I’m adaptable
In den frühen Neunzigern flimmerte ständig ein Videoclip der Band The B-52’s durch die Musiksender und zwar “Meet the Flintstones” zum dazugehörigen Kinofilm. Ich war entzückt, eine meiner liebsten Fernsehserien meiner Kindheit kommt ins Kino, Yabba, Dabba Do! THE FLINTSTONES, THE ADDAMS FAMILY, DIE NACKTE KANONE, Kinoableger bekannter TV-Serien gab es zwar schon länger, doch nie waren sie so zahlreich wie ab 1990. Damals waren die Hierarchien ganz klar abgesteckt, wenn eine Fernsehserie für einen Kinofilm adaptiert wurde, war das ein fulminanter Aufstieg von der winzigen Mattscheibe zur großen, ehrfürchtigen Leinwand. Denn Fernsehen war Fernsehen und Kino der Olymp der Unterhaltungsbranche.
Die späte Rache der Flimmerkiste
Eine erfolgreiche Fernsehserie zu einem Kinofilm zu verdichten, eine treffende Besetzung zu finden, ein Konzentrat anzurühren mit allen Zutaten, die jene Serie so beliebt gemacht hat, das schien schwierig, aber auch ein teuflisch guter Erfolgsgarant zu sein. Doch das Fernsehen blieb nicht in seiner Rolle als Stofflagerstätte, die man plündern konnte, wann immer einem beliebt.
Wider Erwarten entwickelten sich gerade Serien im Fernsehen, welches immer schneller, kompakter und leichtverdaulicher wurde, zum Hort komplexen Storytelling – der US-Serien-Boom begann mit AKTE X, EMERGENCY ROOM, CSI, 24 und DESPERATE HOUSEWIFES, was nur den Anfang der neuen TV-Revolution darstellte. Denn diese Revolution war vorrangig eine dramaturgische, erzählerische, weg vom Prinzip “Monster-of-the-week”, in dem es von Folge zu Folge um einen anderen Fall, Mörder, Auftrag, etc. ging, hin zu komplexen Geschichten, Figuren, Handlungssträngen, Hintergründen und Erzählperspektiven. Nach LOST kam FRINGE, BREAKING BAD, GAME OF THRONES, HOUSE OF CARDS oder TRUE DETECTIVES. Mittlerweile scheint es so, als wäre die TV-Landschaft sowie der Zuschauer endlich bereit für komplexes Storytelling, sogar TWIN PEAKS kehrt auf die Mattscheibe zurück.
Nachdem sich das Fernsehen wieder vom Kino emanzipiert hatte, wurde es zum Raptor, rächte sich für sein jahreslanges Schattendasein als Stofflieferant für die große Leinwand und schlug zurück. Hatte zuvor das Kino Fernsehstoffe assimiliert, schnappte sich nun der TV-Markt Kinostoffe und wurstete sie zu Fernsehserien um. So kann es gehen!
Und wie eine Kinoadaption einen Fernsehstoff zu komprimieren versuchte, dröselte man nun ein erfolgreiches Filmkonzept zu einer komplexen Serie auf – GOTHAM, HANNIBAL, 12 MONKEYS oder FARGO, Stoffe, die man vorrangig aus Kinofilmen kennt, erleben nun im Fernsehen einen weiteren Frühling und lassen erzählerisch ihre Vorbilder meist weit hinter sich zurück. Was steckt hinter diesem Konzept von Kinoserien, wie funktionieren sie im Vergleich zu ihren Vorbildern und welche Stoffe scheinen noch prädestiniert für eine Serienverwurstung? Schauen wir uns ein paar Beispiele mal näher an.
Zuerst einmal muss man feststellen, so ganz neu sind Kinoserien-Konzepte nun nicht. M.A.S.H., oder PLANET DER AFFEN – Serien, die auf Kinofilmen basieren gab es schon immer, nur eben nicht in dieser Konzentration und Komplexität.
