Hemingway hat sich gefälligst auch bei mir zu entschuldigen!
In einer Melange aus Bier, Kaffee, Bolognesesoße und Nussbeißer wache ich auf. Ich fühle mich durchgewalkt, ausgezutscht. Das, was die alle sagen, stimmt: Die Oscars saugen! Und zwar Lebensenergie! Dabei ging alles so witzig los, Sonntag früh, nach dem Aufstehen. Zur Einstimmung noch was Lustiges schauen: LIEBE von Michael Haneke. Kurze Pause für Antidepressiva einlegen und dann vorschlafen. Der Abend naht, mit ihm die 85. Academy Awards Verleihung. Bevor es losgeht, muss man allerdings durch eine Art Sumpf waten. Das allerschlimmste dabei ist, eine Stunde auf Steven Gätjens Hinterkopf starren zu müssen, während der Warane kuckt. Doch nach 42 Werbeunterbrechungen ist auch das vorbei.
Viel lustiger läuft es dann vor dem Eingang ab. Dort talkt Kristin Chenoweth (PUSHING DAISIES) mit, im wahrsten Sinne des Wortes, überragenden Gästen. Denn Chenoweth wiegt ohne Kopf gerade mal einen Meter zehn. Neben Queen Latifa sieht sie aus wie der kleine Muck. Ich liebe sie trotzdem. Aber dann geht’s los, nee doch nich. Aber dann! Seth MacFarlane moderiert, oder so ähnlich, und singt gleich mal ein Lied über Brüste. Ich bin entsetzt! Auch über William Shatner, denn es gibt nur einen Käptn, Junge!
Zu Beginn wird gleich Christoph Waltz bepreist. War ja auch super in DJANGO UNCHAINED. Die anderen Nominierten auch. Was aber muss sich Tommy Lee Jones denken (überragend in LINCOLN), der für seine Karriere bislang mit einem Nebendarsteller-Oscar für AUF DER FLUCHT abgespeist wurde und nun zusehen muss, wie ein Österreicher mit deutscher Staatsbürgerschaft (oder andersrum?) einen Preis nach dem anderen außer Landes schafft. Deswegen hat Jones wohl auch so tiefe Furchen im Gesicht.
Die Kamera fährt über den Saal und man sieht sie alle, Spielberg, Nicholson, Gott, John Travolta. Da! Jennifer Lawrence, sie sieht umwerfend aus. Flupp, das nächste Bier öffnet sich fast von allein. Diverse Kategorien werden abgefrühstückt. Wie immer hat Pixar das Vorkaufsrecht für den besten animierten Film und gewinnt für MERIDA – eine Schande in diesem Jahr, PARANORMAN oder RALPH REICHTS sind viiiel besser. Egal. Der Oscar für beste visuelle Effekte geht an Life of Pi, zu Recht! Die Gewinner erdreisten sich, Kritik am Konkurs der Effektfirma zu üben, bis die Polizei, Entschuldigung, der weiße Hai kommt. Gerade als es beginnt, langweilig zu werden, bekommt Anne Hathaway ihren verdienten Oscar für LES MISERABLES. Sie sieht toll aus. Und da ist auch wieder Jennifer Lawrence, sie sieht umwerfend aus.
Dann wird gescored, dass es nur so flatscht. Beste Musik und Kamera für LIFE OF PI: Check! Bester fremdsprachiger Film LIEBE: Check! Bestes Make-Up für LES MISERABLES: fand die Zwergenbärte aus DER HOBBIT zwar beeindruckender, aber von mir aus: Check! Dann wird vor der eigenen Tür gekehrt und Hauswein eingeschenkt: die Drehbuch-Oscars! Bestes adaptiertes Drehbuch für ARGO, damit kann ich leben. Aber DJANGO UNCHAINED? Dialoge, ja nun, aber dieses Holterdipolter soll besser sein als MOONRISE KINGDOM? Sach mal!! Schnell neues Bier auf und mal kucken…ja, Jennifer Lawrence sieht immer noch umwerfend aus.
