Teaser, Trailer, Temperamente
Script Development XXI: Der Filmtrailer

In der Welt des Films ist nicht alles von Dauer. Super 8, VHS-Kassette, Laserdisc, Aushangfotos, Kopierschutzdecoder, der Softsexfilm, ganze Subgenres kommen und gehen, nix bleibt für die Ewigkeit. In der Sammelablage retrospektiver Kulturgüter häufen sich die Dinglichkeiten, egal ob Festkörper oder Immaterielles, andere Sachen wiederum werden für tot erklärt, Hollywood, der Blockbuster, das Kino als solches. Angeblich alles weg. Aber da gibt es eine Sache, welche nicht nur sämtliche Verwerfungen und Umbrüche überdauert hat, sondern sich nach wie vor großer Beliebtheit erfreut beim Konsumenten – der Filmtrailer.

 

Alle lieben Filmtrailer. Bis auf wenige Ausnahmen gelten Filmtrailer als Botschafter des Friedens. Im Filmtrailer ist die Welt noch in Ordnung. Filmtrailer sind kurz, episch, lustig und seit der Digitalisierung auch extrem umweltschonend. Filmtrailer gelten als gutmütige Verheißungen, Spott, Zorn und Frust, das trifft den Film, aber doch nicht den Trailer. Der Trailer hat sich zum cleversten Werbemittel für das Medium Film entwickelt und es scheint, als könne ihm die Globalisierung oder die Digitalisierung nichts anhaben. Im Gegenteil, der Filmtrailern ist sogar noch effektiver geworden und mittlerweile eine eigenständige Kunstform.

 

 

 

 

Wo aber kommt er her, der Trailer, die Filmvorschau, der Programmhinweis? Was macht ihn so wirkungsvoll? Wir wollen uns heute auf einen illustren Streifzug durch die Geschichte des Filmtrailers begeben. Wie funktioniert er, was kann man im Filmtrailer alles machen und was sollte man vermeiden? All das besprechen wir heute in einer neuen Folge der Reihe Script Development.

 

Ein Trailer ist ein Werbemittel für ein zugehöriges Produkt, einen Film, eine Serie, ein Computerspiel oder einen anderweitigem Medienträger. Ein Filmtrailer bewirbt einen Fernseh- oder Kinofilm in zirka zwei Minuten Laufzeit, bündelt alle Argumente für das Produkt und den Zuschauer wie Titel, Story, Look, Besetzung sowie konkretes oder ungefähres Veröffentlichungsdatum. Oft reicht da lediglich ein “Demnächst im Kino” oder schlicht ein…

 

Coming Soon!

 

Der Begriff Trailer leitet sich aus dem englischen trail ab, was man verschiedenartig übersetzen kann. Ein Trailer ist demzufolge ein Nachläufer, ein Verfolger, Hinterhergeschleiftes oder ein Anhängsel. Denn in den Kindertagen des Films und des Filmtrailers liefen etwaige Programmhinweise im Kino nach dem Hauptfilm. Doch nur die wenigsten Besucher verblieben im Kino, bis die Leinwand sich schloss und somit schob man das Anhängsel an den Beginn der Vorstellung. Der Begriff Trailer aber blieb.

 

 

Die 35mm Kinotrailerkopie, in den Lichtspielhäusern bis 2012 im Einsatz. Heute laden sich Kinobetreiber die neusten Trailer über Downloadportale der Verleiher herunter.

 

 

Ein Filmtrailer gewährt einen Einblick in das Filmprodukt weit vor dem Kinostart und baut im besten Fall eine Art Hype auf, einen Rummel oder Wirbel. Er dient nicht der bloßen Informationsweitergabe, als Werbemittel muss der Filmtrailer in die Vollen gehen, den Zuschauer nicht nur neugierig auf das Produkt machen, sondern ihn regelrecht anheizen. Für gewöhnlich besteht der Trailer aus zusammengeschnittenen Filmszenen, aber das Arrangement ist hochgradig manipulativ, manchmal aber auch trügerisch.

