Ein gutes Script …dank Chappi!
Script Development XVI: Marken im Drehbuch

In der illustren Reihe “Script Development” haben wir uns bislang Drehbuchaspekten von allerlei Seiten genähert. Es gibt Geschichten und Plots in unterschiedlichsten Zeiträumen und Lokalitäten, Figuren und deren Hinter- wie Beweggründe, Berufe und Berufungen, Dialoge, darüber hinaus Tools wie Titel, Untertitel, Loglines und Voice Over. Bleibt da noch überhaupt noch etwas übrig im dichten Dschungel der Filmstoffentwicklung? Wer achtet auf die kleinen Dinge? Wenn Protagonisten morgendlich vor dem Spiegel stehen und sich Zahnpasta auf die Bürste schmieren, sich in ihre Klamotten zwängen und mit dem Rennrad zur Arbeit fahren, ihre Smartphones malträtieren, heimlich auf dem Klo Comics lesen und nach Feierabend ihren Setzkasten neu bestücken, da heißt es Obacht für Autoren wie Requisiteure.

 

Denn tägliche Gebrauchsgegenstände sind in ihrer Funktionalität und Stilistik wichtig für bestimmte Szenen. Doch selten sind das einfach nur Objekte. Schwierig wird das Ganze, wenn es eine spezielle Zahnpasta, ein bestimmtes Smartphone und ein ganz besonderes Rennradmodel sein soll. Denn dann wird aus einer schnöden Requisite nicht selten ein Politikum.

 

 

Nichts geht über Bärenmarke

 

Requisiten sind Gebrauchs- und Ausstattungsgegenstände, im Allgemeinen Objekte wie die Shampooflasche, das Smartphone, der Akkuschrauber oder das Rennrad. Doch die gibt es in den seltensten Fällen als namenlose Produkte der Firma NoName. Auch im Film hat man sich mit Marken bzw. Markenprodukten herumzuschlagen. Denn manchmal geht es um mehr als reine Funktionalität. Marken können Aussagen hinsichtlich Stil und Image treffen, sowohl für die Marke selbst als auch für den, der sie nutzt. Marken sind Kommunikationsmittel und beschreiben somit auch soziale Milieus, treffen Statements hinsichtlich subkultureller Stile, charakterisieren so am Ende auch Figuren und ihren Platz innerhalb einer Gesellschaft. Typisches Marketing-Blabla, aber es stimmt.

 

 

Bond und der Aston Martin – ein typischer Fall von Product Placement im Film.

 

Spricht man von Marken oder Markenprodukten im Film, denkt man für gewöhnlich an das Thema Product Placement, also Produktplatzierung und Werbeintegration innerhalb eines Medienproduktes. Doch ist Product Placement nur die Spitze des Eisberges, wenn es um Produkte im Film geht. Wenn man sich mit dem Thema Product Placement beschäftigt, landet man neben marketingtechnischer Tiefenanalysen der Hersteller häufig im Sammelbecken der Markenkuriositäten im Film. Da wird gemunkelt und getuschelt, welche Filmproduktion sich nun wieder mit Hilfe des ach so bösen Kapitalismus gesund gestoßen hat.

 

Da geht es um Bond und seine Lieblingsautos, teure Uhren oder eine geschickt geschnittene Obertrikotage aus dem Hause Cucci oder KiK. Es fallen oft Sätze wie: “Kuck mal, da is wieder Schleichwerbung für Opel, diese Schweine!” Dererlei Vergleiche gehen heutzutage weit an der Realität vorbei. Selbst der Begriff Product Placement scheint da viel zu handzahm, heute spricht man eher von Markenkooperationen, ohne die gängige Blockbuster gar nicht mehr finanziert werden können.