1992 erschien die Serie DIE ABENTEUER DES JUNGEN INDIANA JONES, eine Prequelserie zur Kinofilmreihe von George Lucas und Steven Spielberg. Die Serie war überaus ambitioniert, mehr Geschichtsunterricht als Popcornunterhaltung, sogar Harrison Ford hatte einen Gastauftritt, sein jüngeres Ich Sean Patrick Flannery machte seine Sache als junger Indiana Jones recht gut, trotzdem kam das Serienaus bereits 1993. Es folgten HIGHLANDER, STARGATE, BUFFY, dann THE CROW oder TERMINATOR.
Ein wichtiger Faktor für eine Kinoserie bzw. eine Serienverfilmung ist und bleibt der Bekanntheitsgrad der Vorlage – eine Geschichtsserie ohne Indiana Jones interessiert kaum jemand. So war die Suche nach einem erfolgsversprechenden Serienkonzept in erster Linie die Suche nach einer präsenten Figur, einem bekannten Plot oder einer verehrten Machart. Was zählte, war der Wiedererkennungseffekt. Darüber hinaus war es das dramaturgische Konzept, was man wie erzählen wollte. Eine Möglichkeit, einen Stoff für eine Serie zu verwursten, ist seine Vorgeschichte zu erzählen – ein Prequel. Man kennt die Figuren, weiß um markante Ereignisse des Originalstoffes und erlebt deren Ursprung. Dieses Prinzip wenden beispielsweise GOTHAM und HANNIBAL an.
Eine Welt ohne Batman
Nun sind Batman oder Hannibal Lecter Figuren, die man hauptsächlich aus dem Kino kennt, doch ihr Ursprung liegt in einer literarischen Vorlage, dem DC-Comic oder den Büchern von Thomas Harris. Während der Kern der Serien selbstverständlich die Millionen Kinozuschauer der Vorbilder ansprechen soll, die Komplexität und Neuausrichtung fußt in diesen Fällen vielmehr in der Buchvorlage und in der Neuinterpretation der Figuren, nicht selten erlebt man bekannte Versatzstücke der Geschichte auch aus einem ganz anderen Figurenblickwinkel.
GOTHAM erzählt beispielsweise die Geschichte des Polizisten Jim Gordon, der als Rookie im Gothamer Police Departement seinen Dienst aufnimmt und dessen erster Fall gleich die Ermordung zweier prominenter Bürger Gothams ist – Thomas und Marta Wayne. Die Ermordung der Eltern von Bruce Wayne, der später einmal ein maskierte Rächer Gothams namens Batman werden soll, fungiert hier als Initialzündung. Die Ermordung der Waynes wurde auch in den Kinofilmen visualisiert, doch springt der Storyfaden dort recht zügig zu Bruce Wayne, wie er diesen Schicksalsschlag als Mann verarbeitet. In der Serie GOTHAM geht es aber nicht um Batman, es geht um Gordon und seinen Aufstieg innerhalb des GCPD. Die Serie soll in dem Moment enden, in dem Bruce Wayne die Batman-Maske aufsetzt. Eine Batmanserie ohne Batman, kann das funktionieren?
Es funktioniert hervorragend, weil GOTHAM geschickt die bekannte Comic-Origin mit klassischer Crime-Serie und vor allem der Erwartungshaltung des Fanpublikums mischt. Im Kern unterscheidet sich GOTHAM nicht groß von CSI, strukturell gibt es Mordfälle, die es von Folge zu Folge zu lösen gilt, es gibt ein tolles Gespann an Hauptfiguren, Gordon und Bullock, die Chemie stimmt, und es gibt jede Menge Fanservice. Weil es so viel im Batmanuniversum gibt, was man den Fans kredenzen kann, können sich die Macher auch erlauben, das nach eigenem Gusto zu erzählen, wie ihnen beliebt. Es funktioniert auch deshalb, weil sich die Serie recht zügig genau da hin entwickelte.