 

Nicht jeder Film kann halten, was der Trailer verspricht. Doch ist das streng genommen nicht das Problem des Trailers. So wie Erdbeeren im Nettoprospekt appetitlich arrangiert und beleuchtet werden, so protzt auch der Trailer mit audiovisuellem Pömp, selbst wenn das Endprodukt gammlig ist. Der Filmtrailer kommt aber irgendwie immer wieder mit dieser Masche durch.

 

 

Auch Trailer unterliegen einer Altersbegrenzung. In den Staaten gibt es die Green-Band-Trailer für verschiedene Altersspezifikationen sowie den Red-Band-Trailer für Volljährige. Neu ist der Yellow-Band-Trailer für Internetpublikationen, in Deutschland werden Trailer von der FSK bewertet und eingestuft.

 

 

Heute werden Filmtrailer überaus aufwändig produziert und das weit vor Veröffentlichung des zugehörigen Films. Deshalb kann sich der Trailer oft gravierend vom Endprodukt unterscheiden, sei es in der Vertonung, der Synchronisation, der Effekt- oder Lichtgestaltung oder im Schnitt. Wichtige Kerninformationen aber weiß er zu übermitteln.

 

Doch noch vor der Informationsweitergabe dient der Filmtrailer als emotionales Schmetterlingsnetz, er muss den Zuschauer im Gefühlszentrum erwischen und das macht er mit allerlei Tricks und Raffinesse. Während Werbung allgemein als nervtötend empfunden wird, leitet der Trailer den Weg in den Eskapismus ein, welchen man vom kommenden Film erwartet. Immerhin ist der Trailer der erste Schnupperblick in eine Welt abseits der Realität.

 

Klassischer Action Trailer: MAD MAX (1979) Moderner Schnitt im Trailer MAD MAX FURY ROAD (2015)

 

Während sich der Film über die Jahrzehnte in seiner Form und Aussage verändert und gewandelt hat, entwickelte sich der Filmtrailer recht schnell in jene Form, in der er auch heute noch existiert. Filmemacher mussten nicht nur lernen, mit welchen Kniffen man einen Film zusammenschustert, sondern auch, wie man diesen gewinnbringend an den Mann oder die Frau bringen kann. Marketing hieß das Zauberwort und auch das mussten Produzenten und Kinobetreiber erstmal verinnerlichen.

 

National Screen Service präsentiert

 

Die Geburt des Filmtrailers fand mutmaßlich im Jahr 1912 statt und die Geburtshelfer waren sich anfangs gar nicht bewusst, was sie da erschaffen hatten. 1912 produzierten die Edison Studios die erste Filmserie WHAT HAPPENED TO MARY. Das Serial gilt als frühes Beispiel für Filmmarketing, neben Plakaten und Broschüren hing jeder Folge am Ende eine Schrifttafel mit den Worten “To be Continued” an. Das war streng genommen zwar noch kein Trailer, aber der Startschuss für die Filmvorschau war gefallen.

 

 

Die frühe Geschichte des Filmtrailers: Cliffhanger und Schrifttafeln in WHAT HAPPENED TO MARY (1912), Werbetrailer für das Broadway Musical THE PLEASURE SEEKERS (1913) und THE ADVENTURES OF KATHLYN (1913) und der National Screen Service als Trailerproduzent ab 1919.

 

 

Selbige Idee hatte 1913 der amerikanische Filmpionier William Nicholas Selig für das Serial THE ADVENTURES OF KATHLYN und ging sogar noch einen Schritt weiter. In den Schrifttafeln am Ende jeder Folge gab es einen Ausblick auf kommende Ereignisse, zum Teil endeten die Folgen in einem Cliffhanger und einer dazugehörigen Frage wie: “Does she escape the lion’s pit? See next week’s thrilling chapter!”

 

1913 kam den Machern des Broadway Musicals THE PLEASURE SEEKERS die Idee, einen Werbetrailer für ihr Stück in den überaus beliebten Lichtspielhäusern, den Nickelodeons, zu schalten. Für den Filmtrailer als solchen war dieser Schritt besonders wichtig, denn er zeigte, dass es nicht allein in der Hand der Kinobetreiber lag, Filme zu bewerben. Auch Produzenten und Filmstudios setzten ab 1916 Trailer für ihre Produktionen ein. In der Frühzeit des Films waren es vorrangig Plakate und Stills, die auf kommende Filme hinwiesen. Nach Schrifttafeln und animierten Plakaten folgten alsbald echte “screen announcements” in Form von Trailern, in denen es vorab Szenen zu bestaunen gab und in denen auf die Stars des Produkts hingewiesen wurde.

