Der Traumfalter Jahresrückblick 2013
Das Jahr neigt sich mit übermütiger Schiefwinkligkeit dem Ende entgegen. Soll es doch, ich werde es nicht aufhalten. Lass es ziehen wie Kamillenblütenblättertee. Das Jahr 2013 war, wie der Name schon sagt, ein ungerades Jahr. Was immer das auch heißen mag. Es macht jedenfalls großen Spaß, so ein Filmjahr am End nochmal resümieren zu können, die ganzen vorgeworfenen Audiovisualbrocken mal ordnen in seinem inneren Setzkasten der Filmleidenschaft. Die Sache ist die: Am Anfang eines neuen Jahres verschaffe ich mir meist einen Überblick über die Filme, die in den kommenden zwölf Monaten erscheinen werden. Da schwingt immer eine gewisse Erwartungshaltung mit, sei es man ist von einem Storyfetzen angefixt, von einer interessanten Adaption oder freut sich schlicht auf den neuen Film von oder den neuen Film mit, tja, sonstwem.
Erst am Ende des Jahres kann man dann überprüfen, was der Erwartungshaltung gerecht wurde und was nicht. Wie ich schon mal in Sachen Filmreviews angemerkt habe, interessanter als die Differenzierung zwischen mutmaßlich guten oder beschissenen Filmen, wie man das objektiv immer mal wieder vernimmt, ist aber die Betrachtung der Materie in Unterscheidung davon, was mich ob meiner Erwartung enttäuscht oder überrascht hat. Wovon hat man sich denn nun viel versprochen im Filmjahr 2013? Vermerkt wurden beispielsweise MACHETE KILLS, James Mangolds THE WOLVERINE (guter Mann, der Mangold), Schwarzeneggers Rückkehr in THE LAST STAND und HITCHCOCK. Jaja, und EVIL DEAD. Und was ist nun draus geworden?
Gemach, Gemach, alles der Reihe nach. Bei großen Kinofilmen ist man logischerweise des Öfteren enttäuscht, das liegt allein schon darin begründet, dass man bestimmte Dinge im Vorfeld kennt oder weiß wie Teile der Geschichte, Besetzung, Regie, etc. und man daran bereits Erwartungshaltungen klöppelt. Oder man ist überrascht über ein mediales Helau und Jubelarien wie im Falle von GRAVITY, bei dem ich dann so gehyped war, dass ich nur enttäuscht werden konnte, auf hohem Niveau natürlich. Filme, die einen überraschen, kennt man im Vorfeld manchmal gar nicht, oder man hat bereits seinen Vorverurteilungsstempel gezückt, sowas wie: “MAN OF STEEL wird mit Sicherheit genauso Kacke wie die anderen Zack Snyder Filme, weil der Typ eben keine Geschichten erzählen kann!” Schauen wir uns mal um im zurückliegenden Jahr 2013, aber lasst uns neben den großen Schinken auch auf kleinere Filme mit Überraschungspotential blicken, an denkwürdige Szenen und Kuriositäten abseits der Schotterpiste.
Barbie Sunday und ein großes Herz
Ein Film diesen Jahres, an den ich immer denken muss, ist vielleicht kein großes Meisterwerk, aber gewisse tragische Umstände verleihen dem Film eine bittere Ironie. Die Rede ist von VIOLET & DAISY von Geoffrey Fletcher. Der stammt zwar aus dem Jahr 2011, kam aber erst 2013 in die amerikanischen Kinos und erschien im September bei uns direkt auf DVD und Blu-ray. In dem Film spielen Saoirse Ronan und Alexis Bledel zwei Killerlolitas, die sehr gerne Auftragsmorde für neue stylische Klamotten annehmen. Weil´s dieses Mal ein neues Kleid sein soll, nehmen sie den Auftrag an, einen gewissen Michael zu töten. Doch der macht keinerlei Anstalten und nimmt seine drohende Exekution emotionslos und müde hin. Dann gibt es allerdings noch andere Killer, da werden Dutzende Magazine leer geschossen und dazwischen Kekse und Milch verzehrt…naja. Im Großen und Ganzen ist die tarantinoeske Killerfarce ein mittelmäßig-unterhaltsames Filmchen.