Denn bei GOTHAM war zu Beginn Skepsis durchaus angebracht. Die ersten Folgen fühlten sich an wie ein Kipplaster, der den Fan mit all dem überhäufte, wonach er gierte, woraus aber nicht gleichbedeutend eine spannende Serienhandlung resultierte. In den ersten Folgen von GOTHAM geben sich der Pinguin, Catwoman, Poison Ivy, der Riddler und Bruce Wayne ein beinahe unkontrolliertes Stelldichein, nach dem Motto: “Drei Löffel Zucker, aber nicht umrühren!” Was sich am Anfang nach zu Viel des Gutem angefühlt hat, wich bald einer breiteren Erzählweise. Inzwischen ist der Pinguin Oswald Cobbelpott die faszinierendste Serienfigur, die völlig ohne den Bezug zu Batman funktioniert. Gordon und Bullock frotzeln sich an, im Hintergrund spinnen Mafiosi die Fäden, Klein Bruce Wayne greift in die Geschicke seiner Firma Wayne Enterprise ein und auch die Arkham Heilanstalt wird endlich Schauplatz einer Filmadaption. GOTHAM macht viel richtig, auch abseits von Fanservice und kultiger Verehrung.
Jede Woche Favabohnen
Mindestens so bekannt wie Batman ist Hannibal, der Kannibale, Lecter, bekannt aus den Büchern von Thomas Harris, berühmt durch die Kinoverfilmungen mit Anthony Hopkins. Während im Batmankostüm schon die unterschiedlichsten Schauspieler steckten, Hannibal wird man immer mit Hopkins gleichsetzen, umso schwerer, diesen Stoff noch einmal anders zu erzählen.
In der Serie HANNIBAL, die auf dem Buch “Roter Drache” basiert, geht es um den FBI-Agenten Will Graham, der durch seine konstruktive Denkweise der Behörde bei der Aufklärung von Gewaltverbrechen dient. An seiner Seite steht der frühere Chirurg, jetzige Psychiater, Dr. Hannibal Lecter.
Wie zu Beginn des Film ROTER DRACHE ist Lecter zwar bereits kannibalisch unterwegs, aber noch unentdeckt. Auch in HANNIBAL ist der Serienmotor das Prinzip “Monster-of-the-week”, es gilt, Kriminalfälle von Folge zu Folge zu lösen. Die Horizontale der Serie, der rote Faden durch die Figuren und deren Entwicklung, bestimmt die Wirkung wesentlich mehr als die bizarren Mordfälle. Funktioniert das?
Es funktioniert, nach ein paar Anlaufschwierigkeiten. Die erste Staffel von HANNIBAL war interessant, am Ende aber zu destruktiv. Die Figur Will Graham platzte am Ende der ersten Staffel beinahe aus allen Nähten, wirkte überzeichnet, während Lecter, zwar bitterböse gemimt von Mads Mikkelsen, zu sehr ins menschliche verdreht wurde. Die zweite Staffel allerdings fand neue Aspekte, mehr noch, manche Storystränge erfüllten endlich das, was selbst die Kinofilme nur andeuteten.
Als ich den Kinofilm HANNIBAL sah, war ich dezent geschockt, die erste halbe Stunde des Films ist für mich noch immer ein pechschwarzes Szenario, welches sogar bedrückender wirkte als DAS SCHWEIGEN DER LÄMMER. Dennoch, es war viel mehr das, was nicht erzählt oder ausgespart wurde, was faszinierte – nämlich die Figur Mason Verger, im Kinofilm gespielt von Gary Oldman, der Rache an Lecter geschworen hatte und ihn den Schweinen zum Fraß vorwerfen wollte. In einer kurzen Rückblende wurde erzählt, warum der entstellte Verger einen solchen Hass auf Lecter hatte. In der Serie HANNIBAL bekommt diese kurze Episode wesentlich mehr Platz, denn sie thematisiert genau das, was im Film nebulös, doch wirkungsvoll war. Das funktioniert nur deshalb so gut, bei mir zumindest, weil ich auf diese Figur Mason Verger durch den Kinofilm sensibilisiert wurde.
Zuerst war da nur der Name Verger, der mir bekannt vorkam, der aber einer anderen Figur, Masons Schwester, gehörte. Erst nach ein paar Folgen um den sadistischen Mason wurde mir klar, hier wird mir jetzt diese Geschichte erzählt, vor der ich mich bei Ridley Scotts HANNIBAL immer im Ansatz gefürchtet habe. Ein seltenes Beispiel, wie gut ein Prequel funktionieren kann.