 

THE GREAT GATSBY (196) Stummfilmtrailer CASABLANCA (1942) Trailer National Screen Service

 

Trotz der erfolgreichen Werbewirkung war Filmmarketing seinerzeit eher ein notwendiges Übel, welches die Studios nur zu gern an andere Anbieter weitergab. 1919 gründete Herman Robbins in New York das Unternehmen National Screen Service (NSS), das sich auf die Anfertigung von Plakaten und Filmtrailern spezialisierte. Anfangs produzierte der NSS sogar Trailer ohne Auftrag der Produzenten, aber bis 1940 hatten so gut wie alle Filmstudios Verträge mit dem National Screen Service. Diese Monopolstellung hatte das Unternehmen bis in die 60er Jahre inne, der NSS produzierte Filmtrailer aber bis weit in die 80er und bestimmte so über Jahrzehnte maßgeblich das Aussehen, den Klang und die Wirkung des Filmtrailers.

 

Die Trailer aus dem Hause NSS waren über Jahrzehnte so gut wie gleich gestrickt, man verwendete Texttafeln, eine Off-Stimme fasste Plots und Wendungen zusammen, eine Scheu vor Spoilern gab es seinerzeit nicht. Im Gegenteil, alles, was plakativ war, wurde in Trailern besonders hervorgehoben. So wurden auch Schlaftabletten zu mutmaßlichen Attraktionen zusammengeschnitten. Marktsschreierisch verkündeten Trailer, dass dieser oder jener Film mindestens “sensationell” oder “atemberaubend” war.

 

Trailer PSYCHO (1960) – Hitchcock als Erzähler DR. STRANGELOVE (1964) Trailer von Stanley Kubrick

 

Erst ab den 60er Jahren erfuhr diese Uniformität des Filmtrailers eine Wandlung, als Filmemacher selbst in das Marketing ihres Produktes eingreifen wollten. Dafür standen vor allem zwei Namen, Alfred Hitchcock und Stanley Kubrick. Beide veränderten das Aussehen und die Wirkung von Trailern jedoch in unterschiedlicher Herangehensweise. Alfred Hitchcock wandte sich in den Trailern für PSYCHO oder DIE VÖGEL selbst an das Publikum und machte in zum Teil ironischer Art und Weise auf das Produkt aufmerksam. Kubrick wiederum änderte die Tonalität des Trailers, weg vom Marktgeschreie hin zu einer eher künstlerischen Botschaft mittels Split Screens, schnellen Schnitten und grafischer Gestaltungselemente.

 

Nicht jeder Filmemacher hatte soviel Einfluss wie Hitchcock oder Kubrick, um ihre Trailer selbst zu gestalten. Aber nach und nach hielten neue Formen Einzug in die Trailergestaltung abseits der NSS-Formel, es wurde mit Musik experimentiert, mit Grafiken und Animationen, man stiftete eher Verwirrung als Klarheit, worum es sich bei diesem oder jenen Film handelte, aber es funktionierte.

 

“In a World…”

 

Als 1975 der Film JAWS von Steven Spielberg das Zeitalter der Blockbuster einleitete, war das auch ein Verdienst des Filmtrailers, der nun noch präziser und vor allem breiter eingesetzt wurde, auch dank des neuen Mediums Fernsehen. Stilistisch allerdings wurden Trailer eher wieder konventioneller und erinnerten an die Hochzeiten der National Screen Service Trailergestaltung.

 

Das Experimentelle wich wieder einer klaren Aussage, was den Zuschauer im Kino erwartete. Der Fokus auf Story und Figuren wurde geschärft, Alleinstellungsmerkmale umso reißerischer präsentiert. Vor allem aber lag es am neuen Medium Fernsehen, der Trailer nun noch breiter streuen konnte als die Programmhinweise im Kino selbst. Der Trailer für JAWS, vor allem aber der TV-Spot, lockte 1975 am Startwochenende 7 Millionen Zuschauer in die Kinos.

