Posts Tagged: Die kleine Genrefibel

Die kleine Genrefibel Teil 91: Zoo-Palast

Willkommen im neuen Jahr 2021 und zurück zur Kleinen Genrefibel, unserem illustren Genrestreichelzoo, wie ich manchmal so keck sage. Und wisst ihr was, heute stimmt das sogar, heute lassen wir die altgediente Homo Saper beinah gänzlich beiseite und geben den tierischen Filmstars eine Bühne. Kino mag vielleicht nicht das erste sein, an was man denkt, wenn es um Tiere geht. Will man Tiere sehen, geht man in den Zoo, in den Zirkus oder man radelt fix nach Galapagos, um Warane zu kucken. Doch viele Tierarten der mannigfaltigen Fauna unseres Planeten wie Kaiserschnurrbarttamarin, Wandelnde Geige, Blattschwanzgekko, Elefantenspitzmaus oder Rosa Löffler haben neben Milchtreten, Nesthocken oder Wiederkäuen auch einen Nebenjob beim Film angenommen.

Die kleine Genrefibel Teil 90: Religious

Im Anfang schuf Gott Himmel und Erde, schön mit Kartoffelbrei und Röstzwiebeln, legte eine Schallplatte auf (Invisible Touch von Genesis) und sprach: „Es werde Licht.“ Und es ward Licht. Dann dividede er the light from the darkness, denn Gott war Amerikaner aus dem noch zukünftigen Milwaukee. Er formte Landmassen und Täler, füllte sie mit Wasser und nannte es Meer, schnell noch die anderen Gestirne ans Himmelszelt gepappt mit Doppelklebeband, fertig. Aus einer überdimensionalen Playmobilkiste griff er sich Pflanzen und Getier und verstreute sie über das Erdenrund, Seegurken, Schleierkraut, Fichtenmarder, das ganze Geschnetz, dass es nur so fleuchte und zu guter Letzt schuf er den Mensch nach seinem Bilde als Mann und Frau, segnete sie und schickte sie am Ende des Schachtelsatzes in den Garten Eden spielen. Das Werk ward vollbracht. Nun wollte er ruhen, aber es gab noch kein Netflix, Gott sagte „Scheiße!“, trat die Playmobilkiste um, setzte sich auf sein rotes Moped und fuhr nach Südtirol Marillen pflücken.

Die kleine Genrefibel Teil 89: Thriller

Der Mensch ist Zeit seines Lebens auf der Suche, nach dem Sinn, der Erfüllung, dem Glück, aber manchmal auch nach zwiespältigen Gefühlslagen zwischen Lust und Angst. Nur allzu gerne treibt er sich auf diversen Rummelplätzen herum und fordert ihn in Geister- oder Achterbahnen heraus – den Nervenkitzel. Im Extremsport, in gefährlichen Expeditionen oder beim Magnetangelspiel, wieder und wieder setzt er sich auf der Suche nach dem Kick einer Hochspannung aus. Nervenkitzel nennen es die einen, Angstlust die anderen, wir Filmliebhaber wiederum bedienen uns einem eigenen Begriff – Thrill. To Thrill – anglizistisch für durchbohren oder durchdringen, Erregung, Anspannung, Schnappatmung, Unrast, Kick & Tension – für das Medium Film scheinen diese Begriffe unverzichtbar, insbesondere dann, wenn sich ein Genre gänzlich den Gefühlslagen der Angstlust verschreibt wie der Thriller.

Die kleine Genrefibel Teil 88: Ghosts’n Demons

Manche Leute sagen, es gibt Gespenster. Manche Leute sagen, es gibt keine Gespenster. Ich aber sage, da gibt es noch ganz anders Gefleuch zwischen den Sphären, welches einem Angst einjagen kann. Vom lakierten Schlossgespenst bis zum Poltergeist Santana, welcher rasselt mit sein’ Ketten, dass das Gebälk erzittere, von ruhelosen Geistern in verfluchten Häusern bis zu Dämonen, die sich in deinem Leib einnisten und deine Seele umklammern. Schaurig, schaurig, aber so steht es geschrieben. Und so wurden sie auch auf Zelluloid gebannt, Geister, Dämonen und Spukgestalten in ihrer schrecklichen Durchsichtigkeit wie Undurchsichtigkeit. Doch gleichsam auch Wesen mit überaus tragischer Vergangenheit im Diesseits und voller Sehnsucht nach Erlösung im Jenseits.

Die kleine Genrefibel Teil 13: Der Slasher

Horrorfilme? Das sind doch diese billigen Machwerke, in denen maskierte Serienmörder promiskuitive Teenager aufschlitzen, am Ende aber nie totzukriegen sind und jedes Jahr an Halloween im Ferienlager auftauchen, um noch mehr kreischende Blondinen zu schnetzeln? Kann das sein? Wir hier wissen natürlich, das ist nicht die ganze Wahrheit, aber diese Klischeevorstellungen über den Horrorfilm sind nicht so unüblich. Woran liegt das? Der Horrorfilm ist so alt wie das Kino selbst und hat sich über Jahrzehnte hinweg in unterschiedlichste Subgenre aufgedröselt. Doch erst in den 70er Jahren entstand eine Untersparte des Horrorfilms, welche eine Vielzahl jener genannten Genremerkmalen vereinte, die von da ab die Sicht auf das Genre bestimmten – der Slasherfilm.