Das Opfer Michael allerdings wird von James Gandolfini gespielt, der am 19. Juni 2013 in Rom an einem Herzinfarkt starb. Gandolfini, ein ganz großer Mime, berühmt durch die Mafia-Serie DIE SOPRANOS, hat tolle Rollen gespielt, in TRUE ROMANCE, in SCHNAPPT SHORTY. Ihn in VIOLET & DAISY so auf dem Sessel sitzen zu sehen, des Lebens müde, in sich gekehrt, nach Frieden suchend, das fühlte sich ziemlich bitter und traurig an. Es war nicht Gandolfinis letzter Film, definitiv auch nicht sein Bester, aber dieser tragische Zusammenhang verleiht VIOLET & DAISY dann doch noch etwas Besonderes. Bledel und Ronan spielen das auch ganz zuckersüß. Überhaupt schien auch das Jahr 2013 wieder ein irres Filmjahr für Saoirse Ronan gewesen zu sein.
Fräulein Ronan kann mit ihren schnuckeligen neunzehn Jahren auf eine beeindruckende Filmografie zurückblicken. Bereits mit 13 Jahren erhielt sie für ABBITTE eine OSCAR-Nominierung, in diesem Jahr spielte sie neben VIOLET & DAISY auch in Andrew Niccols SEELEN und in Neil Jordans BYZANTIUM die Hauptrolle. Ronan ist einfach hinreißend, mit einer solchen scheuen Ruhe und einer solchen Ausstrahlung, dass sie auch filmische Gurken wie HANNAH noch ins obere Mittelmaß rettet. Wegen ihr ziehe ich mir sogar die Verfilmung eines Stephenie Meyer Romans rein. Laut eigenen Aussagen hat Saoirse Ronan leider keine Hauptrolle in dem neuen STAR WARS Streifen EPISODE VII ergattert, so dass kein Ablenkungsmanöver war. Ihre Reaktion darauf, warum sie beim STAR WARS-Casting war, ist dann genau so süß charmant und herzlich wie alles an ihr: “Naja, jeder war bei diesem Casting!” Sprach´s und verschwand. Die Ronan…
Motherfucker und Mother Russia in EINEM Team???
Aber Fräulein Ronan ist nicht konkurrenzlos auf dem weiten Flur talentierter Jungdarstellerinnen. Ein ebenso erfolgreiches Filmjahr bestritt (mal wieder) Chloë Grace Moretz, die auch seit Kindesbeinen vor der Kamera herumhüpft. Den Film MOVIE 43 umgehe ich jetzt mal ganz unauffällig, aber immerhin spielte sie nicht nur ein weiteres Mal Hit Girl in KICK ASS 2, sondern durfte auch in die Fußstapfen von Sissy Spacek als CARRIE treten. Diese beiden Filme zeigen toll die Sache mit der Erwartungshaltung.
Ich fand KICK ASS fantastisch, wenn auch nicht so gut wie DEFENDOR oder MYSTERY MEN, aber besser als SUPER von James Gun, und das hauptsächlich wegen Moretz. Hab mich irre auf die Fortsetzung gefreut, doch die ging voll in die Hose. Warum das? Erstens vorrangig, weil KICK ASS 2 überhaupt keine Story besitzt, es erzählt einfach nur die Figuren weiter und das teilweise zum Haare raufen. Denn mal wieder bedient man sich an einem Hin und Her zwischen “Ich will nur so sein wie alle anderen!” und “Aber du bist Hit Girl, auch ohne Maske!” und Bla, und Bla, und Doppel-Bla.
