Die kleine Genrefibel Teil 96: Sportschau
Es bolzt, rodelt, hüpft, sprintet, ficht, kurzhantelt, marathoniert, longiert, lupft, puttet, netzt, cross-checkt, slamdunkt, takled und luckypuncht allerorten around the globe – disportare nannten es die alten Römer, eine Form der Zerstreuung und bis heute ist es die Freizeitbeschäftigung Nr. 1 noch vor Obstfliegenzucht – Sport. Natürlich ist Sport nicht nur Hobby, sondern auch Business. Trotz Panini Sticker Pandemie befinden wir uns gerade mitten im internationalen Sportwuselgeschäft, die paneuropäische Fußball-EM ist vorbei, bei der Tour de France wird final etappiert und die Olympischen Sommerspiele in Tokyo stehen bereits in den Startlöchern. Einfach brutal. Die Frage ist jetzt, was hat das mit uns hier zu tun, für die Fernbedienung drücken schon Hochleistungssport darstellt? Ich kann es Euch sagen, Sport gibt es auch im Film, also kein Grund zur Beunruhigung, wir können ruhig sitzen bleiben.
Sport treiben ist das eine, doch die Menschen fanden auch Gefallen daran, anderen bei körperlicher Ertüchtigung zuzuschauen, so wurde Sport zum weltweiten Unterhaltungsevent, der irgendwann medial begleitet wurde. Neben Sportberichterstattung im Radio und TV wurde das Thema auch früh im fiktionalen Film behandelt. Sport & Film, das liegt auf der Rückhand, haben viel gemeinsam, ihr zentrales Element ist die Bewegung, Physis, Dynamik, aber auch Spannung und Action. Fußballspiele und Spielfilme sind in der Regel 90-Minüter, spannende Partien werden gern als Krimi bezeichnet. Meisterschaften werden medial inszeniert, manchmal auch im Kino übertragen, Sport ist nicht nur Sport, Sport ist eine globale Sprache und deshalb gibt es Filme über diverse Sportarten in so gut wie aller Herren und Damen Länder. Zeit für eine große Sportfilmschau.
„Guten Abend allerseits!“
Der Sportfilm als einheitliches Genre unterscheidet sich ein wenig von anderen Filmgenres, denn seine Evolution nahm er parallel zur medialen Sportberichterstattung. Nicht alle Sportarten, wie wir sie heute kennen, waren seit Erfindung des Mediums Film so populär wie heute und erst recht kein Massenphänomen, manche Disziplinen entstanden erst Jahrzehnte später. Zu Beginn der Filmgeschichte wurden sportliche Aktivitäten entweder wie Jahrmarktstreiben inszeniert oder dienten als Aufhänger für Comedy oder Slapstick wie in Buster Keatons DER MUSTERSCHÜLER oder in DER CHAMPION mit Charlie Chaplin. Erst in den 30er Jahren, als diverse Sportarten weltweit und in allen Bevölkerungsschichten populär wurden, produzierte man ernsthaftere Sportfilme.
Das waren vor allem autobiographische Filme über berühmte Sportler oder Coaches, die Hauptsportarten in der Frühzeit des Films waren Boxen und Baseball. Obgleich Sport global als friedlicher Wettkampf verstanden wurde, war er ideologisch nicht unbelastet. Im Nationalsozialismus wurde Sport im Film vor allem als völkisches Spektakel inszeniert und körperliche Athletik diente kruden Rassentheorien wie in Leni Riefenstahls OLYMPIA – FEST DER VÖLKER aus dem Jahr 1936. Im Kalten Krieg war der Sport auch Nebenschauplatz der Ost-West-Auseinandersetzung und wurde im Film mitunter stark patriotisch aufgeladen.
Vor allem aber die technische Evolution innerhalb der realen Sportberichterstattung und die weltweite Sporteuphorie beeinflusste den Sportfilm stilistisch wie inhaltlich zu einem Genre mit großen Schauwerten, Pathos und Emotionen. Dabei stellte sich damals wie heute die Frage, ob ein Sportfilm überhaupt das abbilden und nachfühlbar machen konnte, was der reale Sport beim Zuschauer vermochte. Trotz rasanter Kamera- und Schnitttechnik kann wohl kein Film die Dynamik einer echten Spielpartie einfangen, diese Diskussion gilt aber auch für ein übertragenes Sportereignis im Vergleich zum Liveerlebnis. Aber der fiktionale Film konnte dafür andere Schwerpunkte setzen, die im realen Sport meist verborgen blieben.
Sportfilme drehen sich nur zu einem kleinen Teil um ein Spiel, ein Match oder einen Wettkampf. Sportfilme werfen vor allem einen Blick auf die Akteure, die Sportler und Trainer und blicken hinter die Kulissen, beleuchten Teamgefüge und Strategien, in einigen aktuellen Fällen auch wirtschaftliche Hintergründe um Spielertransfers und Sponsoring. Das alles bildet das Genre Sportfilm ab, Unterscheidungen in Subgenres gibt es so nicht. Sportfilme tendieren zwischen Sport Drama und Sport Comedy, der Sport an sich ist die thematische Basis, aber dramaturgische Elemente funktionieren unabhängig von diversen Sportarten.
Wettkampfregeln
Größtenteils adaptiert ein Sportfilm die Dramaturgie des sportlichen Wettkampfes selbst, Training, Gewinn, Niederlage, Rückschlag, Wiederauferstehung, Überwindung, letztendlicher Sieg. Für Figuren in Sportfilmen kommt fast immer die klassische Dramaturgie der Heldenreise zum Tragen, das entscheidende Spiel als Quest, der Held oder die Helden im Entwicklungsprozess, der Trainer als Mentor, die Überwindung der Schwächen, Sportfilme werden von Charakteren getrieben. Ein Hauptmotiv des Sportfilms ist „Jeder kann es schaffen.“, daraus resultieren Plotkonstrukte um Underdogs, David gegen Goliath oder Aufstieg und Fall einer Legende.
