Die kleine Genrefibel Teil 5: Schwarzhumor

Die Putzfrau kehrt nie wieder, der Spachtelfabrikant kratzt ab, der Zahnarzt hinterlässt eine schmerzliche Lücke, der Kellner gibt den Löffel ab. Der Turner wiederum verreckt. Welch schwarzhumorig Narretei. Wie, nicht witzig? Ja sicherlich. Zu harmlos! Wie wäre es damit? Was braucht man für die Reunion der Beatles? Eine Pistole und zwei Kugeln. Was ist besser als eine Goldmedaille bei den Paralympics? Zwei Beine. Was ist schlimmer als zehn tote Kinder in einer Mülltonne? Ein totes Kind in zehn Müllt…also jetzt reichts! Wo sind wir denn hier gelandet? Das kann ich Euch sagen, Freunde der makabren Unterhaltung, in der neuen Kleinen Genrefibel über schwarzen Humor im Film, schwärzer als der Allerwerteste eines schwarzen Stieres in einer mondlosen Prärienacht.

 

 

Death Becomes Her

DER TOD STEHT IHR GUT (1992) von Robert Zemeckis

 

Mit schwarzem Humor ist es wie mit einem afrikanischen Bootsflüchtling, er kommt meist nicht gut an. Schwarzer Humor sorgt des Öfteren für Entsetzen und Abscheu. Das unterscheidet ihn gewaltig von anderweitigen Humoresken. Im echten Leben ist schwarzer Humor aber oft nur ein situationsbedingtes Problem, ein makabrer Witz auf einer Beerdigung wird eben als unpassend empfunden. Doch in der Kunst respektive im Film findet der Freund schwarzen Humors ein Ventil für morbide, politisch unkorrekte, rassistische, sexistische oder anderweitig menschenverachtende Komik, die letztlich nur dazu da ist, der selbstgerechten Homo Saper einen Spiegel der bitteren Wahrheit vorzuhalten, sein schändlich Tun und Dünke auf Erden zu karikieren und allem Schlechten auf Erden ein wenig erheiternde Sinnlichkeit zu geben.

 

Tumor ist, wenn man trotzdem lacht

 

Bevor wir in die tiefsten Untiefen schwarzen Humors im Film eintauchen, müssen wir den Übeltäter filmwissenschaftlich festnageln. Denn wir befinden uns in einem Strudelsumpf der Vielfältigkeit, wenn es generell um Humor im Film geht. Ist Humor gleich Komik? Natürlich nicht. Während Humor eine Begabung des Menschen darstellt, der Widrigkeiten des Lebens in allen Höhen wie Tiefen mit Heiterkeit zu begegnen, bildet sich Komik im menschlichen Verhalten ab, Komik ist Senden, Humor Empfangen. Im Film treffen wir vor allem auf situationsbedingte Komik und auf komische Figuren mit unterschiedlichen Färbungen von Humor.

 

 

Komödie Subgenres

Echte Subgenre der Filmkomödie: Slapstick (SAFETY LAST, 1923), die Satire (DER GROßE DIKTATOR, 1940), die romantische Komödie, speziell die Screball Komödie (DIE NACHT VOR DER HOCHZEIT, 1940), der Buddy Movie (TANGO GEFÄLLIG, 1997), die Parodie (HOT SHOTS 2, 1993), die Schwarze Komödie (SERIAL MOM, 1994).

 

Die Komödie wird häufig als Genrebegriff benutzt, aber Komödie ist streng genommen kein Genre, sondern eine Tonalität. Sie wird allerdings nicht so verwandt wie im klassischen Drama, das sich in Komödie und Tragödie aufteilt. Umgangssprachlich verwendet man die Filmkomödie dann allerdings doch als Genrebegriff, aber sie bietet im Gegensatz zu festen Genres wie den Western oder dem Horrorfilm keine spezifischen dramaturgischen Gerüste. Eine Komödie soll den Zuschauer in erster Linie zum Lachen bringen. So lassen sich eigentlich alle festen Genres wie Subgenres mit der Komödie kreuzen, sei es die Krimikomödie, die Horrorkomödie oder die Actionkomödie. Krimi, Horror und Action bestimmen die Dramaturgie, Komödie die Tonalität.

 

 

Dark Comedy Movies

Das Lachen soll im Hals stecken bleiben – Zuspitzung der Schwarzen Komödie um Sadisten und Serienkiller (AMERICAN PSYCHO, 2000), Verspottung der amerikanischen Kultur (GOD BLESS AMERICA, 2011) oder in sinnlicher Morbidität (THE VOICES, 2014).

