Die kleine Genrefibel Teil 72: Cosa Nostra

Das Kino ist nicht unbedingt ein moralisches Korrektiv, wenn es um die Darstellung von Kriminalität geht. Während Gewalt im Film oft stumpf und plakativ visualisiert wurde, neigte es in Sachen Verbrechen und Verbrecher mitunter zur Glorifizierung. Das beginnt beim Verständnis für kleinkriminelle Kassenentleerer und endet in der morbiden Faszination für grausame Serienmörder. Ohne Phantasie gibt es keine Verbrecher und keine Dichter. Wir haben uns in der kleinen Genrefibel schon häufig mit gesetzeswidrigen Elementen befasst, doch widmen wir uns nun der Königsdisziplin in Sachen Verbrechen – der organisierten Kriminalität.

 

Der organisierte Kriminalfilm ist nicht unbedingt ein Schlagwort im Genredickicht, wohl aber ein anderes, sorgsam eingebürgertes Synonym – der Mafiafilm. Aber einfacher macht es das nicht. Fällt der Begriff Mafiafilm, dann füllen sich einem die bulldoggigen Backentaschen, man quillt förmlich auf und raunt dem Gesprächspartner etwas von einem Angebot zu, welches er oder sie nicht ablehnen kann. Das ist Tatsache. Denn DER PATE von Francis Ford Coppola wiederum ist das bis heute gültige Synonym für den Mafiafilm. Aber ist das schon die ganze Wahrheit? Was ist das überhaupt, die Mafia, die wir so gut aus Filmen zu kennen scheinen?

 

Unsere Sache

 

Eine Nudel macht noch keine Spaghetti. Und Mafia ist mitnichten ein eindeutiger Begriff. Im Film assoziiert man mit der Mafia oft gut organisierte Verbrecherfamilien italienischer Abstammung in feinen Zwirnen, mit gehobenen Manieren, aber auch ungezügelter Brutalität. Ursprünglich war das auch so, dass man mit dem Begriff vor allem die sizilianische Mafia, die Cosa Nostra, meinte. Doch organisierte Verbrecherbanden existieren weltweit unter verschiedenen Namen, bei denen man den Begriff Mafia anwenden kann.

 

 

ONCE UPON A TIME IN AMERICA (1984) von Sergio Leone

 

 

Im Grunde sind alle organisierten Verbrecherbanden gleich strukturiert und teilen sich eine ähnliche Entstehungsgeschichte. Es sind hierarchisch aufgebaute Organisationen, die kriminelle Ziele systematisch verfolgen. Systematisch bedeutet, hinter dem Verbrechervorhaben steckt ein längerfristiger Plan – Gewinn und Macht zu steigern. Im Grunde ähneln solche Organisationen Großfirmen oder Konzernen, sie verfügen über ähnliche Strukturen, nur die Geschäftsgebaren unterscheiden sich gewaltig. Der Begriff Mafia kommt in diesem Fall von außen und wurde diesen Organisationen angeheftet. So sprachen beispielsweise die Mitglieder der sizilianischen Mafia untereinander nur von “Unserer Sache” – im italienischen Wortlaut “Cosa Nostra”.

 

So erhielt die wohl bekannteste Mafia der Welt ihren Namen, die sizilianische Cosa Nostra und ihr amerikanischer Ableger, die La Cosa Nostra. Die sizilianische Cosa Nostra entstand in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts in Sizilien und sie war nicht die einzige italienische Mafia, zu ihr gehören auch die neapolitanische Camorra oder die kalabrische ‘Ndrangheta. Die amerikanische La Cosa Nostra wiederum entstand durch zwielichtige italienische Immigranten, die ab 1870 vermehrt nach Amerika auswanderten und in den italienischen Stadtvierteln kriminellen Geschäften wie Erpressung nachgingen.

 

 

Die Mafia in der Öffentlichkeit, die Spitze des Eisbergs: Erpressungen der “Black Hand”, der chicagoer Gangsterboss Al Capone, Aufstieg und Fall der Mobster, der Pentito Joe Valachi, der Boss der Bosse John Gotti

 

 

Während die sizilianische Mafia in ihrem Ursprungsland eine Territorialmacht mit großem Einfluss auf die Politik war, sah das in Amerika ein wenig anders aus. Es gab große Konkurrenz zwischen den Gruppierungen und stärkeren politischen Gegenwind. Die Bevölkerung allerdings sah den Mob anfangs gänzlich anders. Als 1919 das Prohibitionsgesetz in Kraft trat, wurde das äußerst unpopulär aufgenommen. Es entstand ein Schwarzmarkt, der fast ausschließlich von den Mafiabanden kontrolliert wurde. Alkohol und Glücksspiel, die Mafia gab der Bevölkerung, was sie begehrte.

 

Damit waren die Kriminellen für die normalen Leute eher Typen vom Schlage eines Robin Hood. Hinzu kamen diverse Gebaren der sogenannten “uomo d’onore”, also Männern von Ehre, die einem gewissen Codex folgten, Stil besaßen und durchaus nützlich sein konnten. Dieses Bild der frühen Gangsterbanden, aus denen die Mafia entstand, wurde auch in der Kunst gespiegelt. Denn der Aufstieg des Mobs und die Evolution des Mediums Film fielen in die gleiche Ära.