Im Sportfilm gibt es zwei Hauptfigurenkomplexe, Einzelsportler oder Teams. Teams verfügen über eine Menge Figurendynamik und Dramatik, Hierarchien, Konkurrenten innerhalb und außerhalb des Teams, während Einzelhelden nicht nur gegen einen Gegner, sondern auch gegen den inneren Schweinehund zu kämpfen haben. Nicht selten ist auch der Trainer oder Coach Hauptfigur im Sportfilm und er bekleidet eine größere Rolle als nur ein Mentor. Oft waren Trainer früher selbst einmal Champions, nicht selten sind sie im Sportfilm in einer Lebenskrise und überwinden diese nur über den Weg, andere Sportler oder Teams zum Sieg zu führen.
Aber der Sportfilm kreist nicht nur um ein isoliertes Konstrukt Sportler-Mannschaft-Wettkampf, Sportfilme bilden sehr oft soziale Milieus, Klassenunterschiede und Gesellschaftspolitik ab. Nicht immer sind das wahre Märchen, in denen arme Underdogs über den Sport zu Reichtum und Ruhm gelangen. Sportfilmfiguren werden auch durch ihr Umfeld charakterisiert, über die Familie und den Streit zwischen Sport und (echtem) Beruf, über Lehrer und Mentoren innerhalb der Förderung von Talenten oder Lebensgefährten, die akzeptieren müssen, dass sie die Beziehung zum Partner mit dem Sport teilen müssen.
So ist nicht nur Legendenbildung eine dramaturgische Säule des Sportfilms, sondern auch die Legendendekonstruktion, vor allem im modernen Sportfilm ab den 1970er Jahren. Genretechnisch werden diverse Sportfilme weniger durch die unterschiedlichen Sportarten charakterisiert, denn die Dramaturgie passt auf Filme über American Football wie auf Filme über Tennis. Dennoch kann man Sportfilme auch über diverse Sportarten schachteln, innerhalb der Kleinen Genrefibel haben wir das mit Kampfsportfilmen und Motorsportfilmen bereits schon getan. Es mag den puristischen Sportfilm über den Sportler oder die Mannschaft auf ihrem Weg zum Sieg geben, manche Sportfilme aber sind Crossover mit anderen Genres.
Sportdramen thematisieren nicht nur das Drama des Wettkampfes, sondern auch die Kehrseiten der Medaillen wie Betrug, Doping, Sucht oder Sportunfälle. Viele Filme haben Elemente des Coming of Age Films, Sportfilme, basierend auf echten historischen Ereignissen, erzählen abseits der Sportart auch bedeutende Geschichten um Gesellschaftspolitik und Subkultur und nehmen sich Themen wie Rassismus oder Homophobie im Sport an. Dem gegenüber gibt es Filme, die diverse Sportarten lediglich als Vehikel für eine Liebesgeschichte oder Nonsense benutzen.
Es gibt im Sportfilm klare Symboliken, vor allem Ästhetik bis hin zum Körperkult und Fetisch (Outfits und Trikots) und transportieren damit auch ein imaginäres Bild von Lifestyle und Schönheitsideal. Im Film werden vor allem Sportdevotionalien fetischisiert wie der Baseballhandschuh, der Football oder der Golfschläger als Symbol von Snobismus und Reichtums. Nicht selten gerät hier manch Sportfilm auch wegen möglicher Schleichwerbung für diverse Sportartikelhersteller in die Kritik.
Sport und Film sind mediale Events und so ist es nicht verwunderlich, dass es einige erfolgreiche Sportler auch ins Filmgeschäft zog. Bei manchen hat die Filmkarriere die Sportkarriere sogar überragt, Bud Spencer, Arnold Schwarzenegger oder Dwayne “The Rock” Johnson. Für Schauspieler wiederum erscheint es überaus reizvoll, einen Sportler zu spielen, mehr vielleicht noch einen Coach oder Trainer. König der Sportfilme ist zweifelsohne Kevin Costner, der die Hauptrolle in sieben Sportfilmen bekleidete, vom Radprofi bis zur Golflegende. Auch Paul Newman oder Robert Redford waren immer für einen Sportfilm zu haben.
Für den US-amerikanischen Film aus Hollywood waren Sportgeschichten oft eine naheliegende Quelle für Stoffe, weil sie die amerikanischen Werte wie Leistungsindividualismus, Wettkampforientierung und Kommerzialität am besten veranschaulichten. Wirklich viele Blockbuster brachte der US-amerikanische Sportfilm aber nicht hervor. Auch hält sich die Mär, dass Sportfilme oft Filmpreise wie den Oscar abräumen, aber das trifft eigentlich nur auf den Boxfilm zu. Auch wenn so gut wie alle Sportfilme über populäre Sportdisziplinen dramaturgisch gleich gestrickt sind, schauen wir uns nun die besten Sportfilme nach Sportarten an.
Das Runde will nicht so recht ins Eckige
Wer auch immer die alle gefragt hat, aber mit 4 Milliarden Fans ist Fußball die populärste Sportart der Welt. Von dieser Beliebtheit müssten auch Filme über Fußball profitieren, aber das Gegenteil ist der Fall, der sogenannte Fußballfilm gilt bis auf wenige Ausnahmen als kreativer wie kommerzieller Rohrkrepierer. Aber das gilt nur für das Mainstreamkino, das Thema Fußball ist im internationalen Kurzfilm, insbesondere Jugendfilm, durchaus beliebt und hat viel dramaturgisches wie emotionales Potential.
Denn selten drehen sich diverse Filme nur um Fußball als Sport, um Ruhm oder Titelgewinn. Besonders für Kinder und Jugendliche bietet das Thema Fußball viel Raum für gesellschaftspolitische Themen wie Leidenschaft, Konfliktlösungen, Teamgeist und natürlich einen Ausweg aus Armut und Perspektivlosigkeit. Es gibt viele gute Fußballkurzfilme, als Kinospielfilm ist das Thema Fußball dagegen regelrecht unbeliebt und kommerziell wenig erfolgreich. Das liegt zum einen daran, dass Fußballfans an der Fiktionalisierung ihres Sports kein Interesse haben, Sportmuffel ohnehin nicht interessiert sind und den wenigen Fußballfilmfans die immergleichen Klischees und Fußballplattitüden um die Ohren gehauen werden.