Die kleine Genrefibel Teil 87: Black Cinema

Der Film generiert sich oft als moralisches Korrektiv, vor allem in der Verarbeitung gesellschaftspolitischer Themen. Diese Prozesse sind ständig im Wandel, verändern sich durch Zeitgeist, Annäherung oder wütenden Protest. Nicht immer müssen gesellschaftliche Reizthemen abgeschlossen und aufgearbeitet sein, filmische Selbstreflektion menschlichen Denkens und Handelns wird vielmehr ständig neu justiert. Auf Kriegspropaganda folgte der Antikriegsfilm, filmische Projektionen von Feindbilder erfolgten analog zu historischen Ereignissen, Gewalt und Sexualität im Film begleiteten Debatten unterschiedlicher Dekaden. Doch es gibt ein Thema, welches sich seit Erfindung des Mediums bis heute nur zögerlich verändert hat, trotz mehrerer Wellen filmischen Protests. Jenes traurigsten Kapitel ist das Thema Rassismus, in der Realität wie im Film, der zu oft rassistischer Mittäter war und es immer noch ist.

Die kleine Genrefibel Teil 86: Cool Kids!

Heute, Kinder, wird´s was geben, und zwar ein richtiges Reizthema im Kinematographenzoo, im Flimmergewimmel unseres kleinen Nickelodeons hier, heut gibt´s voll auf die VierbisZwölf, ob ihr wollt oder nicht. Erst kürzlich hab ich es wieder erlebt, hier in meiner schnuckeligen Filmhöhle. Ich sitze mit einem guten Freund bei einem Quarkhörnchen und einem Kasten SchwipSchwap vor dem Fünfundfünfzigzoller und wir wollen einen Film schauen, mein Vorschlag SON OF RAMBOW klingt dem Titel nach verheißungsvoll, doch dann erwähne ich spitzwegerich beiläufig, dass es sich dabei um einen der besten Kinderfilme handle, den ich kenne und der Kasten SchwipSchwap gehört mir plötzlich ganz alleine. Was ist denn da los? Beim heiligen Perforationsloch, warum sollte man an einem Samstagabend einen Kinderfilm kucken, als „Erwachsener“? Also „nur“ einen Kinderfilm? Warum keinen „richtigen“ Film?

Die kleine Genrefibel Teil 85: (Anti)Kriegsfilm

Der Krieg, er ist nicht tot, der Krieg. Der Krieg, er ist nicht tot, er schläft nur. Manchmal liegt er im Blu-ray Player und wartet, auf dich, auf mich, auf jedwede Cineasten, die Geschichtsinteressierten, die pazifistischen Moralisten wie auf die bellizistischen Kriegstrommelschlägel. Er ist nicht tot, der Krieg. Erzählungen über den Krieg haben die menschliche Kultur immens beeinflusst, in Literatur, Musik, der Malerei, natürlich im Film bis hin zur neusten Generation an Videospielen. Krieg. Ein so kleines Wort und ein so großer Nachhall. Im Film gilt der Begriff Krieg manchmal als verheißungsvolles Synonym für einen Konflikt, sei es der Krieg der Sterne, der Knöpfe oder der Eispiraten, die englische Bezeichnung war betitelt unzählige Filme wie WARCRAFT, WAR OF THE WORLDS oder WORLD WAR Z. Doch nicht überall, wo das Wort Krieg im Titel auftaucht, handelt es sich auch um einen Kriegsfilm.

Die kleine Genrefibel Teil 83: Survival

Die kleine Genrefibel ist zurück und begibt sich erneut in die schaurig-schröcklichen Gefilde des Horrorfilms. In Sachen Horror, da sind sich Genrekundler einig, geht es um die Urängste des Menschen und nach 17 Horrorgenrefibeln stellt sich die Frage, welche Urängste noch bleiben, haben wir uns doch bereits mit allerlei grässlichen Grausamkeiten beschäftigt. Doch es gibt so etwas wie eine Ur-Urangst, welche allen Bedrohlichkeiten des Horrorfilmes zugrunde liegt, egal ob Schlitzstrolche, Werwölfe oder japanische Geisterwesen – es ist die Angst vor dem Tod. Nicht selten ist man im Horrorgenre einer todbringenden Gefahr ausgeliefert, doch es gibt einen Schutzmechanismus, mit dem es Figuren in Horrorfilmen schaffen können, den rettenden Abspann zu erreichen.

Die kleine Genrefibel Teil 82: Drama um Drama

Die Beschäftigung mit Filmgenres führt immer mal wieder zu Streitigkeiten, zu Abgrenzungen oder in Polarisierung. Die Liebe zum Film wird dann zum Kampf um Gegensätzlichkeiten. Jungs lieben Actionfilme, Mädchen romantische Komödien. Der eine kann sich nur in filmischem Realismus wiederfinden, ein anderer entflieht dieser Welt und sucht Antworten in der Fiktion. Das Festival für den Deutschen Genrefilm, die GENRENALE, formulierte den Wunsch nach mehr Genrevielfalt einst ebenfalls mit einer Abgrenzung – No More Drama lautete das Motto im Jahr 2014. Ist das immer noch so, bilden Dramen und der Genrefilm Gegenpole? Und sind diese gleichbedeutend mit der ältesten Auslegung aller Antipoden, der Unterscheidung zwischen Kunst und Unterhaltung? Ist das Drama ein Gegenentwurf zum Genrefilm oder andersherum? Was soll das ganze Drama um das Drama?

Christian Hempel | Autor, Dramaturg und Stoffentwickler | Gesslerstraße 4 | 10829 Berlin | +49 172 357 69 25 | info@traumfalter-filmwerkstatt.de