Die Beschäftigung mit Filmgenres führt immer mal wieder zu Streitigkeiten, zu Abgrenzungen oder in Polarisierung. Die Liebe zum Film wird dann zum Kampf um Gegensätzlichkeiten. Jungs lieben Actionfilme, Mädchen romantische Komödien. Der eine kann sich nur in filmischem Realismus wiederfinden, ein anderer entflieht dieser Welt und sucht Antworten in der Fiktion. Das Festival für den Deutschen Genrefilm, die GENRENALE, formulierte den Wunsch nach mehr Genrevielfalt einst ebenfalls mit einer Abgrenzung – No More Drama lautete das Motto im Jahr 2014. Ist das immer noch so, bilden Dramen und der Genrefilm Gegenpole? Und sind diese gleichbedeutend mit der ältesten Auslegung aller Antipoden, der Unterscheidung zwischen Kunst und Unterhaltung? Ist das Drama ein Gegenentwurf zum Genrefilm oder andersherum? Was soll das ganze Drama um das Drama?
Der Kühlschrank ist leer, das Sparschwein auch, ich habe seit Wochen kein Schnitzel mehr im Bauch. Der letzte Scheck ist weg, ich bin nicht liquid, auf der Bank krieg ich sowieso keinen Kredit. Gestern enterbt mich auch noch meine Mutter und vor der Tür steht der Exekutor, mit einem Wort, die Lage ist übel, da hilft nur eins: die kleine Genrefibel. So. Nach so einem Zeiler muss man erstmal wieder runterkommen. Worum geht’s heute, um Kühlschränke? Nääh! Sprechen wir über Filme, hat das meist mit Geld zu tun. Filme kosten Millionen und können Milliarden Gelder einspielen, klar. Stars und Sternchen verdienen recht ordentlich am Medium, mit Merchandising wird ein Riesenreibach gemacht, aber es gibt auch heftige Gewinneinbußen, veritable Flops an der Kinokasse, am Ende ist die Mark nur noch fünf Pfennig wert. Kino ist ein Geschäft wie jedes andere, bei dem es natürlich um Geld geht.
“Ash nazg durbatulûk, ash nazg gimbatul, Ash nazg thrakatulûk agh burzum-ishi krimpatul.” Diese Zeilen in der Schwarzen Sprache Mordors künden vom Hass des dunklen Herrschers Sauron auf die freien Völker Mittelerdes, dass er ihre Laute pervertierte und mit jenen Worten den Verrat an ihrer Gemeinschaft offenlegte. Denn er betrog sie alle um die Verbindungen ihrer Macht, in dem er noch einen weiteren Ring schmieden ließ, welcher es ihm ermöglichte, die Gedanken und Geschicke der anderen Ringträger lesen und lenken zu können. “Drei Ringe den Elbenkönigen hoch im Licht, Sieben den Zwergenherrschern in ihren Hallen aus Stein. Den Sterblichen, ewig dem Tode verfallen, neun. Einer dem Dunklen Herrn auf dunklem Thron, im Lande Mordor, wo die Schatten drohn. Ein Ring, sie zu knechten, sie alle zu finden, ins Dunkel zu treiben und ewig zu binden. Im Lande Mordor, wo die Schatten drohn.”
Willkommen zurück zur Kleinen Genrefibel, liebe Filmfreunde und Filmfreundinnen. Was haben wir nicht schon alles beackert im Zuge unserer Feldforschung, von großen Themenkomplexen bis hin zu winzigsten Subgenres, in filmischem Realismus oder purer Fiktion? Nur eins blieb stets gleich, die Flucht, die Illusion, die das Medium eigentlich verbergen sollte. Ein Film ist immer dann am besten, wenn er nicht verrät, was er ist, wenn er die Illusion eines Blickes in Träume und Sehnsüchte bewahrt. Doch damit ist jetzt Schluss. Denn neben allen möglichen Motiven hat auch der Film selbst den Film geprägt. Unser Thema heute heißt Film im Film, doch dahinter verbirgt sich mehr als nur eine metaphysische Matrjoschka, die Fiktion in der Fiktion oder Selbstbeweihräucherung.
Anfang der 90er Jahre, als nach dem Ende des kalten Krieges die weltlichen Schranken West und Ost fielen und die Globalisierung ihren Lauf nahm, galt er noch als Geheimtipp für hauptsächlich durch US-amerikanische Filme geprägte Cineasten mittleren Baujahrs – dabei hatte der asiatische Film bereits eine ebenso bewegte Kulturgeschichte hinter sich und vor allem noch vor sich. Obwohl sich kein Filmmarkt weltweit so schnell und kreativ weiterentwickelt hat wie das ostasiatische Kino, für manche blieb es auf ewig ein Pergament mit sieben verschnörkelten Schriftzeichen. Krude japanische Animes, Martial Arts Action aus Hong Kong, Bollywood, die Ballerepen eines John Woo oder der gute alte Godzilla, der Diskurs über das asiatische Kino schien damals, abseits dieser Schlagworte, nur unter echten Filmfreaks und Nerds stattzufinden. Heute, knapp 30 Jahre später, ist die Sicht eine völlig andere, denn die internationale Filmlandschaft und neue kreative Impulse werden maßgeblich vom asiatischen Kino bestimmt.