 

 

 

 

Product Placement bedeutet zudem weit mehr als ein Markenprodukt im Film zu verwenden, deshalb unterscheidet man heute vielmehr Begriffe wie On Set Placement oder Stilles Placement (Produkt ist für die Handlung unwesentlich und Bestandteil des Hintergrundes), Creative Placement (Produkt ist in die Handlung integriert), Corporate oder Image Placement (Marke und Philosophie des Herstellers sind handlungsrelevant) oder lediglich verbales Placement (Marke ist im Dialog integriert). In dieser detaillierteren Unterscheidung kann man bereits sehen, Produktplatzierung ist nicht ausschließlich Aufgabe des raffgierigen Produzenten, der die fette Kohle absahnen will. Product Placement – wurde das alles nur von der Wirtschaft und dem Kapitalismus initialisiert und hat irgendwann den Film okkupiert? Oder ist es vielmehr so, dass der Film Konsum oft initiativ angekurbelt hat?

 

 

Mit 5 Mark sind Sie dabei

 

Für Autoren, und darum soll es hier und heute vornehmlich gehen, stellen Produkte innerhalb der Filmhandlung nicht selten große Probleme dar. Denn Produktplatzierungen können sowohl während als auch nach dem Stoffentwicklungsprozess eine Rolle spielen. Jeder Autor muss Produkte im Drehbuch benutzen bzw. durch die Figuren benutzen lassen. In dieser Überlegung ist es am Autor zu entscheiden, ob es wichtig ist, um welche Produkte es sich handelt. Aber auch wenn diese Produkte anonymisiert sind, kann man nachträglich immer noch eine Entscheidung dahingehend treffen, ob die Nennung einer Marke nicht weitreichendere Funktionen hat. So gibt es Agenturen, die durchforsten Drehbücher nach markanten Produkten und schlagen Produzenten vor, diese mit einer Marke zu versehen, um eine mögliche Markenkooperation mit einem Hersteller einzugehen, was für gewöhnlich der Beginn des geläufigen Product Placement Prozesses darstellt. Das geschieht meist hinter dem Rücken des Autors, wie aber kann der Autor selbst mit Marken in seinem Drehbuch verfahren?

 

 

Spielfilm oder überlanger Werbeclip? PRAKTI.COM (2013) von Shawn Levy

 

Nutzen und Wirkungsweisen von Marken in einem Drehbuch kann man durchaus an Beispielen bekannter und berühmter Produktplatzierungen im Film ableiten. Man sollte sich zuerst immer die Frage stellen, ob eine Marke einem Produkt eine größere Bedeutung in der Geschichte zukommen lässt. Denn Produkte an sich erfüllen hauptsächlich funktionale Aufgaben. Peter fährt mit dem Rennrad auf Arbeit, weil er schließlich da hin muss. Er könnte auch die U-Bahn nehmen. Aber er ist entweder überaus sportlich oder knapp bei Kasse. Fährt er jetzt aber ein Intenso Ultegra 11sp Compact der Firma Bianchi, scheint letzteres weniger der Fall zu sein. Produkte verraten etwas über ihre Benutzer und Marken treffen darüber hinaus noch viel detailliertere Aussagen.

 

Generell stellen sich viele Autoren die Frage, wie gehe ich mit Marken in meinem Drehbuch um. Das ist eine sehr gute Frage, denn sie zeigt auf, dass sich der Autor tiefer mit seinen Figuren beschäftigt. Denn beinahe jeder, der Marken nutzt, tut das aus bestimmen Gründen und das funktioniert nicht nur nach dem Höher-Schneller-Weiter-Prinzip. Es gibt aber auch Fälle, da werden Marken unreflektiert in die Handlung eingebunden. Das sträflichste, was ein Autor tun kann ist, das im Hinblick auf ein mögliches Product Placement zu tun.