 

Once Upon a Time in America

 

Bevor das Prohibitionsgesetz den Aufstieg diverser Gangsterbanden ermöglichte, lag ihr krimineller Brotverdienst vorrangig in der Erpressung. Die als “Black Hand” bezeichnete Methode war der erste große “Geschäftszweig” diverser Krimineller, die nach Amerika immigrierten. Aus Gangs wurden Clans mit Anführern, deren Namen und Taten man aus Zeitungen kannte. Aber auch aus dem Kino. Der erste Gangsterfilm der Welt kam 1906 in die Lichtspielhäuser – THE BLACK HAND: TRUE STORY OF A RECENT OCCURRENCE IN THE ITALIAN QUARTER OF NEW YORK und er handelte von Entführung und Erpressung durch eine Italo-Amerikanischen Gang.

 

 

Die ersten Gangsterfilme: THE BLACK HAND (1906), THE MUSKETEERS OF PIG ALLEY (1912), THE PUBLIC ENEMY (1931) & LITTLE CAESAR (1931)

 

 

Die Erpressung erfolgte per Brief, welcher mit einer schwarzen Hand unterzeichnet war. Das englische Verb “to blackmail” wird seither als Bezeichnung für eine Erpressung benutzt. 1912 drehte D. W. Griffith den Gangsterfilm THE MUSKETEERS OF PIG ALLEY, einer der ersten Crime Movies, der es verstand, einen fiktiven Gangsterkrimi mit dokumentarisch angehauchtem Sozialdrama zu verbinden, ein früher Vorläufer jenes filmischen Neorealismus der 60er Jahre, der auch den Mafiafilm veränderte .

 

 

30er Jahre Gangsterästhetik im Film – ROAD TO PERDITION (2002) von Sam Mendes

 

 

Bis in die 1930er Jahre hinein galten Gangs und Gangster als zwielichtig, aber auch als heroisch, denn oberflächlich betrachtet richtete sich ihre kriminelle Energie nicht gegen die normale Bevölkerung, sondern hauptsächlich gegen andere konkurrierende Gruppen oder die Polizei. Verbrecher wie John Dillinger, der auf Bankraub spezialisiert war und Amerikas erster “Staatsfeind Nr. 1” wurde, schlugen dem Gesetz wieder und wieder ein Schnippchen, das wurde durchaus bewundert vom gemeinen Volk. Solche Gangster waren für den Film reines Figurengold und so entstanden bereits früh die ersten Portraits von Mobstern und Bossen, die ganz und gar nicht Fiktion waren.

 

Nicht alle Filmgangster waren der Mafia angehörig. Aber auch Kriminelle wie John Dillinger oder Baby Face Nelson kamen in ihrer Laufbahn mit den Mitgliedern der amerikanischen Cosa Nostra in Berührung. Bis heute sind die 30er Jahre für den Gangsterfilm ungemein beliebt, prägten die Mode und gaben dem Film Symbole wie die berühmte Tommy Gun, für die amerikanische Gangster eine Vorliebe entwickelten. Doch das allein reichte nicht, um ein echter Gangsterboss zu werden.

 

Da es in den 30er Jahren noch keine definitive Bezeichnung für die Mafia gab, bezeichnete man vor allem die amerikanische La Cosa Nostra gemein hin als Mob. Intern bezeichneten die sich wiederum mit amerikanisierten Begriffen synonym zu den sizilianischen “uomo d’onore” als “man of honor”, “goodfella” oder “whiseguys”. Nach außen gingen sie scheinbar normalen Geschäften nach. Doch ein jeder wusste, mit diesen Leuten ist nicht zu spaßen und man hat zu zahlen, wenn der Schutzgeldmann um’s Eck kommt.

 

Das Narbengesicht

 

Zu einem echten Symbol für die organisierte Kriminalität wurde dann der US-amerikanische Gangster italienischer Abstammung Alphonse Gabriel “Al” Capone aus Chicago, der auch den Archetypus des Gangsterbosses im Film bis heute formte. Al Capone wurde bereits zu Lebzeiten im Film porträtiert. 1932, im Jahr der Verurteilung und Inhaftierung Capones wegen Steuerhinterziehung, das einzige Mittel der amerikanischen Justiz, dem Gangster habhaft zu werden, kam der Film SCARFACE von Howard Hawks ins Kino.

 

 

Paul Muni als Antonio Camonte alias Al Capone in SCARFACE (1932) von Howard Hawks

 

 

Die Titelfigur hörte zwar auf den Namen Antonio Camonte, aber das berüchtigte Vorbild war jedem sofort klar, auch abseits der verräterischen Initialen. Wie der echte Al Capone trug Camonte eine Narbe im Gesicht, welche ihm den titelgebenden Spitznamen Scarface einbrachte. Camonte stieg wie Capone durch Alkoholschmuggel auf, löste Bandenkriege in Chicago aus, wurde am Ende aber von der Polizei erschossen. Dieses Ende von SCARFACE allerdings wurde aufgrund des Hays Codes zensiert und umgearbeitet.

 

 

Rod Steiger in AL CAPONE (1959) von Richard Wilson

 

 

Von SCARFACE existieren verschiedene Schnittfassungen, freigegeben wurde seinerzeit jene Fassung, in welcher der Gangsterboss durch die amerikanische Justiz verurteilt wurde. Auch wenn der Hays Code wenige Jahre später aufgegeben wurde, der Zwiespalt zwischen Bewunderung für den Verbrecher und staatlich verordneter Moral und Justiziabilität blieb bis zum heutigen Tage ein streitbares Argument für den Erfolg von Mafiafilmen.

