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Die kleine Genrefibel Teil 76: Buddy Movies

Alle lieben sie, die heroischen Filmhelden und finsteren Filmschurken, welche unermüdlich kämpfen und querulieren, egal ob im süffigen Feinripphemd oder im Gummianzug, egal ob mit Augenklappe oder Eiserner Lunge. Helden und Bösewichter, die einsamen Wölfe der Pappmachéwelten, werden geliebt wegen ihrer Ikonographie. Aber wenn man mal genau nachdenkt, fällt einem auf, dass Einzelhelden und Autonomantagonisten gar nicht so mitreißend sind wie andere Figuren, beziehungsweise Figurenkonstellationen. Klar steht der Held und der Widersacher in einem Konflikt und beide in einer gewissen Abhängigkeit zueinander. Aber die Dramen mehren sich, wenn wir es mit zwei gut befreundeten Hauptfiguren zu tun haben, bestenfalls Männer, besterenfalls Antipoden. Beliebter als Einzelfiguren wie Superheld oder Schurkenschlingel, so behaupte ich jetzt mal nonchalant, sind nämlich Duos.

Plant’n’Payoff
Script Development XVIII: Aussaat & Ernte

Dramaturgie und Storytelling sind zwei verteufelte Windhunde. In der Analyse von Filmen und Serien kann man dramaturgische Elemente herausfiltern und verallgemeinern, dann sind sie schön logisch und jeder findet sie dufte. Figuren, Motivationen, Kausalitäten, ganze thematische Kreuze werden freigebuddelt, muss man sie aber dann im eigenen Script anwenden, sträubt sich die Feder oft, fortzufahren. Obgleich wir hier in der Rubrik Script Development schon immer hart am szenischen Beispiel gearbeitet haben, gehen wir heute noch einen Schritt weiter ins Detail und beschäftigen uns mit einem kraftvollen dramaturgischen Mittel, welches den Unterschied zwischen Larifari und einer gut erzählten Geschichte machen kann – dem sogenannten “Planting and Payoff”. Wöllte man diese beiden Begriffe nur in trockener, verallgemeinender Lehrbuchtheorie betrachten, käme man nicht weit.

Scheinwerfer
Script Development XVII: Lichtdramaturgie

Licht. Du rätselhaftes Wesen. Wo kommst du her, du sichtbarer Teil des elektromagnetischen Spektrums? War früher wirklich alles dunkel, bis Gott sprach, es werde Licht? Man hat versucht, dich zu vermessen, man trug dich säckeweise in dunkle Rathäuser, aber du warst einfach nicht zu fassen. Bis dich Thomas Edison mit Hilfe von Elektrizität unterwarf und dich in Glühbirnen stopfte. Für teuer Geld, wohlgemerkt! In muffigen Großraumbüros aber war´s dir irgendwann zu langweilig, du wolltest berühmt sein, ein heller Stern am Broadway. So gingst du zum Film. Schwere Buben trugen dich von Set zu Set, du wurdest kilowattweise im Studio verstreut, auf geschminkte Gesichter geworfen und wieder eingefangen durch die Camera Obscura.

Ein gutes Script …dank Chappi!
Script Development XVI: Marken im Drehbuch

In der illustren Reihe “Script Development” haben wir uns bislang Drehbuchaspekten von allerlei Seiten genähert. Es gibt Geschichten und Plots in unterschiedlichsten Zeiträumen und Lokalitäten, Figuren und deren Hinter- wie Beweggründe, Berufe und Berufungen, Dialoge, darüber hinaus Tools wie Titel, Untertitel, Loglines und Voice Over. Bleibt da noch überhaupt noch etwas übrig im dichten Dschungel der Filmstoffentwicklung? Wer achtet auf die kleinen Dinge? Wenn Protagonisten morgendlich vor dem Spiegel stehen und sich Zahnpasta auf die Bürste schmieren, sich in ihre Klamotten zwängen und mit dem Rennrad zur Arbeit fahren, ihre Smartphones malträtieren, heimlich auf dem Klo Comics lesen und nach Feierabend ihren Setzkasten neu bestücken, da heißt es Obacht für Autoren wie Requisiteure.

Let strength be granted…

Das Licht der Flamme malt Schatten an das nasse Relief. Hinter dem Tor verklingen die Laute der Krähen in dumpfen Hall, der Wind, der sich in den Zinnen verfängt, pfeift wie winselndes Gewürm unter der Klinge der Erhabenen. Ich friere nicht, die Flamme spendet Wärme, jedoch keinen Trost. Einsamkeit lässt mich frösteln, meine Haut ist zerklüftet, einer Landkarte gleich, die den Weg in die Verdammnis beschreibt. Die Mauern sind durchdrungen von Wurzelgeflecht, sie binden das Bauwerk an ihren Lebenszyklus, organische Materie, die über Leben, Tod und Verfall bestimmt, ähnlich meiner Haut. Sie zu sehen konfrontiert mich mit meiner eigenen Vergänglichkeit. Viel habe ich auf dem Weg hierher verloren. Ich bin nun mehr eine Hülle, eine Puppe in ehernem Kleid, graviertes Eisen, lederne Schellen, zerrissene Gamaschen. Doch mein Körper selbst ist eine viel beständigere Hülle geworden.