Dabei ging es gar nicht mal so schlecht los mit dem Fußballfilm. 1911 kam mit HARRY THE FOOTBALLER der erste Film über Fußball in die britischen Kinos, als die Sportart in den 20er Jahren in ganz Europa populär wurde, produzierte man auch in Deutschland Filme über Fußball. Mit DER KÖNIG DER MITTELSTÜRMER kam 1927 der erste deutsche Stummfilm über Fußball in die Kinos und war sogar recht erfolgreich. Wie in vielen folgenden Filmen stand aber nicht nur der Fußball im Mittelpunkt der Geschichte, sondern eine parallele Lovestoryline. Aber bereits hier gab es familiäre Vater-Sohn Konflikte um Beruf und Hobby.
Inszenatorisch dagegen war dieser frühe Fußballfilm überaus aufsehenerregend, Regisseur Fritz Freissler mischte dokumentarische Aufnahmen mit dynamischer Kameraarbeit und cleveren Schnitten, auf der Leinwand war DER KÖNIG DER MITTELSTÜRMER für die damalige Zeit fast ein Actionfilm. Ein Jahr später erschien mit DIE ELF TEUFEL ein erster Film, der Spieler und Trainer in den Mittelpunkt stellte und sogar zukünftige Entwicklungen des Fußballsports vorwegnahm wie die Konkurrenz zwischen armen und reichen Klubs und den Spaltung der Fans zwischen Idealismus und Kommerzialität im Sportgeschäft.
Als ab 1930 die FIFA, gegründet 1904, die erste Fußball Weltmeisterschaft ausrichtete, war der Fußballsport bereits auf der Höhe seiner globalen Beliebtheit, besonders in Europa und Südamerika. Warum er im Film nicht auch so weitreichende Impulse gab, lag vor allem daran, dass in den USA, dem heiligen Land des Films, Fußball, im Gegensatz zu einer anderen Sportart, kaum von Interesse war. Hollywood als Initiator eines Genres, das funktionierte mit Fußball nicht. Nach der WM 1954 und dem Titelgewinn Deutschlands war Fußball hierzulande in aller Munde, im Film wurde das aber in den 50er und 60er Jahren selten umgesetzt.
Vor und nach dem zweiten Titelgewinn 1974 gab es zwar hier und da Fußballfilmproduktionen, jedoch von überschaubarem Kassenerfolg. Fußball(er) im Film trieben zudem seltsame Blüten wie die pseudodokumentarische Anbetung in LIBERO mit Franz Beckenbauer oder Filmtrash mit Fußballern wie Paul Breitner (POTATO FRITZ). Im Fernsehen lief es mit beliebten Serien wie MANNI, DER LIBERO oder FUßBALLTRAINER WULFF dagegen ein wenig besser.
Auch wenn sich bis in die 90er Jahre nichts an der schlechten Reputation des Fußballfilms änderte, gab es hier und da ein paar ernsthaftere Versuche, den Sport oder die Fankultur im Film zu spiegeln wie NORDKURVE oder SCHICKSALSSPIEL, die Komödie FUßBALL IST UNSER LEBEN mit Uwe Ochsenknecht und Ralf Richter kam zumindest liebevoll charmant und schrullig daher. Aber so langsam wurde allen Beteiligten klar, mit dem Fußballfilm konnte man bis auf ganz wenige Ausnahmen keinen Titel gewinnen.
Eine dieser Ausnahmen war DAS WUNDER VON BERN aus dem Jahr 2004, der erfolgreichste deutsche Fußballfilm aller Zeiten mit über 3,6 Millionen Besuchern. Sönke Wortmanns filmische Huldigung an den WM Titel 1954 war zum einen ein authentischer Blick in die deutsche Geschichte, nicht nur in die Fußballgeschichte. Auch war der Erfolg der deutschen Mannschaft bis ins Finale nur einer von mehreren Storysträngen, DAS WUNDER VON BERN erzählt vor allem die Geschichte eines Kriegsheimkehrers zu seiner Familie und die Beziehung zu seinem fußballbegeisterten Sohn.
DAS WUNDER VON BERN wurde aber auch so erfolgreich, weil der Film überaus detailverliebt und authentisch (Sport)Geschichte vermittelte und gleichzeitig spannend inszeniert war. Die Verbindung Sport und Geschichte wurde nach DAS WUNDER VON BERN auch mit DER GANZ GROßE TRAUM (2011) und TRAUTMANN (2018) dramatisiert, beide Filme liegen weit über dem qualitativen Durchschnitt früherer Fußballfilmproduktionen. Allerdings war der große Wurf an der Kinokasse noch unwahrscheinlicher, denn der historische Fußballfilm war mehr Nische als alles andere.
Ein größeres Publikum fand in der Tat der Kinder- und Jugendfilm um das Thema, DIE WILDEN KERLE nach der beliebten Kinderbuchreihe wurde auch im Kino erfolgreich und zog vier Fortsetzungen nach sich. Aber auch einige Fußballfilme für ein erwachsenes Kinopublikum fokussierten weniger den Sport selbst als das gesellschaftspolitische Umfeld der Ballsportart. In FC VENUS ging es um den Geschlechterkampf, in MÄNNER WIE WIR um das Thema Homosexualität und Coming Out im Fußball.
Obwohl wir den dokumentarischen Fußballfilm hier ausschließen, sei zu erwähnen, dass auch Dokumentarfilme über den Sport und diverse Fußballer seit einigen Jahren erfolgreich im Kino laufen. Den Grundstein dafür legte ebenfalls Sönke Wortmann mit dem Film DEUTSCHLAND. EIN SOMMERMÄRCHEN, der es auf 4 Millionen Kinozuschauer brachte, dessen Erfolg natürlich auch von der WM 2006 in Deutschland beeinflusst war. Jener Dramaturgie folgte 2014 auch DIE MANNSCHAFT, mit SCHWEINSTEIGER: MEMORIES und KROOS folgten zwei Portraits beliebter Fußballstars in Spielfilmlänge.