 

Während der Produktion des Films SCARFACE war Al Capone noch auf freiem Fuß und auch nicht mehr der Robin Hood für die Bevölkerung wie in den frühen Jahren seines Aufstiegs. Der Grund für den Sinneswandel lag im Valentinstag-Massaker vom 14. Februar 1929, dem Höhepunkt des Bandenkrieges zwischen Mobstern in Chicago, für den Al Capone mutmaßlicher Auftraggeber war. Das bedeutete auch das Ende der Bewunderung für den Mob und die Gangster in feinen Zwirnen.

 

Trotz allem blieb Al Capone im Kino lebendig und überaus beliebt. Nach Paul Muni, welcher Antonio Camonte alias Al Capone in SCARFACE 1932 verkörperte, folgten weitere Darstellungen des Gangsterbosses von großen Mimen wie Rod Steiger (AL CAPONE, 1959), Jason Robards in THE ST. VALENTINES DAY MASSACRE (1967) oder Robert De Niro in THE UNTOUCHABLES (1987).

 

Jason Robards in THE ST. VALENTINE’S DAY MASSACRE (1967) von Roger Corman

Robert De Niro als Al Capone in THE UNTOUCHABLES (1987) von Brian De Palma

 

Nach dem zweiten Weltkrieg expandierte die amerikanische Cosa Nostra in vielen Bereichen, vor allem im Glücksspiel und im Drogenhandel. Die Bevölkerung aber kannte bis in die 60er Jahre hinein nur die Auswirkungen der Bandenkriminalität oder ihrer Ikonen wie Al Capone oder Frank Costello. Ein Blick in die Organisation selbst blieb selbst den Polizeibehörden verwehrt.

 

So waren die Filme um Mafiosi bis in die 70er Jahre hinein vor allem plakative Gangsterkrimis voll Mutmaßungen und fragwürdiger Legendenbildung. Das änderte sich erst, als Insider vom inneren Wirken der Mafia berichteten und den Aufbau wie die Struktur der Organisationen offenlegten. Das führte im Film zu einer dramaturgischen Blickwinkelveränderung, vor allem im Genre.

 

Gesetze des Schweigens

 

Das Subgenre des modernen Mafiafilms wurde erst nach diversen Enthüllungen geboren, zuvor existierten noch nicht einmal die heute gebräuchlichen Begrifflichkeiten. Vor 1950 sprach man so gut wie nie von der Mafia oder der Cosa Nostra, es bedurfte einer groß angelegten Dechiffrierung. Diese geschah vor allem durch Joe Valachi, einem Mitglied der amerikanischen Cosa Nostra, der als erste Person das Gesetz des Schweigens, die Omertá, brach und somit zum Pentito, zum Geständigen wurde. Die Offenlegung der internen Mafiastrukturen formte das Subgenre von Grund auf.

 

Was wusste man vorher schon über die Mafia? Die Organisationen waren auf Abgrenzung von Außen bedacht, Zuwiderhandlungen endeten meist tödlich. Joe Valachi war der erste, der die Bezeichnung La Cosa Nostra öffentlich machte und damit auch die Struktur der Organisation. In der Mafia gab es strenge Hierarchien, die Organisation ist in verschiedene Familien unterteilt, fünf Großfamilien allein in New York, es gab “Soldaten”, “Skipper”, “Unterbosse” und natürlich den großen Boss an sich.

 

Die Mafia verfolgte einen Codex, Verstöße wie die Omertá wurden mit großer Brutalität geahndet, es gab Rituale und Regelwerke, Blutrache, Geheimnisse, Tributzahlungen bis hin zu Vorschriften bezüglich Frisuren und Bärte. Das Innenleben der Mafia war so komplex, dass es für Filmemacher Gold wert war, um Figuren mit Leben zu füllen. Konkurrierende Mafiosi der verschiedensten Karrierestufen, das waren nicht nur Gangster mit Zigarren, Hüten und Tommy Guns, es war ein eigener Mikrokosmos.

 

 

DER DON IST TOT (1973) von Richard Fleischer

 

 

Das veränderte auch die Perspektive. War diese bis in die 60er Jahre fast immer eine Betrachtung von Außen, stürzten sich Filmemacher nach dem Valachi Prozess 1963 dank interner Geheimnisse auf die Darstellung der Mafia in ihrem Inneren. Trotzdem gibt es bis heute beide Perspektiven, der Polizeifilm oder der Justizfilm um Figuren, die die Mafia bekämpfen und das Mafiadrama um die Organisation an sich.

 

Durch die Anhörung von Joe Valachi kam vieles ans Tageslicht, die Existenz der fünf New Yorker Mafiafamilien, die Expansion, diverse ungeklärte Morde, die Mafiahierarchie. Die Anhörung Valachis geschah öffentlich und wurde von Film- und Fernsehkameras begleitet. Für das amerikanische Rechtssystem bedeutete das jahrzehntelange Arbeit. Für den Film bedeutete das eine unüberschaubare Stoffvorlage von globaler Bedeutung und Interesse, ebenfalls für Jahrzehnte.

 

1969 veröffentlichte der Schriftsteller Peter Maas das Buch “Die Valachi Papiere” mit Interna über die amerikanische La Cosa Nostra. Im gleichen Jahr erschien ein Roman des Schriftstellers Mario Puzo namens “The Godfather”, welches ein Bestseller wurde. Die Öffentlichkeit war geradezu wissbegierig auf die Enthüllungen, die Faszination für die Mafia war neu entfacht worden. Und kurze Zeit später übertrug sich das auch auf das Medium Film, als es Anfang der 70er Jahre zu einer Hochzeit des Mafiafilms kam.