Denn ein Prequel hat immer den Makel des Bekannten, man weiß, dass aus Anakin Skywalker Darth Vader wird, der Ausklang ist klar, nur der Weg ein anderer. HANNIBAL, die Serie, macht daraus ein Verwirrspiel. Im Gegensatz zu GOTHAM wirken die bekannten Figuren der Bücher wie der Verfilmungen vorsichtig eingeführt und arrangiert. Es ist nicht sofort klar, wie mit diesen Figuren verfahren wird. Erst als Bloggerin Freddie Lounds brennend im Rollstuhl endete, begriff ich, dass diese Figur die selbe war wie die von Philip Seymore Hoffman in ROTER DRACHE 2002. Mit diese Prägung dann ist es um so erstaunlicher, dass das Staffelfinale von Season 2 dann doch anders endet, als man es vom Kinovorbild erwartete.
Eine Runde Einläufe für alle!
Erwartungen und Prägung sind extrem wichtig für eine Serie nach einem Kinofilm, aber genauso wichtig ist es, diese Erwartungen zu brechen. Locken und in die Irre führen. Klar beziehen sich die Macher gern darauf, den Originalstoff anders zu interpretieren, wie im Fall HANNIBAL das Buch “Roter Drache”. Der Vergleich zum Kinovorbild aber lässt sich gar nicht zur Seite schieben. GOTHAM und HANNIBAL haben literarische Ursprünge, im Fall der Serie 12 MONKEYS bezieht sich der Stoff auf ein Original-Drehbuch zum Film TWELVE MONKEYS, geschrieben von David und Janet Webb Peoples, verfilmt von Terry Gilliam.
Während GOTHAM und HANNIBAL im Kern Crimeserien sind, versucht man bei der Serie 12 MONKEYS aus dem Plot um den Zeitreisenden Cole und einem Virus, der beinahe die gesamte Menschheit ausgelöscht hat, ein Serienkonzept zu machen – weniger “Monster-of-the-week” als eine verschachtelte Langfassung der Kinovorlage. Funktioniert das?
Ich bin der Meinung, es funktioniert nicht, beziehungsweise muss sich das erst noch zeigen. Die ersten beiden Folgen decken einen Großteil der Filmhandlung ab, was gleichermaßen positiv wie negativ ist. Einerseits entledigt sich die Serie handlungstechnisch sogleich dem Ballst der Filmstory, die es überhaupt zum Anlass der Serie gemacht hat, zu schnell und zu hektisch wird hier Story vom Film zur Serie übertragen. Was dem folgt, muss deswegen noch lange nicht unbestimmt oder langweilig sein.
Aber 12 MONKEYS verheddert sich, in dem es bereits in den ersten zwei Folgen soviele Haken schlägt, die es kaum wieder einholt. Im Grunde ist die Vorlage, der Kinofilm TWELVE MONKEYS, zu komprimiert, zu stark auf eine Zeitschleifendramaturgie und einen Twist hin konzipiert, angereichert mit der subversiven Phantasie eines Extremregisseurs Terry Giliam, von dem in der Serie nicht viel übrig blieb. Übrig blieb nur ein interessanter Ansatz, der erzählerisch wenig stimmig wirkt.
Auch 12 MONKEYS verändert wichtige Variablen wie das Geschlecht von Figuren, nur funktioniert es hier nicht so gut wie Freddie Lounds in HANNIBAL. Vom einstmals überkandidelten, schwer gestörten, aber faszinierenden Jeffrey Goines, gespielt von Brad Pitt, bleibt in der Serie nur eine mürrische, verzogene Göre namens Jennifer Goines übrig, die so wirkt, als hätte sie es ihrem Papa nicht verziehen, ihr an ihrem achten Geburtstag kein Pony geschenkt zu haben.