Neben Deutschland pflegte auch Großbritannien eine hingebungsvolle Leidenschaft zum Fussballfilm und setzte möglicherweise dort weitaus bedeutendere Akzente. Nach dem ersten Fußballfilm in der Filmgeschichte HARRY THE FOOTBALLER, einigen bemerkenswerten Filme aus den 40er Jahren bis hin zu BALLFIEBER und MEAN MACHINE war es vor allem die Fußballkomödie KICK IT LIKE BECKHAM aus dem Jahr 2002, die Kritiker und Publikum gleichermaßen verzauberte und mehr war als nur ein Fußballfilm. Mit GOAL! kam es sogar zu einer erfolgreichen Trilogie im Kino, die munter zwischen Fußball, Melodram und Telenovela wandelte, HOOLIGANS von 2005 dagegen befasste sich mit dem Nebenschauplatz Fankultur und Gewalt im Fußball.
Der US-amerikanische Fußballfilm indes ist kaum existent, bis auf wenige Ausnahmen wie FLUCHT ODER SIEG! mit Sylvester Stallone und Michael Caine oder die seichte Liebeskomödie KISS THE COACH. Das liegt natürlich daran, dass Fußball in den Vereinigten Staaten keinen großen Stellenwert besitzt. In den USA dominiert eine andere Ballsportart, welche dort kultig verehrt wird und auch im Kino eine große Bühne fand, wenn auch nur in den USA selbst.
American Heimspiel
Die beliebteste Ballsportart der USA ist Football, sie ist ein uramerikanischer Mythos. Beim American Football versuchen zwei Mannschaften in vier Vierteln und so weiter. Beim Finale der NFL, dem Superbowl, zeigt sich deutlich die Verbindung von Sport und Movie Entertainment, Filmfans warten hier jährlich auf die Veröffentlichung der neusten Blockbuster Trailer. Auch in der US-amerikanischen Filmgeschichte spielte Football eine wichtige Rolle, war aber in den Staaten isoliert, denn anderswo war das Interesse an Filmen über American Football eher gering, diverse Footballfilme kamen hierzulande gar nicht ins Kino.
In den Staaten rangieren Filme über Football auf Platz 2 der Box Office Charts hinter Motorsportfilmen, aber noch vor Filmen über den Boxsport. Entstanden Mitte des 19. Jahrhunderts, wurde Football in den 20er Jahren landesweit als Collegesport populär und Filme begleiteten diesen Erfolg, 1921 erschien der erste Football Film TWO MINUTES TO GO. Die meisten Filme waren Comedies, einerseits Stummfilm Slapstick wie THE FRESHMAN mit Harold Lloyd, vor allem aber Liebeskomödien um eifersüchtige Spieler und Männlichkeitsrituale. Die wenigen Dramen während der Pre Code Ära dagegen thematisierten vor allem Alkoholmissbrauch.
In den 30er und 40er Jahren kamen dutzendweise Filme über American Football in die Kinos, darunter vor allem autobiographische Geschichten wie KNUTE ROCKNE: ALL AMERICAN (1940) mit Ronald Reagan als Footballspieler. Der Superbowl ab 1967 wurde zum Event, bis in die späten 80er, als der Football in gigantischem Maße kommerzialisiert wurde, waren Filme über Football eher heiteres Geplänkel, durch und durch patriotisch und sie präsentierten vor allem eine saubere Sportwelt.
Die grundlegende Dramaturgie des Footballfilms glich natürlich allen anderen Filmen über Mannschaftssportarten. Meist ging es um ein Underdog Team, früher erfolgreich, nun auf dem absteigenden Ast, ein Trainer mit privaten Problemen, das Team musste sich mental und emotional neu finden, um am Ende das alles entscheidende Match zu gewinnen. Weil der Sport gute Geschichten schreibt, waren viele Filme diesbezüglich auch gar nicht so fiktiv und beruhten auf wahren Begebenheiten.
Diese Sicht auf eine saubere Footballwelt aber änderte sich in den 90er Jahren, in denen dann auch die Schattenseiten des Sportgeschäfts im Film thematisiert wurden. 1999 kam mit AN JEDEM VERDAMMTEN SONNTAG von Oliver Stone ein Football Blockbuster mit 100 Millionen US-Dollar Einspielergebnis in die Kinos, Stone inszenierte das Spektakel mit neuer Stilistik zwischen Hip Hop und Rap Rhythmus in MTV Optik mit dutzenden Stars aus dem Film-, Musik- und Sportbusiness. Dabei ging er schonungslos auf die Schattenseiten des Sports ein, Verletzungen, Doping, Druck durch Manager, Krisen und Niederlagen.
Trotz allem ist Oliver Stones Football Alptraum nicht so unamerikanisch wie seine früheren Filme, auch er wusste, am abgöttisch geliebten Sport der US-Amerikaner vergreift man sich nicht. Dennoch versagte der Profiverband NFL dem Film jegliche Unterstützung, es durfte nicht in NFL Stadien gedreht werden, Teams und Trikots mussten fiktionalisiert werden. Ab den 2000ern gingen weitere Filme kritisch auf den Sport ein, ERSCHÜTTERNDE WAHRHEIT mit Will Smith thematisierte Gesundheitsrisiken, SIE NENNEN IHN RADIO Behinderungen im Sport, GEGEN JEDE REGEL befasste sich mit Rassen- und Klassenschranken im Profisport.
