Die unverhoffte Macht der Ahnung
Theeee OSCARS (das “th” muss richtig quietschen), Du kokolorer Gummitwist, goldenes Kalb im Schaugeschäft, Temenos der Hybris, Du Lazarett auf dem Schlachtfeld der Kunst. Seit gefühlten 87 Jahren tu ich mir Dich jetzt schon an und werde nicht schlauer. Gezuckerte Kondensmilch verklebt den Magen in gleichem Maße wie Erdnusscreme, ich hätte es ahnen können. Auch hätte ich ahnen können, dass die OSCARS zäh sind, ja, sie sind zäääh, yeah, yeah! Bis auf das funktioniert sie aber noch, die Ahnung, die prophetische Sensorik, die Gabe, die Zukunft aus Fischinnereien, Wildschweinen oder Cervisia lesen zu können. Ja, es ist schon sonderbar, Jahr für Jahr hat man seine Favoriten, herzelt sie ganz doll und verteidigt sie gegen leidenschaftslosen, verbalen Unbill, verteufelt das System, in dem es vor Ungerechtigkeit müffelt, weil dieser oder jener den OSCAR ja sooo verdient hätte und am Ende, ja, dann gewinnt der Favorit dann doch, zumindest meiner.
Damit hab ich schon kistenweise Bier gewonnen, damals, als ich noch dachte, Zufall wäre das. Heute weiß ich, es handelt sich um eine seltene Form von celebritialer Präkognition, mein Bauch ist so etwas wie ein Klumpen Blei, das ist wie Wetterfühligkeit in Amalgam-Plomben, nur eben im Bauch und ohne Amalgam. Seitdem ich das weiß (also seit ein paar Stunden), ist die Welt eine andere. Bevor wir die diesjährigen OSCAR-Gewinner preisen oder zum Deiwel schicken, ein kurzer historischer Exkurs. Die unverhoffte Macht der Ahnung lässt mich transzendieren und ich schreibe große Teile der OSCAR-Geschichte nur aufgrund einer Ahnung einfach um.
Meryl, Meryl, Meryl, Meryl, Life Is But A Dream!
Die Geschichte der OSCARS ist voller Missverständnisse und Vertuschungen. So wird bis heute verschwiegen, dass eine tragende Säule der Academy Awards ihren Ursprung im frühen Hochmittelalter hatte. In dem kleinen Dörfchen Loffenau in Baden-Württemberg, welches dem Grafen von Eberstein unterstellt war, lebte im Jahre 1197 der stadtbekannte Kandelgießer Seuffrit Streeber. Dieser lernte die holde Fronika Freythal kennen, beide heirateten und bekamen einen Sohn namens Wilbur. 600 Jahre später heiratete ein Nachfahre Wilburs, Gottfried Streeb, seine Angebetete Christiana Rosina, eine geborene Zeltmann. Diese war aus feinem Hause, Gottfried Streeb aber ein bescheidener Mann, so lud er zur Hochzeit nur den engsten Familienkreis an, was viele aus der Familie Zeltmann verärgerte. Eine Großtante mütterlicherseits erschien dennoch uneingeladen auf der Hochzeit und verfluchte die junge Familie Streeb und alle ihre Nachkommen. Dann fraß sie noch das halbe kalte Buffet auf und verschwand.
Ein paar Jahre später bemerkten die Streebs den Fluch an ihrem Sohn August, der sämtliche Preise der Taubenzüchter-Vereinigung “Gurrender Turtel” gewann, worauf die Streebs nach Amerika auswanderten, weil sie in Loffenau von anderen Taubenzüchtern gemobbt wurden. Doch der Fluch folgte ihnen auch ins Exil. Trotz Namensänderung ereilte ihn auch Augusts Sohn Harry William Streep, der sämtliche Rekorde im Rehrücken-Wettessen gewann, bis er im Alter von nur 79 Jahren platzte. Dessen Sohn wiederum, Harry William Streep, Jr. arbeitete in einem Pharmaunternehmen und gewann 322 mal im Lotto, allerdings nur Kleinstbeträge, für die er sich am Ende seines Lebens einen schmucken Hometrainer von der Firma KETTLER leisten konnte. Doch erst seine Tochter Meryl sollte die schlimmsten Auswirkungen des Fluchs kennenlernen.