Immer wieder dazwischen: Werbung! 214 Mal SILVER LININGS PLAYBOOK Trailer! Die Hemingwayszene hab ich inzwischen besser drauf als Bradley Cooper! Die Stundenzeiger der Uhr schleppt sich zur Fünf rauf. Eine Packung Tabak neigt sich dem Ende. Beste Regie wird prämiert, der zweite Oscar für Ang Lee und ich nicke großmütig mit dem Kopf, das passt. Die Hauptdarstellerinnen kommen, bzw. sitzen ja schon da. Schwierig, dieses Jahr: Naomi Watts war beeindruckend in THE IMPOSSIBLE, Jessica Chastain ist begnadet, Emmanuelle Riva hat sogar Geburtstag und Hushpuppy Quvenzhane Wallis zeigt stolz ihre Mukkis.
Jennifer Lawrence hingegen sieht umwerfend aus – und gewinnt für SILVER LININGS PLAYBOOK! Wahnsinn! Dann passiert es. Die umwerfende Jennifer Lawrence haut’s auf ihre vier Buchstaben. Auch dabei sieht sie umwerfend aus. Aber sie kann nichts dafür, die Herren Dior Couture haben sie ja auch in eine Art Faradayschen Käfig gesteckt. Auch wenn das jetzt ´n bissl zu gewollt klingt, aber Jennifer Lawrence ist halt einfach zum Niederknien!
Dann kommt Meryl Streep, sie hat bereits 108 Oscars und bepreist Daniel Day Lewis. Könnte mir nicht egaler sein. Joaquin Phoenix sitzt derweil zerlaatscht und Kopfschüttelnd auf seinem Hocker und nuschelt in abgefuckt in seinen Bart – allein dafür gehört ihm der Nobelpreis aberkannt. Dann wird Michelle Obama zugeschaltet, warum, weiß eigentlich keiner so genau. Kurz vor Sechs, das Bier wird schal und der Oscar für den besten Film wird vergeben: ARGO von Regisseur Ben Affleck. Vor der Oscarverleihung dachte ich immer: „Argo, cooler Streifen, aber bester Film?“ Jetzt, nach der Verleihung denke ich mir: „Argo, cooler Streifen, aber bester Film?“ Dass BEASTS OF THE SOUTHERN WILD keine Chance hat, war mir klar. Aber LIFE OF PI ist runder. Und auch eckiger!
Naja, das war’s dann auch. Jetzt, unterzuckert und übermüdet, strecke ich meine Viere von dannen und lass noch mal Revue passieren. Eigentlich wie in jedem Jahr. Klatschen, Danken, Weitermachen. Was bleibt, ist Erschöpfung und Wut: Wann kriegt Wes Anderson endlich einen Oscar. Die Wut legt sich aber schnell beim Gedanken: Jennifer Lawrence sah, sieht und wird immer umwerfend aussehen!
Bester Film: ARGO
Bestes Originaldrehbuch: DJANGO UNCHAINED
Bestes adaptiertes Drehbuch: ARGO
Beste Hauptdarstellerin: Jennifer Lawrence für SILVER LININGS PLAYBOOK
Bester Hauptdarsteller: Daniel Day-Lewis für LINCOLN
Beste Nebendarstellerin: Anne Hathaway für LES MISÉRABLES
Bester Nebendarsteller: Christoph Waltz für DJANGO UNCHAINED
Beste Regie: Ang Lee für LIFE OF PI
Bester fremdsprachiger Film: LIEBE (Österreich)
Bester Animationsfilm: MERIDA
Beste Kamera: LIFE OF PI
Bestes Szenenbild: LINCOLN
Bester Ton: LES MISÉRABLES
Bester Tonschnitt: SKYFALL
Bester Schnitt: ARGO
Bestes Kostümdesign: ANNA KARENINA
Bestes Make-up und Frisuren: LES MISÉRABLES
Beste visuelle Effekte: LIFE OF PI
Beste Filmmusik: LIFE OF PI
Bester Filmsong: “Skyfall” von Adele für SKYFALL
Bester animierter Kurzfilm: PAPERMAN
Bester Kurzfilm: CURFEW
Bester Dokumentarkurzfilm: INOCENTE
Bester Dokumentarfilm: SEARCHING FOR SUGAR MAN