Der Großteil der jüngeren Footballfilme aber feierte weiter die klassische Underdog Dramaturgie, mit biographischen Bezügen zu Spielern und Trainern und den großen Matchs der Footballgeschichte. Doch einige Filme wagten einen noch tieferen Blick hinter die Kulissen des Sportgeschäfts und thematisierten Sportwetten in DAS SCHNELLE GELD, Sportagententätigkeiten in JERRY MAGUIRE und das größenwahnsinnige Lizenzieren von Profispielern während dem DRAFT DAY.
Bis auf JERRY MAGUIRE hatten diese Filme außerhalb der Staaten noch weniger Erfolg als Filme über das Spiel selbst, sie waren noch mehr Nische, teils auch für US-Amerikaner. Abseits des Spielfeldes ließ sich wohl kein erfolgreicher Sportfilm inszenieren. Doch 2011 gelang dieses Kunststück dem Film MONEYBALL über Teammanagement, Statistiken und Spielerauswahl, allerdings in einer anderen amerikanischen Sportart, dem Baseball.
Batter Vs. Pitcher
Bis in die 70er Jahre war Baseball die beliebteste Sportart in den USA, bis sie vom Football abgelöst wurde. Baseball war irgendwie greifbarer als Football, auch wenn Außenstehenden die Spieregeln ähnlich unklar erschienen. Aber selbst ich hab als Kind Baseball gespielt, mit einer Zaunslatte und einem Tennisball. Allein. Baseballfilme wirkten nicht so durchkommerzialisiert, es gibt weit mehr Filme über historische Spiele und Spieler und irgendwie steckte in Baseballfilmen mehr Magie.
Der Baseballfilm ist älter als der Footballfilm, die erste filmische Dokumentation über den Sport erschien bereits 1898, 1911 kam mit THE BALL GAME sogar ein Film über eine Baseball Frauenmannschaft in die Kinos, 1917 mit SOMEWHERE IN GEORGIA der erste Kassenhit mit echten Baseball Legenden. Von ähnlicher Romantic Comedy blieb der Baseballfilm in den frühen Jahren zwar auch nicht verschont, aber es gab mehr authentischere Filmbiographien wie THE PRIDE OF THE YANKEES (1942) mit Gary Cooper oder THE JACKIE ROBINSON STORY (1954).
Die Hochphase des Baseballfilms war in den 50er und 60er Jahren, danach musste er sich dem Footballfilm geschlagen geben. Erst in den 80er Jahren kam es durch Stars wie Robert Redford und Kevin Costner wieder zu einem kleinen Baseballfilm Boom. Vor allem Kevin Costner war von der Sportart angetan, 1988 spielte er in ANNIES MÄNNER einen ehemaligen Profi, welcher die Durham Bulls trainieren durfte, 1989 folgte der oscarnominierte Fantasyfilm FELD DER TRÄUME, in dem Costner auf einem Maisfeld ein Baseballfeld erreichten ließ, nachdem er eine magische Stimme hörte, die zum Kultzitat wurde: „If you build it, he will come.“.
1999 vervollständigte Kevin Costner mit AUS LIEBE ZUM SPIEL seine Baseball Trilogie und wandte sich anderen Sportfilmen zu, aber die 80er Jahre hatten noch einen weiteren magischen Baseballfilm in petto. 1989 kam der Film MAJOR LEAGUE in die Kinos, bei uns eher bekannt als DIE INDIANER VON CLEVELAND mit Tom Berenger, Charlie Sheen und Wesley Snipes. DIE INDIANER VON CLEVELAND war neben FELD DER TRÄUME ein Kultfilm meiner Generation und ließ mehr Begeisterung für den Baseballsport resultieren als für American Football.
Nach dieser kleinen Baseball Hochphase schafften es Filme über jene Sportart aber kaum mehr zu großen Erfolgen. Nach dem großartigen MONEYBALL 2011 thematisierte auch BACK IN THE GAME 2013 mit Clint Eastwood Baseballspiel und Business, 2013 erschien mit 42 – DIE WAHRE GESCHICHTE EINER SPORTLEGENDE ein ergreifendes Sportdrama über den Baseballspieler Jackie Robinson, welcher 1947 als erster Afroamerikaner in die Profiliga MLB integriert wurde.
Baseballfilme leben von der Magie des Duells Batter versus Pitcher, den kultig verehrten Devotionalien Baseballhandschuh und Baseball und dem Spielflair, der sich über die Jahrzehnte wenig verändert hat, im Gegensatz zur gigantomanischen Kommerzialisierung im Football. Eine andere Ballsportart wiederum hat ganz andere filmische Akzente gesetzt.
White Men Can’t Jump
Obgleich schon 1891 erfunden wurde Basketball erst in den 70ern, vor allem aber in den 90er Jahren populär, als Spieler wie Michael Jordan eine jüngere Generation Sportfans begeisterte. Im Gegensatz zu Football und Baseball gibt es weniger Filme über Profisport innerhalb der NBA, größere Akzente setze Basketball im Laiensport, in der Variante Streeball, welche auf Plätzen und Höfen gespielt wurde und Filme darüber wurden auch zum Dokument einer neuen Jugendgeneration.
In den 90er Jahren erlebte Basketball im Film einen Boom innerhalb einer neuen Subkultur zwischen Rap, Hip Hop und Gangmilieu. In WEIßE JUNGS BRINGEN’S NICHT wurde 1992 auch der Konflikt zwischen weißen und afroamerikanischen Spielern thematisiert, auf witzige wie ironische Weise. Mit ABOVE THE RIM und BLUE CHIPS erschienen 1994 gleich zwei wichtige Filme über Basketball, sowohl als College- als auch als Streetsport Variante. In vielen Basketballfilmen hatten echte Basketball Stars wie Shaquille O´Neal Kurzauftritte, Legenden wie Michael Jordan bot man gar Hauptrollen an.
Weitere Highlights des Basketballfilms waren SPIEL DES LEBENS aus dem Jahr 1998 von Spike Lee mit Denzel Washington und COACH CARTER aus dem Jahr 2005, der auf wahren Begebenheiten beruhte. Neben ernsthaften Thematiken wie Jugendkultur, Gewalt, Drogen sowie Sport als Ausweg aus urbaner Perspektivlosigkeit gab es allerdings auch einige völlig abstruse Filme, in denen Basketball im Mittelpunkt stand.