Die kleine Genrefibel Teil 40: Der Western

In der kleinen Genrefibel habe ich es mir zur Aufgabe gemacht, sämtliche Genre und Subgenre der Filmwelt vorzustellen, ein Vorhaben, welches mich wohl bis nach mein Lebensende beschäftigen wird. Nun sind wir inzwischen bei Teil 40 angelangt, eine schöne Zahl, wie ich finde, und endlich ist mal Zeit für ein wirklich handfestes Genre. Denn was fällt einem ein, wenn man spontan nach einem Filmgenre gefragt wird? Richtig, der Western! Der Western ist ein richtiges Genreurgestein, und das hat triftige Gründe. Kaum eine andere Filmsparte ist so festgelegt in ihren Merkmalen, so klar definiert und doch so unendlich mannigfaltig.

Das eierlegende Wollmilchscript
Script Development XV: Die Zielgruppe

So, die Horrorwochen sind vorbei, ab jetzt keine Horrorfilme mehr kucken, das is voll Oktober, Leute! Wie aber nun weitermachen? An Halloween war ich auf einer Kostümparty, als Joker, und da traf ich doch tatsächlich auch eine Harley Quinn, die sich mit mir fotografieren lassen wollte. Als wir uns da so ablichten ließen, fiel es mir wie Lüsterklemmen vom Baumarkttransporter: wir sind üble Opfer an Comicnerds, umzingelt von Horrorfans, in einer Discothek für Liebhaber alternativen Musikgeschmacks. Zielgruppen wohin das Auge und Ohr reicht. Zielgruppen beim Film, welch schönes Thema! Was war wohl eher da, Ei oder Eigelb? Film oder Zielgruppe? Ist über dieses Thema schon alles gesagt worden oder gibt es im Jahre 2015 nach Christus noch neue Erkenntnisse?

Die kleine Genrefibel Teil 38: Coming of Age

Da standen wir nun, draußen, weil es drinnen zu laut war und zu heiß, zu viele Idioten, die sich an der provisorischen Bar drängelten und Blue Curaçao Longdrinks bestellten und zu viel Beschallung durch Haddaway – “Is it love? Baby don’t hurt me, no more!” Die meisten saßen ohnehin nur auf Klappstühlen herum, die an die Wände des Saals geschoben waren, den wir nur zu gut kannten, weil er früher Teil unseres Schulhorts gewesen ist. Doch an diesem Wochenende wurde aus der Tagesstätte für Grundschüler eine Disco für uns Ältere. Aber weil es dunkel war und sich eine Spiegelkugel drehte, funktionierte diese Täuschung.

Die kleine Genrefibel Teil 36: spy versus spy

Früher war alles einfacher, man hatte klare Identifikationen. Zuerst wollte man Marienkäfer sein, schickes rotes Cape mit schwarzen Punkten drauf, fertig war das Kindergartenkostüm. Dann kam Sindbad, Cowboy und Indianer, eventuell Kreuzritter, wenn man cool drauf war. War eigentlich eine schöne Zeit. Wenn alles glatt lief in der Kindheit, sehnte man sich später danach, der schwarze Rächer mit den Fledermausohren zu sein, ein Zeitreisender und natürlich Detektiv oder Agent, mit Lupe, schwarze Farbe für Fingerabdrücke, Dienstausweis und Wasserspritzpistole. Diese Phase hat mich bis weit über das Mindesthaltbarkeitsdatum meiner Kindheit begleitet. Kostümiert habe ich mich dann nicht mehr, Gott bewahre. Aber ich habe darüber geschrieben. Geschichten über Geheimagenten, die im Dunkel agieren, irre Gadgets besitzen, schöne Frauen bezirzen und deren Spielplatz die ganze Welt war.

Speck mit Fett in Öl
Script Development XIII: Essen im Drehbuch

Nun sitze ich hier und suche einleitenden Worte, nachdem ich ein Brötchen mit Salami und Alaska-Seelachs-Brotaufstrich verdrückt habe, dazu ein Hilton-Ei in perfekter Wachs-Weichheit, garniert mit Salatgurkenscheiben, schlussendlich den ganzen Kladeradatsch mit Kaffee runtergespült und noch´n Nikotinpflaster als Nachtisch zerkaut, fertig. Fette, Kohlenhydrate, Eiweiße, Eigelbe, kaum nachweisbare Spuren von Vitaminen, Fuselöle, Aldehyde, das alles beginnt zu gären, kalte Fusion unter Zuhilfenahme von Säuerungsmitteln, Stabilisatoren, Gehirnnahrung, Diktat des Hypothalamus, Gravitation, Newton – dieser Spinner, dem is auch nix eingefallen, bevor ihm ein Apfel auf´n Kopp gefallen is. Er, also Newton, hatte zwar diesen kurzen hellen Moment, doch dann aß er den Apfel, ward satt und schlief ein. Den Rest hat er sich ausgedacht.

Christian Hempel | Autor, Dramaturg und Stoffentwickler | Gesslerstraße 4 | 10829 Berlin | +49 172 357 69 25 | info@traumfalter-filmwerkstatt.de