 

TV-Spot zu JAWS (1975) von Steven Spielberg Der Original Trailer zu STAR WARS (1977)

 

Dank des Fernsehens veränderte sich auch der Look des Filmtrailers. Der Sender MTV, der 1981 an den Start ging und Musikvideos präsentierte, half auch dem Filmtrailer zu einem weiteren Evolutionsschritt. Die neuen Blockbuster waren teuer, also musste auch das Marketing mehr auffahren und von einem Trailer wurde mehr verlangt als eine Zusammenfassung des Geschehens.

 

Don LaFontaine (1940 – 2008)

Don LaFontaine in Action

 

 

Trailer wurden wilder, schneller und affektierter. Gleichzeitig übernahm man wieder Standards der NSS-Trailergestaltung wie die Erzählerstimme aus dem Off. Ab den 80er Jahren war es eine Stimme, die dem Filmtrailer ein neues Gefühl gab – die von Don LaFontaine, dem Godfather des Mediums, der über 5000 Trailer und noch mehr TV-Spots eingesprochen hat. Jeder Filmfreak kennt seine markante Stimme, wenn in einem Filmtrailer die Phrase “In a world…” erklingt. Don LaFontaine wurde zur Trailerlegende, bis er 2008 verstarb, in Filmtrailern aber auf ewig lebendig bleibt.

 

Trotz der Zusammenführung vieler Elemente der Filmtrailergestaltung ab den 80er Jahren gab es aber auch neue Impulse. Ein Filmtrailer war noch immer das effektivste Werbemittel für einen Film, aber Produzenten fühlten, da ging noch mehr. So gab es nicht nur verschiedene Trailer in unterschiedlichen Phasen des Marketings, es entstand auch die Sonderform des Teasertrailers.

 

 

One Trailer To Tease Them All

 

Im Gegensatz zum Trailer kommt ein Teaser weit vor Veröffentlichung des Films zum Einsatz, zum Teil bereits dann, wenn noch gar kein gedrehtes Filmmaterial existiert. Teaser geben sich weit kryptischer als Trailer, sie müssen laut Übersetzung neugierig machen, reizen, anstacheln oder scharf machen.

 

Der Teaser kam erst ab den 80er Jahren im Kino zum Einsatz, als auch die Informationsgesellschaft expandierte. Früher wurde ein Film gedreht und der Zuschauer erfuhr davon meist erst durch den Trailer. In Zeiten von Blockbustern und der Fankultur allerdings verschoben sich diese Gefüge, Studios mussten früher ansetzen, um die Produktwerbung nicht anderen zu überlassen.

 

BACK TO THE FUTURE Teaser Trailer 1985 JURASSIC PARK Teaser Trailer 1993

 

So reichte für gewöhnlich der Titel und ein schnittiges Logo, um das Publikum anzustacheln. Manchmal allerdings wurde für einen Teaser auch extra Material gedreht, um einen frühen Einblick in das kommende Filmwerk zu ermöglichen. Das konnte effektiver sein als manch ausführlicher Trailer. Berühmte Beispiele dafür waren die Teaser für BACK TO THE FUTURE und JURASSIC PARK, deren Szenen allesamt nicht im Film auftauchten und “eigene” Geschichten erzählten.

 

Das Heeresziel des Filmmarketings war im besten Fall der, einen Hype zu erzeugen. Das ging früher einfacher als heute, im Zeitalter der Fortsetzungen und Remakes musste man mehr kleckern als klotzen. Die wirkungsvollsten Appetizer, obgleich sie eher kleine Trailer darstellten, da sie bereits Footage zeigten, waren die Teaser zu STAR WARS EPISODE 1 und zu THE LORD OF THE RINGS.