 

 

DIE VALACHI PAPIERE (1973) von Terence Young

 

1973 erschien die Verfilmung von Peter Maas’ Buch als DIE VALACHI PAPIERE mit Charles Bronson als Joe Valachi und Lino Ventura als Gangsterboss Vito Genovese. In Rückblenden erzählt der Film unter der Regie von Terrence Young die Geschichte Valachis und seine Verstrickungen innerhalb der New Yorker Mafia bis zur Omertá, dem Bruch des Schweigens, im Kronzeugenprozess gegen die Genovese Familie. DIE VALACHI PAPIERE war der erste Mafiafilm, der sich auf authentisches Material berufen konnte und nicht bloß auf Gerüchte. Doch im Kino sorgte bereits wenige Monate vor DIE VALACHI PAPIERE ein anderer Mafiafilm für Aufsehen.

 

“Luca Brasi sleeps with the fishes”

 

Im März 1972 kam die Verfilmung von Mario Puzos Roman “The Godfather” in die amerikanischen Kinos und wurde ein grandioser Erfolg. Zudem prägte er das Bild der amerikanischen La Cosa Nostra bis zu heutigen Tage. Der erst 31jährige Francis Ford Coppola drehte bereits seit 1962 Filme, er war ein Schützling Roger Cormans und gründete 1969 sein eigenes Studio “American Zoetrope”, um sich vom schwächelnden Hollywoodsystem abzukoppeln. Dennoch konnte 1971 das Angebot einer Verfilmung von Puzos Roman “The Godfather” nicht ablehnen. Zum Glück, denn THE GODFATHER wurde Coppola großer Durchbruch als Regisseur.

 

 

Marlon Brando und Al Pacino in DER PATE (1972) von Francis Ford Coppola

 

 

THE GODFATHER, zu deutsch DER PATE wurde aber nicht nur ein Kinoerfolg und prägte den Gangsterfilm der nachfolgenden Jahrzehnte, er beeinflusste auch die echte Mafia. Während die Produzenten aus Sicherheitsgründen die Verwendung des Wortes “Mafia” im Film untersagten (der Begriff fällt nicht ein einziges Mal), liehen sich echte Mafiosi nur allzu gern den Duktus aus Coppolas Film. Zuvor wurde der Begriff des “Paten” nicht verwendet, es hieß schlicht Boss. DER PATE begeisterte also nicht nur das Publikum, sondern auch die Mafia selbst.

 

DER PATE spiegelte vor allem die neuen internen Erkenntnisse über die Mafia, vor allem die Hierarchien und charakterlichen Beweggründe. Ehre und Stolz standen stark im Vordergrund. Das imponierte der echten Mafia sehr und Kritiker unterstellten dem Film, er wirke wie ein Werbespot für die Cosa Nostra. Ganz ist das nicht von der Hand zu weisen, im Gegensatz zu dem ein Jahr später erschienenen DIE VALACHI PAPIERE war DER PATE geradezu überromantisiert.

 

DER PATE brachte die Faszination über den Mob zurück, wie sie vor dem Valentinstags-Massaker von 1929 war – Mafiosi, Gangster und Bosse wurden wieder Ehrenmänner, die italienische Familiensentimentalität wurde bewundert, Don Vito Corleone, gespielt von Marlon Brando, regelrecht vergöttert. “Ich werde ihm ein Angebot machen, das er nicht ablehnen kann.” liegt bis heute in der Top 100 der beliebtesten Filmzitate auf Platz 2. Es hat eine gewisse Ironie, dass Filme wie DER PATE, die nach den Offenbarungen um die Mafia entstanden, jene Faszination am organisierten Verbrechen innerhalb der Öffentlichkeit erst wiederbelebt hatten.

 

 

Aufstieg von Don Vito Corleone (Robert De Niro) und Fall von Don Michael Corleone (Al Pacino) in DER PATE TEIL 2 (1974) von Francis Ford Coppola

 

 

Doch davon abgesehen waren DER PATE und die Fortsetzungen DER PATE TEIL 2 und 3 auch deshalb so erfolgreich, weil sie handwerklich einfach großartig waren. Es waren zwar große Epen, spiegelten aber auch den neuen Realismus der 60er Jahre, worauf sich das gesamte System Hollywoods veränderte. Es war nicht nur eine neue Filmemachergeneration, auch eine Handvoll junger Schauspieler prägten den Gangsterfilm und blieben ihm bis zum heutigen Tage treu, darunter Al Pacino und Robert De Niro.

 

 

Al Pacino im Finale DER PATE TEIL 3 (1990) von Francis Ford Coppola

 

 

Mit dem Erfolg von Coppolas DER PATE war der Weg frei für die stetige Evolution des Mafiafilms in den 70er, 80er und vor allem 90er Jahren, denn die Valachi-Anhörung war nicht die letzte Informationsquelle aus dem Inneren der amerikanischen Cosa Nostra. In den folgenden Jahrzehnten sollten mehr und mehr Details der kriminellen Organisationen und Familien ans Tageslicht kommen, das Interesse der Öffentlichkeit war riesig. Und es torpedierte Filmemacher, die sich mit dieser Materie beschäftigten, schnurstraks in den Filmolymp, wie den italienischstämmigen Filmemacher Martin Scorcese, welcher als der Mafiaregisseur berühmt wurde.

