch wenn ich ob meines Positivismus dafür wieder auf die Mütze kriegen werde.
Dogs of Germany
Dabei gab es in diesem Jahr erstmal nix zu beschönigen. Keine GENRENALE, na dann muss der deutsche Genrefilm wirklich tot sein. Das war er aber gar nicht. Zwar gab es in diesem Jahr kein zweites SCHNEEFLÖCKCHEN, dafür aber einen erstklassigen Thriller über ein Stück deutsche Geschichte, spannend, ergreifend, stilsicher. Deutscher Genrefilm des Jahres 2018 ist BALLON von Michael Bully Herbig. BALLON zeigt, dass man auch mit jüngerer deutscher Geschichte spannendes Genrekino erzählen kann.
Vielleicht ist es sogar gut, dass sich kein deutscher Produzent oder Regisseur vor Herbig an den Stoff gewagt hat, vielleicht wäre ein dröges Drama draus geworden, keiner weiß, man. Nun aber hat Michael Bully Herbig bewiesen, dass er neben DER SCHUH DES MANITU auch spannendes Thrillerkino beherrscht. Geschichte bleibt eine große Stoffquelle für den deutschen Film, nur sind diese nun wesentlich spannender als in den Jahren zuvor.
Auch DER HAUPTMANN von Robert Schwentke ist vor allem emotional statt analytisch und somit ein großer Schritt nach vorn im deutschen Filmgeschäft. Begeistert hat mich deshalb auch die ARD Produktion GLADBECK, der vor Spannung zu vibrieren schien. Alles klasse Filme in diesem Jahr, aber ob die den Genregedanken anderer junger Filmemacher wiederspiegeln?
Echtes Genre hatte in diesem Jahr vor allem einen Namen – Christian Alvart, der mit STEIG NICHT AUS und ABGESCHNITTEN zwei vollblütige Genreproduktionen vorlegte und der mit der Serie DOGS OF BERLIN Ende 2018 sein Jahreswerk auf Netflix krönte. Dabei war DOGS OF BERLIN nicht mal konkurrenzlos. Auch die amazon prime Produktion BEAT versprach undergroundige Milieuaction und eine spannende Prämisse. Gar nicht einfach mit der besten deutschen Serie des Jahres.
Denn sowohl DOGS OF BERLIN als auch BEAT sind das, was ich international oft vermisse derzeit, sie sind hochgradig infantil. Für mich kein negativer Begriff, im Gegenteil. DOGS OF BERLIN und BEAT sind Wundertüten von verrückten Ideen, größenwahnsinnigen Plots und zum Teil völlig übertrieben gaga. Das, liebe Freunde, ist super! Europäischer Geheimdienst, drapierte Leichen in Technoclubs, wahnwitzige Gestalten und Philosophien in BEAT, Mord an einem deutschen Nationalspieler mit Finger ab, Soko “Rote Karte”, Libanesenmafia, Katrin Sass als Naziübermutter in DOGS OF BERLIN, wann wurde bitte schon mal so derb vom Leder gesponnen aus deutschen Landen?
Scheinbar zu viel für den Tatort Fan, über BEAT gibt es weniger kritische Stimmen, aber DOGS OF BERLIN wird nicht unbedingt gefeiert in Presse und Foren. Warum? Ist das jetzt wieder zu flippig? Weil LINDENSTRAßE abgesetzt wurde? Ich finde es irre gut, beide Serien.
Der Award Beste deutsche Serie geht dennoch an DOGS OF BERLIN, weil Alvarts Erguss einfach noch dichter und abgefahrener ist als BEAT, bei dem nicht alle Einzelteile gekonnt über die Zielgerade gefahren wurden. Trotzdem, beide Serien sind der Beweis, dass aus Deutschland krachiges Genre kommen kann. Wer’s nicht so knallig mag, hat mit der Serienneuverfilmung von DAS BOOT eher ein bodenständiges Serienvergnügen, ebenfalls sehr gut, aber vom Ton deutlich deutscher, was immer das auch heißen mag.
Horror lebt!
Das internationale Genreparkett ist aber noch ein ganzes Stück von deutschen Filmemachern entfernt. Hierzulande geht WERK OHNE AUTOR zu den OSCARS (wenn’s klappt), Schweden schickt BORDER, einer der ergreifendsten Fantasyfilme der letzten Jahre. Mit CLIMAX feiert Gaspar Noé einen neuen Höhepunkt seines Schaffens, extrem unter die Haut ging in diesem Jahr auch A BEAUTIFUL DAY mit Joaquim Phoenix.