 

Phänomen STAR WARS EPISODE 1 Teaser (1998) THE LORD OF THE RINGS Teaser (2000)

 

Im November 1998 kam der erste Teaser zu STAR WARS EPISODE 1 in die Kinos, unter anderem vor dem Film MEET JOE BLACK. Die Reaktionen waren überwältigend, nicht wenige kauften sich ein Ticket für den Film, nur um den STAR WARS Teaser sehen zu können und verließen danach den Kinosaal. Der erste Teaser zu LORD OF THE RINGS wurde nicht ganz so euphorisch aufgenommen, doch dank des neuen Mediums Internet verbuchte auch er neue Rekordzahlen. Zudem gewährte der Teaser bereits einen Blick auf Szenen aller drei Filme, die bis 2003 veröffentlicht wurden.

 

Ein Teaser kann im Gegensatz zum Trailer aber auch ganz andere Reaktionen hervorrufen. Teaser funktionieren auch über geschickte Assoziation oder über Verwirrung. Als 2008 der Teaser für CLOVERFIELD veröffentlicht wurde, enthielt dieser nicht einmal den Titel des Films, stattdessen eine geraffte Fassung des Anfangs, was vor allem ein WTF-Gefühl im Publikum resultieren ließ.

 

Verwirrung im CLOVERFIELD Teaser (2008) Assoziation im STAR TREK Teaser (2009)

 

Produzent J. J. Abrams war sich der Wirkung eines Teasers überaus bewusst, während er bei CLOVERFIELD für Verwirrung und Neugier sorgte, setzte er bei STAR TREK (2009) auf Assoziation. Im Teasertrailer wohnte man dem Bau der Enterprise bei, eine Szene, die im Film nicht vorkam, aber das Publikum gehörig bei den Testikeln packte.

 

Nein, diesen Trailer schau ich nicht!

 

Assoziationen funktionieren im Teaser oder Trailer aber nur, wenn das Produkt oder die Marke beim Publikum schon in irgendeiner Weise manifestiert ist. Für den Teaser zu THE DARK KNIGHT reichte das Batlogo und die Off-Stimme von Bruce Wayne, Alfred und des Jokers, in THE DARK KNIGHT RISES ein Rückblick auf Schlüsselszenen der Vorgängerfilme. Das Spiel mit Assoziationen ist heute wichtiger denn je, angesichts der Fülle an Reboots, Remakes, Fortsetzungen und Franchisen.

 

THE DARK KNIGHT Teaser (2007) THE DARK KNIGHT RISES Teaser (2001)

 

Ein Trailer oder Teaser ist immer auch ein Versprechen. Doch je mehr Filme um die Gunst des Publikums buhlen und je mehr der Zuschauer das Konzept Trailer – Film verinnerlicht hat, desto mehr muss ein Trailer leisten, um zu überzeugen. Dabei kann man aber auch mal über das Ziel hinausschießen oder sich verzetteln. Und manchmal hatten die Studios auch einfach Pech.

 

Der Teaser zu SPIDER-MAN aus dem Jahr 2002 kam im Spätsommer 2001 in die Kinos und der Teaser gipfelte in einer Einstellung, in der Spiderman ein paar Ganoven mittels Spinnenseide zwischen den Twin Towers in New York festsetzte. Nach dem 11. September bewirkte dieses Bild ganz andere Befindlichkeiten. Der Teaser wurde zurückgezogen, das Plakatmotiv verändert.

 

Verworfener SPIDER-MAN Teaser (2002) Vor dem Nachdreh: ROGUE ONE Teaser (2016)

 

Im ersten Trailer zu ROGUE ONE: A STAR WARS STORY gab es dagegen viele Szenen, die im fertigen Film gar nicht auftauchten, bedingt durch zahlreiche Nachdrehs. Für den Fan sind solche Relikte heute allerdings Gold wert, denn sie stellen Alternativmaterial für jene dar, die nach jedem Fitzelchen Unveröffentlichtes gieren. Der Ottonormalzuschauer hingegen fühlt sich schon mal betrogen, wenn er mit dem Film nicht das bekommt, was der Trailer ihm versprochen hat.