 

Godfathers & Goodfellas

 

Dabei befinden sich in Scorceses Filmographie nur vier offizielle Mafiawerke, die allerdings neben DER PATE zu den wichtigsten Werken des Subgenres gehören. 1973 kam MEAN STREETS (HEXENKESSEL) in die Kinos, in den Hauptrollen Jungstars wie Harvey Keitel und Robert De Niro, welche wie Scorcese schlagartig berühmt wurden. Im Gegensatz zu DER PATE wirkt die Geschichte um einen Schuldeneintreiber der La Cosa Nostra nicht romantisiert, sondern dreckig, abstoßend und wiederum semi-dokumentarisch.

 

 

Robert De Niro, Regisseur Martin Scorcese und Harvey Keitel in MEAN STREETS (1973)

 

 

Es war eine neue Art der Inszenierung, die Mitte der 50er Jahre durch Filme wie FAUST IM NACKEN entstand, der sogenannte “neue Realismus”. Dazu gehörte auch eine neue Form des Schauspiels namens “Method Acting”, denen sich Stars wie Marlon Brando oder Robert De Niro verschrieben. Auch ein Grund, warum der US-amerikanische Mafiafilm so erfolgreich wurde, denn er hatte im Gegensatz zu anderen Gangstersubgenres wie dem italienischen Mafiafilm der 70er Jahre selten exploitativen Charakter.

 

Die Namen Scorcese, De Niro oder Pacino sind heute auch Synonyme für den Mafiafilm. Robert De Niro trat nach MEAN STREETS in Coppolas Magnum Opus DER PATE 2 fulminant in Erscheinung, ein paar Jahre später dann in Sergio Leones Portrait der Entstehung der jüdischen Mafia namens “Kosher Nostra” ES WAR EINMAL IN AMERIKA. Al Pacino wiederum spielte nach den ersten beiden Teilen von DER PATE in Brian De Palmas Remake von SCARFACE (1983) die modernisierte Al Capone Figur Tony Montana.

 

ONCE UPON A TIME IN AMERICA (1984) von Sergio Leone

SCARFACE (1983) von Brian De Palma

 

Dennoch dauerte es bis zum Jahr 1990, bis Martin Scorcese einen weiteren Mafiafilm mit Robert De Niro in Angriff nahm – GOODFELLAS – DREI JAHRZEHNTE IN DER MAFIA. Inszenatorisch hatte sich einiges geändert, GOODFELLAS konnte man gut als Gegenstück zu DER PATE betrachten, er war alles andere als romantisiert, eher düster, pessimistisch und überaus realistisch. Durch GOODFELLAS wurde TV-Darsteller Ray Liotta weltberühmt, Joe Pesci gewann für seine Rolle als Tommy DeVito einen Oscar.

 

 

Ray Liotta, Robert De Niro, Paul Sorvino und Joe Pesci in GOODFELLAS – DREI JAHRZEHNTE IN DER MAFIA (1990) von Martin Scorcese

 

 

1990 konkurrierten drei Mafiafilmproduktionen an der Kinokasse und läuteten eine weitere Hochzeit des Subgenres in den 90ern ein. Mit DER PATE 3 schloss Francis Ford Coppola seine Trilogie um die Corleone Familie und mit MILLERS CROSSING inszenierten die Coen Brothers einen rauen Mafiafilm alter Schule, der jedoch im Angesicht der Mitbewerber an der Kinokasse floppte.

 

Robert De Niro inszenierte 1993 sein eigenes Epos IN DEN STRAßEN DER BRONX, bis er 1995 mit Martin Scorcese und seinem Kompagnon Joe Pesci aus GOODFELLAS mit CASINO einen weiteren Mafiaklassiker realisierte. Al Pacino hingegen drehte mit CARLITOS WAY (1993) von Brian De Palma und DONNIE BRASCO (1997) von Mike Newell zwei bemerkenswerte Mafiastreifen, insbesondere letzterer zählt zu den realistischsten wie spannendsten Werken um das organisierte Verbrechen.

 

IN DEN STRAßEN DER BRONX (1993) von Robert De Niro

DONNIE BRASCO (1997) von Mike Newell

 

2006 legte Martin Scorcese wiederum seinen bislang letzten, vierten Mafiafilm DEPARTED – UNTER FEINDEN vor, für den er letztendlich auch den Oscar für die beste Regie gewann. Zwar muss der Streifen mit Jack Nicholson als Gangsterboss Frank Costello ohne die Haus- und Hofschauspieler De Niro oder Pesci auskommen, beeindruckend ist das Mafiaepos allerdings in jedem Fall.

 

 

Jack Nicholson in THE DEPARTED – UNTER FEINDEN (2006) von Martin Scorcese

 

 

THE DEPARTED wirkt auf dem ersten Blick wie ein wilder Mafiaremix. Der Film thematisiert die irische Mafia unter Gangsterboss Frank Costello, einem der einflussreichsten Mafiabosse der 30er Jahre. Dennoch trägt Jack Nicholsons Figur nur dessen Namen, angelegt war sie an einen anderen Gangsterboss, an James J. Bulgar, dessen Leben auch mit BLACK MASS verfilmt wurde. Darüber hinaus handelt es sich bei THE DEPARTED auch noch um ein Remake des chinesischen Gangsterthriller INFERNAL AFFAIRS aus dem Jahr 2002, welcher ursprünglich eine ganz andere Vereinigung organisierter Kriminalität behandelte.