 

Im Film bestimmen innerhalb der Komödie unterschiedliche Arten von Humor die Färbung, manchmal in Teilen oder Elementen, oftmals aber in so geballter Form, dass Subgenrebegriffe wieder funktionieren. Eine frühe Art von Humor im Film ist Slapstick, eine körperbezogene, wortlose wie visuelle Form des Humors. Auch Situationskomik und Verwechslungskomik können wortlos im Film inszeniert werden, brauchen aber so gut wie immer einen Kontext aus Geschichte und Figuren. Von konzeptioneller Natur ist auch die Parodie, im Film als Subgenre spoof movie determiniert, sie braucht die Abweichung und den Vergleich zur Entfaltung von Komik. Der größte Teil von Filmkomik aber wird über den Dialog realisiert, den sogenannten Dialogwitz. Dieser wiederum folgt verschiedenen Färbungen von albern, platt, geistreich, hintergründig bis hin zu makabren, morbiden schwarzem Humor.

 

 

Swiss Army Man

Eine Leiche als Ersatz für ein Schweizer Taschenmesser und ein Freund in der Einsamkeit – in Filmen wie SWISS AMRY MAN (2016) gibt sich die Schwarze Komödie neben makabrer Schwarzhumorigkeit auch philosophisch und lebensbejahend.

 

Wird in einem Film zu großen Teilen mit schwarzem Humor gearbeitet, spricht man von einer Schwarzen Komödie, die wiederum ein echtes Subgenre darstellt. Schwarzer Humor kann viele Ausprägungen und Eigenschaften haben, absurd, morbid oder satirisch, allgemein bezieht sich schwarzer Humor auf ernste und tabuisierte Themen wie Tod, Krankheit, Behinderung, Krieg und Verbrechen und schreckt auch nicht vor politischer Unkorrektheit, sexistischer oder rassistischer Konnotation zurück. Schwarz meint allgemein das düstere und unheilvolle, im Englischen aber wird in Abgrenzung zur Black Comedy somit der Begriff Dark Comedy verwandt.

 

 

Im Gegensatz zu einem schwarzhumorigen Witz bedarf es in der Schwarzen Komödie aber mehr als eine bitterböse Verkürzung. Das ist vor allem eine Stolperstelle für Autoren, die meinen, in einer Schwarzen Komödie vor allem mit dunklem Dialogwitz arbeiten zu können. Guter Schwarzer Humor im Film äußert sich oft in actiongetriebenen Handlungselementen. Es muss schon mindestens um Mord, Totschlag oder derbe Verstümmelung gehen. So bedient sich die Schwarze Komödie auch immer eines anderen festen Genres oder Subgenres, um dessen Handlungselemente mit schwarzer Komik zu färben, vor allem Krimis oder Thriller.

 

 

Schwarze Komödie

Obgleich die Schwarze Komödie action driven ist, spiegelt sich Schwarzer Humor auch oft im Dislog und Subtext, sarkastisch in 7 PSYCHOS (2012), mit Galgenhumor (THE BALLAD OF BUSTER SCRUGGS, 2018) oder mit politischer Unkorrektheit in DER SINN DES LEBENS (1983).

 

Viele Handlungselemente der Schwarzen Komödie müssen actiongetrieben sein, dennoch ist es auch von Nöten, Figuren und ihre Verhaltensweisen schwarzhumorig zu zeichnen, bis zum Dialog. Dafür setzt man in der Schwarzen Komödie auf Elemente der Komik, Ironie, Sarkasmus oder Zynismus. Diese werden nicht nur in der Schwarzen Komödie genutzt. Machen wir es beispielhaft.

 

In STIRB LANGSAM besucht der New Yorker Polizist John McClane Los Angeles und gerät promt an perfide Terroristen, welche ein Hochhaus besetzen und Geiseln nehmen. Barfuss auf der Flucht durch Belüftungsrohre kommentiert McClane seine Lage mit Ironie: “Besuchen Sie Kalifornien, das Land der Sonne, hier macht das Leben noch Spaß.” Ironie bezeichnet also eine Art der Komik, die dem wahren Sachverhalt nicht entspricht, also Gegenteiliges meint. Die Ironie ist eher sanftmütig. Innerhalb einer Schwarzen Komödie kann Ironie nicht nur verbal eingesetzt werden, sondern auch dramatisch oder kontextuell für den Zuschauer.

 

 

Dr. Strangelove

Ironie in der Schwarzen Komödie: In DR. STRANGELOVE gibt es eine zünftige Rauferei in der Kommandozentrale des Pentagon. Ein Mitarbeiter weist ironisch auf die Problematik hin: “Gentlemen, you can’t fight here, this is the war room!”