 

Noch schlimmer wird es allerdings, wenn der Zuschauer zu viel von dem geboten bekommt, was der Film dann nachliefert. Trotz der allgemeinen Beliebtheit des Trailers an sich gibt es nicht wenige, die Trailer eher meiden, um sich nicht spoilern zu lassen. Dabei ist ein Trailer per se ein Spoiler vor dem Herrn, wenn man ihn richtig zu analysieren weiß. Das tun natürlich die wenigsten. Manchmal allerdings schießen die Produzenten deutlich übers Ziel hinaus, wenn es um Spoiler im Trailer geht.

 

Trauriger Höhepunkt in dieser Disziplin ist die TERMINATOR Franchise. Schon bei TERMINATOR 2 aus dem Jahr 1991 wurde der große Twist plakativ beworben, denn Arnold Schwarzenegger ist nun nicht mehr der Böse wie in Teil 1, sondern ein guter Terminator. Nur Unbedarfte, die den Trailer nicht gesehen haben, erwartete dann im Kino eine Überraschung, denn Cameron hat diesen Wechsel dramaturgisch clever inszeniert. Der Überraschungseffekt dank des Trailer dagegen: gleich Null.

 

Üble Spoiler im TERMINATOR 2 Trailer (1991) Noch übler: TERMINATOR: GENISYS Trailer (2015)

 

In dieses Fettnäpfchen trat dann auch der Trailer zu TERMINATOR: GENISYS aus dem Jahr 2015, der einen gewichtigen Twist im Trailer komplett auserzählte – John Connor selbst ist eine Maschine. Wer kommt auf eine solche Idee? Am wenigsten Schuld trifft die Regisseure, die schneiden heute kaum noch Trailer selbst wie Hitchcock oder Kubrick, das übernehmen Firmen wie Trailer Park oder Ingition, doch deren Arbeiten müssen immerhin vom Studio abgenommen werden. Wenn ein Produzent ein Spoilerwerk wie zu TERMINATOR: GENISYS durchgehen lässt, darf er sich danach nicht über einen Misserfolg an der Kinokasse wundern.

 

Aber ein Trailer muss nicht in erster Linie den Film exakt treffen und möglichst wenig spoilern, der Trailer als Marketingtool muss vor allem ein großes Publikum generieren, darum ist jedes Mittel recht. So werden munter die besten Gags oder plakative Money Shots zusammengebastelt, die Tonalität der gewünschten Zielgruppe hat Vorrang vor der Intention des Filmemachers, nicht selten wird frisiert und gelogen, dass sich die Balken biegen. Meist kommt das Studio aber damit durch, nur in seltenen Fällen wie beim Trailer zu DRIVE, der tonal völlig neben dem Produkt liegt, geht das Publikum auf die Barrikaden.

 

Honest Trailer von Screen Junkies Trailer Parodie DEADPOOL 2 (2018)

 

Das Publikum ist in Sachen Trailer wesentlich mündiger geworden. Früher waren Trailer ausschließlich Häppchen, die man dem Zuschauer vor die Füße warf. Im Internetzeitalter hat sich der Trailer dennoch auch dahingehend weiterentwickelt, dass der Konsument die Manipulation manipulieren kann. Wenn ein Trailer heute vollkommen vom Endprodukt Film abweicht, weisen die “Honest Trailer”, die auf dem YouTube Kanal von Screen Junkies veröffentlicht werden, auf diese Missstände hin, was gleichzeitig ehrlich wie unterhaltsam ist.

 

Man stelle sich vor, ein Trailer wäre so ehrlich und eine Off-Stimme berichtet, wie stupide doch manch Szenerie, Plot oder Figurenentwicklung ist. Manchmal kann man aber den Spieß auch herumdrehen, wie im Trailer zu DEADPOOL 2, der damit ganz ironisch umgeht und unfertige Effekte auf seine eigene Weise kommentiert.

 

Wenns Dir Nicht Gefällt, Mach Neu

 

Das Publikum hat den Trailer okkupiert und nutzt ihn heute auch als Trittbrett der eigenen Kreativität. Neben den “Honest Trailern” aus dem Hause Screen Junkies gibt es jede Menge sogenannter Re-cut Trailer, die völlig neu zusammengeschnitten sind.

