Schlechte Laune brachte Kummer, die mir jede Stimmung nahm. Alles neu macht der Mai? Am Gesäß! Wenn´s draußen schon stürmt und mieselnieselt, könnte man es sich ja drin wenigstens mit neuer Genrefilmware gemütlich machen, aber es gibt ja nix Neues, bis auf ein paar Streamingsachen. Die Fantasy Filmfest Nights werden erneut verschoben, man weiß schon gar nicht mehr, wie Kihno geschrieben wird, Enttäuschung an allen Fronten, echt Horrorshow. Da hilft nur noch Toffifee und ein schöner Retro Filmklassiker. Traumfalter Filmwerkstatt will helfen und gräbt wieder im Fundus der fast oder gänzlich vergessenen Filmperlen, die da im Sande das Wahns verbuddelt liegen, heute mit einem ganz besonderen Debütfilm des australischen Regisseurs und Autoren Alex Proyas.
In der Rubrik Retro Review gehen wir heute auf eine ganz besondere Abenteuerreise in die Vergangenheit, in eine Zeit weit vor der großen Serienrevolution oder Netflix, denn auch früher schon gab es Fernsehserienstaffeln, auf die Jahr für Jahr hingefiebert wurde, insbesondere zur Vorweihnachtszeit. Mehr noch, wir besprechen heute eine damals gar nicht so unübliche Abnormität, nämlich eine deutsche Fantasyserie einer öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalt aus dem Jahr 1983 – MANDARA – ein wilder Seemannsgarn über fiese Strandpiraten, finstere Dämonen und cleveren kleinen Helden, also alles, was sich das kindliche Genreherz wünscht. Leider ist jener güldene Serienschatz arg in Vergessenheit geraten, so lasst ihn uns ausbuddeln, ihr Sprotten und Spinnaker.
Da ist er wieder, der von Horrorfans am innigsten geliebte Monat des Jahres – der Shocktober. Er liegt zwischen dem septischen Tember und dem nosferatischen November, auch Schlachtmond oder Nebelung genannt. Schon in des Menschen Frühzeit hat sich der selbige mit allerlei Gruseleien verdingt, es war die Zeit der langen Pappnasen und Steuerrückbescheide, purer Horror von der Maas bis an die Memel. Auch vergiftetes Essen wurde gereicht. Bis heut hat sich die Homo Saper den Feinsinn für das Schröckliche bewahrt, im Schocktober werden Horrorfilme zelebriert und vor allem referiert, dass es nur so splattattert. Soll uns Recht sein, da machen wir mit. Doch wagen wir uns tief ins Horrorarchiv vor, wo kaum eine Leich je zuvor war und graben mit stumpfen Nägeln die vergessenen Highlights der Horrorfilmgeschichte frei, die da ungesehen vor sich hinmodern.
Nun haben wir uns eine ganze Weile mit dem aktuellen Genrefilm beschäftigt, von der GENRENALE über Found Footage bis zur wirtschaftlichen und kulturellen Lage der europäischen Genreunion, da wird es langsam mal wieder Zeit für einen Blick zurück. Retrospektive nennen es die Kunstschaffenden, andere meinen damit eine Sehnsucht nach einer Zeit, in der angeblich alles besser war. Für manche existiert im Blick zurück nur der TERMINATOR und das ALIEN, ich für meinen Teil grabe in der Rubrik Retro Review auch gerne Filmperlen meiner Kindheit aus, nur liegen die meist noch eine Sedimentschicht tiefer im VHS-Grab verbuddelt. Manche hat man beinahe vergessen, wie auch den Filmklassiker aus dem Jahr 1983 STARFLIGHT ONE – IRRFLUG INS WELTALL.
Nachdem wir uns letzte Woche mit trockenen, kalkulatorischen Aspekten des Horrorfilms beschäftigt haben, wollen wir es mal wieder richtig splattatern lassen. Reisen wir zurück in der Zeit, in eine Epoche des Horrorfilms, die noch wahrlich quietschig war. In unserer Retro Review huldigen wir heute gleich zwei Klassikern. Obgleich sie nicht gänzlich unbekannt sind, fristen sie ein Schattendasein, tauchen selten in den Listen um die besten Horrorfilme aller Zeiten auf und warten weltweit noch immer auf eine adäquate Veröffentlichung auf Blu-ray. Doch damit ist jetzt Schluss! Begeben wir uns auf einen wilden Ritt durch die Geschichte des Horrorfilms – Vorhang auf für WAXWORK von Anthony Hickox.