 

Sarkasmus ist der Ironie nicht unähnlich, kommt aber wesentlich derber daher und bildet sich in bitterem Hohn und beißenden Spott ab. Sarkasmus wird vor allem in der zugespitzten Form der Schwarzen Komödie verwandt, der Filmsatire, die wie die Parodie vom Vergleich lebt und immer einen Bezug zur Realität aufweist, dadurch überhaupt erst satirisch funktioniert. Abgesehen von der Satire definiert Sarkasmus im Film vor allem ungehaltene Figuren, die meist von oben herab ihren Spott über ihre Mitmenschen ausgießen. “Hey Vasquez, bist du schonmal für einen Mann gehalten worden?” fragt Private William die maskuline Private Vasquez in ALIENS – DIE RÜCKKEHR, sie antwortet sarkastisch mit “Nein, und du?” Sarkasmus kann aber noch cleverer sein.

 

 

The Big Lebowski

Sarkasmus im der Schwarzen Komödie, Beispiel THE BIG LEBOWSKI: Der Dude wird auf seiner Toilette von Schlägern bedroht, die ihn mit dem Millionär Lebowski verwechseln. Einer von ihnen hebt des Dudes Bowlingkugel hoch und fragt: “Was ist das?” Der Dude antwortet mit Sarksmus: “Offensichtlich spielst du kein Golf.”

 

Während Ironie und Sarkasmus im Film direkt als Werkzeuge benutzt werden können, zeichnet Zynismus eher die innere Haltung einer Figur. So verwendet ein Zyniker die schärfsten Formen von Sarkasmus, selbst Ironie ist ihm zu wenig, um seine zynische Weltsicht auszudrücken. Weil aber Zynismus eine innere Haltung darstellt, braucht es für die Charakterisierung von zynischen Figuren weit mehr als nur die Verteidigungswaffen Ironie und Sarkasmus.

 

Ein Paradebeispiel ist UND TÄGLICH GRÜßT DAS MURMELTIER. Hauptfigur Phil Conners ist Zyniker. Seine Innere Haltung bringt er nach unendlichen Wiederholungen seiner Reportage zum Ausdruck: “Sie wollen eine Wettervorhersage? Es wird kalt werden, und es wird grau werden. Und so wird es dann sein…für den Rest ihres gesamten Lebens!” Innerhalb der Schwarzen Komödie setzen zynische Figuren dagegen durchgehend eine lebensverachtende Tonalität.

 

 

The Lobster

Zynismus in der Schwarzen Komödie, Beispiel THE LOBSTER. Eine Frau springt vom Hoteldach, doch der Selbstmordversuch scheitert, schwer verletzt schreit sie jämmerlich vor Schmerzen. Hotelgast David beschwert sich darüber: “Ich hab Golf gespielt und bin müde, da kann ich keine langsam und laut vor sich hin sterbende Frau ertragen.” Die Frau am Tisch antwortet: “Ich kann sie nicht verstehen bei dem Geschrei.”

 

Neben Ironie und Sarkasmus gibt es noch weitere Humorausprägungen, einige davon sind lokaler Natur bzw. länderspezifisch oder das, was man bestimmten Typen an Menschen nachsagt. Für die Schwarze Komödie sind diese aber gar nicht so nebensächlich, ein Typus hat die Schwarze Komödie bedeutend geprägt und wird von Filmliebhabern über die Maßen geschätzt.

 

I had no idea we had a racist working here. I apologise most sincerely.

 

Im Film nimmt Britischer Humor eine besondere Stellung ein. Britischer Humor wird oft synonym für Schwarzen Humor verwandt, aber Schwarzer Humor ist nur eine Facette. Britischer Humor kann Schwarz im Sinne von morbid oder makaber sein, meist aber wird britische Humor als trocken bezeichnet. Trockener Humor bezeichnet eine witzig erscheinende Entgegnung, die gar nicht humorvoll betont ist, sondern eher gefühllos gekontert wird. Trockener Humor nutzt vor allem Sarkasmus, weniger die Ironie.

 

 

Britischer Humor

Trockenheit, Selbstironie und gute Manieren kennzeichnen britischen Humor aus – WILD TARGET (2010) von Jonathan Lynn

 

Dass britischer Humor so gut funktioniert, liegt natürlich an der Kulturgeschichte des Vereinten Königreichs, nicht nur England, auch Schotten und Iren verwenden diese Art der Komik. Die Wurzeln britischen schwarzen Humors gehen auf das Elisabethanische Theater und auf Shakespeare zurück, später wurde der Humor durch den Adel geprägt, dann durch soziale Missstände innerhalb des Arbeitermilieus. Im Film manifestierte sich british humour in den 1940er Jahren vor allem in der britischen Kriminalkomödie.

 

 

Ealing Studios

Die Ealing Studios wurden zum Inbegriff von Britisch-Schwarzem Humor im Film zwischen 1947 und 1958.