Auch die Besetzung von Hauptfigur Cole ist schnarchnasig, aber die Probleme bei 12 MONKEYS liegen im Konzept und Buch. Die Sprünge zwischen den verschiedenen Zeiten sind teilweise willkürlich, die Figuren zu überzeichnet, während sich HANNIBAL feinfühlig vortastet, regiert bei 12 MONKEYS der Erzählvorschlaghammer. Eins muss man 12 MONKEYS aber zugestehen, ich wollte ob dieser Zähigkeit bereits bei Folge 3 aufhören, bin aber immer noch dabei, warum weiß ich nicht genau. Irgendwie hoffe ich, dass 12 MONKEYS doch noch Schwung bekommt. Das Pulver der Vorlage hat die Serie bereits verschossen, aber wer weiß, welche Aspekte des Plots noch aufgegriffen werden, in denen durchaus Potential stecken kann.
Kultfilm in Scheiben
Während GOTHAM und HANNIBAL Prequels darstellen, 12 MONKEYS einer Neuerzählung der Vorlage entspricht, gibt es aber auch noch andere Herangehensweisen an eine Serie basierend auf einem Kinofilmstoff. Die Serie FARGO ist so ein Beispiel und man nennt das Spin-Off. FARGO als Serie ist in gewissem Sinne mutig, aber auch eine logische Konsequenz, denn dramatische Serien mit starker psychologischer Figurenführung, ein wenig Crime, lange Handlungsbögen, damit kommen Fernsehzuschauer wesentlich besser klar als noch in den Neunzigern. Dafür waren eben auch Serien prägend.
FARGO verfügt nicht über eine ikonische Hauptfigur, die die Popkultur beeinflusst, zumindest nicht in dem Maße wie Batman oder Lecter. FARGO von den Coen Brothers war ein kleiner, gemeiner Film für ein kleines, feingeistiges Publikum. Ob FARGO, die Serie, vor BREAKING BAD funktioniert hätte, mit einer leicht lakonischen, depressiven Grundstimmung, die auch die Erfolgsserie TREU DETECTIVES widerspiegelt? Fakt ist, FARGO lässt sich ganz gut in ein Serienkonzept adaptieren, zumindest in der Form, wie es Serienautor Noah Harley getan hat. Er entwirft einen Nebenschauplatz und arrangiert die Figuren innen wie außen in einem ähnlichen Stil wie die Figuren im Kinofilm. Was hier hauptsächlich adaptiert wurde, war der Tonfall des Filmvorbildes.
Und das funktioniert prächtig. Im Gegensatz zu GOTHAM, wo sich Ereignisse überschlagen, folgt FARGO, die Serie, der lakonisch-schwermütigen und langsamen Erzählweise des Coen Brother Films. Hier entwickelt sich alles dezent im Schneckentempo, die Konzentration liegt nicht im Plotfortschritt, sondern im genüsslichen Sezieren der Figuren und in der Ironie. Davon kann man staffelweise konsumieren, bis einem auffällt, dass da gar nicht so viel passiert.
Spin-Off-Serien wie FARGO oder auch Serienableger aus dem STAR WARS Universum können einen kleinen oder großen Mikrokosmos bereichern und der Fangruppe genau das geben, was sie will. Erschließt man damit auch neue Zielgruppen? Nein. Adaptierte Figuren, Schauplätze, Paralleluniversen, viel wichtiger für eine fesselnde Serie ist das dramaturgische Konzept jeder Folge und der Staffel im Ganzen, ein tragfähiges Gerüst. Man kann nicht jeden Stoff in eine Serie umtopfen, zumindest nicht ohne andere Prioritäten zu setzen, andere Blickwinkel.
Ob vom Originalstoff wie im Fall HANNIBAL am Ende viel übrig bleibt, ist eine andere Frage und nicht entscheidend für die Serie selbst. Natürlich gibt es immer wieder Unkenrufe, wenn eine Neuinterpretation das bisher Bekannte in Frage stellt oder verwirft. Denn einerseits ködert man mit bekannten Figuren, dann will es der Serienautor aber doch auch gerne ganz anders machen. Verständlich, aber eine Zwickmühle.