Wo KICK ASS noch kontrovers war, schieß Teil 2 immer übers Ziel hinaus. Red Mist war cool, der Motherfucker ist zu viel des Guten. Bis auf ein paar Szenen wirkt KICK ASS 2 derartig verkrampft gewollt, das Beste ist und bleibt HIT GIRL, nur kann die KICK ASS-Akte jetzt gern geschlossen bleiben. Überrascht war ich hingegen von CARRIE, eine weitere Remakefrevelei, wie man vernehmen konnte. Aber handwerklich ist CARRIE ganz gut, Julianne Moore spielt beeindruckend und Moretz ist echt heftig böse am Ende. Keine Überraschung in dem Sinne, dass der Stoff die Vorlage von Stephen King irgendwie anders behandelt wurde, CARRIE bleibt fast ausschließlich ein Eins-zu-Eins-Remake. Trotzdem eine der gelungeneren Neuverfilmungen der letzten Zeit.
2013 war auch ein gutes Jahr für Abigail Breslin. Auch sie ist bereits ein alter Filmfuchs, spielte ja bereits in SIGNS, LITTLE MISS SUNSHINE und ZOMBIELAND mehr oder minder große Rollen. In diesem Jahr war sie neben ENDER´S GAME in THE CALL und HAUNTER zu sehen. THE CALL ist der neue Film von Regisseur Brad Anderson (SESSION 9, DER MASCHINIST, SOUNDS LIKE), Anderson macht ganz coole Genrefilme, THE CALL ist ein Entführungsthriller mit Halle Berry in der Hauptrolle. Mag die gar nicht, die Berry, hier spielt sie aber ganz ok, wenn auch mal wieder keine Sympathie überschwappt. Dafür überzeugt das Pacing und vor allem Abigail Breslin und Michael Eklund.
Auch HAUNTER von Vincenzo Natali (CUBE, SPLICE) ist atemberaubend und gehört zu den Genrefilmen des Jahres. In beiden Filmen, THE CALL wie HAUNTER, spielt Breslin mit s einer eindringlichen Kraft, wo andere Darstellerinnen immer die gleiche Flunsch ziehen sieht man in Breslins hübschen Gesicht so viel Mimik und Spaß am Spiel. Breslin reißt die Augen auf, wuselt wild umher, schreit und keift, eine wahre Freude. Während mich Keira Knightly meist nach ein paar Minuten mit ihrem Riesenunterkiefer nervt, könnte ich mir Filme mit Ronan, Moretz oder Breslin jeden Tag anschauen. Die sind ja auch noch jung, die Küken, da kann noch viel kommen.
Namen, die schwierig sind, die man sich aber merken muss
Denn sind wir mal ehrlich, manchmal schaut man sich den größten Stuss an, der nur von einer adrett anzuschauenden Schauspielermietze versüßt wird. Oder geht das nur mir so? Auch in diesem Jahr hat mich eine Schauspielerin verzaubert, drei Filme waren 2013 mit ihr am Start, wie man so schön sagt, und in allen drei Filmen hat sie vorrangig optisch überzeugt – Andrea Riseborough. Das klingt jetzt fies, ne, optisch überzeugt, Riseborough ist eine fantastische Schauspielerin und mir bereits durch BRIGHTON ROCK bekannt, sie kann definitiv was. Ihre Rollen 2013 waren allerdings gemischt, nur in einem Film war sie spielerisch hervorragend, in SHADOW DANCER. Riseborough spielt eine IRA-Terroristin, die vom Geheimdienst erpresst wird.
Bis kurz vor Ende hab ich den Kopf geschüttelt, aber dann gab es noch eine ziemlich befriedigende Wendung am Ende, klasse Film, endlich auch mal wieder eine Rolle für Gillian “Dana Scully” Anderson. ENEMIES – WELCOME TO THE PUNCH allerdings fiel eher enttäuschend aus. Dafür platziert sich die wunderschöne Britin in OBLIVION irgendwo in der Mitte. Spielerisch ist sie mir dort zu fade, dafür sieht sie absolut hinreißend aus und ergattert dadurch von mir den Pokal SCHAUSPIELERIN DES JAHRES.