 

Das britische Filmstudio Ealing Studios aus London produzierte zwischen 1947 und 1958 eine Reihe an Komödien, die zum Inbegriff britischen Humors wurden. Gegründet wurden die Ealing Studios bereits 1902 und produzierten in bis in die frühen 40er Jahre vor allem ernsthafte Filme und Dokumentationen, nach dem Zweiten Weltkrieg wurden mehrere Genres bedient, vor allem die Schwarze Komödie. Oft waren bittere historische Ereignisse wie Krieg und Leid prägend für die Evolution von Humor, in der Britischen Komödie fand das eine besondere Zuspitzung. Die ersten Ealing Komödien nach dem Krieg nahmen aber nicht nur Nachkriegssituationen schwarzhumorig in den Fokus, sondern auch den Mikrokosmos des britischen Adels.

 

 

Adel Verpflichtet

ADEL VERPFLICHTET (1949) von Robert Hamer

 

ADEL VERPFLICHTET aus dem Jahr 1949 wurde zum Klassiker der britischen Schwarzen Komödie und prägte dieses Bild bis ins Jahr 1958. In ADEL VERPFLICHTET mordet sich ein verstoßenes Mitglied einer noblem Familie bin in den Adelsstand, um Alleinerbe zu werden, muss Hauptfigur Louis Mazzini acht Familienmitglieder unter die Erde bringen. Sir Alec Guinness (STAR WARS) verkörpert in ADEL VERPFLICHTET alle acht Mitglieder der herzoglichen Familie D’Ascoyne, welche von Louis nach und nach darnieder gemetzelt werden und wurde durch den Film zum international bekannten Starschauspieler.

 

 

Ladykillers

LADYKILLERS (1955) von Alexander Mackendrick

 

Sir Alec Guinness wurde mit dieser Glanzleistung zum wichtigsten Komödiant des britischen Films und vor allem der Ealing Komödien, bis zu einem weiteren Klassiker des Studios aus dem Jahr 1955 – LADYKILLERS. Darin verkörpert Guinness einen Gentleman Gauner, der sich mit Komplizen in der Wohnung einer alten Dame einquartiert, um von dort aus einen Überfall zu planen. Als die ahnungslose Dame von diesem Plan Wind bekommt, ändern sich die Prioritäten, die Zeugin muss verschwinden, aber so einfach ist das für die Gauner nicht. Auch LADYKILLERS wurde zum Klassiker der frühen Schwarzen Komödie aus England, deren Witz nicht nur aus respektlos, sarkastisch oder bitterböse war, sondern auch kultiviert, anspruchsvoll und raffiniert.

 

 

Dr. Strangelove

DR. SELTSAM ODER WIE ICH LERNTE, DIE BOMBE ZU LIEBEN (1964) von Stanley Kubrick

 

In den 60er Jahren wurde britischer Humor durch weltgeschichtliche Ereignisse bissiger und vor allem satirischer. LADYKILLERS aus dem Jahr 1955 machte einen weiteren britischen Komiker berühmt, Peter Sellers, der die Gelegenheit bekam, wie Alec Guinness in mehreren Rollen innerhalb eines Films zu glänzen. 1960 zog der US-amerikanische Regisseur Stanley Kubrick nach London und drehte 1964 mit DR. SELTSAM ODER WIE ICH LERNTE, DIE BOMBE ZU LIEBEN einen weiteren Klassiker britischen Humors. DR. SELTSAM aber verließ die Pfade britischer Trockenheit hin zur echten Satire, politisch, zynisch, am Ende gar eine Groteske.

 

 

Monty Pythons Flying Circus

MONTY PYTHONS FLYING CIRCUS (1969 – 1974)

 

DR. SELTSAM gab dem trockenen schwarzem Humor aus Großbritannien eine schärfere Note. Eine ganz andere Nuance streuten in den 70er Jahren die Komikergruppe Monty Python bei, auch ihr Humor war bitterböse Schwarz, dazu aber noch absurd, noch ein wenig trockener, arbeitete vor allem mit den Mitteln des Understatements und der Surrealität und traute sich an neue Themen heran, die vorher auch in der Britischen Komödie tabuisiert waren, Sexualität, Rassismus, Religion bis hin zur Gewaltverherrlichung.

 

 

 

 

In Anlehnung an den Begriff kafkaesk wurde für Werke der Gruppe das Wort pythonesk verwendet, oft wurde innerhalb der Sketche auf eine Pointe verzichtet, ihr Programm angereichert mit Animationen und schrägen Gesangseinlagen. Nach der TV-Show MONTY PYTHONS FLYING CIRCUS produzierte die Truppe fünf Spielfilme, darunter die Klassiker DIE RITTER DER KOKUSNUSS und vor allem DAS LEBEN DES BRIAN, welcher international für Entsetzen sorgte und diverse Boykottaufrufe verursachte.