Nun gibt es neben den genannten Serien noch SLEEPY HOLLOW, die eine Figur und ihren bekannten Background des Tim Burton Films in die Jetztzeit transponiert, einen Serienableger von FROM DUSK TILL DAWN, der eher Remakecharakter hat oder BATES MOTEL, eine Serie, welche die Vorgeschichte von Norman Bates erzählt, der später beziehungsweise früher einmal durch PSYCHO bekannt werden wird. Kinostoffe als Fersehserien sind Interpretationen und Weiterentwicklungen jeweiliger filmischer Kosmata. Kann man daraus jetzt irgendwas lernen oder ableiten? Vielleicht eine deutsche Serie, basierend auf einem deutschen Kinofilmstoff? Schauen wir uns mal drei potentielle Kandidaten an!
Deutsche Kinoserienpotentiale
Anatomie 1 und 2 waren zwei außerordentliche Genrefilmerfolge in Deutschland, Teil 1 mit über 2 Millionen Besuchern. Doch die Zahlen sind nicht das interessante für eine Serienverwurstung, sondern das ganz brauchbar Gerüst, welches man adaptieren kann, in dem Fall der Schauplatz, eine Universität, das soziale Gefüge Medizinstudenten mit aller hierarchischen Rangelei mit Oberärzten, Professoren und Mitstudenten.
Das ist brauchbares Serienmaterial. Hinzu kommt die Tonalität, ANATOMIE war ganz kühl erzählt, ein wenig von oben herab, wie die überhebliche Ärzteschar. Es soll ja keine weitere Arztserie werden, ein zynischer Unterton passt hier ziemlich gut. Dann braucht’s noch einen roten Faden, eine Horizontale, um was geht es überhaupt? Um Morde, um anatomische Experimente, um Geheimlogen, um Schwüre und Geschwüre – fantastischer Serienstoff, warum nicht versuchen? Ach ja, Deutschland, TV, Genre, ich vergaß…
Hans-Christian Schmid verfilmte 1998 eine Geschichte über Hacker und Spione, die Anfänge des Internets, Verschwörungstheorien, der ganze Klimbim, der auch einer deutschen Thrillerserie gut stehen würde. Zwar ist das Thema des Kinofilms höchst interessanter geschichtlicher Stoff, für eine Serie würde ich in dem Fall aber die Handlungszeit modernisieren. Gut, da fällt viel weg, was 23 interessant gemacht hat, aber warum so streng sein.
Der NSA-Skandal, Snowden, das alles schreit förmlich nach gutem Serienstoff, natürlich auch ohne auf den Film 23 als Stofflieferant zurückgreifen zu müssen. Was hier ein wenig phantastischen Zunder mitbringen könnte, ist den Gedanken um die Illuminaten und ihre eventuelle Rolle heute weiterzuspinnen. Ihr wisst schon, goldenes Unterseeboot, Adam Weißhaupt.
HANNIBAL ist in erster Linie die Adaption des Buches “Roter Drache”‘ von Thomas Harris, aber natürlich bezieht sich die Serie irgendwie auch auf die Verfilmungen, die immerhin stilprägend waren. Über den Umweg Kino kommt man dann so vielleicht auch auf interessante Romane, denen man einen Serienstoff filtrieren kann.
Warum nicht Umberto Ecos “Der Name der Rose”, der 1986 verfilmt wurde, ein Kraftakt von Bernd Eichinger, der in seiner Rolle als Produzent wirklich mit allen Wassern gewaschen war. Es ist ein historischer Stoff, demzufolge vergleichsweise teuer, aber der Schauplatz ist super, eine benediktinische Abtei im Jahre 1327. Auch hier sind Mord, Intrigen und Vertuschung dramaturgische Storysäulen. Die heilige Inquisition ist zudem ein noch relativ unbeharktes Serienfeld. William von Baskerville ist natürlich ein frischer, junger Mönch mit humanem, fortschrittlichem Gedankengut, der nicht selten mit seinem Orden aneinander gerät. Ein bisschen morbide wirds auch, allerdings züchtiger als in GAME OF THRONES, immerhin sind wir im Kloster.