OBLIVION selbst fand ich sogar ziemlich gut, hat zwar ein paar dolle Storydellen, dafür aber eine faszinierende Atmosphäre, beeindruckende Effekte, einen grandiosen Score und ein schepperndes Sounddesign. Die Einsamkeit der verlassenen Erde kommt echt gut rüber, auch Tom Cruise macht seine Sache ganz ordentlich, Morgan Freeman hingegen ist eher eine Statue seiner selbst. Die großen Kracher waren OBLIVION und ELYSIUM beide nicht, jedenfalls nicht von der Wucht eines DISTRICT 9, aber trotzdem ganz ordentliches Science-Fiction-Kino. In ELYSIUM allerdings verbirgt sich ein zweiter Preisträger des Filmjahres 2013 – BESTER BÖSEWICHT, und der Pokal geht an Sharlto Copley als Kruger.
Auch wenn ELYSIUM nicht an DISTRICT 9 herankommt, Matt Damon wie Jodie Foster völlig blass bleiben, Copley lässt als kybernetischer Kopfgeldjäger derart die Sau raus, dass man grinsend mit dem Kopf nickt. Tolle Schurken, Bösewichter und Tunichtgute gab es nicht viele in diesem Jahr. Knapp am Sieg vorbeigeschrammt ist Michael Eklund (THE DIVIDE, ERRORS OF THE HUMAN BODY) als Entführer von Abigail Breslin in THE CALL. Eklund ist sowieso irgendwie irre, der Typ strahlt eine kranke Psyche aus. Einer ist jedenfalls nicht der Bösewicht, der er vielleicht hätte sein können: Mads Mikkelsen als Hannibal Lecter.
Geht man in den ersten Folgen der Serie noch davon aus, dass Mikkelsen es durchaus drauf hat, eine abgründige Seele wie Lecter zu spielen, verliert sich seine Figur und auch sein Spiel bis zur letzten Folge der ersten Staffel in Zwiespältigkeit. Die Serie ging gut los, wurde dann aber zunehmend nerviger, vor allem wegen Hauptdarsteller Hugh Dancy, der mir irgendwie zu drüber spielt. Das einzig faszinierende an der Serie ist die Figur Abigail Hobbs, gespielt von Kacey Rohl. Schon wieder eine Abigail, und schon wieder eine wunderschöne Schauspielerin. Jetzt müssen wir mal irgendwie das Thema wechseln, das ist ja keine Misswahl hier.
Die Rückkehr des klassischen Horrorfilms?
Eigentlich ein gutes Jahr für Genrefreunde, auch wenn die immer meckern. Es gab in diesem Jahr wirklich viele Horrorfilme, die, ich würde es nicht Trend nennen, wieder stärker in klassische Themen spiegelten. Denn mit MAMA, THE CONJURING, INSIDIOUS 2, CARRIE und natürlich EVIL DEAD erschienen Horrorstückchen, die einen gewissen Retrocharme verströmten.
Vorweg, EVIL DEAD gehört für mich zu den Highlights des Jahres, er ist schnörkellos, blutig, technisch sauber und unterhaltsam. Das Gezeter über die Notwendigkeit des Remakes war auch hier im Blog Thema, einerseits durch meine erste Kolumne als auch in Diskussionen mit einigen Spezies hier. Gefeiert wurde in diesem Jahr vor allem THE CONJURING. Hat mir ja auch gefallen, aber so wirklich sind die neuen Werke von James Wang nicht mein Ding. Vor allem INSIDIOUS 2 fand ich konfus und zäh. Aber der behutsame Schwenk, nach einer Phase von Torture Porn und Found Footage mal wieder auf klassischen Grusel und Mysterie zu setzen, finde ich ganz gut. Das klappt jetzt irgendwie besser als in den Neunziger Jahren, man denke an DAS GEISTERSCHLOSS.
