Willkommen zur Kleinen Genrefibel Teil 100. Wow! 100 Jahre Genrefibel, das muss gefeiert werden, am besten natürlich mit einem Höhepunkt des Genrefilms. Doch das heutige Thema lässt die Vermutung keimen, hier ist eventuell Ironie im Spiel – german genre oder der Deutsche Genrefilm, für viele immer noch ein Oxymoron. Wir wollen aber hier trotz aller Realitäten nicht miesepetern oder trauerbegleiten, sondern unsere Reise mit genau derselben Leidenschaft bestreiten wie in den 99 Genrefibeln zuvor. So gänzlich unvertraut ist er uns ja nicht, dieser Deutsche Genrefilm, in den Fibeln oft beispielhaft präsent, doch immer überschattet von den Werken anderer Filmnationen und dieser einen scheinbar übermächtigen Filmindustrie aus Fernwest, die mit dem goldenen H.
Kino und Krise, seit knapp zwei Jahren das Thema Nr. 17 innerhalb der Corona Pandemie. Für das internationale Kinogeschäft eine Verkettung von Desastern, erst Konkurrenz durch die Streaminganbieter, dann die Schließung der Lichtspielhäuser, am Ende fallen dem Kino sogar die Studios selbst in den Rücken, die ihre Filme auf Halde zeitgleich oder gar exklusiv ins Heimkino bringen. Was nicht heißt, dass vor der Pandemie alles in bester Ordnung war. Kino und Krise, jener Exodus begann bereits vor 75 Jahren mit dem Urvater aller Medienproblematiken – die große Konkurrenz zwischen Kino und Fernsehen. Aber wer oder was konkurrierte da eigentlich miteinander? Das Kino als Ort für Lichtspielfilme gegen den Fernseher als Gerätschaft für den Heimgebrauch? Oder war es ein Krieg der Programme, das Kino- gegen das Fernsehprogramm, was die Gemüter erhitzte wie eine 35mm Vorführkabine?
Die Putzfrau kehrt nie wieder, der Spachtelfabrikant kratzt ab, der Zahnarzt hinterlässt eine schmerzliche Lücke, der Kellner gibt den Löffel ab. Der Turner wiederum verreckt. Welch schwarzhumorig Narretei. Wie, nicht witzig? Ja sicherlich. Zu harmlos! Wie wäre es damit? Was braucht man für die Reunion der Beatles? Eine Pistole und zwei Kugeln. Was ist besser als eine Goldmedaille bei den Paralympics? Zwei Beine. Was ist schlimmer als zehn tote Kinder in einer Mülltonne? Ein totes Kind in zehn Müllt…also jetzt reichts! Wo sind wir denn hier gelandet? Das kann ich Euch sagen, Freunde der makabren Unterhaltung, in der neuen Kleinen Genrefibel über schwarzen Humor im Film, schwärzer als der Allerwerteste eines schwarzen Stieres in einer mondlosen Prärienacht.
Zeichnen ist ein künstlerisches Ausdrucksmittel, so ist Zeichnen allein bereits Kunst und jedes gezeichnete Motiv ein Kunstwerk, denn Kunst ist Prozess und Kunstwerk Ergebnis. Das hat man irgendwann vergessen, als man an die Begriffe Kunst und Kunstwerk qualitative Maßstäbe angesetzt und mit Kunst nur die schönen Künste bezeichnet hat. Auch der Begriff Filmkunst hat sich im Laufe der Jahrzehnte in dieser Betrachtung gewandelt, verständlicherweise, allein Bilder zum Laufen zu bringen, verlor irgendwann die anfängliche Magie. Für Kinder sind Filme mit gezeichneten Figuren immer noch magisch. Nur heißen sie nicht Zeichenkunstfilme, denn ihren wahren Zauber entfalten sie durch das Austricksen des menschlichen Auges, das ab einer bestimmten Bildfrequenz Einzelbilder nicht mehr trennen kann. Doof fürs Auge, gut für die Filmkunst, denn nur so sind Zeichentrickfilme erst möglich.