Und dann war da natürlich MANDY mit Nicolas Cage, ein Brett von Film, der nach der Premiere auf dem Fantasy Filmfest im November noch ins Kino durfte. BRAWL IN CELL BLOCK 99 ist beinhartes Genrekino, welches es eigentlich so kaum mehr gibt. THE ENDLESS entführt in eine mysteriöse, lovecraftsche Welt voller Magie, HOSTILES ist ein bedrückendes Westerndrama und mit dem in der Presse nicht ganz so gefeierten HOTEL ARTEMIS gibt es ein seltenes Wiedersehen mit Jodie Foster.
Ebenso gut lief es in diesem Jahr für den Horrorfilm. Ich wage sogar zu behaupten, 2018 ist einer der besten Horrorjahrgänge seit langem. Bis zuletzt verteidigte A QUIET PLACE seine Nr. 1 Platzierung als bester Horrorfilm, stilsicher und mörderspannend inszeniert, aber im September betrat das Remake des Argento Klassikers SUSPIRIA die Bühne und stibitzte sich die Trophäe.
SUSPIRIA ist kein belangsloses Remake, der Film von Luca Guadagnino (CALL ME BY YOUR NAME) ist ein (Alp)traum eines jeden Horrorfans, obgleich er mit dem Begriff Horror höchst eigentümlich umgeht. Was SUSPIRIA aber gelingt ist ein audiovisueller und emotionaler Mindfuck, vergleichbar mit MOTHER von Darren Aronofsky aus dem Vorjahr.
Und noch mehr Horrorfilme waren überragend in diesem Jahr. HEREDITARY, in dem Toni Collette die Vorstellung ihres Lebens abgibt, lässt einen vor Furcht fast im Kinosessel versinken. Auch GHOSTLAND von Pascal Laugier (MARTYRS) ist französisches Terrorkino vom Feinsten. MARROWBONE liefert einen der besten Mysteryplots der letzten Jahre, THE CURED bringt frischen Wind ins Zombiegenre und mir gefiel sogar INSIDIOUS: THE LAST KEY. Schaurig schaurig, schaurig popaurig.
Make love not hate speech!
Derjenige, der alles gesehen hat, der schreibe einen Jahresrückblick. Hab ich leider nicht. Ich habe zum Beispiel meinen innig erwarteten THE MAN WHO KILLED DON QUIXOTE verpasst, auch SPIDER-MAN: A NEW UNIVERSE und MARY POPPINS RETURNS bleiben bislang ungesehen. Daher erkläre ich diesen Jahresrückblick und die Awards für ungültig. Aber mich zwingt ja auch keiner zu nichts. UNDER THE SILVER LAKE als bester Film des Jahres? Für mich ergibt das Sinn. Wen werden wohl die anderen Gazetten küren? Ich betreibe eine aussterbende Art der Filmleidenschaft, ich säe Liebe. Liebe zu Filmen, zu Serien, zu Figuren.
Aber das bringt nix ein. Man findet keine Freunde mit Salat. Die Foren sind voll des Hasses, über Besetzungsfehler, Dinge, die einen nicht abholen, Filme, die nichts so sind wie man sie sich wünscht, enttäuschte Erwartungen und Verschwörungstheorien. Dabei geht es um Filme, nach Fußball die unwichtigste Nebensache der Welt. Filme sollten Politik machen, aber sie werden entweder politisiert oder instrumentalisiert. Ich habe ein wenig Angst vor der Zukunft, dass die ganze Chose kippt wie ein Ententeich voller Entengrütze. Wenn sich die STAR WARS Fans und Hasser zur Massenschlägerei treffen. Eigentlich wiederum ein schöner Gedanke.
Ich mache trotzdem weiter und verwende Wörter wie “grandios” oder “Meisterwerk”. Ich bin der letzte Motherfucker des Positivismus. Gerade ich. Ich schreibe über Filme und über Leidenschaft für Filme, was für mich ein und dasselbe ist. Leider ist der allgegenwärtige Hass auch in der Filmwelt angekommen. Komisch eigentlich, denn das war ja mal eine Fluchttür. Aber es kann ja nicht ewig regnen. So lange sitze ich hier auf dem Steinchen, neben meinem imaginären Jesus und lausche dem Blöken der Heidschnucken. Wer will, darf sich dazusetzen. Wer nicht will, der lässt es einfach bleiben.
Einen guten Rutsch ins neue (Film)jahr wünscht Eure Traumfalter Filmwerkstatt.
[…] Schwere Zeiten für prolliges Jungskino, aber keine Angst, auch das findet im Jahr 2020 weiterhin statt. Bevor eventuell auch aus James Bond eine Frau wird, darf Daniel Craig in KEINE ZEIT ZU STERBEN ein letztes Mal den kantigen Doppelnull-Agenten geben, interessanter als SPECTRE wird die Choose durch Oscarpreisträger Rami Malek als Gegenspieler und abermals die wundervolle Léa Seydoux. Auch im Regieposten stecken große Erwartungen, inszenieren wird Cary Fukunaga (TRUE DETECTIVES, MANIAC). […]