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Moo Moo Moonlight

Die 89. OSCAR-Kaninchen- und Taubenzuchtverleihungen, in diesem Jahr präsentiert von Eichelschmeichler der Firma Amorelie, wurden wie immer von Pro Sieben vor der Aufzeichnung ausgestrahlt und das bis zu fünf mal in über vierzig Städten Dänemarks. Eine technische Meisterleistung! Mixed Emotions vom Fahrbandrand, der rote Teppich als Gaumenzäpfchenverlängerung von Steven Gätjen. Wir sahen Viggo Mortensen und seinen unehelichen Sohn, den er mit Uwe Ochsenknecht hat, Nicole Kidman flog vorbei, Gätjen broll, doch die Kamera machte einen Schwenk und wir sahen Mel Gibson, der gerade zum achten Mal Vater geworden ist und sein neustes Töchterlein bereits zur Verleihung mitgebracht hat.

…sometimes in the blue room

Ein leichtes leises Säuseln. Das Warten vor der Dekompressionskammer. Fremde Hände an Schultern, Hüfte, Fußfesseln. Schlüssel, Smartphone, Sonnenbrille, Tabak – keine Defekte.

 

Druckabfall nach der Schleuse.

 

Verengung der Pupillen, wittern des Pulses. Bel, Dezibel, Butterworth-Filter. Die Zunge trocken. Unterwegs in einer Melange aus Jetlag und Alkohol. Soundmembran. Weiter, weiter, ignoriere das Murmeln, beats per minute, Wellenlänge. Plug in.

 

Sometimes in the blue room, another dream fades away. Zwei Magnete. Abwesenheit von Kronkorken, offen für alles. Das erste Bier schmeckt metallisch. Kopfnicken am Tanzflächenrand, zu spät um sich fallen zu lassen. Warten. Akustischer Szenenwechsel.

Die unverhoffte Macht der Ahnung

Theeee OSCARS (das “th” muss richtig quietschen), Du kokolorer Gummitwist, goldenes Kalb im Schaugeschäft, Temenos der Hybris, Du Lazarett auf dem Schlachtfeld der Kunst. Seit gefühlten 87 Jahren tu ich mir Dich jetzt schon an und werde nicht schlauer. Gezuckerte Kondensmilch verklebt den Magen in gleichem Maße wie Erdnusscreme, ich hätte es ahnen können. Auch hätte ich ahnen können, dass die OSCARS zäh sind, ja, sie sind zäääh, yeah, yeah! Bis auf das funktioniert sie aber noch, die Ahnung, die prophetische Sensorik, die Gabe, die Zukunft aus Fischinnereien, Wildschweinen oder Cervisia lesen zu können. Ja, es ist schon sonderbar, Jahr für Jahr hat man seine Favoriten, herzelt sie ganz doll und verteidigt sie gegen leidenschaftslosen, verbalen Unbill, verteufelt das System, in dem es vor Ungerechtigkeit müffelt, weil dieser oder jener den OSCAR ja sooo verdient hätte und am Ende, ja, dann gewinnt der Favorit dann doch, zumindest meiner.

Für Dich spiel ich noch in 150 Jahren

Wie oft hört man von dem Phänomen, dass Leute im falschen Jahrhundert geboren werden. Das passiert immer mal wieder und meist wird sowas zu spät bemerkt, nämlich erst dann, wenn diese Leute sprechen können. Die sagen dann: “Edler Vater, edle Mutter, irgendetwas ist faul im Staate Dänemark!” oder “Nein, mein Spielzeug mag ich nicht, ich hätte lieber 10 mg Methylphenidati Hydrochloridum, aber pronto, sonst klatscht´s!” Trotz dieser Schwierigkeiten können solche Leute noch ein normales Leben führen, die meisten finden sich ab der Pubertät mit diesem irreversiblen Zustand ab und äußern sich dazu nur noch widerwillig.

Keine Gravitätlichkeiten, Fliegen fällt sonst schwer…

Und wieder. OSCAR vorbei – Füße kalt. Kreislauf is das, beziehungsweise mangelnder Kreislauf oder fahriger Kreislauf oder unrunder Kreislauf…also oval oder elliptisch. Jedes Jahr der selbe Brei. Gibt aber schlimmeres als Kreislauf. Als 1995 FORREST GUMP den OSCAR für den besten Film bekam, habe ich ein Glas Erdnusscreme mit einem Teelöffel leergelöffelt. Dann war mir schlecht und ich habe Erdnusscreme jahrelang nicht angerührt. Was hab ich gestern zu mir genommen? Kilo Nudeln, Bier und PICK UP! Caramel von Leibnitz – sehr lecker, is bestimmt neu in deren Sortiment. Jetzt bin ich irgendwie abgeschweift, worum gings gleich nochmal? Achja, die GENRENALE! Ich glaub, ich fang nochmal an.

Ode on Melancholy

Heute ist ein trauriges Datum. Der 13. November war seit jeher ein gebeutelter Tag. Am 13. November 1940 hatte Walt Disneys Film FANTASIA Premiere. Das war schön. Wolf Biermann kritisierte 1976 bei einem Konzert in Köln das DDR-Regime und wurde Tage später ausgebürgert. Das war weniger schön. Konstantinopel wurde an einem 13. November von feindlichen Truppen besetzt, Michael Schumacher gewann seinen ersten Weltmeistertitel und Ludwig VII. von Frankreich heiratet, und zwar seine dritte Frau. Das war 1160. 2013 hingegen schließt mein Kino. Nicht mein eigenes, meine Multiplexkinos laufen alle noch. Das Kino, was ich meine, hat sieben Jahre meines Lebens geprägt und geformt wie eine Tiefziehpresse Plastikboote. Nun gibt es am 13. November 2013 seine Abschiedsvorstellung.

Schiefe der Ekliptik

Wenn Heute das Gestern nicht Morgen wäre, sondern Gestern, dann wäre Heute der längste Tag des Jahres. Nur leider war der eben Gestern. Gestern, Heute, Morgen, in der Physik sind sie alle gleich. Nur erklären kann man das nicht. Das ist das tragische an der Physik, sie ist haltlos. Der längste Tag des Jahres dauert zum Beispiel gerade mal einen Tag. Sinnlos!

R.I.P. VHS

Ich hab da ein kleines Zimmerlein, eine Abstellkammer, Besenraum, wir in unserer Gegend sagen dazu Kabuff. Dort lagert allerlei Zeug, Wäscheständer, Staubsauger, Putzmittel und Werkzeugkasten, na ja, all die Dinge eben, die ein Autor so täglich braucht. Ich kuck da nich mehr sonderlich rein, das sind eher so mechanische Griffe. Vor kurzem aber hielt ich mit der Flasche Weißer Propper einmal inne und sah zur Decke des schmalen Kämmerleins hinauf. Ich hatte es fast verdrängt. Dort, wo sicher der Swiffer und der Abflusspömpel Gute Nacht sagen, lagerte ja seit Jahren noch etwas anderes. Ein Relikt aus ferner Zeit. Brav aufgereiht in selbst gezimmerten Baumarktregalen, zweireihig, exakte Beschriftung, heraus gebrochene Überspielschutzklappe – die VHS-Kassette.

Christian Hempel | Autor, Dramaturg und Stoffentwickler | Gesslerstraße 4 | 10829 Berlin | +49 172 357 69 25 | info@traumfalter-filmwerkstatt.de