Die kleine Genrefibel Teil 58: Big Disaster

Im Jahre 2017 des Herrn scheint nun das einzutreten, was das Jahr 2012 versprochen, aber nicht gehalten hat – der Weltuntergang. Vom internationalen Politmakakentum mal abgesehen spielt vor allem die Natur verrückt. Kältewelle in Europa durch Orkan Axel, Waldbrände in Portugal, Tsumani vor Grönland, Hurrikan Irma und Maria, Erdbeben in Mexico. Raue Klimen, Leute! Wenn vom Himmel kindskopfgroße Hagelkörner fallen, die Felder mit ihren Salatköpfen verdörren, die Flüsse über die Ufer treten und das Umland verflüssigen, Stürme die Photovoltaikanlagen auf links drehen und Dauerregen die Luftschutzbunker flutet, wenn die Sonne die Haut zu Leder verbrennt, die Vöglein aufhören zu singen und die Fische an den Stränden stranden, dann Freunde hat das Ende der Welt begonnen und der Teufel die Schlacht gewonnen. Da hilft dann nur noch Melissenblütenblättertee.

 

 

Schaurige Aussichten, aber was kann man dagegen machen? Richtig, wenn´s draußen so richtig rumpelt und pumpelt, am besten Fenster zu, vor die Glotze und Filme schauen, ein Geheimrezept, welches auch bei anderem Unbill hilft.

 

Und was könnte besser passen zum klimatischen Welt Unter als Katastrophenfilme? Wir begeben uns heute ins Auge des Sturms, ins Zentrum der Caldera, ins Maul des ewigen Sarlac…nein, das letzte war jetzt Quatsch, Leute! Der Katastrophenfilm ist ein beliebtes Subgenre, welches wie klimatische Veränderungen alle 20 Jahre neue Höchststände erreicht. Schauen wir und die schlimmsten Naturkatastrophen im Film ein wenig genauer an. Doch wie immer müssen wir erst Katastrophe von Naturkatastrophe unterscheiden, Ordnung muss sein!

 

Höhere Gewalt

 

Streng genommen existiert nämlich nur der Katastophenfilm, auch Desasterfilm genannt, für gewöhnlich spricht man nicht von einem Naturkatastrophenfilm. Trotzdem kann man den Katastrophenfilm in zwei Bereiche einteilen, in die menschlich verschuldete Katastrophe und in jene, auf die der Mensch keinerlei oder nur wenig Einfluss hat. Die erste Gruppe beinhaltet vor allem Katastrophen innerhalb menschlicher Errungenschaften, zum Beispiel Schiffsunglücke, Flugzeugabstürze oder Unfälle, in denen die durch Menschen erschaffene Technik versagt.

 

 

Der zweite Bereich sind dann all jene Filme, in denen eine Katastrophe als höherer Gewalt über den Menschen hereinbricht, vor allem eben Naturkatastrophen. Nun ist es ja so, dass der Mensch sicherlich auch einen Einfluss auf die großen klimatischen Veränderungen seit der Industrialisierung zu verantworten hat und Katastrophen wie Hitzewellen oder Sturmkatastrophen eben auch menschengemacht sind, denke ich, ich muss das erst nochmal mit Donald Trump bequatschen.

 

 

EINE UNBEQUEME WAHRHEIT über Naturkatastrophen?

Daneben gibt es aber definitiv Katastrophen, da muss die Homo Saper neidvoll zugestehen, das ist nicht auf seinem Mist gewachsen, beispielsweise Erdbeben, Erdrutsche, Vulkanausbrüche, Spingfluten, Tsunamis, Lawinen, Feuerstürme, Hagelschaden oder der allseits beliebte tödliche Meteoritenschauer. Egal ob selbst- oder fremdverschuldet, in Katastrophenfilmen geht es weniger um die Ursachen als um den Umgang mit der Katastrophe und um den persönlichen Überlebenskampf.

 

 

 

Der Katastrophenfilm wird als eigenes Subgenre bezeichnet, was auch sinnig ist, trotzdem verleibt er sich eine Vielzahl anderer Genres ein. Dramaturgisch gesehen ist der Kern des Katastophenfilm immer ein Drama, nämlich das des Überwindens und Überlebens der Gefahr. Katastrophenfilme handeln vom Überlebenskampf, nicht nur eines Menschen, sondern meist mehreren. Je größer die Katastrophe, desto mehr Perspektiven nehmen Desasterfilme ein.

