Es ist nun kurz vor Silvester und trotzdem arbeiten wir weiter und weiter. „Wir“, das sind bzw. ist in diesem Fall nur ich. Das königliche Wir. Aber so ein „wir“ im Text ist ein klasse Schutzschild und man kann hinterher immer alles abstreiten und sagen, der „andere“ hätte das geschrieben. Aber wenn ich schreibe „wir“ arbeiten weiter und weiter, dann könnte das auch heißen, das Jahr und ich. Beide sind wir wahre Arbeitstierchen. Das Jahr ist sogar noch produktiver, es rackert sich ab bis zum 31.12. und anstatt dann mal ein Jahr Urlaub zu machen, fängt es am 01.01. gleich wieder an mit malochen. Ich mag das Jahr, seiner Produktivität und auch seiner Ignoranz wegen, es macht einfach immer weiter. So wie ich auch. Auch wenn´s stinkt. Weil ich das Jahr so mag, widme ich ihm am Ende seiner selbst einen Rückblick und rekapituliere die vergangenen zwölf Monate. Natürlich alles aus filmischer Sicht, aber nicht ausschließlich, denn Film, Gesellschaft und Politik, manchmal ist das alles nah beieinander.
Is it future or is it past? Am 01. Dezember 2010 kehrte TWIN PEAKS endlich wieder zurück auf den Fernsehbildschirm, fast 20 Jahre nach Erstausstrahlung. Es sollte ein lang erwartetes Wiedersehen mit den geliebten Figuren jener idyllischen Kleinstadt im Nordosten Washingtons werden: Bobby Briggs hat bereits ein paar graue Haare, die Log Lady trägt weiterhin ihren prophetischen Holzscheit, Audrey Horne ist inzwischen Bibliothekarin und die tote Laura Palmer ist mit dem ebenfalls verstorbenen Orchideenzüchter Harold Smith verheiratet. Auch Leland Palmer ist zurück und trägt wieder eine schneeweiße Haarpracht. Und erneut gibt es einen Mordfall, das Opfer heißt Paula Merral, auch sie wurde eingewickelt in Plastikfolie gefunden. Nur ist sie nun die Tochter von Bobby Briggs, der vor Trauer am Seeufer zusammenbricht, als er von ihrem Tod erfährt: „Paula, oh Paula!“
„Kino – dafür werden Filme gemacht.“ Mit diesem Slogan warb einst die deutsche Filmwirtschaft und auch von Konsumentenseite vernimmt man immer mal wieder die Parole, Filme gehören ins Kino, bevor sie auf Wühl- und Grabbeltischen in Kaufhäusern verramscht werden. Doch Filmliebhaber sind selten Puristen und Filme werden eben nicht ausschließlich für das Kino gemacht. Im Gegenteil, der Verkauf von physischen Medienträgern überflügelt seit einigen Jahren die Kinoticketverkäufe und viele Produktionen erreichen die Gewinnzone erst im Verkauf für den Heimkinomarkt. Abgesehen davon spiegeln die wöchentlichen Neustarts von Kinofilmen auch nur einen Bruchteil des gesamten Filmangebots. Das Portfolio des internationalen Films seit Anbeginn des Mediums will schließlich nicht nur innerhalb des kleinen Kinostartzeitfensters existieren. Filme werden für die Ewigkeit gemacht.
Sehr geehrte hohe Vertreter des Rates der europäischen Union für Genrefilmpolitik, liebe Mitglieder des europäischen Parlaments, sehr geehrter Ausschussvorsitzender für ominöse Körperkultur und Bildung (OCCULT) Herr Martin Sonneborn. Hiermit lege ich, der EU-Sonderbeauftragte für Genrefilmangelegenheiten, meinen Quartalsbericht zur wirtschaftlichen und kulturellen Lage der europäischen Genrefilmkultur vor, dieser Bericht ist ein Folgebericht des Berichtes über die wirtschaftliche und kulturelle Lage der europäischen Genrefilmkultur vom Dezember 2016 basierend auf dem Änderungsantrag 3 (Vorschlag für einen Beschluss Erwägung 1b (neu)) für die Förderung der Genrekultur in der Europäischen Union zur Stärkung innereuropäischer Integration und Wachstum der gesamtwirtschaftlichen Genrebelange gemäß Artikel 4 des Beschlusses Nr. 418/2016/EU.
Guten Morgen im Neuen Jahr, liebe Leser, ich habe ein wenig verschlafen, aber draußen liegt Schnee und damit ist Gleitzeit, also alles schick. Moment, ich trink mal eben noch einen Schluck. So. Wo waren wir? Ach ja, neues Jahr, neues Glück. Willkommen zum großen Jahresrückblick 2017. Im Kino lief bislang PASSENGERS mit Chris Pratt und Jennifer Lawrence, eine Science-Fiction Schmonzette mit dem Klebrigkeitsgehalt von Nuspli, dass einem bisschen übel wird, aber multiples Kreischen einer einzelnen Frau hat mich überzeugt, das wird wohl doch ein Hit. Dann gab’s nach drei Jahren endlich mal wieder eine neue Folge SHERLOCK, einen Golden Globe Rekord für das Musical LA LA LAND und Nastassja Kinski hat ihre Teilnahme am Dschungelcamp abgesagt.