Trotzdem, der beeindruckendste Genrefilm dieses Jahr war THE SEASONIG HOUSE. Der Film erzählt die Geschichte von Rosie, die während des Balkankrieges in ein Bordell verschleppt wird und sich dort um andere entführte und missbrauchte Mädchen kümmert. Der Film ist ein Thriller zwischen Survival- und Revengeaspekt und ich war mir anfangs nicht sicher, ob sich das mit den Gräueln des realen Hintergrundes verträgt. Kurzum, es tut´s, wenn´ s auch streitbar ist. THE SEASONING HOUSE ist roh, beklemmend, beinahe unzumutbar, zeigt aber, dass man auch ein kontroverses Thema spannend und genrekonform erzählen kann. Ob ich mir den Film allerdings so schnell ein zweites Mal antun werde, wage ich zu bezweifeln.
Neben THE SEASONING HOUSE stehen bei mir in diesem Jahr HAUNTER, BIG BAD WOLVES und DARK SKIES hoch im Kurs, davor aber noch STOKER von Park Chan Wook, mit Mia Wasikowska und Nicole Kidman in den Hauptrollen. Einfach irre, das Ding, wunderschön erzählt und visuell toll eingefangen, klasse Storybogen, cleveres Backtracking und vor allem viel morbider Charme. Stoker ist kein Horrorfilm, er ist eher eine makabres Coming-of-Age-Geschichte irgendwo zwischen GROßE ERWARTUNGEN, ALICE IM WUNDERLAND und Grimms Märchen. Mia ist wie immer bezaubernd, spielt dieses mal aber nicht ganz so blass, sondern gekonnt doppeldeutig, zynisch und ein wenig abgründig. Ein Film voller Poesie und verspielter Skurrilität. Was wäre noch erwähnenswert in diesem Jahr? Mit HOME SWEET HOME erschien ein ganz brauchbarer Home-Invasion-Thriller, WE ARE WHAT WE ARE ist das Remake des gleichnamigen mexikanischen Kannibalenstreifens und besitzt eine ebenso beklemmende Atmosphäre und tolle Jungdarsteller.
Eine der schaurigsten Szenen in diesem Jahr lag einem unscheinbaren Filmchen inne. Ich grübel und grübel und mir fallen nur wenige Schreckensbilder ein, die sich von einem Film aus direkt in meine Hirnhaut gebrannt haben. Das war die Szene in SHINING, wo die Oma aus der Badewanne kam oder die Szene um die an Multipler Sklerose leidende Schwester, die in diesem Zimmer dahinvegetiert (die Szene ist völlig hohl, aber hatte extreme Wirkung gezeigt). Komisch, alles King-Verfilmungen? Gibts denn noch was? Ach ja, von mir aus lacht mich aus, aber ich fand die Einstellung in SIGNS irre angsteinflößend, als nach einer Ewigkeit Videokamerawarterei dieses Alien aus dem Gebüsch kurz durchs Bild läuft.
In diesem Jahr habe ich eine, für mich, ähnlich gruselige Szene entdeckt, die mir wohl bei dem Gedanken daran noch ein paar Jahre im Kopf bleiben wird. Der Film selbst, LOVELY MOLLY, ist ein mittelprächtiger Mysteryschinken, aber er endet in einer Einstellung, die einem ob der Ruhe und des Sounddesigns, vor allem aber, weil man es nur schwer erkennt, die Haare zu Berge stehen lässt.
Dann wäre natürlich noch die Wahl der heftigsten Splatterszene oder dergleichen. Wo hat es im Jahr 2013 am meisten gescheppert? War es der blutige Zungenkuss in EVIL DEAD? Das Sektenmassaker in VHS 2? Schockt so etwas Stumpfes wie I SPIT ON YOUR GRAVE 2? Ich tue mich mit dieser Frage in diesem Jahr schwer, eben weil mich nichts mehr geschockt hat als THE SEASONING HOUSE. Aber dafür einen Award verleihen wäre irgendwie geschmacklos.