 

 

So verfügen diese Filme auch oft über mehrere Protagonisten oder Helden, die sich innerhalb der Katastrophe bewähren müssen. Da hängt neben Fachkentnissen vor allem vom Willen und der Kraft ab, ob Mann oder Frau die Extremsituation übersteht. Natürlich gibt es auch Widerlinge, Querulanten und Spitzbuben in Katastrophenfilmen, aber der Antagonist ist immer die Katastrophe selbst. Neben diesen Dramen gibt es aber noch andere Genreeinflüsse, die es zu beachten gilt.

 

 

 

 

Katastrophen bringen Menschen zusammen

 

Naturkatastrophen sind wissenschaftlich erforschte Extreme, deshalb sind Filme über solche Ereignisse auch immer technisch geprägt, also in gewisser Weise Science-Fiction. Auch wenn es nicht üblich ist, aber es spricht nichts dagegen, einen Film wie TWISTER als Science-Fiction Film zu bezeichnen.

 

Gefahr als Herausforderung in TWISTER (1996)

Aber noch mehr Genremerkmale wirbeln den Komplex durcheinander. Ein Überlebensdrama wird schnell zum Überlebensthriller, auch schwingt immer eine Prise Abenteuer in Katastrophenfilmen mit, Actionfilme sind sie ohnehin, eine Naturkatastrophe kann selbstverständlich auch puren Horror bedeuten. Trotz der vielen Einflüsse sind Katastrophenfilme relativ einfach und straight in Sachen Dramaturgie und Storytelling. Auch die Varianz der Katastrophe verändert das Gerüst nur marginal.

 

 

Im Mittelpunkt steht der Überlebenskampf des Einzelnen, oft einer Gruppe von Menschen, die die Katastrophe unvermittelt trifft. Die Gefahr ist zum Teil zeitlich und örtlich begrenzt, einen Sturm gilt es zu überstehen und einem Tsunami zu entkommen, die Faktoren Ort und Zeit nehmen wichtige Funktionen im Katastrophenfilm ein. Eine Ausnahme bilden Filme um Meteoriteneinschläge, dort wird vor allem die Zeit bis zur Katastrophe behandelt, weil es meist kein Danach mehr gibt.

 

 

Zusammenhalt während der Katastrophe in 2012 (2009)

Die äußeren Faktoren der Katastrophe sind fast gänzlich audiovisueller Natur, in einigen Fällen wirkt aber auch das Nahen einer Katastrophe über dem psychologischen Weg. Der Katastrophe gegenüber steht der Mensch und sein Umgang damit. Meist geht es da mehr als nur ums nackte Überleben. Katastrophen zwingen Menschen in extreme Situationen und verlangen Entscheidungen ab. Diese wieder sind an Charaktere gekoppelt und bringen das “Wahre” im Menschen zu Vorschein zu bringen. Aus normalen Menschen werden so Helden oder Feiglinge, es gibt Egoisten, Opfer oder Versager. Die Katastrophe formt diese Charaktere erst.

 

Daneben sind Katastrophenfilme auch Indikatoren für die technische Weiterentwicklung des Films seit seiner Entstehung. Weil solche Naturextreme audiovisueller Couleur sind, haben sie über die Jahrzehnte auch die Effektevolution vorangetrieben. In den letzten Dekaden sind solche Filme zu archaischen Zerstörungsorgien mutiert, welche die Auswirkungen der Katastrophe immer realistischer auf die Leinwand zauberten. Der Katastrophenfilm war seit Erfindung des Mediums dabei, doch erklomm er neue Stufen immer dann, wenn sich die Filmtechnik entschieden weiterentwickelte. In der Tat kamen diese Wellen so alle zwanzig Jahre.

 

 

Der Pappmachévulkan

 

Der Ursprung jener Angst vor dem Ungetüm Natur lag wohl im Biblischen, ein jeder kannte die berüchtigten zehn ägyptischen Plagen, von denen das zweite Buch Moses berichtet, darunter Insektenschwärme, Hagel, blutrote Flüsse und globale Finsternis. Von diesem Ursprung aus spricht man auch heute noch von höherer Gewalt, auch haben Naturkatastrophen im Film immer den Charakter als Warnung oder Strafgericht.

 

In den frühen Jahren des Films hießen jene Katastrophenstreifen noch Sensationsfilme. Zwar war alles, was um 1900 auf der Leinwand fleuchte und kreuchte eine Art Sensation, die visuelle Wucht von Wettererscheinungen und Katastrophen aber war besonders beliebt. Immerhin konnte man im trockenen Kinosessel gefahrlos an der Katastrophe teilhaben. 1901 erschien der erste Katastrophenfilm FIRE um einen Feuerwehreinsatz. 1902 sorgte dann wie so oft George Méliès mit seinem Film ÉRUPTION VOLCANIQUE À LA MARTINIQUE um einen Vulkanausbruch für Aufsehen.