 

 

Die Ritter der Kokusnuss

“Nur eine Fleischwunde” & “Einigen wir uns auf unentschieden” – typisch britisches Understatement in DIE RITTER DER KOKOSNUSS (1975) von Terry Gilliam & Terry Jones

 

Die Werke von Monty Python bedeuteten auch den Durchbruch für Britische Comedy im TV, später auch für Sitcoms, welche als Britcoms bezeichnet wurden. Neue Komiker betraten die Bühne des schwarzen Humors, in den 80er Jahren vor allem Rowan Atkinson mit der Serie BLACK ADDER, welche die englischen Geschichte zwar vornehmlich parodistisch spiegelte, aber natürlich auch mit jeder Menge schwarzem Humor. Berühmt wurde Atkinson aber dann mit der Figur Mr. Bean, die so gar nicht ins Raster des Schwarzhumors passte, sondern auf Slapstick á la Buster Keaton oder Charlie Chaplin basierte. Erst später trat Atkinson wieder in klassischen Schwarzen Komödien auf wie VIER HOCHZEITEN UND EIN TODESFALL oder MORD IM PFARRHAUS.

 

 

British Comedy

Schwarzer Humor in der Satire BLACKADDER (1983 – 1989) mit Rowan Atkinson, cringe comeydy mit Ricky Gervais in THE OFFICE (2001 – 2003) & echter Schwarzhumor in SICK NOTE (2017 – 2018).

 

Britischer Humor wandelte sich ab den 90ern, er wurde zunehmend geschmackloser (sick comedy) und fremdschämiger. Als cringe comedy bezeichnet man vor allem Komik um beschämendes wie peinliches Verhalten, welche lustvoll wie schmerzhaft wirkt. Rowan Atkinson war einer der ersten dieser Humorspielart, aber erst Komiker wie Steve Coogan (KNOWING ME, KNOWING YOU WITH ALAN PARTRIDGE) oder Rick Gervais (THE OFFICE) brachten komische Geschmacklosigkeiten auf ein neues Level.

 

 

Sterben für Anfänger

STERBEN FÜR ANFÄNGER (DEATH AT A FUNERAL, 2007) von Frank Oz

 

In der britischen Schwarzen Komödie tauchten wieder und wieder bestimmte Themen und Sujets auf, die sich perfekt für Schwarzen Humor eigneten. Nach den Ealing Komödien, die im Grunde echte Krimis waren und Mord und Totschlag thematisierten, kamen später vor allem Beerdigungen und Auftragskiller zum Zug. In STERBEN FÜR ANFÄNGER (DEATH AT A FUNERAL) bestimmt eine chaotische Beerdigung die gesamte Filmhandlung, in LANG LEBE NED DEVINE wird der Tod eines Lottogewinners vertuscht bzw. sein Weiterleben vorgetäuscht, damit der Gewinn nicht verfällt.

 

Ebenso beliebt wie Beerdigungen sind Profikiller und Serienmörder, erstere passen vom Typus her bestens in die Britischen Schwarzen Komödie, haften ihnen doch oft gute Manieren und Umgangsformen an. Einen kleinen Boom an Schwarzen Komödien um Profikiller löste 2008 BRÜGGE SEHEN…UND STERBEN aus, dem Filme wie WILD TARGET oder DEAD IN A WEEK folgten und Profikiller zu Sympathiefiguren machten, weil ihre Berufung Normalität darstellt, die schwarze Pointen geradezu herausfordert.

 

Nach BRÜGGE SEHEN…UND STERBEN realisierte Regisseur Martin McDonagh mit 7 PSYCHOS eine weitere gefeierte british dark comedy, auch die US-amerikanische Koproduktion THREE BILLBOARDS OUTSIDE EBBING, MISSOURI strotzt vor bitterem Schwarzen Humor. Dabei ist die schwarze Komik nur die Oberfläche, unter der sich oft feinfühlige Melancholie verbirgt.

 

 

Martin McDonagh

Bester Schwarzer Humor in der Martin McDonagh “Trilogie” BRÜGGE SEHEN…UND STERBEN (2008), 7 PSYCHOS (2012) und THREE BILLBOARDS OUTSIDE EBBING, MISSOURI (2017).

 

Nicht wenige britische Regisseure haben sich der Schwarzen Komödie angenommen, darunter Danny Boyle, Guy Ritchie oder Edgar Wright. Obgleich die britische Schwarze Komödie schon immer bissig war, wurde sie analog zum Zeitgeschehen und Werteverfall immer wahnhafter (KILL YOUR FRIENDS), politischer (IN THE LOOP) und satirischer (FOUR LIONS). Nicht nur aus England kamen Schwarze Komödien, auch wenn man Engländer, Schotten und Iren besser nicht zusammen in eine Schublade steckt und es nuancierte Unterschiede in den Figuren gibt, auch aus Irland und Schottland gibt es eine feinsten schwarzen Humor.

 

 

British Dark Comedy

FOUR LIONS (2011) von Chris Morris, THE GUARD (2011) von John Michael McDonagh aus Irland, DRECKSAU (2013) von Jon S. Baird aus Schottland.