Die Befindlichkeit des Landes
Das Küken des deutschen Genrefilms dagegen pocht hartnäckig von innen an die Genreeierschale und will raus. 2013 wurde zum ersten Mal die GENRENALE veranstaltet, ein Festival des deutschen Genrefilms, auch 2014 wird sie zeitgleich zur BERLINALE stattfinden und hoffentlich ein paar tolle deutsche Genrewerke zur Schau stellen. In diesem Filmjahr haben mich deutsche Produktionen eher positiv überrascht, von ganzen Genrebegriff mal abgesehen, den ich eh schwierig finde, ohne den es allerdings nicht geht in der Lage deutscher Filmemacher. Kommerziell erfolgreichster Film war erwartungsgemäß die Komödie FACK JU GÖHTE aus dem Hause Rat Pack Filmproduktion von Bora Dağtekin (TÜRKISCH FÜR ANFÄNGER).
Ich geb ja zu, dass mich die derbe Abgefucktheit und die politische Unkorrektheit auch amüsiert haben, doch im Endeffekt steckt das Drehbuch noch immer im Korsett von Plattitüden und moralischer Puderquasterei. Naja, aber die Richtung stimmt. Dann gab es noch zwei Filme, die mich ehrlich gesagt positiv überrascht haben. Ich würde, wenn es keine Adaption des Buches gewesen wäre, dem Film FEUCHTGEBIETE sogar unfassbaren Mut zusprechen. Nicht etwa wegen der ganzen Dinge, die man im Zusammenhang zum Buch oder bestimmten Details vermutet. Viele in meinem Umfeld sagen, dass sie sich diesen Klabusterperlenmist erst gar nicht anschauen. Doch ich finde, der Film hat eine Tiefe, dem man ihm vielleicht gar nicht zutraut. Die Hauptfigur und die Hauptdarstellerin sind einzigartig, gerade eine solche Figur ist wirklich mal etwas erfrischend anderes gewesen. Auch gibt es eine Szene mit Axel Milberg und Meret Becker, die mir lang nicht aus dem Kopf ging und die schwer verdaulich ist. FEUCHTGEBIETE mag polarisieren, aber er ist filmisch und erzählerisch definitiv kein Schundwerk, im Gegenteil.
Ebenfalls besser als gedacht war der Film 3096 TAGE um die Entführung der Natasha Kampusch. Wenn man die ganze Kampusch-Sache völlig ausblendet, ist der Film ein eindringliches, hervorragend gespieltes Drama, was lange kleben bleibt. Die meisten Kritiken sind auch eher grundsätzlicher Natur, dass die Kampuschsache medial gesättigt wäre. Der Film 3096 TAGE funktioniert aber, wirkt zurückhaltend und erzielt Wirkung, vor allem wegen der Darstellern Antonia-Campbell Huges, Thure Lindhardt und Amelia Pidgeon.
Das sind nun alles nicht wirkliche Genrefilme, oder? Eine Komödie, eine Adaption und eine Verfilmung eines Medienereignisses. Das entspricht doch genau dem Bild des deutschen Films, oder? Kann man so sehen, muss man aber nicht. Man kann in FACK JU GÖHTE, FEUCHTGEBIETE oder 3096 TAGE auch andere Dinge sehen, Mut zur politischen Unkorrektheit, erzählerischen Mut. Diese Filme sind jetzt keine Meisterwerke, aber im Fall von FEUCHTGEBIETE auch keine immerwährende konventionelle Kost. Man kann auch in dem Film 3096 TAGEN ein spannendes Thriller-Drama sehen und weniger typisch deutsches Betroffenheitskino.
Aber natürlich ist klar, dass der deutsche Genrefilm davon wenig bis gar nicht profitiert. Dabei kam 2013 schon Einiges. Der ganz schön durchgeknallte BÉLA KISS PROLOGUE von Lucien Förster beispielsweise, in dem es um den historisch verbürgten ungarischen Serienkiller Béla Kiss geht. Es geht aber auch um eine ganz komische Figurenkonstellation, die in einem merkwürdigem Hotel auf Allerlei Absurditäten stößt. Das fand ich ziemlich unterhaltsam, obwohl der der Film nach der Hälfte storytechnisch reichlich abdriftet. Aber er nimmt sich nicht so ernst, die Szenen um den Serienkiller sind äußerst gelungen, blutig wird´s auch.