Es bolzt, rodelt, hüpft, sprintet, ficht, kurzhantelt, marathoniert, longiert, lupft, puttet, netzt, cross-checkt, slamdunkt, takled und luckypuncht allerorten around the globe – disportare nannten es die alten Römer, eine Form der Zerstreuung und bis heute ist es die Freizeitbeschäftigung Nr. 1 noch vor Obstfliegenzucht – Sport. Natürlich ist Sport nicht nur Hobby, sondern auch Business. Trotz Panini Sticker Pandemie befinden wir uns gerade mitten im internationalen Sportwuselgeschäft, die paneuropäische Fußball-EM ist vorbei, bei der Tour de France wird final etappiert und die Olympischen Sommerspiele in Tokyo stehen bereits in den Startlöchern. Einfach brutal. Die Frage ist jetzt, was hat das mit uns hier zu tun, für die Fernbedienung drücken schon Hochleistungssport darstellt? Ich kann es Euch sagen, Sport gibt es auch im Film, also kein Grund zur Beunruhigung, wir können ruhig sitzen bleiben.
Um gleich zu Beginn der Kleinen Genrefibel etwas apokalyptische Stimmung zu verbreiten, alles neigt sich mal dem Ende, auch das Genrefilmkompendium wird mit Teil 101 ein ebensolches finden. Was dann passiert, wissen wir alle. Der Himmel wird sich blutrot färben, Felder verdorren, die Flüsse trocknen aus, Katzen und Hunde beenden ihre Feindschaft und wenden sich gegen ihre Halter. Panik in den Straßen, es kommt zu Hamster- und Meerschweinchenkäufen, das Virus mutiert munter weiter und bekommt ein ganz böses Gesicht, die zivile Ordnung bricht zusammen. Während die Menschheit noch versucht, den Weltuntergang mittels nuklearen Massenvernichtungswaffeln aufzuhalten, kommt el final der Komet und macht klare Sache. So schön die Vorstellung der Apokalypse auch ist, sie verheißt vielmehr den Übergang in ein anderes Zeitalter, denn das Ende der Welt ist nur der Anfang der Endzeit.
In manchen Subgenres ist Storytelling endlich. Zu 96% finden sich am Ende von Liebesschnulzen diverse Pärchen und alles ist gut. Wer will schon wissen wie’s weitergeht? Auch wenn in Horrorfilmen schlussendlich allerlei Monstrositäten darnieder gemetzelt sind, in der Fortsetzung kommen sie wieder und das blutige Treiben beginnt von vorn. Manche Geschichten, so scheint es, wollen einfach nicht weitergehn. Nicht so beim Komplex Crime. Wenn Mörder, Diebe, Finanzbetrüger oder andere Schmierlappen am Ende von Kriminalfilmstoffen geschnappt werden, öffnet das meist eine neue Storypforte, zuerst im eigenen Subgenre des Justizdramas oder Justizthrillers, doch noch interessanter wird es am Ende dieser Geschichten, wenn Übeltäter verurteilt werden und ihre Strafe in einem Gefängnis absitzen müssen. Dann nämlich beginnt das beliebte Subgenre des Gefängnis- oder Knastfilms.
Zu Beginn dieser Kleinen Genrefibel beantworte ich erstmal ein paar Leserbriefe. Feigwart Felb aus Fresenhagen schreibt: „Hallo. Die letzten beiden Genrefibeln haben mir nicht so gut gefallen. Tiere und experimentelle Filme, das ist nicht das, wovon die Kinder kommen. Wann gibt es endlich mal wieder was mit Blut und Splatter und so?“ Nun, lieber Feigwart Felb aus Fresenhagen, wir sind inzwischen bei Teil 93 der Kleinen Genrefibel angekommen und so manch Subgenre macht sich nun natürlich rar, denn derer Zahl ist begrenzt, vor allem im Bereich Horror, in dem ihr Wunsch nach Blut und Splatter und so ja inkludiert ist. Doch nicht verzagen, denn ein Subkomplex der Horrorfilmkunst ist noch übrig und wie es der Zufall so will, beschäftigen wir uns genau heute damit. Doch freuen Sie sich nicht zu früh, denn trotz teilweise heftig-deftiger Splattereinlagen gibt es auch in diesem Subgenre diverse Überschneidungen mit Tieren und dem Experimentalfilm. Das heutige Thema heißt Body Horror, aber der Begriff wirft Fragen auf.
Christian Hempel | Autor, Dramaturg und Stoffentwickler | Gesslerstraße 4 | 10829 Berlin | +49 172 357 69 25 | info@traumfalter-filmwerkstatt.de