 

ÉRUPTION VOLCANIQUE À LA MARTINIQUE (1902) von George Méliès

SAN FRANCISCO (1936)

 

An Katastrophen musste sich der neuzeitliche Mensch gewöhnen, etwa zu Zeiten des großen Erdbebens in San Franzisco 1906. Dreißig Jahre später wurde die Katastrophe für die Leinwand adaptiert und mit SAN FRANCISCO entstand 1936 der erste Katastrophenblockbuster, der beängstigte und gleichermaßen unterhielt. Der Tonfilm bedingte eine noch intensivere Wirkung.

 

So erhielt auch SAN FRANCISCO 1937 den OSCAR für den besten Filmton, Vulkane wurden aus Pappmaché gebastelt, riesige Ventilatoren brachten Stürme in die Studios. Diese erste Phase des Katastrophenfilms endete logischerweise zu Beginn des zweiten Weltkriegs, 20 Jahre später kam eine weitere Welle in Zeiten des großen Monumentalfilms auf die Kinozuschauer zu.

 

 

Die 50er Jahre waren vor allem von Ängsten geprägt, Aliens, Russen, Atombomben, aber eben auch Naturkatastrophen bestimmten das Kinoprogramm. Es war die Zeit der großen Bibelverfilmungen und damit der visuellen Darstellung der 10 Plagen. Die Budgets waren üppig und die Stars zahlreich.

 

Echte Katastrophenfilme aber waren gar nicht so zahlreich, stattdessen vermischten sich Genres mit Horror und Sci-Fi Elementen, die Katastrophenfilme stammten mehr aus der Ecke der menschlich verschuldeten Schicksale. Nur wenige Filme widmeten sich Naturdesastern wie WHEN WORLDS COLLIDE (1951) oder THE LAST DAYS OF POMPEII (1959).

 

 

 

Master of Disaster

 

Erst 20 Jahre später begann dann die Goldene Ära des Katastrophenfilms in den Siebzigern. Sowohl menschliches Verschulden (AIRPORT, 1970) als auch Naturkatastrophen (ERDBEBEN, 1974) brachten es zu riesigen Leinwanderfolgen, die zahllose Nachfolger auf den Plan riefen. Die Siebziger waren das große Katastrophenfilmjahrzehnt, wohl auch weil die Welt draußen eine reine Katastrophe war. Weniger waren es wirkliche Naturkatastrophen oder Unglücke, die Pate standen, die Filmwelt fand ein Ventil auch für politische Umbrüche wie den Vietnamkrieg oder die Watergate Affäre. Aber natürlich beeinflusste den Film auch Havarien wie die in Three Miles Island bei Harrisburg im Jahr 1979.

 

 

 

 

Der Sprung von den 50ern in die katastrophalen 70er gelang durch die Weiterentwicklung von Filmeffekten, visuell wie tonal. Für den Film ERDBEBEN wurde 1974 ein neues Tonverfahren zum Einsatz gebracht, der Sensurround-Ton, der so tiefe Bässe generieren konnte, das der Putz von der Kinodecke bröckelte. Im Kino unterstützte dieses Tonverfahren nur wenige Filmen, wohl auch, weil sich die Nachbarschaft ob des Lärms beschwerte und echte Erdbeben vermutete.

 

 

Eine neue Stufe erklomm das Genre dann ab den 90ern und der digitalen Effektrevolution durch Filme wie TERMINATOR 2 und JURASSIC PARK. Von deren Errungenschaften konnten nun auch Katastrophenfilmemacher profitieren und es entstanden eine ganze Reihe von Desasterfilmklassikern wie TWISTER, VOLCANO oder DANTES PEAK.

 

 

Katastrophenpapst Roland Emmerich

Nochmal 20 Jahre später hält sich der Katastrophenfilm noch immer wacker im Filmgeschäft, wenn auch nicht unbedingt als Blockbuster auf der Leinwand. Nur ein Filmemacher hält noch die Fahne in den Sturm, ausgerechnet ein Deutscher wird als Master of Disaster bezeichnet – Roland Emmerich. Der hatte sich nach ersten Erfolgen nach Amerika abgesetzt und mit INDEPENDENCE DAY einen wahrlich katastrophenreichen Blockbuster gedreht. Bis heute bleibt Emmerich seinem Metier treu.

 

 

 

INDEPENDENCE DAY folgten THE DAY AFTER TOMORROW und schließlich 2012, der All-Inklusive Katastrophenblockbuster schlechthin, bis er 2016 zur Fortsetzung von INDEPENDENCE DAY in das Katastrophengenre zurückkehrte. Kein Regisseur kann solche Zerstörungsorgien inszenieren wie Emmerich, wenngleich die Filme rein gar nix mit realen Katastrophen gemein haben.