1985 gewann in TEEN WOLF eine Basketballmannschaft ein entscheidendes Spiel, weil einer ihrer Spieler ein Werwolf war, in AIR BUD verhilft ein Golden Retriever einer Schulmannschaft zum Sieg in einem Basketballmatch. Doch das alles ist nichts im Vergleich zu den Vorkommnissen in SPACE JAM aus dem Jahr 1996. Dort stehlen Aliens die Talente großer Basketballstars, um gegen die Looney Toons Bugs Bunny, Daffy Duck und Co. zu gewinnen. Die wiederum engagieren Michael Jordan, um das intergalaktische Basketballspiel am Ende doch noch zu gewinnen.
Abgeschlagen auf den letzten Plätzen der Mannschaftsballsportarten im Film liegen Volleyball und Handball. Aber uninteressant ist die Materie nicht, werden diese Filme doch tatsächlich auch mal von weiblichen Figuren und Akteuren bestimmt, im Gegensatz zu den Männerdomänen Foot-, Base- und Basketball. Allerdings konterkariert der Fokus auf Körperkult und Schönheitswahn den eigentlich ernsthaften Sport, was vor allem Filme über Beachvolleyball in nahezu sexistischer Art und Weise aufzeigen.
Neben den Aktrizen, die im Sandstrand nach Bällen hechten, gibt es eigentlich nur mit MILA SUPERSTAR eine ernstzunehmende Volleyballerin mit Passion, in Japan ist der Anime ein Hit, generell haben Sportfilme in Asien eine große Bedeutung. Im US-amerikanischen Film aber gibt es kaum ernsthafte Volleyballfilme, einzig THE MIRACLE SEASON und MILES stechen positiv hervor.
In MIRACLE SEASON geht es wirklich um den Volleyballsport, um zwei Freundinnen, die trotz schwerer Schicksalsschläge eine herausragende wie realistische Saison spielen. In MILES wiederum schließt sich ein Highschool Schüler einer Damen Volleyballmannschaft an, was hohe Wellen in Miles’ konservativer Heimatstadt schlägt.
Noch weniger Filme gibt es über den Handballsport, dort allerdings sticht SPIEL DER TRÄUME hervor, der die Geschichte einer Gruppe Jugendlicher aus Sri Lanka erzählt, die der Armut der Slums entfliehen wollen und deshalb eine Handballmannschaft gründen, um in Bayern an einem Torunier teilzunehmen. Tatsächlich gelingt ihnen die Nominierung, doch in Deutschland angekommen stehen sie vor dem Problem, dass sie keinerlei Ahnung vom Handball haben. SPIEL DER TRÄUME erzählt diese wahre Geschichte ohne Betroffenheit und Sentimentalität und ist zudem ein großartiger Film über Handball.
Zahnreihen-Defense und andere Wintersportmärchen
Auch diverse Wintersportarten wurden im Film behandelt, leben diese doch nicht nur vom sportlichen Wettkampf, sondern auch vom Flair der weißen Pracht, von malerischen Landschaften und Panoramen. Den bislang genannten Mannschaftssportarten am ähnlichsten ist da noch Eishockey, dessen Spuren bis ins 12. Jahrhundert zurückreichen. Eishockey ist überaus körperbetont, rasant, schnell und brutal und diese Eigenschaften machten sich auch diverse Filme zu eigen.
Filme über Eishockey wurden in den 30er Jahre populär, KING OF HOCKEY aus dem Jahr 1936 gilt ebenso als Klassiker wie IDOL OF THE CROWDES mit einem jungen John Wayne aus dem Jahr 1937. Doch Filme über Eishockey brachten es in den folgenden Dekaden auf nur wenige Highlights verglichen mit anderen Sportfilmen. Erst 1977 erschien mit SCHLAPPSCHUSS ein Kassenhit, der zum Kultfilm avancierte. In SCHLAPPSCHUSS will Eishockey Trainer Reggie Dunlop, gespielt von Paul Newman, das drohende Aus für seinen Eishockey Club verhindern und greift zu einer rabiaten Publicitymaßnahme.
Die Charlestown Chiefs fallen weniger durch Sportlichkeit auf als durch beinharte Fouls und Schlägereien, das Underdog Team wird aber durch ihre rabiate Spielweise beim Publikum populär und lockt Investoren an. Der Film SCHLAPPSCHUSS hatte in der Tat eine belebende Wirkung auf die Eishockeykultur, viele Fans trugen T-Shirts des fiktiven Teams und auch in der Jugend wurde die knallharte Sportart populärer. 1992 wurde so auch THE MIGHTY DUCKS mit Emilio Estevez als Trainer einer Jugendmannschaft zum Hit, die Mighty Ducks of Anaheim verdanken ihren Namen der spaßigen Sportkomödie.
Trotz des rabiaten Spielgeists, oder vielleicht sogar deswegen, wurden über Eishockey größtenteils prollige Komödien produziert, unter anderem mit Sean William Scott (GOON), bei dem es mächtig auf die Visage gibt. Mit gutem Willen kann man die Filme als satirischer Seitenhieb auf sportliche Härte betrachten. Andere Wintersportfilme tragen den Wettkampf dagegen weitaus friedlicher aus, vor allem Filme über den Skisport.
Obwohl Ski und Film eine optisch fulminante Verbindung verspricht, gibt es nur wenig Filme über den Skisport an sich. Über sportlichen Ehrgeiz erzählt SCHUSSFAHRT mit Robert Redford aus dem Jahr 1969, in dem der ehrgeizige Skirennläufer Chapellet um jeden Preis olympisches Gold holen will. 1975 kam mit DIE KEHRSEITE DER MEDAILLE die wahre Geschichte der Skiläuferin Jill Kinmont in die Kinos und wurde zum Kassenerfolg. Das Sportdrama handelt von dem dramatischen Unfall der Sportlerin kurz vor den olympischen Spielen 1956 in Cortina d’Ampezzo, Italien, die daraufhin querschnittsgelähmt ist und um ein normales Leben nach dem tragischen Unfall kämpft.