 

Britischer Humor, nicht nur im Film, wird international als Markenzeichen englischer Kultur verstanden und trockener, schwarzer wie bösartiger Humor aus England, Schottland und Irland steht auch heute noch hoch im Kurs von Filmliebhabern. Mit dieser zwiespältigen, aber überaus intelligenten Art des Humors hatte man im Mutterland des Films, den USA, allerdings so seine Schwierigkeiten, die US-amerikanischen Komödie wird nicht in erster Linie durch schwarzen Humor bestimmt, auch wenn sie diverse schwarzhumorige Klassiker hervorgebracht hat.

 

Große Pointe Black

 

Schwarzer Humor ist nicht das Aushängeschild des US-amerikanischen Films, die Wurzeln der Komik liegen filmhistorisch bedingt im Bereich Slapstick während der Blütejahre des Stummfilms. Im Stummfilm ist natürlich Wortwitz, Ironie oder Sarkasmus schwer zu realisieren. Dafür wurde jede Menge comic violence verwendet, symbolhaft steht dafür das vom Himmel fallende Klavier oder der Amboss. Zudem bedienten sich US-amerikanische Filmemacher stärker Genres. So bereicherten viele Autoren und Regisseure mit Sinn für schwarzen Humor verschiedene Genreproduktionen nach ihrem Geschmack, es gibt viel schwarzen Humor im US-amerikanischen Film, aber nur wenige klassische Schwarze Komödien.

 

 

ARSEN UND SPITZENHÄUBCHEN

ARSEN UND SPITZENHÄUBCHEN (1944) von Frank Capra

 

Der US-Klassiker an Schwarzer Komödie schlechthin ist ARSEN UND SPITZENHÄUBCHEN von Frank Capra aus dem Jahr 1944. Darin entdeckt ein ahnungsloser Theaterkritiker, dass seine beiden geliebten Tanten reihenweise Besucher ihres Hause vergiften und die Leichen im Keller begraben lassen, inspiriert durch die echte Mörderin Amy Archer-Gilligan. Zugespitzt wird das morbide Treiben durch einen Geisteskranken und einen Serienkiller, die Schwarze Komödie wurde somit auch stark vom Horrorfilm und Serienkillerthriller beeinflusst und rasch zum morbiden Gassenhauer für ein schwarzhumoriges Publikum.

 

 

Dennoch entwickelte sich keine vergleichbare Kultur wie in England aus makabrern Tonalität, das US-Publikum rezipierte anders. Horrorfilme selbst wurden in den USA von einem jüngeren Publikum als Spaß empfunden, auch ohne die Doppelbödigkeit des schwarzen Humors. Jener Humor war Typensache von Autoren und Regisseuren und nicht wie in der Britischen Komödie eine nationale Humorausprägung. In den 60er Jahren färbte Alfred Hitchcock seine US-Thriller mit pechschwarzer Komik, in den 70er Jahren gab es nur vereinzelt schwarz-satirische Ausflüge wie in Robert Altmans M.A.S.H. oder in Mike Nichols CATCH 22.

 

 

Catch 22

CATCH 22 – DER BÖSE TRICK (1970) von Mike Nichols

 

Bis auf einige Komödien von Woody Allen gab es in den USA keinen wirklichen Vorreiter in Sachen Schwarze Komödie. In den 80er Jahren aber wurden diverse ausentwickelte Subgenres mehr und mehr von schwarzem Humor durchzogen, teils parodistisch, weil es eine klar erkennbare Genrevorlage gab (DIE EHRE DER PRIZZIS auf den Mafiafilm, DER ROSENKRIEG auf die Tragikomödie), teils innerhalb echter Subgenres im Thriller oder Horrorfilm.

 

 

Coen Brothers

Schwarzhumorige Highlights der Coen Brothers Etahn & Joel Coen – FARGO (1996), THE BIG LEBOWSKI (1998) und BURN AFTER READING (2008).

 

Meister des Schwarzen Humors wurden in den 80ern die Coen Brothers. Ihr Erstlingswerk BLOOD SIMPLE war ein waschechter Neo Noir Thriller und beinhaltet bereits typische Markenzeichen der Coen Brothers wie skurrile Figuren, eine Schwarze Komödie aber ist BLOOD SIMPLE nicht, an dieser Disziplin versuchten sich Joel und Ethan Coen erst in ihrem Zweitwerk ARIZONA JUNIOR. Obgleich jeder Coen Brothers Film Schwarzen Humor beinhaltet, fallen die Werke BLOOD SIMPLE oder MILLERS CROSSING nicht ganz in dieKategorie Schwarze Komödie.