 

Der Katastrophenfilm ist heute vor allem im Low Budget Bereich noch sehr aktiv, vor allem billige Videopremieren liefern eine Katastrophe nach der anderen. Warum ist das so, war der Katastrophenfilm doch früher eine hochbudgetierte Angelegenheit? Zum einen ist es so, dass die meisten Extremwettereffekte, aber auch Vulkanausbrüche, pyroklastische Ströme, Meteoritenschauer und dergleichen kostengünstig aus dem Rechner kommen.

 

Großer Zerstörungsaufwand in THE DAY AFTER TOMORROW (2004)

Nur ein laues Lüftchen in SEATLLE SUPERSTORM (2011)

 

Da sie reale Erscheinungen zum Vorbild haben und weniger abhängig von Konzeptentwicklungen wie Aliens oder fremden Planeten sind, gibt es mittlerweile für jede Katastrophe eine CGI-Blaupause. Teuer und aufwändig werden solche Filme immer nur, wenn sie die Auswirkungen auf Land und Leute visualisieren. Ein Wirbelsturm aus dem Computer ist ein Klacks, eine verwüstete Stadt hingegen eine teure Angelegenheit. Hier trennt sich die CGI-Spreu vom Ausstattungsweizen.

 

Der Katastrophenfilm ist über die Jahrzehnte zum Dumpingpreismodell verkommen. Spannend kann auch C-Actionware noch sein, doch neben den gelungenen CGI Effekten ist der Rest meist schwer zu ertragen. Auf die große Leinwand verirren sich aber noch immer große Produktionen wie SAN ANDREAS oder GEOSTORM. Aber die Effektsättigung ist mittlerweile erreicht. Kennste einen Twister, kennste alle. Schauen wir uns lieber die größten Themenfelder des Naturkatastrophenfilms genauer an. Im großen Topf der Desasterfilme ist wirklich für jeden was passendes dabei.

 

 

“Erdbeben! Was geht´n?”

 

Die Mutter aller Naturkatastrophen ist das Erdbeben, wohl weil die Ursachen nicht sichtbar sind und es kaum ein Entrinnen gibt, wenn die Erde anfängt zu beben und bersten. Das schlimmste an einem Erdbeben allerdings ist, dass es eventuell Nachbeben gibt. Spaß beiseite, seit dem Kassenschlager SAN FRANCISCO 1936 erreichen Filme um diesen Themenkomplex höchste Ausschläge auf der Richterskala der Filmliebhaber. Doch schon drei Jahre zuvor ließ es Hollywood gehörig krachen.

 

 

 

 

DELUGE (1933)

1933 erregte der Film DELUGE Aufsehen, der nicht nur ein Erdbeben etablierte, sondern auch eine riesige Flutwelle. Ironischerweise galt DELUGE bis in die achtziger Jahre als verschollen und konnte erst über 50 Jahre später wieder rekonstruiert werden und inspirierte auch Emmerich zu seinem Desasterstreifen THE DAY AFTER TOMORROW von 2004.

 

1965 erschien der Film EIN RISS IN DER WELT (CRACK IN THE WORLD), in dem Erdbeben eine Folge von menschlichen Nuklearsprengungen waren. Erst 1974 katapultierte der Film ERDBEBEN mit Charlton Heston das Genre in neue Zuschauersphären.

 

 

 

Bei vielen Filmen um Naturkatastrophen gehen Vermutungen und Vorahnungen aus. Meist haben Wissenschaftler vor dem Desaster eine Ahnung, dass es geschehen wird. Denn die Frage ist nicht ob, sondern wann die Katastrophe eintritt.

 

Das macht ebenfalls einen Reiz jenes Subgenres aus, die Ignoranz der Behörden, die alle Warnungen in den Wind schlagen. Die Protagonisten sind entweder Wissenschaftler oder ganz normale Bürger, über die die Katastrophe hereinbricht und die sich zum Helden mausern müssen. Denn bebt die Erde erst einmal, ist das Gejammer groß. ERDBEBEN von 1974 weiß diese dramaturgischen Gewürze geschickt zu streuen und macht den Film auch heute noch spannend und monumental.

 

AFTERSHOCK (2010)

Auch im Fernsehen boomte der Erdbebenfilm, im selben Jahr lief THE DAY THE EARTH MOVED über den Äther. Erdbebenfilme erzählen aber nicht nur die seismische Anspannung vor der Katastrophe und die Erschütterung selbst, auch die Auswirkungen sind teils spektakulär in Szene gesetzt worden, wie im chinesischen Film AFTERSHOCK aus dem Jahr 2010. Das Finden von Verschütteten und Vermissten, das Leid der Angehörigen und die Angst vor neuen Erschütterungen machen diese Ausprägung des Katastrophenfilms so ungemütlich und doch fesselnd.