BÉLA KISS PROLOGUE ist eher ein Backwood-Surival-Mystery-Verschnitt als ein Serienkillerfilm, aber thematisch gibt es da schon Potential. Serienkillerfilme besitzen inszenatorisch starke Horrorelemente und es gibt auch ein paar erfolgreiche Genrevertreter in Deutschland (M, ANTIKÖRPER, TATTOO) und auch noch einige unverbrauchte deutsche Serienmörderkandidaten, denen vielleicht ein guter Stoff innewohnt. Bis auf die Hintergrundgeschichte schlägt BELA KISS PROLOGUE daraus zwar kein Potential, der Film folgt brav bekannten Genrekonventionen, ein bisschen TEXAS CHAINSAW MASSACRE hier und eine Prise FRONTIER(S) da, egal, langweilig ist er jedenfalls nicht, technisch sogar richtig schick.
Ein wenig anders verhält es sich bei ZIMMER 205 von Rainer Matsutani, der auch zwischen Mystery und Slasher umhergeistert, das aber eher einschläfernd und tranig. Sowohl von den Figuren als von der altbackenen Story ein mäßig unterhaltsamer Mysteryfilm, vorhersehbar und unspannend, wirkt irgendwie trist und grau und bis auf das The Cure Cover blieb mir nicht wirklich etwas bemerkenswertes im Gedächtnis hängen. Produktiv ist er allerdings, der Herr Matsutani, von dem 2013 auch der Western IN EINEM WILDEN LAND stammt. Auf dem FANTASY FILMFEST in diesem Jahr auf alleiniger Flur vertreten war ROBIN HOOD, den ich leider verpasst habe, genauso wie LOST PLACE mit Josefine Preuß.
Es gibt aber immer wieder deutsche Filme, die gekonnt mit Genrekonvetionen spielen, auch wenn sie nicht als Genrefilme wahrgenommen werden. FRAKTUS zum Beispiel, eine Mockumentary um eine fiktive New Wave Band, die angeblich den Tekkno ausgelöst haben. Auch sehe ich in dem famosen Film 00 SCHNEIDER – IM WENDEKREIS DER EIDECHSE fast einen orwellschen Noir-Krimi, wohl aber nur ich alleine. Insgesamt ist 2013 wohl ein besseres Jahr für den deutschen Film verglichen mit 2012, wo ein angeblich “…beklemmendes Portrait einer Berliner Gesellschaft…” (Christian Mayer, Süddeutsche Zeitung) wie OH BOY hochstilisiert wurde, der allerdings in meinen Augen nur ein leeres und ödes Nichts war. Aber Dank der GENRENALE wird ja nun alles besser.
Der beste Film 2013 ist ein Spiel
Was ging sonst noch in diesem Filmjahr? Ach ja, Schwarzenegger kehrte auf die Kinoleinwand zurück, allerdings noch nicht so prickelnd wie erhofft, THE LAST STAND war mäßig unterhaltsam, aber ok (Stallones SHOOTOUT gefiel mir besser). Zusammen mit Stallone trat er dann in ESCAPE PLAN auf, der sich aber auch nur wegen Stallone lohnt. Bis er wieder einen Terminator mimt, wird es noch etwas dauern. Fast vergessen wird immer, dass auch die diesjährige OSCAR-Saison natürlich zum Kinojahr gehört, auch wenn das einem im Dezember immer so weit weg erscheint. Darüber habe ich mich allerdings schon mal ausgelassen und viel mehr als das atemberaubende Kleid von Jennifer Lawrence ist mir nicht im Gedächtnis geblieben.
DJANGO UNCHAINED fand ich enttäuschen, wegen SILVER LININGS bin ich plötzlich Bradley Cooper Fan. Jennifer Lawrence in einem Horrorfilm? Was für eine tolle Vorstellung. Die Wahrheit ist aber eher enttäuschend, HOUSE AT THE END OF THE STREET ist filmisch ein Rohrkrepierer. Auch über Sommerblockbuster habe ich mich ausgelassen und bleibe dabei: MAN OF STEEL, WOLVERINE (Mangold doch nicht so´n guter Mann), DIE HARD 5 und IRON MAN 3 waren allesamt maximal Mittelmaß. Richtige Vollgurken hingegen waren AFER EARTH, THIS IS THE END, LORDS OF SALEM und TEXAS CHAINSAW 3 bzw 2D.