Alles Marvel, oder was? Nach 23 Filmen des Marvel Cinematic Universe und dessen Höhepunkt mit AVENGERS: ENDGAME in diesem Jahr treten die Superhelden der Megafranchise in eine neue Phase ein. Götterdämmerung der Superheroes, doch trotz Milliarden Dollar Einspielergebnis und globaler Hysterie scheinen auch die Ultrafans allmählich gesättigt zu sein. Die können immerhin noch zwischen Marvel und DC Figuren unterscheiden, für den Ottotnormalkinozuschauer fällt das Urteil weniger differenziert aus: “Nicht noch eine Comicverfilmung!” Weil Superhelden in Comicverfilmungen omnipräsent sind, neigt man nicht selten dazu, diese beiden Begriffe synonym zu betrachten. Doch wie immer in der Kleinen Genrefibel ist das nicht die ganze Wahrheit.
Alle lieben sie, die heroischen Filmhelden und finsteren Filmschurken, welche unermüdlich kämpfen und querulieren, egal ob im süffigen Feinripphemd oder im Gummianzug, egal ob mit Augenklappe oder Eiserner Lunge. Helden und Bösewichter, die einsamen Wölfe der Pappmachéwelten, werden geliebt wegen ihrer Ikonographie. Aber wenn man mal genau nachdenkt, fällt einem auf, dass Einzelhelden und Autonomantagonisten gar nicht so mitreißend sind wie andere Figuren, beziehungsweise Figurenkonstellationen. Klar steht der Held und der Widersacher in einem Konflikt und beide in einer gewissen Abhängigkeit zueinander. Aber die Dramen mehren sich, wenn wir es mit zwei gut befreundeten Hauptfiguren zu tun haben, bestenfalls Männer, besterenfalls Antipoden. Beliebter als Einzelfiguren wie Superheld oder Schurkenschlingel, so behaupte ich jetzt mal nonchalant, sind nämlich Duos.
Die kleine Genrefibel feiert mit ihrer 75. Ausgabe ein besonderes Jubiläum. So wollte ich ihr und allen Genrefans da draußen auch ein ganz besonderes Jubiläumsgeschenk machen. Da das Thema für Folge 75 schon länger fest stand, erwirkte ich allein mit dem Amtsgericht Tiergarten in Berlin die Entschlagnahmung des seit 1983 indizierten und seit 1991 eingezogenen Klassikers DAWN OF THE DEAD von George A. Romero, auch bekannt als ZOMBIE. Die Zombies im Kaufhaus stehen also bald wieder im Kaufhaus. Und da sind wir auch schon mittendrin im Gedärmgewühl. Der Zombie, kaum eine andere Horrorgestalt erfreut sich nach Jahrzehnten solch großer Beliebtheit wie der schlurfende oder rennende Untotenmoderhaufen. Höchste Zeit also, ihn gehörig hochheben zu lassen.
Willkommen zurück an Bord der kleinen Genrefibel, werte Astrophysiker und Nanologen, und wieder befassen wir uns mit einer der großen Säulen der Phantastik, der Science-Fiction. Im Periodensystem der Genreelemente allerdings gibt sich die Science-Fiction weniger variabel als beispielsweise der Horrorfilm, der sich in dutzende Subgenres unterteilt. Science-Fiction und Fantasy im Film verästeln sich nicht so kapillarartig, ihre Prägungen erfuhren sie vielmehr aus der Literatur. Innerhalb des Science-Fiction Films gibt es vermehrt Fehldeutungen und irrige Annahmen. STAR WARS ist Fantasy, STAR TREK dagegen Science-Fiction? Keins von beiden ist faktisch richtig. Was also ist Science-Fiction und wie kann man diese Säule der Phantastik genauer unterteilen?
Es ist Film, Zeit, dass sich was dreht. Denn Film bedeutet Bewegung, Movie, das kommt von moving pictures, gemeint ist das bewegte Bild. Auch wenn wir in der Kleinen Genrefibel den Weg des Films durch die Jahrzehnte fast ausschließlich an Genres und Subgenres festmachen, bedeutet das nicht, dass es nicht auch andere Auslöser für diverse Richtungsänderungen innerhalb der Filmkunst gab. In der Kleinen Genrefibel Teil 54: Viva España haben wir bereits eine solche kennengelernt, die spanische Kulturrevolution “Movida Madrileña”, welche nach dem Ende der Franco-Diktatur auch dem spanischem Film eine solche neue Richtung gab. Nicht nur Genres haben das Gesicht des Films verändert, manchmal dachte man in größeren Dimensionen.
Christian Hempel | Autor, Dramaturg und Stoffentwickler | Gesslerstraße 4 | 10829 Berlin | +49 172 357 69 25 | info@traumfalter-filmwerkstatt.de