Nach meiner erfolgreichen Doktorarbeit über den binomialen Einfluss chaotischer Axiomensysteme am Beispiel STAR TREK, also warum nur die geraden Teile gut sind wie DER ZORN DES KHAN, ZURÜCK IN DIE GEGENWART oder DAS UNENTDECKTE LAND, also gleich als ich mit diesen Berechnungen fertig war (die Lösung war übrigens 1 1/2), blätterte ich in meinem Karteikartenschrank und wollte meine Theorie auf Filmjahrgänge ausweiten. Denn 2015 war ein fantastischer Jahrgang. STAR WARS kam zurück, MAD MAX FURY ROAD ließ die gesamte Actionkonkurrenz Staub fressen, EX-MACHINA, INSIDE OUT, BIRDMAN, SICARIO, das Filmjahr 2015 war das beste Filmjahr 2015 seit Langem. Sind ungerade Filmjahrgänge denn nun besser als gerade? Blicke ich jetzt zurück auf das Filmjahr 2016, welches genau in diesem Moment die Segel streicht, und zwar in der Farbe Möhrengelb, dann scheint sich diese Theorie zu bewahrheiten. Aber in Wirklichkeit ist alles noch viel, viel schlümmer.
Jetzt, da die Welt den Bach herunter geht und alle Idole so langsam wegsterben, was kann man da machen? Richtig, über Filme dampfplaudern. Es gibt ja so viel, was es noch zu sagen gäbe über dieses wunderbare Ding namens Film. Nicht alles passt immer in eine Genrefibel, Debütfilme zum Beispiel. Lasst uns über Debütfilme reden, genauer gesagt über Regiedebüts. Jeder Regisseur muss vor seinem zweiten Werk einmal ein Spielfilmdebüt inszeniert haben, so will es das Gesetz. Warum sind Regiedebüts wichtig? Weil sie die gramgebeutelte Künstlerseele beruhigen. Also nicht meine, die Zeiten sind vorbei. Aber junge Filmemacher können Hoffnung schöpfen, alle haben mal klein angefangen, mit mickrigen Budgets, dafür mit umso mehr Pfründen Leidenschaft.
Licht. Du rätselhaftes Wesen. Wo kommst du her, du sichtbarer Teil des elektromagnetischen Spektrums? War früher wirklich alles dunkel, bis Gott sprach, es werde Licht? Man hat versucht, dich zu vermessen, man trug dich säckeweise in dunkle Rathäuser, aber du warst einfach nicht zu fassen. Bis dich Thomas Edison mit Hilfe von Elektrizität unterwarf und dich in Glühbirnen stopfte. Für teuer Geld, wohlgemerkt! In muffigen Großraumbüros aber war´s dir irgendwann zu langweilig, du wolltest berühmt sein, ein heller Stern am Broadway. So gingst du zum Film. Schwere Buben trugen dich von Set zu Set, du wurdest kilowattweise im Studio verstreut, auf geschminkte Gesichter geworfen und wieder eingefangen durch die Camera Obscura.
So Leute, die Fastenzeit is nun schon eine ganze Weile vorbei und wir wollen es im April mal wieder etwas ruhiger angehen lassen. Ihr könnt also eure Notizblöcke weglegen, wir reden heute mal frei. So wie damals, als der Lehrer in die Klasse kam, keinen Bock auf Unterricht hatte, sich stattdessen an den Lehrertisch flätzte und seine Schüler über das TV-Programm vom Wochenende diskutieren ließ, weil er selber am Vortag zu lange in Eierlikör gesessen hatte. Oder so ähnlich. Das heißt nicht, dass ich keinen Bock habe, ich gehe derzeit Lohn- und Brotarbeit nach, harre auf das Filmfest Dresden und schneide Live-Videos der famosen Punkrockband Pub´n´Steel. Und während ich da so vor mich hinschnott, schielte ich immer auf eine neue Electro/Industrial-CD da auf meinem Schreibtisch, die ich gern wieder und wieder hören hätte wollen. Ging aber nicht. Wenn man Punkrock-Live-Videos schneidet, kann man nicht gleichzeitig Electro-Mukke hören. Das überschneidet sich, im wahrsten Sinne des Wortes.
So, ihr Früchtchen! Nachdem sich vor ein paar Tagen einer meiner Texte selbstständig gemacht hat und nun auf seine Steuernummer wartet, machen wir einfach weiter, als sei nix passiert. 2015 liegt hinter uns, ich spare mir mal gesellschaftliche Häme und mahnende Zeigefinger, ihr seid alt genug. Wir wollen wieder einen Blick in die Zukunft werfen, auf Filme und Serien 2016, wollen der Leidenschaft frönen, dass es nur so splattatert. Jahresrückblicke sind ja so eine Sache, sie sind bauernschlau, rechthaberisch und sentimental. Bei einer Vorschau ist das anders, man bemüht das Konjunktiv und streitet Verantwortungen ab. Für mich ist es zudem interessant, Vorschau und Rückblick nebeneinanderzulegen und Diskrepanzen zu analysieren.
Christian Hempel | Autor, Dramaturg und Stoffentwickler | Gesslerstraße 4 | 10829 Berlin | +49 172 357 69 25 | info@traumfalter-filmwerkstatt.de