 

Meisterwerke wie BARTON FINK, HUDSUCKER, FARGO, THE BIG LEBOWSKI, das Remake des britischen Klassikers LADYKILLERS (wenn auch bei Weitem nicht so gelungen) bis hin zu BURN AFTER READING, SEROIUS MAN und die Anthologie THE BALLAD OF BUSTER SCRUGGS hingegen sind klassische Schwarze Komödien der US-amerikanischen Autorenfilmer. Das Werk der Coen Brothers inspirierte eine ganze Riege an Filmemachern mit Werken ähnlich schwarzer Tonalität bis hin zu Quentin Tarantino.

 

Tarantino aber entwickete noch einmal eine ganz eigene Stilistik, die wiederum unzählige Male kopiert wurde, beispielsweise in DAS LEBEN NACH DEM TOD IN DENVER oder GROSSE POINT BLANK. Das Problem bei der US-amerikanischen Schwarzen Komödie war, dass andere klare Subgenres wie der Horrorfilm bereits komödiantisch aufgenommen wurden und eine Steigerung fehlte. Wenn Filmemacher keine eigene Filmsprache wie die Coen Brothers oder Tarantino entwickelten, gab es wenig Impulse für dark comedy.

 

 

US Dark Comedy

HEATHERS (1989) von Michael Lehmann, EIN MANN, EIN MORD (GROSSE POINT BLANK, 1996) & TO DIE FOR (1995)

 

So wurde vor allem im US-amerikanischen Film zwar Extreme maximiert, Grenzen überschritten und diverse Geschmacklosigkeiten getestet, doch nicht immer war das Ergebnis klar schwarzhumorig. Oft fehlte eine letzte Konsequenz, ein Happy End galt fast immer als Muss, zu starke Tiefsinnigkeit als Kassengift. Bis auf wenige Akteure vor und hinter der Kamera gab es weniger gesellschaftliche Impulse für die US-amerikanische Schwarze Komödie, gute US-Satiren sind noch seltener, die Präsenz von Slapstick, Comicgewalt und eine zu ausgeprägte Moralität ließen das Subgenre nicht so gut gedeihen wie in anderen Ländern.

 

 

Vor allem fehlte ein gewisser Hang zur Selbstironie und Trockenheit. In nur wenigen Fällen wie in GOD BLESS AMERICA wird der american way of life schwarzhumorig gebrochen, Filmemacher George Clooney kupferte mit SUBURBICON gleich dreist, aber gekonnt, von den Coen Brothers ab. Im Mainstream hatte es expliziter schwarzer Humor auch deshalb schwer, weil er an der Kinokasse durch höhere Altersfreigaben weniger Gewinn erwirtschaftete. Nur wenige Regisseure konnten sich im Mainstream Blockbuster mit schwarzhumorigen Ideen durchsetzen, James Gunns Filme von SUPER bis SUICIDE SQUAD sind eher Ausnahmen.

 

 

US Dark Comedy

SUBURBICON (2017) von George Clooney, THE ART OF SELF-DEFENSE (2019) von Riley Stearns & I CARE A LOT (2021) von J Blakeson

 

Generell ist Schwarzer Humor international und nicht länderspezifisch, der humorvolle Umgang mit ernsten Themen entwickelte sich kulturell eigentlich überall gleich. Aber es gibt Länder mit einem besseren Zugang für Schwarzen Humor, neben den Briten wird auch von nordischen Gemütern behauptet, sie hätten einen Faible für das Schwarzhumorige.

 

 

Die nordische Kunst des negativen Filmemachens

 

Lakonie, Selbstironie, Skurrilität und Schwarzer Humor haben in skandinavischen Ländern eine lange Tradition, die auch im Medium Film gespiegelt wurden. Für den internationalen Siegeszug nordeuropäischer Filmexporte waren einerseits Förderinitiativen und Finanzierungsprogramme verantwortlich, auf der anderen Seite Radikalität innerhalb von Storytelling und Produktionsabläufen. In den 90er Jahren stellten Lars von Trier und Thomas Vinterberg aus Dänemark mit ihrem Manifest Dogma95 die nationale und internationale Filmwelt auf den Kopf. Die Dogma95 Initiatoren lieferten neben all dem Krawall mit IDIOTEN und DAS FEST zwei Filme mit besonders hintergründigem Schwarzhumor ab, Lars von Trier hat ihn bis heute noch energisch verschärft.

 

 

The House that Jack built

Weg vom Dogma hin zu einer bitterbösen Farce – THE HOUSE THAT JACK BUILT (2018) von Lars von Trier.