Serielle Entzugserscheinungen
ANATOMIE, 23, DER NAME DER ROSE – drei Stoffe für eine deutsche Serienproduktion? Wer weiß. Zumindest aus den Staaten reißt die Kinoserienwelle noch nicht ab, angekündigt sind MINORITY REPORT, SCREAM, vielleicht auch SIN CITY. Mal schauen, die Reise ging vom Kino ins Fernsehen zurück ins Kino und wieder ins Fernsehen, ich bin gespannt, wie das weitergeht. Ich bin auch gespannt, wie es in GOTHAM und der dritten Staffel HANNIBAL weitergeht. Ich bin durchaus ein großer Fan von Serien.
Nur, wenn dem so ist, warum schreibe ich so wenig über Serien, so viel über Filme? Die Frage ist ganz berechtigt, denn in Diskussionen mit anderen Autoren geht es in erster Linie um Serienstoffe. Eine Serie ist für einen Autor die Königsdisziplin, im Bereich Serie gilt der Autor überhaupt noch etwas, im Bereich Serie, zumindest in den USA, ist der Autor König. Beim Konzipieren von Serien geht es mir aber ähnlich wie beim Serienschauen. Ich kann mich in Filmen fallen lassen, in Serien dementsprechend noch mehr. Und das ist nicht immer gut für´s Gemüt.
TWIN PEAKS, DEAD LIKE ME, SERENTIY, jetzt GOTHAM, HANNIBAL, sich in einem Serienkosmos zu verlieren ist schön, aber auch anstrengend. Anstrengend, weil schön. Es klebt immer so lang an einem, weil ich Figuren liebe und es bei Serien Figurenentwicklung XXL gibt, lecker. Aber man muss auch mal loslassen können. Nach jeder Serie, die ich verschlinge, am besten am Stück und in einem Rutsch, falle ich in ein Serienloch und das braucht mindestens zehn, zwölf Splatterfilme á Neunzig Minuten, um das ein wenig abzufedern.
Beim Schreiben ist das ähnlich, ich habe schon mal ein Serienkonzept entwickelt und weiß, wie sehr man sich in diesem verfangen kann. Umso frustrierender sind dann die Enttäuschungen, wie viele Genreserien oder überhaupt gute Serien werde hier schon gemacht. Ist das Verbitterung? Nein, eher Einsicht.
Bevor ich mich wieder an ein Serienkonzept wage, muss schon viel Wasser den Rhein rauf fließen. Ich bin dann lieber der alleinige Verfechter des neunzig-minütigen Kinospielfilms, der irgendwie aus der Mode zu kommen scheint. Außerdem habe ich gar kein Interesse, so etwas wie GOTHAM zu machen, also eine Serie aus meinem Lieblingsfilmkosmos. Darin will ich mich nämlich lieber als Konsument verlieren. Sollen andere machen, um mich zu unterhalten.
Ich finde ja das Serien auch gerne mal in Richtung, anstrengend wandern können.
Manche Staffeln sind pure Qual.
Im Gegensatz zu einem Film mach ich aber einer Serie nicht aus. Taugt der Film nix ab Minute 40, dann macht man in aus und vergisst ihn.
Ist man aber schon 4 Staffeln dabei gewesen und auf einmal ist Staffel 5 murks oder wird gar abgesetzt….sowas ist echt frustrierend und stresst.
Welche entwicklung ich auf jedenfall sehr gut finde ist die kürzeren Staffel längen.
Z.B. True Dedective mit nur 8 Folgen….super! Keine Langeweile und guckbar.
Das sehe ich haargenau so! Bin auch großer Fan und Verfechter des Miniserien-Konzeptes, fand TRUE DETECTIVES und FARGO dahingehend kompakt und erstklassig. Die anderen Kinofranchise kann ich mir auch nicht als Endlos-Staffeln vorstellen (GOTHAM aus Fangründen mal ausgenommen). Perfekt ist auch das Konzept von SHERLOCK als Dreiteiler. Von mir aus kann man in dem Format ruhig noch experimentierfreudiger sein.
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