Ende der Achtziger, Anfang der Neunziger Jahren feierten einige Regisseure ihre größten Erfolge, Tim Burton, die Coen-Brothers, Robert Zemeckis oder Quentin Tarantino, alles Namen, die auch heute noch erfolgreich im Schaugeschäft tätig sind. Ein Name allerdings gehört nicht dazu, obwohl auch er ein ganz großer seiner Zunft hätte werden können – Michael Lehmann. Noch nie von Michael Lehmann gehört? Tja, wie das so ist in Hollywood, es braucht nur einen veritablen Flop und schon darf man nur noch ganz kleine Brötchen backen. Michael Lehmann gewann bereits mit seinem Spielfilmdebüt HEATHERS 1990 den Independent Spirit Award. Ein Jahr später drehte er mit MEET THE APPLEGATES eine ebenso bissige Satire, in der sich eine unbekannte Käferart als brave US-Familie tarnt, um ein Atomkraftwerk in die Luft zu sprengen.
Die heutige Retro Review Perle ist kein Kleinod der Kindheit aus den seligen achtziger Jahren, trotz seines biblischen Filmalters sah ich den Film erst in den frühen Neunzigern, als man genretechnisch auch auf das TV-Programm angewiesen war. Zwar vertilgte ich schon Unmengen an Videothekenware, aber von dem ein oder anderen Schmankerl las man auch in der Fernsehzeitung. Es war die Zeit, als auch im ZDF zu später Stund manch schauriger Genrefilm lief, der Sender RTL mit “Hildes Wilde Horror Show” eine Art Grindhouse-Doublefeature an Horrorklassikern ausstrahlte, von FRANKENSTEIN, DIE NACHT DER REITENDEN LEICHEN bis DIE SCHLANGE IM REGENBOGEN. Zu jener Zeit sah ich dann auch I WALKED WITH A ZOMBIE, der bei uns ICH FOLGTE EINEM ZOMBIE hieß, ein düsterer Voodoo-Horrorfilm in Schwarz-Weiß aus dem Jahr 1943.
Jetzt, wo im Mai die Schwimmbäder wieder aufmachen und das alles ausdefiniert sein muss, Killerpollen durch die Luft mäandern und es nirgendwo mehr frische Muscheln zu kaufen gibt (eine Frechheit, wie ich finde), so lasset uns Abschied nehmen von der Schwermütigkeit des Frühjahrs und freudestrahlend in die Zukunft blicken. So, alle in die Zukunft gekuckt? Fein! Dann drehen wir uns jetzt um und blicken wieder zurück. Ich habe erneut einen Klassiker der Kindheit ausgegraben, der zu Unrecht in Vergessenheit geraten ist – wahrscheinlich deshalb, weil jener Film weltweit unter verschiedenen Titeln veröffentlicht wurde. Vorhang auf für FROG DREAMING aka DER GEISTERJÄGER aka THE QUEST aka THE GO-KIDS aus dem Jahr 1986.
Wieder einmal schwelgen wir in Kindheitserinnerungen, diesmal jedoch in nicht ganz so düsteren Flimmerwerken wie BRIEFE EINES TOTEN oder MÄRCHEN EINER WANDERUNG. Wir reisen zurück in eine Zeit, in der franko-belgische Comics wie “Tim und Struppi” oder “Asterix” Phantasie und Wissbegierde erweckten, das MOSAIK mit den Abrafaxen monatlich heiß erwartet wurde und Filme wie 20.000 MEILEN UNTER DEM MEER eher eine Bastelanleitung für Abenteuer waren.
Als kleinen Nachtrag zur Genrefibel Teil 25: Atomic Age habe ich einen Film ausgegraben, der mich mal wieder seit meiner Kindheit begleitet hat. Wie bereits erwähnt haftete Allem, was mit der Atombombe und einem unvermeidlichen Dritten Weltkrieg zu tun hatte, ein ungemein beklemmendes Gefühl an. THE DAY AFTER oder WENN DER WIND WEHT, das waren solche Filme, die einem als kleinen Bub nächtelang Alpträume bescheren konnten. Aber da war noch ein Streifen, von dem ich zuerst in alten Prospekten des Progress Filmverleih las, bzw. Fotos sah. Bilder von Kindern mit Gasmasken, einer zerstörten Stadt nach dem atomaren Exodus und ein Schneesturm aus radioaktivem Fallout. 1987 kam der russische Endzeitfilm Письма мёртвого человека auch in der DDR ins Kino, unter dem Titel BRIEFE EINES TOTEN MANNES. Er ist bis heute einer der düstersten Visionen eines atomaren Holocaust.
Christian Hempel | Autor, Dramaturg und Stoffentwickler | Gesslerstraße 4 | 10829 Berlin | +49 172 357 69 25 | info@traumfalter-filmwerkstatt.de