 

Triaden & Yakuza

 

INFERNAL AFFAIRS wie auch das Remake THE DEPARTED verdichten einen wichtigen Aspekt des Mafiafilm, egal ob irische Mafia oder chinesische Triaden, die im Mittelpunkt von INFERNAL AFFAIRS stehen. Seit dem Kronzeugenprozess um Valachi stellte sich auch die Frage, in wie weit die Mafia die eigenen Leute in Politik und Wirtschaft eingeschleust hat oder aber auch bei der Polizei. Filme wie DONNIE BRASCO erzählen eine andere Perspektive, in der FBI-Ermittler verdeckt innerhalb der Mafia operieren.

 

 

INFERNAL AFFAIRS (2002) von Andrew Lau und Alan Mak

 

 

INFERNAL AFFAIRS nimmt sich beider Perspektiven an, ein Cop wird in die Mafia eingeschleust, um das Vertrauen des Triaden Anführers zu gewinnen. Gleichzeitig hat dieser einen eigenen Mann bei der Polizei installiert. Als beiden Seiten von der Beschattung erfahren, beginnt eine nervenaufreibende Suche nach den Spitzeln.

 

Schweigebrecher, Maulwürfe und Spitzel, sie gehören zu den wichtigsten Zutaten des Mafiathrillers, denn sie spiegeln am besten das Hauptmotiv des Mafiafilms – die Ehre. Das Ehrprinzip ist in allen Mafiaorganisationen gleich, egal ob innerhalb der Cosa Nostra oder der chinesischen Triaden. Diese bilden ein weiteres Subgenre des Mafiafilms, die allerdings ein wenig im Schatten der japanischen Yakuzafilme stehen, welche in den 70er Jahren eine Hochzeit im asiatischen Raum hatten.

 

Die chinesischen Triaden im Film wurden erst durch die aufsehenerregenden Actionkracher von John Woo international bekannt, dessen Werke CITY WOLF aka A BETTER TOMORROW von 1986 und vor allem THE KILLER aus dem Jahr 1989 zu Klassikern wurden. Sie werden allerdings selten als Mafiafilme wahrgenommen, sondern bekleiden ihr eigenes Subgenre, die sogenannte Hong-Kong-Blut-Oper oder auch Heroic Bloodsheet genannt. Doch auch hier stehen Gewalt, Bruderschaft und Ehre im Vordergrund.

 

 

SYMPATHY FOR THE UNDERDOG (1971) von Kinji Fukasaku

 

 

Prominenter allerdings bleiben die japanischen Yakuzafilme, deren Hauptwerke die gesamte japanische Filmindustrie in den 70er Jahren angekurbelt haben. Filmisch entsprang dieses Subgenre den Ninkyō Filmen um gesetzlose Samurai. In dieser Tradition sahen sich auch die echten Yakuzamitglieder.

 

In den 70er Jahren entstand dann in den Tōei-Studios eine neue Art des Yakuzafilms mit eher semi-dokumentarischen Charakter. Berühmt wurde vor allem BATTLES WITHOUT HONOR AN HUMANITY von Regisseur Kinji Fukasaku, welcher vier Fortsetzungen erhielt und die Yakuza weit weniger heroisch portraitierte als die Ninkyō Filme der 60er. Von Fukasaku stammt auch der Yakuzaklassiker GRAVEYARD OF HONOR von 1973, welcher 2002 von Takashi Miike ein Remake erhielt.

 

Die Yakuzafilme waren große Kinoerfolge in Japan und diese Welle schwappte Anfang der 90er Jahre auch nach Amerika, während sie im Heimatland Japan schon längst keine Kassenschlager mehr waren. Was vom alten Ehrgefühl der Yakuza als selbsternannte Samurainachfolger nach Amerika importiert wurde, war meist nur das Yubitsume, das Abschneiden eines Fingergliedes als Geste der Abbite und Wiedergutmachung, wie in YAKUZA (1975) von Sydney Pollack oder in BLACK RAIN (1989) von Ridley Scott.

 

YAKUZA (1975) von Sydney Pollack

MINBO – DIE KUNST DES ERPRESSENS (1992) von Juzo Itami

 

1992 erschien der Film MINBO – DIE KUNST DES ERPRESSENS von Regisseur Juzo Itami, eine Yakuzakomödie. Bereits ab den 70er Jahren waren die Yakuza im japanischen Kino keine edlen Samurai mehr, sondern Gangster. Mit MINBO wurden sie nun zudem der Lächerlichkeit preisgegeben, was die echte japanische Yakuza alles andere als erfreute. So wurde Regisseur Juzo Itami von echten Yakuzaschlägern bedroht und verletzt. 1997 nahm sich Itami das Leben, die genauen Umstände konnten nie geklärt werden, so ranken sich wilde Verschwörungstheorien um Itamis tragischen Tod, in dem angeblich die japanische Yakuza verwickelt war.

 

 

OUTRAGE (2010) von Takeshi Kitano

 

 

Wilde Gerüchte um die Verstrickungen der Mafia in diversen Filmproduktionen gibt es viele. Ist es nun gefährlich, einen Mafiafilm zu drehen? Wenn aber schon große Klassiker wie DER PATE zu den Lieblingsfilmen der Mafia selbst gehören, möchte man meinen, die Mafia war nie sonderlich erbost über ihre filmische Darstellung. Nur der Lächerlichkeit wollten sie nie preis gegeben werden.

 

Dielen knarren: Mafia verkauft Pistolen im Altbau

 

Nichts desto trotz hat sich vor allem die Mafiakomödie ab den 80ern zu einem echten Subgenre entwickelt. Das lag vor allem an der dankbaren Vorlage des Mafiosos, der ob seiner Ikonographie perfekt zur Persiflage taugte. Das Coole an Mafiakomödien ist, dass sie nicht wie andere Parodien auf kleiner Flamme gekocht wurden. Alle großen Mafiastars haben sich ebenso hingebungsvoll der Komödie verschrieben.

 

Allen voran natürlich Marlon Brando, der seine Rolle als Don Vito Corleone in THE FRESHMAN von 1987 parodierte. Al Pacino mimte 1990 in DICK TRACY einen völlig bekloppten Mafiaboss namens Alphonse Caprice, Robert De Niro mimte einen neurotischen Mafiosi in MAD DOG und in zwei Teilen REINE NERVENSACHE. Unvergleichlich auch sein Auftritt in MALAVITA, in dem er als Mafiaaussteiger in einem Filmclub selbst GOODFELLAS anschaut und mit Filmfreaks darüber debattiert.

 

Für die Mafiakomödie war aber nicht nur der Mafiaboss eine willkommene Figur. Ebenso häufig musste der berühmte Mafiakiller als Parodie herhalten wie in KEINE HALBEN SACHEN oder YOU KILL ME. Das war nicht unbedingt historisch korrekt, denn die Mafia hat nie externe Leute als Killer angeheuert. Mord war wie alles andere auch eine Ehrensache und wurde intern behandelt.

 

 

Große Mimen, große Mafiakomik: Marlon Brando in THE FRESHMAN (1987), Lloyd Bridges in JANE AUSTENS MAFIA (1998) von Jim Abrahams, Al Pacino in DICK TRACY (1990) & Robert De Niro in REINE NERVENSACHE (1999)

 

 

Die Mafia wurde geliebt, gehasst, demontiert und parodiert und am Ende wurden Mafiastoffe auch im TV große Erfolge. Der Grund hierfür war vor allem das Format, denn komplexe Mafiastrukturen mit Hierarchien, Mitgliedern, Mobstern und Bossen waren eine üppige Stoffquelle für expandierende Serienformate. Das begann bereits vor der Serienrevolution und den berühmten SOPRANOS.

 

 

Michele Placido in ALLEIN GEGEN DIE MAFIA (1984 – 2001)

 

 

Die erste große Mafiaserie war ALLEIN GEGEN DIE MAFIA, die zwischen 1984 und 2001 in zehn Staffeln vom italienischen Sender Rai Uno mit europäischer Beteiligung produziert wurde. Die Serie wurde ein weltweiter Erfolg und erreichte vor allem im Ursprungsland Einschaltquoten, die bisher nie wieder erreicht wurden. Zudem war ALLEIN GEGEN DIE MAFIA eine der ersten realistischen TV-Abbildungen der Mafia abseits der Filmklischees.

 

Ganz im Gegensatz zur Serie THE SOPRANOS, die es zwischen 1999 und 2007 auf 6 Staffeln brachte und nicht minder Kultstatus unter den Mafiafans besitzt. THE SOPRANOS vereint alle gängigen Mafiaklischees, gilt mitunter als Filtrat von Klassikern wie GOODFELLAS oder DER PATE, doch ein Ansatz war bemerkenswert. In THE SOPRANOS geht es um einen Mafiaboss, der sich neben seiner mafiösen Patenschaft auch mit familiären Problemen herumschlagen muss und sich in Therapie begibt.

 

Trotzdem ist das Ganze nur bedingt ein Comedyformat, denn THE SOPRANOS atmet echtes Mafiaflair, zumindest wie man ihn aus den genannten Filmklassikern kennt. Sie lebt vor allem von der großartigen Besetzung, darunter zum Teil alte GOODFELLAS wie Lorraine Braco und Franc Vincent, allen voran aber natürlich der großartige James Gandolfini als Pate Anthony “Tony” Soprano.

 

 

James Gandoflini in THE SOPRANOS (1999 – 2007)

 

 

Nach dem Erfolg von ALLEIN GEGEN DIE MAFIA und THE SOPRANOS und dem Aufstieg der Pay-TV Sender schossen allerorten Mafiaserien aus dem Boden. Crime war vor allem im TV erfolgreich, die Mafia lieferte die nötige Komplexität. Doch es blieb nicht beim Klischee und der romantisierten Vorstellung über das organisierte Verbrechen, erst spät wandelten sich Mafiastoffe erneut.

 

Mafia 2.0

 

Sämtliche Mafiafilme haben einen realistischen Background oder basieren auf Erkenntnissen über die echte Mafia. Am Anfang war recht wenig über die inneren Strukturen bekannt, was die Phantasie von diversen Filmemachern nährte. Die großen Enthüllungen und Prozesse vervollständigten das Bild, doch der Mafiafilm blieb lange Zeit eine Insel. Jeder wusste, es gab sie, die echte Mafia. Ein jeder wusste aber auch, das waren nicht immer Leute wie Don Vito Corleone oder Tony Soprano.

 

 

Russenmafia: Viggo Mortensen in EASTERN PROMISES – TÖDLICHE VERSPRECHEN (2007) von David Cronenberg

 

 

Nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion wurde eine neue Begrifflichkeit publik, wenig später auch im Film – die sogenannte Russenmafia. Sie galt ganz und gar nicht als romantisch und verfügte auch nicht über so charismatische Bosse wie innerhalb der La Cosa Nostra. Die Russenmafia wurde im Film eher als plakatives Feindbild benutzt. Hinzu kamen mafiöse Vereinigungen aus aller Welt sowie neue Zweige organisierter Kriminalität wie die Wettmafia, die Müllmafia oder die Lebensmittelmafia.