 

 

 

 

Eruptionen & Amplituden

 

 

Nicht weniger angsteinflössend sind da Vulkanausbrüche. Die hat es in der Menschheitsgeschichte schon immer gegeben und gibt es tagtäglich. Große Katastrophen aber wie Pompeii im Jahre 79 nach Christus oder der Ausbruch des Krakatau 1883 wurden Vorlage für monumentale Desasterfilme in den fünfziger und sechziger Jahren. Vulkanausbrüche im Film wurden dann aber erst ab 1990 dank CGI effektvoll umgesetzt. Auffällig ist, dass im Katastrophenfilm ab und zu zwei Filme gleicher Thematik miteinander konkurrierten.

 

In den neunziger Jahren waren das VOLCANO und DANTES PEAK. Während VOLCANO von Mick Jackson 1997 effektvoll einen höchst sinnbefreiten Vulkanausbruch in Los Angeles thematisiert, ging Regisseur Roger Donaldson im gleichen Jahr mit DANTES PEAK ein wenig gewissenhafter an die vulkanische Magmaterie heran.

 

Mit Betonbarrieren gegen den Lavastrom in VOLCANO (1997)

Fulminanter pyroklastischer Strom in DANTE’S PEAK (1997)

 

Unterhaltsam sind beide Filme, man muss sich gewahr sein, dass es eigentlich kaum einen Katastrophenfilm gibt, der wirklich realistisch erzählt ist, über Vulkane jedenfalls nicht. Auch heute noch wird der C-Movie Bereich gern mit Vulkan- oder Lavafilmen überschwemmt, weil sie günstig und effektvoll in Szene zu setzen sind. Kaum ein Streifen aber spielt das Spannungspotential eines bevorstehenden Ausbruchs so gut aus wie der Genreprimus DANTE’S PEAK von 1997.

 

 

Einem Erdbeben oder einem Erdrutsch kann ein Tsuanami folgen, eine riesige Welle, die alles unter ihrer Kraft begräbt. Riesige Flutwellen haben allerdings keinen so großen Einfluss auf den Katastrophenfilm gehabt, zumindest in den 50ern und 70ern. Die Sensibilität für die große Welle kam wohl erst mit der Tragödie im indischen Ozean 2004.

 

 

Einem Erdbeben oder einem Erdrutsch kann ein Tsuanami folgen, eine riesige Welle, die alles unter ihrer Kraft begräbt. Riesige Flutwellen haben allerdings keinen so großen Einfluss auf den frühen Katastrophenfilm gehabt. Die Sensibilität für die große Welle kam wohl erst mit der Tragödie im indischen Ozean 2004.

 

 

 

THE IMPOSSIBLE (2013)

Es gibt einige sehr bedrückende Tsunamifilme, im Gegensatz zu Erdbeben und Vulkanen wurden dieser Aspekt auch recht klischeefrei im Film behandelt. Zwar werden auch in Emmerichs Werken ganze Städte effektvoll von Wassermassen überschwemmt, doch erst THE IMPOSSIBLE aus dem Jahr 2012 zeigte die wahre Zerstörungskraft eines Tsunamis in beklemmender Ernsthaftigkeit. Denn eigentlich ist THE IMPOSSIBLE kein plakativer Katastrophenfilm, sondern ein intensives Überlebensdrama einer Familie.

 

 

Die Auswirkungen eines Tsunamis sind für die Opfer meist traumatisch. Es klingt paradox, sind doch Vulkanausbrüche imposanter. Aber die Kraft des Wassers wird häufig unterschätzt. Einfach untertauchen, wenn die Welle kommt, ist ein tödlicher Trugschluss. Dass es meist völlig unvorbereitet geschieht, erhöht diese Beklemmung noch. Das Meer, welches sich zurückzieht, ist ein schauriges Vorspiel für die Katastrophe, die meist nur von kurzer Dauer, aber von immens zerstörerischer Wirkung ist. Auch THE HEREAFTER und THE WAVE schaffen es, diese Kraft in beklemmende Bilder umzusetzen. Wirkliche Spaßfilme sind Tsumanistreifen defintiv nicht.

 

Vier Elemente für ein Hallelujah

 

Stürme werden als anfangs ähnlich harmlos betrachtet, doch mit steigender Windgeschwindigkeit nimmt auch das zerstörerische Potential zu. Hurrikane, Taifune und Tornados sind extreme Ausprägungen und in ihrer Kraft und Visualität auch im Film gern gesehene Extreme. Während der Hurrikan schon recht früh als höhere Gewalt im Film Einzug fand, erlebte die Faszination an Wirbelstürmen erst mit dem Film TWISTER aus dem Jahr 1996 ihren Höhepunkt.