Eine der besten Underdog Wintersportfilme erschien 2016 mit EDDIE THE EAGLE, mehr oder weniger basierend auf der wahren wie unglaublichen Geschichte von Michael Edwards, der für England bei den olympischen Winterspielen 1988 in Calgary im Skispringen antrat, in zwei Wettbewerben den letzten Platz belegte und dennoch Publikumsliebling wurde. Im Film glänzt Taron Egerton als Michael Edwards an der Seite von Coach Hugh Jackmann, EDDIE THE EAGLE veranschaulicht als Film wohl am gelungensten den olympischen Gedanken, dass nicht nur der Sieg zählt, sondern vielmehr der Wille.
So unglaublich es klingt, aber Michael Edwards Triumph war nicht das einzige Sportmärchen der olympischen Winterspiele 1988 in Calgary. Dort sorgte auch eine jamaikanische Bobmannschaft für Furore, die anfangs von jeder Wintersportnation verlacht wurde, aber dennoch die Qualifikation für die olympischen Winterspiele meisterte und das Publikum begeisterte. 1993 wurde diese unglaubliche Geschichte mit COOL RUNNINGS verfilmt und spielte für einen Sportfilm sensationelle 155 Millionen US-Dollar ein.
Ganz und gar nicht Publikumsliebling wurde die Eiskunstläuferin Tonya Harding, welche 1994 während der US-amerikanischen Meisterschaften mit einem Attentat auf ihre Konkurrentin Nancy Kerigan in Verbindung gebracht wurde. Der Film I, TONYA aus dem Jahr 2017 mit Margot Robbie erzählt diese bitter tragische Geschichte über (un)sportliche Konkurrenz. Harding gewann die US-amerikanischen Meisterschaften und konnte noch ihre Teilnahme an den olympischen Winterspielen 1994 in Lillehammer durchsetzen, bis sie wegen Mitwisserschaft am Attentat zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren auf Bewährung verurteilt und für Eiskunstlaufmeisterschaften auf Lebenszeit gesperrt wurde.
Olympische Spielfilme
Viele der genannten Wintersportfilme sind somit auch Zeitdokumente über olympische Spiele, die abseits vom Wintersport aber nur selten im Film thematisiert wurden. Wenn auch Leni Riefenstahls Film OLYMPIA 1936 – FEST DER VÖLKER eine technische wie filmästhetische Revolution war, es war auch ein Dokument des faschistischen Körperkultes und der Nazi-Propaganda. In den USA wurden in den 30er Jahren auch Filme über Olympia 1936 gedreht, wie der Spionagekrimi CHARLIE CHAN BEI DEN OLYMPISCHEN SPIELEN. Als Sportfilm erschien 1937 A MILLION TO ONE, der die olympischen Sommerspiele 1928 in Amsterdam thematisierte.
In den 50er Jahren erschienen Filmbiographien über olympische Athleten mit JIM THORPE oder THE BOB MATHIAS STORY und nutzen original Footage vergangener Spiele, diese Filme sind somit zum Teil auch olympische Zeitzeugen. Doch dann fand das Thema im Film kaum mehr Beachtung, bis zum Jahr 1981. Der berühmteste Film über Olympische Spiele wurde DIE STUNDE DES SIEGERS, er ist zudem einer von drei Sportfilmen, die mit dem Oscar für den Besten Film ausgezeichnet wurden (davor ROCKY 1977, danach MILLION DOLLAR BABY 2004). DIE STUNDE DES SIEGERS erzählt die Geschichte zweier britischer Leichtathleten bei den Spielen 1924 in Paris und ist gleichzeitig ein Film über Antisemitismus im Sport. Der Film wurde auch oder vor allem wegen der Titelmelodie von Vangelis berühmt, die bis heute ein Synonym für Zeitlupenszenen darstellt.
So gut wie alle Filme über olympische Sommerspiele legen den Fokus nur zum Teil auf sportliche Ereignisse, sondern sind vielmehr Zeitdokumente des historischen wie gesellschaftspolitischen Umfeldes. Über die zwiespältigen Spiele 1936 in Berlin handeln zum Beispiel BERLIN 36 über das Hochsprungtalent Gretel Bergmann, die als Jüdin vom Naziregime zur Selbstaufgabe gedrängt wurde und der Film RACE über den Rekordgewinner Jesse Owens, der die Nazis in ihrer menschenverachtenden Rassentheorie bloßstellte.
Nicht direkt olympisch, aber über die Meisterschaften in der Leichtathletiksportart Crosslauf erzählt der Film CITY OF MCFARLAND aus dem Jahr 2015 und damit verewigt sich auch wieder Kevin Costner in einem Sportdrama um ein Schülerlaufteam, welches die kalifornischen Meisterschaften gewann. Auch als Radsportler trat Costner im Film in Erscheinung, in DIE SIEGER – AMERICAN FLYERS tritt er zusammen mit seinem Bruder bei einem Radrennen über die Rocky Mountains an.
Als bedeutendstes Straßenstadtrennen der Welt hat die Tour de France natürlich auch ein paar Filme resultieren lassen, Radsport im Film ist aber eine ziemliche Nische. Seit dem Doping Skandal im Radsport ist das Thema auch im Film omnipräsent wie in THE PROGRAM – UM JEDEN PREIS als autobiographischer Film über Lance Armstrong und die Schattenseiten sportlicher Ideale sowie in THE RACER von 2019, der sich nicht ausschließlich auf das Thema Doping bezieht, sondern den Radsport in den Mittelpunkt stellt.