 

 

Popular Movie Posters With Brands by Antrepo Design Industry

 

Denn ein Drehbuch voller Marken ist mitnichten ein gutes Verkaufsargument, eher ein Hindernisgrund. Es ist eine Fehlannahme, dass sich jeder Hersteller um Filme reißt, die ihre Produkte integrieren. So funktioniert Marketing schon lange nicht mehr. Wenn man in seinem Drehbuch die Figuren einen YouTube-Clip ansehen lässt, wird das das Unternehmen nicht sonderlich vom Hocker hauen. Was heute zählt, ist eine Markenidentität und diese funktioniert nur, wenn die Philosophie des Film- sowie Markenherstellers in die gleiche Richtung geht. Darüber hinaus zählen ausschließlich wirtschaftliche Interessen. Ein Film muss dann ein Minimum innerhalb der Zielgruppe erreichen und dieses Minimum kann ganz schön groß sein.

 

 

Ich bin ein Gourmeggle

 

Was ein Autor aber machen kann und auch machen sollte ist, Marken dazu zu benutzen, um seine Figuren zu charakterisieren. Denn eine Marke schafft eine Assoziation, die ohne Worte auskommt und somit sehr filmisch ist. Peter trinkt Lagavulin 16 Jahre Islay Single Malt Whisky. Was sagt das aus? Sehr viel. Peter scheint es sich leisten zu können, er muss keinen Aldi-Whisky kaufen. Peter hat Geschmack. Peter ist ein Genussmensch. Peter kennt sich aus mit Single Malt Whisky. Mag ein Beispiel eher willkürlich daherkommen, zwei oder drei andere Marken mehr und das Bild von Peter als bohèmen Gourmeggle verfestigt sich.

 

Natürlich kann man auch einfach schreiben, Peter trinkt Whisky. Es sei nicht entscheidend, ob eine Figur Coca-Cola oder River-Cola trinkt. Aber das muss nicht stimmen. Geht der Autor von der Seite heran, dass ihm klar ist, seine Figur Peter ist ein Genussmensch, dann kann er sich auf den Marktplatz stellen und rufen: “Ich bin ein Genussmensch!” oder man sieht ihn Lagavulin trinken.

 

Für Genussmittel im Film sind Marken unverzichtbar, wenn auch LEAVING LAS VEGAS nicht das beste Beispiel dafür ist.

Werbung im Film, aber keine Werbung im Film – Suntory Whiskey in LOST IN TRANSLATION

 

Beides gibt die Information, Peter ist ein Genussmensch, weiter, im Fall des Lagavulin ist das aber wesentlich subtiler, weil visueller. Marken können deshalb so gut für die Charakterisierung der Figuren verwendet werden, weil der Konsument durch ein etwaiges Markenimage vorgeprägt ist. Man ist sofort im Bilde und kann die Figur charakterlich eingrenzen. Das Produkt Whisky ist nun nicht mehr nur funktional, sondern auch stilistisch und charakterprägend.

 

Wenn ein Autor Marken zur Charakterisierung der Figuren nutzt, sollte er sich Gedanken machen, aber nicht im Hinblick auf ein mögliches Product Placement. Denn eine Marke kann für Produzenten auch hinderlich sein. Es stellt sich oft die Frage, darf ich Marken in meinem Drehbuch benennen. Wenn es aus Gründen der Figurencharakterisierung heraus geschieht, sollte man das tun, und zwar mit Nachdruck. Denn er muss einen Entscheider nicht von der Marke, sondern von der Figur überzeugen. Schafft eine Marke eine genauere Charakterisierung, dann werden Figuren lebendig, nicht ausschließlich, aber sie bereichern eine Figur. Natürlich gibt es Fälle, in denen die Figuren nur durch Marken charakterisiert werden, aber nicht mehr durch ihre Handlungen. Das sollte eher nicht passieren. Aber eine Marke kann ein entscheidender Schlüssel zu einer Figur sein.

 

 

Der Film bedient sich Marken auch als Klischee, um Charaktere zu zeichnen – TED (2012)

 

Doch es reicht oft nicht, sich auf eine charakteristische Marke als Markierer zu verlassen. Denn wenn jeder nach diesem Gusto verfährt, wird aus einer Markencharakterisierung schnell ein wandelndes Klischee. Nicht jeder, der genügend Geld hat, raucht automatisch Marlboro und trinkt Coca-Cola.

 

Natürlich trifft es Belange des sozialen Milieus, aber es ist ein Arbeiten mit ganz groben Kellen. Marken können viel diffiziler eingesetzt werden. Statt Marlboro und Coke, wie wäre es mit Pueblo Tabak und Spezi? Es ist für einen Autor oft gar nicht notwendig, mit Marken lediglich Aussagen bezüglich des Status zu treffen. Das können andere Aspekte wie der Beruf vielleicht besser. Geschmack , sei er gut oder schlecht, ist viel entscheidender. Es ist auch nicht falsch, seinen eigenen Geschmack an Figuren weiterzugeben. Nur zu verkopft sollte es auch nicht werden. Wenn einem die Marke Sowieso völlig unbekannt ist, kann sie auch nicht für eine Charakterisierung dienen.

 

Unterschiedlichste Markeneinbindung als Gag oder Handlungsträger: Nike in RITTER AUS LEIDENSCHAFT, DER TEUFEL TRÄGT PRADA, Nike in ZURÜCK IN DIE ZUKUNFT 2, Mc Dowells in DER PRINZ AUS ZAMUNDA, Videospielmarken in PIXES, Head & Shoulders als Waffe in EVOLUTION

Das Problem mit Marken an sich ist, sie stehen für eine bestimmte Philosophie des Herstellers. Diese muss nicht mit der Aussage eines Filmes oder eines Filmcharakters korrespondieren, sie kann dem auch entgegen stehen. So gibt es auch den Begriff Product Replacement, welcher aussagt, dass bestimmte Marken für ein Produkt im Film eben nicht in Frage kommen.

 

Marken bedeuten oft auch Ärger, denn Markeninhaber haben Rechte, die sie und ihre Marken schützen. Nicht jeder Hersteller nimmt mit Kusshand ein Product Placement Angebot hin und so ist es bereits im Schreibprozess schwierig abzuwägen, ob die Nennung oder Einbindung einer Marke sinnvoll ist oder nicht.

 

 

 

Sinnvoll ist sie immer dann, wenn die Marke eine dramaturgische Funktion hat und gewissermaßen eine eigene Rolle spielt. Das kann sie im Film auf verschiedene Weise. Haben wir bislang von Markencharakterisierung gesprochen, also das Marken ihr Image auf Figuren übertragen können, muss auch erwähnt werden, dass das Ganze auch umgekehrt funktionieren kann. Denn Marken treffen nicht nur für Figuren Aussagen, auch im Bezug auf Raum und Zeit, auf das Worldbuilding einer Geschichte und nicht zuletzt im Bezug auf Gesellschaft und Politik.

 

 

Always Coca-Cola

 

Zwei Beispiele. In dem Film DIE GÖTTER MÜSSEN VERRÜCKT SEIN aus dem Jahr 1980 wird die Story durch ein Markenprodukt initialisiert, einer Coca-Cola-Flasche, die aus einem Flugzeug geworfen wird und vor den Füssen eines afrikanischen Stammeshäuptling landet, der das für ein Zeichen der Götter hält. Weil die Buschmänner und Buschfrauen mit diesem “Ding” nicht viel anfangen können, beschließt der Häuptling, die Flasche am Ende der ihm bekannten Welt den Göttern zurückzubringen.

 

 

Coca-Cola als Initiator der Geschichte und als gesellschaftspolitisches Statement in DIE GÖTTER MÜSSEN VERRÜCKT SEIN (1980)

 

Die Produkt Cola-Flasche bzw. die Marke Coca-Cola hat für den Film zweierlei Bedeutung. Zum einen initialisiert die Cola-Flasche die Handlung, sie ist sogar für die gesamte Filmstory unverzichtbar. Nun stellt sich die Frage, ob das nicht auch eine Pepsi-Flasche sein kann oder gar eine ganz andere Art Getränk. Hier kommt eine zweite Ebene dazu, denn Coca-Cola steht nicht nur für irgendeinen Softdrink, sondern für den amerikanischen Traum und die sogenannte Zivilisation. Coca-Cola ist in dem Fall ein Sinnbild für den Kapitalismus und der Kontrast zu einem afrikanischen Buschvolk, welches keinen Bezug zu diesem oder anderen Markenprodukten hat, lässt die resultierende Geschichte satirisch erscheinen, was ganz klar beabsichtigt war. Es muss Coca-Cola sein, sonst funktioniert die Satire nicht.

 

Ein anderes Beispiel ist der Film THE ROAD von 2009, in dem es um die Reise eines Vaters und Sohnes durch ein postapokalyptisches Amerika der Zukunft geht. Alles ist zerstört, die Gesellschaft nicht mehr existent. In dieser Endzeit findet der Vater eine intakte Dose Coca-Cola, etwas, was sein Sohn niemals kennengelernt hat. Die Coca-Cola steht auch hier für das glorreiche Amerika, jeder kennt Coca-Cola, es ist ein Symbol. Doch vor dem Hintergrund der Postapokalypse bewirkt dieses Symbol auch das Eingeständnis des Scheiterns von Kapitalismus und Gesellschaft. Die Coca-Cola ist in THE ROAD ein Relikt jener Tage, über eine andere Marke würde dieses Bild nicht funktionieren.

 

Coca-Cola als Symbol des kapitalistischen Untergangs in THE ROAD (2009)

Eine Marke als Figur – Wilson in CAST AWAY (2000)

 

Wenn Marken im Film als Handlungselemente oder Träger verwandt werden, gehen sie weit über eine Charakterisierung von Markenmerkmalen hinaus. Dieser Bereich nennt sich Creative Placement, aber es muss daraus keine Markenkooperation resultieren. Wenn Marken eine dramaturgische Funktion haben, kann man sie nicht mehr beliebig an den Hersteller anpassen oder ersetzen.

 

Ein gutes Beispiel dafür ist der Film CAST AWAY mit Tom Hanks. In ihm liegen zwei Marken als Handlungsträger vor – FedEx und ein Volleyball der Marke Wilson Sporting Goods. Nach seinem Absturz helfen dem Protagonist Chuck die FedEx-Pakete beim Überleben, am Ende bringt er sogar ein Paket zu seinem Absender zurück. Zudem wird aus dem Volleyball die Figur Wilson, die Chuck physisch wie psychisch beisteht, während er auf Rettung wartet. Beide Fälle sind typisches Creative Placement, sie stellen aber kein initialisiertes Product Placement dar, FedEx hat den Film zwar unterstützt, aber nicht direkt für ihre Marke gezahlt.

 

 

Don´t call it Schnitzel

 

Marken helfen also bei der Charakterisierung der Figuren, der Story oder treffen gesellschaftspolitische Aussagen. Marken werden aber nicht nur visuell verwandt. Im Bereich Verbal Placement wird eine Marke über den Dialog in die Filmhandlung eingebaut. Diese Form der Produktplatzierung ist heikel, denn sie trifft oft den Ton direkter Werbung, wenn Bond mal wieder seine neue Uhr der Marke Omega preist. Verbales Placement kann aber auch andersherum funktionieren, was noch heikler ist.

 

 

Vorausgegangenes negatives verbales Placement in JERRY MAQUIRE (1996) macht den Slogan “Fuck Reebok” populär.

 

Will Peter mit seiner Freundin zu Abend essen gehen und wählt ein Fast Food Restaurant, muss er sich von seiner Liebsten anhören: “McDonald ist scheiße, da kannste mit deinen Kumpels hingehen!” Auch wenn ein Film mit einer monetarisierten Produktplatzierung nix am Hut hat, kann das zu Problemen führen. Aber warum eigentlich? Sind Meinungen nicht völlig frei? Sind sie, aber wie immer nur solange wie Rechte anderer dadurch nicht beschnitten werden. Und die Firma McDonald muss eine verbale Verunglimpfung nicht immer hinnehmen.

 

In der Realität spielt das wohl weniger eine Rolle, denn niemand wird mit einstweiligen Verfügungen um sich schmeißen, nur weil eine Figur mal gesagt hat, McDonald sei bäh! Aber das ist die Krux mit Marken im Film, einerseits verstärken sie die filmische Illusion und bilden stärker die Realität ab, andererseits tritt man dadurch immer in die Falle, Rechte anderer zu beschneiden. Das ist manchmal gar nicht so einfach, auch wenn der Autor versucht, alle gefährlichen Klippen zu umschiffen.

 

Denn selbst in einer Totalen, die ein Stadtbild einfängt, lauern unzählige Markenlogos an Häusern und Fassaden. Für das Fernsehen gibt es strengere Vorschriften innerhalb des Rundfunkstaatsvertrages, was dazu führt, dass Fakemarken entwickelt und eingebunden werden. Das gibt es auch beim Film, doch nicht jede Fakemarke entsteht, weil man nicht über Nutzungsrechte verfügt. Bekannte Beispiele sind Duff Beer (THE SIMPSONS), Big Apple Cigarettes (Tarantinofilme) oder die fiktive Firma ACME in Zeichentrickfilmen (ACME steht für “A Company that Makes Everything”).

 

 

Fakemarken á la Red Apple Cigarettes gehören zu jedem anständigen Tarantino-Film.

 

Überlegungen über Markenprodukte scheinen immer dann von Nöten, wenn man die Illusion der Realität im Film aufrecht erhalten will. Ein Film voller Fakemarken zerstört diese Illusion. Es gibt aber auch Filme oder ganze Genres, in denen Product Placement nicht wirklich sinnig erscheint. Fantasystoffe wie GAME OF THRONES können sich da nur schwer für öffnen. Auch wenn es im Film RITTER AUS LEIDENSCHAFT einen netten visuellen Gag wie das Nike-Logo auf der Rüstung gibt, das ist eher eine Ausnahme. Marken haben wohl nur im Hier und Jetzt eine Bedeutung.

 

Marken weitergedacht: Audi und Converse in I,ROBOT, Lexus und Bulgari in MINORITY REPORT, der DeLorean aus ZURÜCK IN DIE ZUKUNFT repräsentiert gegenwärtigen Futurismus, Pepsi im fiktiven Jahr 2015.

Anders sieht das im Bereich Science-Fiction aus. Denn ein nicht kleiner Teil von Science-Fiction-Filmen beschäftigt sich mit der Gesellschaft in einer bestimmten oder unbestimmten Zukunft und dazu gehört auch das Weiterdenken von Produkten und Marken. Diese Disziplin geht wieder verstärkt in Richtung Creative Placement, die Einbindung einer Marke in die Filmhandlung oder in das Worldbuliding der Geschichte und hat demzufolge dramaturgischen Charakter.

 

In MINORITY REPORT oder I,ROBOT werden Automarken bekannter Hersteller weitergesponnen, Lexus und Audi erhalten Zukunftsmodelle, was die Welt, in der die Geschichte spielt, glaubwürdiger macht. Auch in ZURÜCK IN DIE ZUKUNFT 2 ist das Weiterdenken einer Marke von großer Bedeutung, neben Pepsi wird dort vor allem Nike als Trendmarke der Zukunft genannt und gezeigt.

 

 

Der Persilschein

 

Marken und Product Placement im Film ist ein großes Feld und betrifft vor allem wirtschaftliche und rechtliche Aspekte. Aber diese Dinge sind auch für den Autor wichtig, denn sie beeinflussen Worldbuliding, Story und Figuren. Wie Marken im Film letztendlich dargestellt werden, ist sehr unterschiedlich. Denn sie sind Gegenstand der Arbeit vieler Gewerke einer Filmproduktion.

 

Während der Produzent Verträge mit Kooperations- und Werbepartnern schließen muss, muss der Requisiteur und Ausstatter auf die Visualisierung der Marke achten, wie der Regisseur auf die Inszenierung der Marke aufpassen muss. Das kann die Filmrealität positiv wie negativ beeinflussen. Ein Markenprodukt, welches die Figur bereichert oder eine inhaltliche Aussage trifft, bereichert einen Film. Wenn sich der Schauspieler verrenken muss, um sein Bier visuell einprägsam zu trinken, kann das die Illusion genauso zerstören wie unzählige, in den Vordergrund drängelnde Marken, die geradezu schreien: “Wir sind hier nur der Kohle wegen!”

 

Einen Film mit einer Marke zu entwickeln, kann aber auch sehr hilfreich sein, auch für Jungfilmer, wenn es nicht plump auf ein Product Placement hinausläuft. Ist eine Marke inhaltlich klug in die Handlung eingebunden, kommen ernstgemeinte Angebote von ganz alleine…naja fast. Beispiele dafür gibt es viele, TOY STORY oder DER TEUFEL TRÄGT PRADA verbinden Marken mit einer Geschichte, nicht umgekehrt. Manchmal kommt man nicht umhin, Marken zu benutzen. Manche sind einfach zu groß, um sie aus der Filmrealität zu tilgen, vor allem im verbalen Bereich. Facebook, Twitter, Google, Milchmädchen von Nestlé, manchmal muss man einfach konkret werden.

 

 

Der Film macht die Marke – durch TOY STORY wurden ausgediente Spielzeuge wie Mr. Potato Head wieder populär.

 

Irgendjemand wird schon kommen, um einen auf rechtliche Aspekte hinzuweisen. Das kann dann durchaus kreative Gedanken beschneiden. Wenn zu viel abgeschottetes Marketing und Markenphilosophie einen Film charakterisiert, kann auch das die Filmrealität zerstören. In den MARVEL-Comicverfilmungen wird man nie von einem Superman oder einem Batman aus der Popkultur hören. Das finde ich schade, aber es gibt schlimmeres. Zum Beispiel, dass Satire zwar auch mit clever angelegten Fakemarken funktioniert, aber eben nie so gut wie mit der Symbolik der richtigen Marke. Die Kapitalismuskritik in einem Film, in dem es um eine Elektronik-Fachmarktkette namens Jupiter oder um Cici-Cola geht, mag rechtlich abgesichert sein, fühlt sich aber mutlos an.

 

Marken im Film oder im Drehbuch sind kompliziert und es wird wohl auch nicht leichter, je weiter die Globalisierung voranschreitet. Die Glaubwürdigkeit von Marken im Film ist auch deshalb schwierig, weil der Film selbst eine Marke darstellt und man ihm deshalb nicht abnimmt, neutral zu sein. Aber darum geht es in den seltensten Fällen. Auch wenn die genannten Beispiele etwas anderes suggerieren, Marken im Film sind immer und überall präsent und nicht mehr wegdenkbar. So ist es mehr als zuvor Aufgabe des Autors, klug mit Marken in einem Drehbuch umzugehen, damit Filme nicht Gefahr laufen, als Erfüllungsgehilfen des Kapitalismus missbraucht zu werden oder zumindest den Anschein zu erwecken, als seien Filme Sklaven der Wirtschaft. Denn dafür wollen wir Autoren uns nicht hergeben!

 

Dieser Artikel wurde Ihnen präsentiert von der Firma Fliesen Kießling in Hildburghausen – Ihr zuverlässiger Partner, wenn´s um Böden und Wände geht.

 

 

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Christian Hempel | Autor, Dramaturg und Stoffentwickler | Gesslerstraße 4 | 10829 Berlin | +49 172 357 69 25 | info@traumfalter-filmwerkstatt.de