 

 

Für einen zünftigen Filmsturm brauchte man früher nur eine potente Windmaschine. Aber ein Wirbelsturm war gar nicht so leicht umzusetzen. Aus Archivmaterial konnte man schwierig eine brisante Inszenierung klöppeln, erst das Hilfsmittel CGI verhalf dem Wirbelsturm zu seinem Durchbruch innerhalb des Katastrophenfilms. Und TWISTER ist da auch heute noch Genreprimus.

 

Ein streitsüchtiges Ehepaar kurz vor der Scheidung, beide fanatische Tornadojäger, mit ihrer Erfindung Dorothy gegen den Finger Gottes – TWISTER (1996) begeistert noch heute.

STORM HUNTERS (2014) mischt effektvolles Sauwetter mit Found Footage Dramaturgie

 

TWISTER geht ein wenig anders an den dramaturgischen Komplex der Katastrophe heran. Er mischt durchaus realistische Science-Fiction mit einer dicken Prise Abenteuer. Denn die Protagonisten des Films nehmen vor dem Rüsselsturm nicht etwa Reißaus, im Gegenteil, sie steuern absichtlich in das Auge des Sturms, um wissenschaftliche Daten zu sammeln. Das macht sie innerhalb des Desasterfilms zu einem neuen Figurentypus und den Film immer noch witzig und spannend.

 

Wenn Ende Oktober mit GEOSTORM ein neuer Versuch unternommen wird, Filme über extreme Stürme im Mainstreamkino zu etablieren, ist das eine rühmliche Ausnahme. Filme über Twister und Co. sind nach dem Riesenerfolg von Jan de Bont 1996 fast vollständig ins trashige C-Movie Lager abgewandert. Ich glaube allerdings, dass nach den verheerenden Hurrikans in Amerika innerhalb der letzten fünfzehn Jahre auch irgendwann nochmal ein passender Katastrophenfilm erscheinen wird.

 

 

Themenkomplexe wie Fluten und Dauerregen hingegen tummeln sich in ihrem eigenen Kleinstgenre. Hervorzuheben ist vielleicht der Film HARD RAIN, der eigentlich ein Gangsterthriller um einen Raub darstellt, doch unaufhörlicher Regen lässt den Plan buchstäblich ins Wasser fallen.

 

 

 

DIE STURMFLUT (2006)

Mit Wassermassen ist das im Film gar nicht so einfach gewesen, alles was mit Wasser zu tun hatte, war für gewöhnlich sehr teuer. Auch heute noch ist es keine Selbstverständlichkeit, Wasser mittels CGI darzustellen, denn Wasser ist nicht nur nass, sondern auch unfassbar komplex. Filme über brechende Staudämme oder Flutkatastrophen wie die von Hamburg 1962 sind meist extrem fesselnd, denn sie zeigen einem auf, welchen Respekt man doch vor diesem Element haben sollte.

 

 

 

 

 

Ein anderes Extrem sind Hitze und Dürre, begleitet von Feuer und Bränden, wie in FLAMMENDES INFERNO aus dem Jahr 1974 um ein brennendes Hochhaus. Auch Feuer ist ein Element, welches die Filmtricktechnik lernen musste wiederzugeben. Feuer oder Waldbrände wie in FIRESTORM sind tückisch.

 

Feuer kann umzingeln, gefangen halten und verfolgen. Dagegen steht Kälte und Eis für einen stillen, einsamen Tod. Doch Schneestürme sind im Film meist nicht spektakulär genug, es müssen mindestens Todesblizzards oder gleich eine neue Eiszeit sein. THE DAY AFTER TOMORROR von Katastrophenpapst Emmerich mündet in dieses Extrem, zuvor beschert er dem Zuschauer aber auch ansehnliche Tornados und Tsunamis. Aber die globale Vereisung ist das Markenzeichen des Films.

 

 

 

Dagegen steht Kälte und Eis für einen stillen, einsamen Tod. Doch Schneestürme sind im Film meist nicht spektakulär genug, es müssen mindestens Todesblizzards, Hagelbomben, riesige Frostbeulen oder gleich eine neue Eiszeit sein.

 

 

 

THE DAY AFTER TOMORROW (2004)

THE DAY AFTER TOMORROR von Katastrophenpapst Emmerich mündet in dieses Extrem, zuvor beschert er dem Zuschauer aber auch ansehnliche Tornados und Tsunamis. Aber die globale Vereisung ist das Markenzeichen des Films.

 

Zudem eine spannende Prämisse. In vielen Katastrophenfilmen müssen die Protagonisten Schutz suchen. Wasser, Wind und Hitze ist das eine, aber ein globales Tiefkühlfach? Von allen Desasterfilmen aus der Feder von Roland Emmerich gefällt mir THE DAY AFTER TOMORROW noch am besten, weil diese neue Eiszeit zwar extrem utopisch ist im Vergleich zu Tornados oder Tsumanis, aber dafür wirklich spannend erzählt und effektvoll bebildert wurde.

 

 

 

 

Der Rest filmischer Extremkälten ist dann wieder haarsträubender Trash, sei es der fiese ICE TWISTER oder das illustre SNOWMARGEDDON. Aber eine realistische Facette eisgekühlter Katastrophenfilme gibt dann doch noch auf der Filmwetterkarte.

 

 

 

Schneelawinen sind durchaus real und vor allen Dingen extrem gefährlich. Wie bei einem Tsunami gilt hier oft das Missverständnis, man könne ihr entfliehen. Aber eine Schneelawine kann tödlicher als ein Wirbelsturm sein. Einmal begraben unter den weißen Massen ist der Tod gewiss, wenn er nicht bereits beim Überrollen der Schneelast eingetreten ist. Doch sollte man überleben, wird es ein heikles Spiel auf Zeit für die Bergwacht und den Bernadinerhund mit Rumfässchen. Zwar ist man sich der Gefahr als Bergsteiger oder Skifahrer durchaus bewusst, aber es bedarf nur eines kleinen Auslösers, und die Lawine bahnt sich in Sekunden ihren Weg vom Berg ins Tal. Eine Handvoll Lawinenfilme sind in diesem Metier äußerst spannend und wuchtig inszeniert.

 

 

 

 

Extinction Level Event

 

 

Der Benz unter den Naturkatastrophen aber bleibt der Meteorit. Streng genommen ist jener nicht terrestrischem Ursprungs und für so gut wie alle Erdenmenschlein nur eine beklemmende Vorahnung. Aber Meteoriten dringen tagtäglich in unsere Atmosphäre ein, verglühend jedoch rasch und unspektakulär. Doch es hat sie gegeben, die großen Brocken und sollte irgendwann einmal wieder einer vorbeischauen, dann sieht’s schlecht aus im Spechthaus.

 

 

 

Der Meteoriteneinschlag ist eine Katastrophe, über die man sich nicht sonderlich Gedanken machen muss. Denn es gibt meist kein danach. Deswegen beziehen die meisten Filme über ein solches Desaster ihre Spannung vor allem durch beängstigende Vorahnung und die entstehende Massenpanik. Bereits in den 50er Jahren war das ein beliebtes Sujet des Science-Fiction Films. In den 90ern konkurrierten abermals zwei Filme um die Genrekrone – DEEP IMPACT und ARMAGEDDON.

 

DEEP IMPACT geht einigermaßen realistisch an die Thematik heran und schildert die globale Panik vor dem Einschlag. In ARMAGEDDON hingegen stellen sich wackere Helden der Gefahr und versuchen den Riesenklunker noch im Weltall zu pulverisieren. Beide Filme machen das in höchst fulminanter Optik und mit allerlei Pathos, aber wenn sie auch actionreich und unterhaltsam daherkommen, ein mulmiges Gefühl bleibt. Denn dieser Katastrophe kann nun wirklich niemand entrinnen, es sei denn, man besteigt ein Raumschiff. Doch wohin zurückkehren, wenn der Meteorit die Erde pulverisiert hat? Ein schrecklicher Gedanke, mit dem sich viele C-Movies beschäftigt haben.

 

DEEP IMPACT (1998)

THESE FINAL HOURS (2014)

 

Filme über Meteoriten sind aber nicht nur Zerstörungsorgien. Weil er so ikonisch ist, der Killerasteroid, eignet er sich auch gut als Symbol oder Metapher. Filme wie MELANCHOLIA oder AUF DER SUCHE NACH EINEM FREUND FÜR DAS ENDE DER WELT sind zwar grundverschieden, aber sie eint die Beklemmung vor dem Unausweichlichem. In THESE FINAL HOURS wird hauptsächlich der Verfall der Gesellschaft thematisiert, der mit der nahenden Katastrophe einhergeht. Der Meteorit steht für gewöhnlich immer als Symbol für das Ende der Welt und die Apokalypse.

 

OUTBREAK

 

 

 

Einem letzten Bereich widemt sich noch ein weiteres Kleinstgenre des Katastrophenfilms. Sicher gibt es hier und da Einzelfilmchen über Erdrutsche oder Heuschreckenplagen. Doch eine Gefahr der Natur ist ganz und gar nicht sichtbar, doch hat großes, zerstörerisches Potential. Die Rede ist vom bekannten und überaus fiesem Killervirus. Viren und Epidemien wurden vom Genrefilm zwar in alle Subgenres eingegliedert und haben dort auch neue Sparten erschaffen (Zombievirus), aber eine Epidemie oder Pandemie ist ein durchaus reales Szenario.

 

 

OUTBREAK (1995)

Statt dem Versuch, der Gefahr zu entkommen, gilt bei diesen Filmen ein Durchstehen der humanitären Katastrophe mit allen Begleiterscheinungen wie Quarantäne und möglicherweise die Auslöschung einer ganzen Seuchenregion, was filmlisch sehr spannend sein kann.

 

OUTBREAK von Wolfgang Petersen aus dem Jahr 1995 erzählt ein solches Szenario in opulenter Optik und Ausstattung, jedoch auch sehr pathetisch und realitätsfern.

 

 

 

CONTAGION (2011)

Besser machte das 2011 der Film CONTAGION von Steven Soderbergh. Dramaturgische Säulen dieses Kleinstgenres ist das Finden des sogenannten Patient Zero und das Herstellen eines Gegenmittels, der Versuch, den globalen Ausbruch zu verhindern, auch mit scheinbar unmenschlichen Mitteln, zum Wohle der gesamten Menschheit. Leider haben Viren und Bakterien vor allem den Horrorfilm befallen, realistische Varianten wie CONTAGION oder 93 DAYS gibt es dagegen nicht so häufig. Doch je realistischer solche Konstrukte inszeniert werden, desto spannender sind sie auch. Und da in den letzten Jahren dieses Thema durch Genveränderungen und Massentierhaltungen wieder Aktualität erfahren hat, wird sicherlich auch noch der ein oder andere Epidemiethriller den Weg auf die Leinwand oder den Stream finden.

 

 

 

Ach herrje, diese kleine Genrefibel ist eine einzige Katastrophe! Aber Katastrophen im Film machen auch Spaß, sind spannend und beklemmend und machen normale Menschen zu Helden. Deshalb sind sie immer noch so beliebt und ziehen ein breites Publikum an. Früher als Sensationsfilme benannt haben sie noch immer das Potential, spannende zwei Filmstunden zu füllen.

 

 

GEOSTORM (ab 19. Oktober 2017 im Kino)

 

Man wird in Zukunft mit Sicherheit keine neue Effektwelle erleben, ob man einen Wirbelsturm nun noch realistischer am Rechner erschaffen kann als in TWISTER halte ich für ausgeschlossen. Auf der großen Leinwand sind sie nach wie vor präsent, auch wenn da jetzt vor allem Superheldenklopse die Welt kaputtschlagn. Aber mit GEOSTORM oder Stefan Ruzowitzys PATIENT ZERO sind in diesem Jahr zumindest zwei Hochglanzproduktionen am Start.

 

 

Doch auch Trashware wie 100 DEGREES BELOW ZERO oder 500 MPH STORM können ganz gut unterhalten, vor allem, wenn es draußen richtig stürmt und tost, dass sich die 16:9 Balken biegen. Wir beobachten weiter den Seismograph nach Ausschlägen unterhaltsamer Katastrophenfilmchen. Bis dahin einen Herbst ohne größere Desaster!

 

 

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In der Reihe DIE KLEINE GENREFIBEL habe ich es mir zur Aufgabe gemacht, sämtliche Genre, Subgenre, Mikro- und Nanogenre des Genrefilms vorzustellen. Eine Aufgabe, die mich bis weit nach mein Lebensende beschäftigen wird. Ich lege den Fokus auf Dramaturgie und Buch, werde mich aber auch mit der Inszenierung sowie den jeweils besten Vertretern befassen.

 

Lesen Sie in der nächsten Folge:

 

 

 

3 Comments

  1. Antworten

    […] die Botanik abgeschlossen. Aber wir geben unsere biologische Exkurse noch nicht ganz auf – Viren und Bakterien gehören noch thematisiert, Filme über ausgestorbene Tierarten wie Dinosaurier werden ebenso […]

  2. Antworten

    […] sind solche Filme, die man als Survival Drama bezeichnen kann, oft im klassischen Abenteuerfilm, im Katastrophenfilm oder im Kriegsfilm. Der übergeordnete Antagonist ist in diesen Fällen oft die Umgebung, das […]

  3. Antworten
    streamkiste.video 13. Oktober 2022

    Der beste Weg, etwas zu finden, ist einfach, mit dem Suchen aufzuhören, und der beste Weg, auf etwas zu warten, ist, mit dem Warten aufzuhören.

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Christian Hempel | Autor, Dramaturg und Stoffentwickler | Gesslerstraße 4 | 10829 Berlin | +49 172 357 69 25 | info@traumfalter-filmwerkstatt.de