Aufschlag und Abschlag
Zwei weitere Sportarten haben Filme geprägt, auf die gehen wir noch ein, dann muss ich aber zum Gummistiefelweitwurftraining. An beiden Sportarten haftet ein wenig der Vorwurf, es wären die bevorzugten Sportarten neureicher Yuppies, was immer das auch heißen mag. Allen voran Tennis. Obwohl Tennis bis in die 70er Jahre ein reiner Männersport war, kam mit HARD FAST BEAUTIFUL 1951 ein erfolgreicher Tennisfilm in die Kinos, der Frauentennis thematisierte und ein frühes Werk über Emanzipation darstellte.
Danach bestimmten aber hauptsächlich romantische Komödien den Tennisfilm wie WIMBLEDON – SPIEL, SATZ UND…LIEBE mit Paul Bettany und Kirsten Dunst oder ein wenig bissiger die Woody Allen Komödie MATCH POINT mit Scarlet Johannson. WIMBLEDON – SPIEL, SATZ UND…LIEBE mag seichte Filmkost darstellen, gedreht wurde aber am Originalschauplatz Wimbledon und gibt das Sportereignis zumindest optisch originalgetreu wieder.
Im Tennissport wurden Frauen Jahrzehntelang kleingehalten und belächelt. Diesem sexistischen Kopfkasper nahm sich 2017 der Sportfilm BATTLE OF THE SEXES an, die wahre Geschichte des berühmtesten Tennismatches in der Sportgeschichte zwischen Billie Jean King und Bobby Riggs im Jahr 1973, welcher die Gründung einer eigenen Frauentennisorganisation zur Folge hatte und den Tennissport weltweit populär machte. Im Film spielen Emma Stone und Steve Carell die Kontrahenten, neben der sportlichen Spannung ist BATTLE OF THE SEXES auch ein grandioser Film über Gleichberechtigung im Sport.
Mit BORG/MCENROE erschien 2017 ein Gegenstück zu BATTLE OF THE SEXES, welches sich dem Konkurrenzkampf zwischen den Tennisprofis Björn Borg und John McEnroe annahm. Der Film begeistert auf der einen Seite durch die Authentizität des Matches im Finale Wimbledon 1980 als auch in der Wahl der Besetzung, Shia LaBeouf als McEnroe und Sverrir Guðnason als Björn Borg sind von den Originalen fast nicht zu unterscheiden, spielen grandios auf, der Film ist im wahrsten Sinne des Wortes großes Tennis.
Dann wäre da noch der Golfsport. Golf wird meist als Freizeitbeschäftigung reicher Schnösel wahrgenommen, war aber 1900 und 1904 als olympische Disziplin vertreten (ab 2016 erneut) und ist heute vor allem über das Majors Tournier bekannt. Im Film wurde Golf zu großen Teilen innerhalb der Komödie veralbert, bereits 1953 in DER TOLPATSCH mit Jerry Lewis und Dean Martin, 1952 in der romantischen Komödie PAT AND MIKE mit Katharine Hepburn and Spencer Tracy, vor allem aber in den 80er Jahren durch Nonsense wie die CADDYSHACK Filme.
Ernsthafte Filme über den Golfsport sind rar, aber es gibt sie. BOBBY JONES – DIE GOLFLEGENDE portraitiert den echten Bobby Jones, der 1930 den Grand Slam, die U.S.- und British Open und die U.S. Amateur in einem Jahr gewann und als größter Golfer in die Geschichte einging. Im Film wird die Legende von Jim Caviezel gespielt. DIE LEGENDE VON BAGGER VANCE mit Will Smith und Matt Damon erzählt eine weiteres Golf Märchen über Bobby Jones, fokussiert aber den kriegstraumatisierten Golfspieler Rannulph Junuh.
Der Underdog Dramaturgie folgt auch das Sport Biopic DAS GRÖßTE SPIEL SEINES LEBENS aus dem Jahr 2005 mit Shia LaBeouf als Golfamateur und Außenseiter Francis Ouimet, der überraschend die Golf-US-Open 1913 gewann und in die Golfgeschichte einging. Somit sind die drei wichtigsten Golffilme auch Zeugen der Golfsporthistorie, ein Schauspieler aber ließ es sich erneut nicht nehmen, einen Golfprofi der Gegenwart zu verkörpern.
Natürlich Kevin Costner, König der Sportfilmdarsteller, der mit TIN CUP 1996 den fiktiven ehemaligen Golfprofi Roy McAvoy darstellt. Als romantische Komödie erzählt TIN CUP das Comeback eines alternden Golfstars innerhalb der US-Open mit einem ziemlich denkwürdigen Ende, in dem McAvoy seinen Sieg durch Starrköpfigkeit und Verbissenheit verspielt, trotzdem Sieger der Herzen wird und auch Herzdame Rene Russo für sich gewinnt. Schmalzig-popalzig, aber hey, es ist ein Sportfilm mit Kevin Costner.
Das war es mit den wichtigsten Sportarten im Film. Kommen wir nun in der zweiten Hälfte des Artikels zu den weniger bekannten. Spaß beiseite, jetzt ist Schluss hier, das war Marathon genug. Aber so ist es beim Sport, man braucht Ausdauer. Wer nicht genug vom Sportfilm bekommen kann, den empfehle ich nochmal die hier fehlenden Sportarten Boxen und Kampfsport sowie Motorsport, die eine eigene Genrefibel spendiert bekommen haben. Wer allerdings noch Tipps für den ein oder anderen nicht genannten Sportfilm hat, für den steht der Kommentarbereich bereit, diesen Artikel diesbezüglich zu bereichern. Getreu dem Motto: Mach mit, mach‘s nach, mach‘s besser.
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In der Reihe DIE KLEINE GENREFIBEL habe ich es mir zur Aufgabe gemacht, sämtliche Genre, Subgenre, Mikro- und Nanogenre des Genrefilms vorzustellen. Eine Aufgabe, die mich bis weit nach mein Lebensende beschäftigen wird. Ich lege den Fokus auf Dramaturgie und Buch, werde mich aber auch mit der Inszenierung sowie den jeweils besten Vertretern befassen.
Lesen Sie in der nächsten Folge: