Dreimal Fauler Budenzauber?
Da standen sie also in Zweierreihe, einmal um den ganzen Block herum, im Hochsommer. Nicht an einem Eiscremestand, vor einem Kino. Im Juni 1975 sorgte der Film JAWS von Steven Spielberg dafür, dass die Strände der amerikanischen Westküste leer blieben. Der Begriff Blockbuster entstand, genauer gesagt, der Sommerblockbuster. Kino im Sommer, das klingt nach schlechtem Geschäft. Doch Sommer, Sonne, Sonnenschein sind auf Dauer öde und langweilig, nach dem x-ten Angrillen im Park, Planschen im Baggersee oder Herumgammeln auf Badetüchern zieht es die Menschen im Sommer auch wieder in die Kinos. Die großen Actionblockbuster, die Hollywoodkracher, wie die Leute immer sagen, werden von Produzentenseite nach wie vor in den Monaten Mai bis August veröffentlicht. Es gibt eine regel-rechte Hatz auf gute Platzierungen im Kinosommer, meist zwei oder drei Jahre im Voraus werden Startplätze im Hochsommer beschlagnahmt. Doch verglichen mit Actionkrachern der Achtziger Jahre sind Großproduktionen ab 100 Millionen Dollar Produktionskosten keine Einzelerscheinungen mehr. Gibt es ihn also noch, den Sommerblockbuster?
Ich will aber gar nicht von Zahlen reden. Trotz Kinoflaute und Überangebot generieren auch in den letzen Jahren Filme wie HARRY POTTER 7.2 oder THE AVENGERS Milliardeneinnahmen im Sommer. Große Budgets müssen auch hohe Besucherzahlen erwirtschaften. Als ich nach der Wende weiter aktiv am Kinogeschehen teilnahm, habe ich mich aber gar nicht für Budgets oder Besucherzahlen interessiert. Dennoch waren vor allem die Sommerfilme das große Magnet.
1993 hatte es Spielberg ein weiteres Mal geschafft, mit JURASSIC PARK einen Sommerblockbuster zu landen. 1994 startete TRUE LIES, 1995 APOLLO 13, 1996 INDEPENDENCE DAY und 1997 DAS FÜNFTE ELEMENT. Der Sommer ist fest in Action- oder Science-Fiction-Hand. Das liegt auch an der Strukturierung des Kinojahres. Im Frühjahr erscheinen die OSCAR- und GLOBE-Favoriten, im Winter episches Kuschelkino, Sommer und Herbst gehören den Blockbustern, welche leicht verdaulich sind und nicht so schwer im Magen liegen. Denn mit vollem Magen soll man ja nicht schwimmen gehen. Haben meine Eltern immer gesagt.
Wie dem auch sei, es geht mir nicht um Zahlen, sondern um ein verloren gegangenes Gefühl. Große Actionblockbuster und Sommer, das war in der zweiten Hälfte der Neunziger Jahre eine magische Verbindung. An einem heißen Sommertag 1995 im Berliner Zoo Palast STIRB LANGSAM – JETZT ERST RECHT sehen und danach am liebsten selbst auf Bombenschnitzeljagd am Kuhdamm gehen, zum Beispiel. Oder 1998 bei unerträglicher, nächtlicher Schwüle die Mitternachtspremiere von ARMAGEDDON erleben, wenn im Kinosaal die Klimaanlage ausgefallen ist. SPEED von 1994 ist auch so ein Beispiel, er bleibt mir immer mit einem heißen Sommer im Gedächtnis verbunden. TWISTER, LEATHAL WEAPON 4, STAR WARS EPISODE 1, all das war großes Blockbustersommerkino.
Heute gibt es fünf mal so viele Blockbuster, die sich an Budget und Effektwucht gegenseitig überbieten wollen. Doch wenn man heute VOLCANO von 1997 anschaut und mit THE DARK KNIGHT aus dem Jahr 2004 vergleicht, ist auch die Komplexität der Geschichten und Figuren gestiegen. Heute will man zudem oft gegen die offene Eindimensionalität klassischer Blockbusterware mit Intellekt entgegentreten, nach dem Motto: “Schaut mal her, ein neuer Batmanfilm, aaaaaber der is so toll, weil er so arg realistisch ist.” Manchmal wünsch ich mir fast eine Rückkehr zum Hirnaus-Actionkino der Neunziger Jahre. Das, was heute ein bisschen putzig rüberkommt, hat damals noch anders gewirkt. THE ROCK zum Beispiel finde ich heute fast unschaubar vor lauter Werbeästhetik. 1996 war das ´ne Bombe. Heute reagiert man halt nüchterner auf die Ankündigung von THE AMAZING SPIDERMAN 2 für das Jahr 2014.
Aber gibt es dieses Sommerfeeling noch? Jenes Flimmern in der Luft, was sich vom Kinosaal auf die verrückt gewordene Großstadtstraße überträgt. Weiß überhaupt jemand, worüber ich hier rede? Egal! Ich habe einen Feldtest unternommen und mir 3 potentielle Sommerblockbuster angeschaut und herauszufinden, ob es dieses spezielle Gefühl noch gibt oder man mittlerweile nur noch mit Schulterzucken aus dem Kino kommt.
WORLD WAR Z: Zombies an der Klagemauer
Seit dem 27. Juni läuft WORLD WAR Z in deutschen Kinos. Ist das ein Blockbuster? Mit einem mutmaßlichem Gesamtbudget von 400 Millionen Dollar allemal. Doch mit was lockt der Streifen von Regisseur Marc Forster? Mit Weltkrieg, Zombies und…nagut, Brad Pitt. Aber mal ehrlich, wenn mir 1998 jemand gesagt hätte, ein Sommerblockbuster im Jahr 2013 sei ein Zombie-Terror-Weltkriegs-und-Weltuntergangs-Potpourri, den hätte ich für verrückt erklärt. Im Vergleich zu HANGOVER 3 ist das eindeutig düstere Genreware, egal, ob sie nun massenkompatibel oder für den Splatternerd ist. Die Zeiten ändern sich scheinbar. Die Geschichten rund um tödliche Viren und Epidemien dagegen kaum. Ex-UN-Mitarbeiter Gerry Lane wird nach dem Ausbruch einer Seuche, welche Menschen zu wilden Zombies mutieren lässt, beauftragt, die Ursachen der Pandemie ausfindig zu machen. Abgesehen von Magnet Brad Pitt (und ich bin mir nicht mal sicher, ob er das wirklich ist in diesem Zusammenhang) ist der Film eigentlich das Gegenteil von dem, was man sich nach einem Tag am Wannsee oder stinkigem Büroalltag gönnen würde.
Aber taugt er denn was? Nun, WORLD WAR Z ist ein zwiespältiges Ding. Die Story ist alles andere als originell und mit der Logik ist es auch nicht allzu weit her. Die Figuren handeln getrieben von Beschützerinstinkt und familiärem Zusammenhalt, das aber arg unmotiviert. Zudem ist die Suche nach der möglichen Ursache des Virusausbruchs oder was auch immer lustlos und eigentlich nur ein Hin und Her. Dem gegenüber steht aber, dass er durchaus spannend inszeniert ist.
Er hält sich nicht lang mit der Vorrede auf, paukt Tempo über lange Strecken durch und findet auch visuell packende Szenarien. Besonders der Teil in Jerusalem ist fantastisch fotografiert und geschnitten. Maue Story und hanebüchene Wendungen, darüber kann ich bei straffer Inszenierung und hämmernder Spannung gern hinweg sehen. So hab ich zwar bei der vermeindlichen Lösung für das Zombieproblem seufzend ein Jean-Luc Picard Gedächtnis-Facepalm aufgesetzt, kann aber nicht behaupten, nicht gut unterhalten worden zu sein. Ich hatte nach der Berichterstattung über die Probleme beim Dreh und Schnitt (Wegfall der Moskau-Szene) Schlimmeres erwartet. Kein Actionhighlight für die Ewigkeit, aber durchaus anschaubare 100 Minuten.
SOMMER-FAZIT:
Handfeste Action und Spannung, lahme Story, keine neuen Ideen. Die Jerusalem-Szene allerdings lässt ein wenig Sommerblockbusterfeeling aufkommen.
DIE UNFASSBAREN: THE PRESTIGE meets OCEANS ELEVEN
Gestern Vorpremiere, ab Heute offiziell in den Kinos: DIE UNFASSBAREN (NOW YOU SEE ME). Eigentlich auch nicht der typische Blockbusterstoff. Jedoch gibt es nicht wenige Sleeperhits, SPEED zum Beispiel, mit denen so weder Publikum noch Produzenten gerechnet haben. DIE UNFASSBAREN erfüllt dafür eigentlich alle Voraussetzungen. Es geht um Illusionisten, Magier, Metalisten, Taschenspieler, die gemeinsam eine unvorstellbare Show abziehen, in dem sie von Las Vegas aus eine Bank in Paris ausrauben. Doch das ist nicht nur grenzwertig kriminell, sondern erst der Auftakt für zwei weiteren Vorstellungen, die alles Bisherige in den Schatten stellen sollen. Großer Ensemblecast, Bankraub, Eleganz und coole Sprüche, das riecht ein wenig nach OCEANS ELEVEN.
Schauen wir auf die Besetzung. Wir haben diesen nervigen Jesse Eisenberg, dessen Fresse ich eigentlich gar nicht mehr sehen kann. Dafür zaubert mir Woody Harrelson ein Lächeln auf die Lippen, der Kerl ist genial, egal welche Rolle er bekleidet. Ansonsten Licht und Schatten, was den Cast betrifft. Michael Caine und Morgan Freeman leiern ihr Programm runter, Melanie Laurent, so finde ich, spielt nicht aufregender als ein Stück Styropor, sieht aber unglaublich gut aus und das reicht mir in dem Fall.
Mark Ruffalo und Isla Fisher ziehen mich nicht ins Kino. Die Story hingegen schon, sind das nun echte Magier und wird man ihnen ihr verdammtes Illusionistenhandwerk legen? Letztendlich sind alle Bemühungen enttäuschend. Der Film wird so stark aus der Perspektive des FBI-Ermittlers erzählt, dass das magische Quartett in ihrer Motivation völlig blass bleibt. Man erlebt sie nicht anders als die Besucher ihrer Show, identifizieren kann man sich mit ihnen nicht. Dramaturgisch ist dem Storyverlauf kein Strick zu drehen, drei Vorstellungen, drei Höhepunkte, drei Spannungskurven. Nur wie so oft bei Filmen, die auf eine überraschende Wendung hinauslaufen, enttäuscht auch DIE UNFASSBAREN mit einem völlig konstruierten und anorganischen Ende. Schade, dabei kam ich schon aus dem Kino und habe zumindest einen Versuch unternommen, das dämliche DB-Hochhaus am Potsdamer Platz wegzuzaubern.
SOMMER-FAZIT:
Holterdiepolter: Zauberer, Trickbetrüger, Mentalisten, alle in einen Topp, Abracadrabra und…leider nix Halbes und nix Ganzes. Blasse Figuren, dicke Logiklöcher und leider nur mittelprächtiges Sommerkino.
MAN OF STEEL: Problemfall Snyder
Comicverfilmungen und Superhelden sind fürs Sommergeschäft eine sichere Bank. Und mit MAN OF STEEL hatte man noch größeres vor, weil die Marvel-Konkurrenz der Warner mehr und mehr Boden unter den Füßen wegzieht. Das größte Superheldenzugpferd lässt man nun schon seit 20. Juni auf die Kinozuschauer los. Auch hier bei mir im Vorfeld Licht und Schatten.
Ich bin ja bekennender Batmanfan durch und durch. Superman hingegen ließ mich größtenteils kalt. Superman jedoch ist ein Stoff mit unglaublich Potential und sämtliche Verfilmungen kamen bislang aus der gleichen stilistischen Ecke. Mich hat schon interessiert, wie man mit der Figur und den Gesetzen seiner Welt umgehen kann oder was andere Filmemacher damit anstellen.
Aber Zack Snyder? Was habe ich im Freundeskreis für Diskussionen über Zack Snyder geführt. Ich fang da immer doll Haue ein, denn ich halte Snyder für einen miserablen Geschichtenerzähler. DAWN OF THE DEAD fand ich ganz ok, aber 300, WATCHMEN und SUCKER PUNCH haben mich schwer gelangweilt. Geil sieht die Scheiße ja aus, keine Frage, aber für mich sind Snyders Filme kaugummizähe Werbeclips, Pappaufsteller ohne Seele. Und nun Superman. Na bravo. Produziert hat das Ganze zwar Christopher Nolan, Budget 225 Millionen Dollar, aber für Warner ist die Sache brenzlig: Der Film muss Erfolg haben, sonst steht die ganze DC-Comic-Lizenz in Frage, inklusive ein späterer JUSTICE LEAGUE Film. Geht die Rechnung auf? Ganz ehrlich, es ist eine Schande.
MAN OF STEEL fühlt sich an wie THE AVENGERS, der 2 Jahre zu spät über die Zielgerade hechelt. Snyder wollte anders an die Figur Superman herangehen, liefert aber in der ersten halben Stunde nur ein aufgeblähtes Remake des Originals von 1978. Mit Pauken und Trompeten, was es überhaupt nicht bedarf. Die Eröffnungssequenz gleicht in großen Teilen der des Originals, nur war die 1978 minimalistisch und nahezu warholesk, MAN OF STEEL hingegen wirkt wie EPISODE 2 – ANGRIFF DER KLONKRIEGER. Ähnlich wie in WATCHMEN erzählt dann Snyder in wilden Sprüngen Versatzstücke der Reifung von Clark Kent alias Superman, findet ab und zu treffende Bilder wie das Busunglück, doch alles fühlt sich völlig leer an. Das liegt aber auch an Henry Cavill, der als Superman eine echte Schnarchnase ist. Michael Shannon als General Zod hingegen ist ziemlich gut. Auch Amy Adams als Louise Lane spielt souverän und sympathisch, auch wenn ihre Rolle mit der Figur (noch) nicht viel zu tun hat. Sally Field und Kevin Costner wirken sogar noch altbackener als Kents Zieheltern 1978.
Irgendwas passiert schon in den 140 Minuten, aber was genau…? Nach General Zods Landung verliert sich selbst der dünnste Storyfaden und gibt das Feld frei für 30 Minuten Dauerzerstörung mittels Dampfdruckhammer. Das gleicht nicht nur dem Finale von THE AVENGERS, es ist zudem sogar noch öder. Keine Liebe, keine ironische Brechung, keine Spannung über die Figuren. Dieses vehemente Erwachsenseinwollen des Comicfilms, dieser nolansche Realismus wirkt hier regelrecht albern. Das, was bei THE DARK KNIGHT noch funktioniert hat, wird in MAN OF STEEL zur Karikatur. Da gibt es kein Aufatmen am Ende, kein nerdiges Wohlgefühl im Bauch, vergleichbar mit dem Gefühl, wie ich aus BATMAN BEGINS im Sommer 2005 kam. Das nenne ich faulen Budenzauber!
SOMMER-FAZIT:
Einen sicheren Sommerblockbuster emotional gegen die Wand gesetzt. Ein optisch beeindruckendes, actionreiches, lautes und brachiales Nichts.
Was vom Sommer übrig bleibt
Bislang also leider kein echtes Sommerblockbusterfeeling. Doch nur den Filmen die Schuld zu geben wäre unfair. Hochgefühle nach einem tollen Kinoerlebnis im Sommer sind halt retrospektiv verklärt. Oder man schaut einfach zu viel, ist übersättigt und einfach nicht mehr so schnell zu beeindrucken. Vielleicht ist es gerade das Bestreben, immer noch einen draufzusetzen.
So schön ich es finde, dass Blockbusterentertainment komplexer geworden ist und man gegen Stereotypen und Eindimensionalität kämpft, aber das lässt sich nicht ewig fortführen und wird an manchen Stellen, siehe MAN OF STEEL, auch dem Stoff nicht gerecht. Doch keine Angst, der Sommer ist noch nicht vorbei und es gibt noch weitere Streifen, die sich zu Sommerblockbustern entwickeln können. Vielleicht auch mit dem dazugehörigem Gefühl.
[…] das Festival selbst, es ist auch das ganze Drumherum. Genrefilme schauen macht nach einem platten Blockbustersommer endlich wieder Spaß. Auch in den Videotheken tauchen wieder vermehrt Horror-, Sci-Fi-, und […]
[…] konnte ich dann auch wieder bei mir feststellen, als bekannt wurde, dass Zack Snyder im Sequel von MAN OF STEEL Superman und Batman aufeinander loslässt. Zwar ist diese Comicfacette längst überreif, aber nach […]
[…] vorbei. Nichts desto Trotz kann man sie noch im Lichtspielhaus finden, die alten Helden des 90er Jahre Sommerkinos wie Spider-Man, die X-MEN oder die MIB. Auch DER KÖNIG DER LÖWEN kommt nochmal vorbeigeschnurrt. […]