Auch war ich einer der wenigen, die von TRANCE, dem neuen Film von Danny Boyle, unbefriedigt zurückgelassen wurden. Hatte wohl zu viel mit der Olympiainszenierung zu tun, TRANCE kommt erzählerisch bei Weitem nicht an SLUMDOG MILLIONÄR oder 127 HOURS heran. Aprospos James Franco. THE WIZARD OF OZ war eine komplette Katastrophe. Aber ich nehme es Franco nicht krumm, denn ich weiß, Franco kann, er will nur manchmal sichtlich nicht, und dem beizuwohnen macht wiederum viel Spaß. Allerdings hat das auch Grenzen, bei THIS IS THE END konnte ich in keiner Szene lachen, zu sehr war mir die Choose durch das Herumreiten auf angeblichen Starplattitüden drüber, ein gar schrecklicher Film.
Ähnlich gelagert ist ja der Streifen THE WORLDS END von Edgar Wright mit Simon Pegg, Nick Frost, und Martin Freeman, nur haben die Figuren wenigstens ein bisschen Herzlichkeit. Und das sage ich, der kein großer Fan von SHAUN OF THE DEAD ist. Was aber war denn nun richtig gut, bei all den Kinokrachern in diesem Jahr.
Auch wenn es berechtigte Kritik gibt, aber das, was in diesem Jahr einen klassischen Blockbuster noch am nahesten kam, war STAR TREK INTO DARKNESS. Auch PACIFIC RIM war herrliches Gehirn-Aus-Kino und im Heimkino mit 3D und kraftvollem Digitalsound ein echter Meteorit. DER HOBBIT begeistert mich sowieso, Smaug war grandios, auch WORLD WAR Z ist besser als sein Ruf.
Die schönsten Filmerinnerungen sind aber wie so oft die kleinen Filme, die es teilweise nicht mal ins Kino schaffen. ODD THOMAS zum Beispiel mit Anton Yelchin und Willem Dafoe, ein fantastisches Fantasy-Horror-Märchen. JESUS HENRY CHRIST fand ich drollig, auch dieses schräge Etwas von CHARLIES WELT mit Charlie Sheen, der irgendwo zwischen Wes Anderson und Quentin Dupieux zu verorten ist. Ach Mensch, Filme, man könnte sich totschreiben. Erwähnnt werden muss aber definitiv auch ein Spiel, nämlich THE LAST OF US auf der PS3, welches so manchen genreverwandten Film in Sachen Figuren und Story alt aussehen lässt.
So viele Sachen, so viele Filme, das Kinojahr geht zu Ende, das kommende wird zwar ein gerades Jahr sein, aber es wirkt wie so ein Zwischending. Ich kenne mehr Filme, die 2015 starten als im nächsten Jahr. Aber damit werden wir uns im Januar befassen, damit dann im Dezember 2014 der Jahresrückblick stringenter an der Erwartungshaltung vermessen werden kann. Bis dahin bleibt noch genügend Zeit, das Filmportfolio 2013 abzuarbeiten. Von meinen persönlichen Tops und Flops sollte sich keiner abhalten lassen, sich einfach alles reinzuziehen und sich selbst eine Meinung zu bilden. Das muss man manchmal sogar, sonst kann man solchen Quatsch wie AFTER EARTH gar nicht glauben. Wir bleiben dran an der Sache und werden auch im Jahr 2014 wieder alles, was mit Film und Genre zu tun hat, akribisch auseinander pfriemeln. Tolles Wort, Pfriemeln, gibts wirklich.
Bis dahin wünsche ich Euch einen Guten Rutsch und bleibt auch im nächsten Jahr dem Traumfalter Blog treu. Bis dahin, einen zünftigen Jahreswechsel und bis sehr bald!
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