Der Fisch hat gesprochen
Naja, so war das jedenfalls. Wiederum 200 Jahre später ist heute, beziehungsweise gestern, und auch dort war Meryl Streep wieder präsent. Sie hat etwas gemacht aus dem Fluch ihrer Familie, geht damit ganz locker um und ich beneide sie dafür. Sie hat den Dreh raus. Ich muss mich noch immer für meine Ahnungen rechtfertigen, vielleicht auch eine Art Fluch. Keine Ahnung wegen der Ahnung! In diesem Jahr war sie mir aber wieder besonders treu, 8 von 13 Rubriken richtig geahnt, das sind rund 98 Prozent.
Allen voran den OSCAR für J.K. Simmons für seine wunderbare Vorstellung in WHIPLASH habe ich herbeigesehnt, leider konnte ich die Verleihung nicht sehen, denn bei Pro7 ist jemand auf´s Kabel gelatscht, ich hab schon gedacht, wieder Stromausfall in Schöneberg, aber dann fiel mir ein, ich hatte das Dolby-Theater mit dem Gasometer verwechselt und Lupita Nyong’o mit Günther Jauch. Egal!
Aber mal generell, bei manchen Gesangsnummern blühte gutes, altes WETTEN DASS…?-Feeling auf, da soll der Hanks nochmal meckern. Hat jemand Tom Hanks gestern irgendwo gesehen? Ich jedenfalls nicht. So, weiter. Auch richtig geahnt habe ich Patricia Arquette, das Glanzlicht des Films BOYHOOD, der als einer der Verlierer in diesem Jahr gilt. Auch ich hatte eine kleine Verbalattacke zu parieren, wieso ich so sträflich BOYHOOD ignoriere. Ich weiß es nicht, BOYHOOD ist ein wunderbarer Film, durchaus, aber so wirklich berührt hat mich das alles nicht, bis auf Arquette. Die Tatsache, einen Film über einen Zeitraum von 12 Jahren zu drehen, mit all den Konsequenzen, mag eine Meisterleistung der Planung, mehr noch der Regie sein. Verdient hätte ihn Linklater wenn dann als Regisseur. Als Geschichte ist jenes Power-Management-Experiment dann doch nur ein besserer Coming-of-Age-Film. Sprach´s und wurde vom wütenden Mob hinweggefegt.
Aber ich teile die Unkenrufe für die Ignorierung von THE LEGO MOVIE. Auch die grenzdebile Euro-Dance-Nummer auf LSD konnte diesen Fauxpas nicht aufwiegen. Ein wahrer Aufschrei hier im Hause verursachte der OSCAR für Mat Kirbys THE PHONE CALL, den ich schon im letzten Jahr auf dem Filmfest Dresden gesehen habe und der mich zu Tränen gerührt hat. Meine Haus- und Hof-Kategorien Drehbuch Original und Adaptiert gingen dank meiner Ahnung dann auch gerechterweise an BIRDMAN und THE IMITATION GAME, wenn auch Wes Anderson wieder leer ausging. Aber man kann nicht alles haben, auch ein cleen sweep blieb mir bei all der Vorahnung bislang verwehrt. So flutschte es bei der Regie noch, völlig zu Recht gewann Alejandro González Iñárritu für den wundervollen Film BIRDMAN, der auch bester Film wurde.
BIRDMAN oder BOYHOOD?
BIRDMAN oder BOYHOOD, ja da scheiden sich die Geister. Bewerte ich nur das Erlebnis des Films, und was sollte ich auch anders bewerten, Fleißpunkte gibt’s schon seit der fünften Klasse nicht mehr, dann hinterlässt BIRDMAN bei mir den größeren Impact. BIRDMAN ist virtuos, originell, überraschend und unglaublich dicht, ein tolles Ensemble, eine tolle Regie- und Kameraleistung, einfach der rundere, weil eckigere Film. Dann jedoch hörte der Spaß auf. Michael Keaton wurde sträflich übergangen, wie auch Amy Adams im Vorjahr, aber lassen wir das. Gerechterweise muss man sagen, Konkurrent Eddie Redmayne gönn ich den OSCAR wirklich.
Redmayne war atemberaubend in DIE ENTDECKUNG DER UNENDLICHKEIT, der Film selbst war mir zu einseitig erzählt, ich hätte gern mehr von Hawking erfahren als die zugegeben wundervolle Liebesgeschichte.
Um da die Keaton-Schmach ein wenig abzumildern, hätte es zumindest gut getan, auch Felicity Jones für DIE ENTDECKUNG DER UNENDLICHKEIT zu prämieren, denn sie war so ein tolles, zurückhaltendes Gegengewicht zu Redmaynes schauspielerischen Kraftakt, doch musste Jones Juliane Moore den Vorzug geben, die aber auch schon das vierte mal nominiert war. Ach herrjeh, das ist ganz schön anstrengend, so Vielen diese doofe Auszeichnung zu gönnen.
Waren schöne Sachen dabei in diesem Jahr, keine Frage. Aber zunehmend werden die OSCARS staubiger, sowohl von der Filmauswahl als vom Programm. Musicalnummer, ein wenig Schelte gegen Rassismus, für Feminismus, für Snowden, dann wieder ´ne Musicalnummer und John Travolta, wie er speichelt. Dazwischen immer mal wieder Meryl Streep. Mit ihren Kindern will ich nicht Poker spielen. Neil Patrick Harris als Moderator? War ok, weder berauschend noch unterirdisch. Hätte ruhig nochmal die SS-Uniform aus STARSHIP TROOPERS tragen können statt Unterwäsche, das wär bisschen zackiger gekommen. Aber auch das nur so ´ne Ahnung.
Was aber nun anstellen mit dieser Gabe? Ich könnte mir eine goldene Nase verdienen, wenn ich zum Beispiel Bradley Cooper prophezeie, dass er für seinen nächsten Film auf jeden Fall einen OSCAR bekommt, er muss nur irgendwas mit “American” im Titel haben, also AMERICAN TRAITOR, AMERICAN CALLBOY oder AMERICAN CLYSTER. Bis dahin lese ich noch ein wenig in gezuckerter Kondensmilch. Arrivederci, Leute!
Bester Film: BIRDMAN
Bestes Originaldrehbuch: BIRDMAN
Bestes adaptiertes Drehbuch: THE IMITATION GAME
Beste Hauptdarstellerin: Julianne Moore für STILL ALICE
Bester Hauptdarsteller: Eddie Redmayne für THE THEORY OF EVERYTHING
Beste Nebendarstellerin: Patricia Arquette für BOYHOOD
Bester Nebendarsteller: J.K.Simmons für WHIPLASH
Beste Regie: Alejandro Gonzáles Iñárritu für BIRDMAN
Bester fremdsprachiger Film: IDA (Polen)
Bester Animationsfilm: BAYMAX
Beste Kamera: BIRDMAN
Bestes Szenenbild: THE GRAND BUDAPEST HOTEL
Bester Ton: WHIPLASH
Bester Tonschnitt: AMERICAN SNIPER
Bester Schnitt: WHIPLASH
Bestes Kostümdesign: THE GRAND BUDAPEST HOTEL
Bestes Make-up und Frisuren: THE GRAND BUDAPEST HOTEL
Beste visuelle Effekte: INTERSTELLAR
Beste Filmmusik: THE GRAND BUDAPEST HOTEL
Bester Filmsong: “Glory” für SELMA
Bester animierter Kurzfilm: FEAST
Bester Kurzfilm: THE PHONE CALL
Bester Dokumentarkurzfilm: CRISIS HOTLINE: VETERANS PRESS
Bester Dokumentarfilm: CITIZENFOUR
[…] den letzten Wochen. Das muntere Hüpfen zwischen dem Deutschem Genrefilm auf der GENRENALE und dem Hollywood-Pomp bei den OSCARS ist ganz schön anstrengend, es geht auf die Kniegelenke und auch das Gemüt leidet unter […]