 

 

Ab den 2000er Jahren befassten sich einige wenige Filme mit der Mafia auch außerhalb des Crime Genres und sie entromantisierten die Materie noch weiter. Der Film GOMORRHA – REISE IN DAS REICH DER CAMORRA aus dem Jahr 2008 von Matteo Garrone schildert das wahre Wesen der neapolitanischen Camorra und gilt zu den wichtigsten italienischen Filmen der Neuzeit, die auch international für großes Aufsehen sorgten, inklusive diverser Oscar und Golden Globe Nominierungen.

 

 

GOMORRHA – REISE IN DAS REICH DER CAMORRA (2008) von Matteo Garrone

 

 

2015 folgte mit SUBURRA von Stefano Sollima ein weiterer italienischer Mafiafilm politischer Färbung abseits der üblichen Formel um mafiöse Verstrickungen im Rom des Jahres 2011. Beide Werke, GOMORRHA und SUBURRA erhielten TV-Serienableger, die noch tiefer in den Sumpf aus Korruption und Gewalt eintauchen. Besonders der neue italienische Film bemüht sich um ein Korrektiv in Sachen Mafia, darunter die modernen Klassiker 100 SCHRITTE oder THE MAFIA KILLS ONLY IN SUMMER.

 

Trotzdem lebt er weiter, der klassische Mafiafilm mit all seinen narrativen Elementen, auch wenn diese überholt zu sein scheinen. Die Mafiafilmwelt ist realistisch und unrealistisch zugleich. Nach wie vor stehen Gangster und Bosse im Vordergrund, Ehre, Familie, Vertrauen und Verrat – Zutaten, die wohl auch Martin Scorcese noch zu mischen versteht, der gerade seinen fünften Mafiafilm THE IRISHMAN mit Robert De Niro, Al Pacino und Joe Pesci exklusiv für Netflix inszeniert.

 

Al Pacino und Robert De Niro in THE IRISHMAN (2019) von Martin Scorcese

Tom Hardy als Al Capone in FONZO (2019) von Josh Trank

 

Auch Al Capone wird noch einmal ein Film gewidmet, Tom Hardy spielt den Chicagoer Gangsterboss in FONZO von CHRONICLE Regisseur Josh Trank. Auch soll es eine Prequel Serie zu THE SOPRANOS geben mit dem Titel THE MANY SAINTS OF NEWARK. Das organisierte Verbrechen ist auch im Jahr 2019 sowohl im Kino, im TV als auch in der realen Welt allgegenwärtig, nicht nur die sizilianische oder die amerikanische Cosa Nostra. Arrivederci.

 

 

_________________________________________________________________________________________________________________________________________

 

In der Reihe DIE KLEINE GENREFIBEL habe ich es mir zur Aufgabe gemacht, sämtliche Genre, Subgenre, Mikro- und Nanogenre des Genrefilms vorzustellen. Eine Aufgabe, die mich bis weit nach mein Lebensende beschäftigen wird. Ich lege den Fokus auf Dramaturgie und Buch, werde mich aber auch mit der Inszenierung sowie den jeweils besten Vertretern befassen.

 

Lesen Sie in der nächsten Folge:

 

 

 

3 Comments

  1. Antworten
    wir-lieben-google-adwords 27. Februar 2019

    Hallo! Sehr interessanter Beitrag, in dem viel Wahres enthalten ist. In den Filmen ist Kriminalität wirklich anders dargestellt und die Zuschauer fantasieren sich viel zusammen und entwickeln dadurch eine Faszination für Serienmörder. Ich denke, dass diese Faszination bei Büchern noch extremer ist, da man dort noch mehr Fantasie benötigt? Was denkst du darüber?

  2. Antworten
    Kinophil 22. März 2019

    Hi, sehr guter Artikel, wie auch der Rest dieser Seite. Gibt sehr gut die gesamte Entwicklung des Genres wieder. Da Du auch auf Yakuzafilme bzw. den neuen Realismus der Mafiafilme eingehst, fehlt eigentlich noch der Verweis auf das Narco-Cinema, das sich gerade in letzter Zeit von einem Nischenprodukt für südamerikanische Migranten (v.a. Mexico) hin zu einem internationalen Bestseller entwickelt hat. Beispiele wären Sicario, Escobar:Paradise Lost (Kino)und natürlich diverse TV-Serien: Narcos/Narcos-Mexico; El Chapo. Einen guten Überblick zu den Vorläufern, der genannten Serien/Filme, die heute en vogue sind, wäre: Vice Guide to film: narco cinema.Nochmals tolle Arbeit, die Du mit dieser Seite machst!

  3. Antworten

    […] Die berühmteste amerikanische Legende ist die vom Tellerwäscher, der zum Millionär wird. Sie war und ist oft Basis des typischen Hollywoodkinos und sie bildet eine Sehnsucht von Millionen, wenn nicht Milliarden Menschen ab, Erfolg und Reichtum durch harte Arbeit. Die Geschichte vom Tellerwäscher zum Millionär ist eine der am meisten verfilmten Trope. Geld steht hier nicht immer im direkten Vordergrund und ist wie so oft ein Mittel zum Zweck. Das bedeutendere Ziel der Figuren ist Erfolg. Manchmal wird Erfolg durch ein Talent bedingt (A STAR IS BORN), manchmal ist es Glück (PRETTY WOMAN), manchmal Gewalt (SCARFACE). […]

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Christian Hempel | Autor, Dramaturg und Stoffentwickler | Gesslerstraße 4 | 10829 Berlin | +49 172 357 69 25 | info@traumfalter-filmwerkstatt.de