 

THE WITCH Re-cut Trailer FROOZEN Horror Re-cut Trailer

 

Diese Re-cut Trailer können epischer daherkommen als die Originale, aber nicht nur das. Manchmal kann man mit einer Neujustierung des Materials unglaublich witzige Kreationen erschaffen. So wird nach einem Neuschnitt und einer Veränderung der Tonalität aus SHINING eine romantische Komödie oder aus Disneys DIE EISKÖNIGIN ein alptraumhafter Horrorfilmtrailer.

 

Daneben sorgen auch manche Fan Made Trailer für große Augen, nicht selten wird aus vorhandenem Filmmaterial verschiedenster Streifen etwas völlig Neues erschaffen. Das kann durch diverse Nachbearbeitung völlig angefahren sein oder episch wie im Fan Trailer zu THE BATMAN COMPLEX, der THE DARK KNIGHT und INCEPTION zu einer neuen Geschichte zusammenfügt.

 

THUNDERCATS Fan Trailer THE BATMAN COMPLEX Fan Trailer

 

Trotz Besucherrückgang, Kinosterben, trotz Internetzeitalter und genereller Verfallsdatumsbeschleunigung, nichts konnte dem Filmtrailer bislang etwas anhaben, er ist nicht nur quicklebendig, er expandiert zunehmend, dem Internet, YouTube, Smartphones und sozialen Netzwerken sei Dank. Der Trailer ist schon eine clevere Erfindung. Mit zirka 2 Minuten Länge hatte er schon immer das perfekte Format für eine gewaltige Reichweite, dank kreativer Ideen kann ein Teaser oder Trailer heute einen Hype auslösen, mit alten Trailern kann man den Fan in sich befrieden, dank YouTube jederzeit auf alle Machwerke der Trailerkunst zurückgreifen.

 

Und trotzdem laufen sie noch im Vorprogramm eines jeden Kinos und wirken immer noch. Auch wenn man auf dem Smartphone den neusten STAR WARS Trailer wieder und wieder rotieren lässt, auf der Leinwand ist er trotzdem noch eine Schau. Hätte ich so nicht gedacht in alten Tagen, wo ich selbst 35mm Kinotrailer mit der Klebelade zusammengepappt habe zu Trailerrollen fürs Vorprogramm. Trotz des Überangebots an Trailern im Netz freue ich mich auf jeden Trailer im Kino.

 

Manch GRINDHOUSE Fake Trailer wurde Realität 2001: A SPACE ODYSSEY Modern Re-cut Trailer

 

Im Internet haben sich Filmtrailer ohnehin marketingtechnisch verselbstständigt. Trailer bleiben die Entscheidungshilfe Nr. 1, wenn es um den Kinobesuch geht. Dementsprechend werden täglich Millionen Trailer angeklickt, was wiederum Auswirkungen auf die Zugriffszahlen von YouTube respektive Google hat – eine Win-Win-Situation. In regelmäßigen Abständen erzielen Trailer neue Bestmarken und Klickrekorde, davon konnten die Studios und Kinobetreiber 1913 nur träumen.

 

Es gibt sogar einen Preis für den besten Trailer, die “Golden Trailer Awards”, die seit 1999 verliehen werden. Es starten weltweit immer mehr Filme, also gibt es auch immer mehr Trailer, ob diese Form des Marketings mal aussterben wird, ich bezweifle es.

 

Der Trailer hat sich verselbstständigt, er ist selbst zu einem Teil der Popkultur geworden, das Publikum konsumiert ihn nicht nur, er wird gehortet, auseinandergenommen, neu zusammengesetzt, parodiert oder verfremdet. Er braucht noch nicht einmal einen zugehörigen Film (Fake Trailer in GRINDHOUSE), der Trailer ist vogelwild geworden, man kann ihn nicht fassen, er schlüpft einfach immer wieder durch, ein Teufelskerl, dieser Trailer. Lasst ihn hochleben, liebe Filmfreunde und bis bald demnächst im Kino.

 

 

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Christian Hempel | Autor, Dramaturg und Stoffentwickler | Gesslerstraße 4 | 10829 Berlin | +49 172 357 69 25 | info@traumfalter-filmwerkstatt.de