 

Noch vor Schweden oder Norwegen produzierte Dänemark nach Dogma95 kontinuierlich Schwarze Komödien wie IN CHINA ESSEN SIE HUNDE und OLD MAN IN NEW CAR von Regisseur Lasse Spang Olsen nach Drehbüchern von Anders Thomas Jensen. Anders Thomas Jensen selbst legte 2000 mit BLINKENDE LICHTER sein Regiedebüt vor, einer äußerst schwarzhumorigen Gaunerkomödie im Fahrwasser diverser Tarantino Klone, aber eigenständig genug, um auch außerhalb Dänemarks aufzufallen. Mit DÄNISCHE DELIKATESSEN von 2003 wirkte der Humor noch überdrehter bis hin zur Groteske. Doch erst mit ADAMS ÄPFEL aus dem Jahr 2005 wurden die bitterbösen Filme von Anders Thomas Jensen international bekannt.

 

 

Nordic Dark Comedy

IN CHINA ESSEN SIE HUNDE (1999) von Lasse Spang Olsen, BLINKENDE LICHTER (2001) & DÄNISCHE DELIKATESSEN (2004) von Anders Thomas Jensen

 

Im Grunde handeln so gut wie alle skandinavischen Schwarzen Komödien von gebrochenen Außenseitern, die meist so tief sinken sind, dass ihnen nur noch der schwarze Humor als Überlebensstrategie bleibt. In dieser Mischung schwanken sämtliche nordische Schwarzkomödien zwischen bitterer Tragik und Galgenhumor. In ADAMS ÄPFEL versucht ein äußerst gutmütiger Pfarrer, Straftäter auf Bewährung zu resozialisieren, Kleptomanen, Alkoholiker, Neonazis, doch das Vorhaben scheitert wieder und wieder an diversen Realitäten. Doch während andere Filme das Sujet als Am-Ende-wird-alles-gut-Drama inszeniert hätten, findet Jensens grenzwertige Unverschämtheit andere Pfade, die nachhaltiger trifft als vergleichbare Friede-Freude-Eierkuchen Filmgeschichten.

 

 

Adams Äpfel

ADAMS ÄPFEL (2005) von Anders Thomas Jensen

 

Noch eine Spur boshafter geriet Jensens Groteske MEN & CHICKEN von 2015 um zwei Brüder, die nach dem Tod ihres Vaters erfahren, dass sie adoptiert wurden. Ihr biologischer Vater, ein bekannter Stammzellenforscher, lebt in einer seltsamen Gemeinde auf einer kleinen Insel, zu der die beiden Brüder nun aufbrechen und in eine wahre Alptraumwelt skurrilster Figuren geraten.

 

 

Nordic Dark Comedy

WILBUR WANTS TO KILL HIMSELF (2002) von Lone Scherfig, DIE KUNST DES NEGATIVEN DENKENS (2006) von Bård Breien & EINE TAUBE SITZT AUF EINEM ZWEIG UND DENKT ÜBER DAS LEBEN NACH (2015) von Roy Andersson

 

Neben Lasse Spang Olsen und Anders Thomas Jensen gesellt sich mit Lone Scherfig auch eine dänische Regisseurin mit Faible für schwarzhumorige Kost, die im Jahr 2000 mit ITALIENISCH FÜR ANFÄNGER einen Dogma95 Beitrag drehte und 2002 mit WILBUR WANTS TO KILL HIMSELF einen Klassiker an Schwarzer Komödie schrieb und inszenierte, in dem es dem suizidgefährdete Titelheld Wilbur einfach nicht gelingt, sich umzubringen.

 

Doch auch Norwegen und Schweden haben nach dem Boom an nordischen (Schwarzen) Komödien ab 2000 diverse bittersüße Kleinode beigesteuert. In DIE KUNST DES NEGATIVEN DENKENS von Bård Breien erhebt der behinderte Geirr seinen destruktiven Pessimismus zur Lebensphilosophie und versucht in einer Therapiegruppe, die anderen Teilnehmer von seiner Lebenseinstellung zu überzeugen, sehr zum bittersüßen Vergnügen der Zuschauer.

 

Absurden Humor bis zur Grenze der Groteske bietet die Trilogie des schwedischen Filmemachers Roy Andersson beginnend mit SONGS FROM THE SECOND FLOOR, DAS JÜNGSTE GEWITTER und abschließend EINE TAUBE SITZT AUF EINEM ZWEIG UND DENKT ÜBER DAS LEBEN NACH. Für letzteren gewann Andersson sogar den Goldenen Löwen der Filmfestspiele von Venedig, die Kunstfilm Trilogie über die absurde menschliche Existenz besticht durch intelligenten Witz, Melancholie und Skurrilität.

 

Die Schwarze Null

 

Letzten Endes stellt sich die Frage, wie es mit Schwarzem Humor und der Schwarzen Komödie aus deutschen Landen aussieht. Nicht sonderlich gut, so viel sei vorweggenommen. Viel wird orakelt über das Humorverständnis der Deutschen, sie seien humorlos, wenig selbstironisch und dazu noch überaus moralisch, schlechter Zugang also für bösen Schwarzen Humor. Sicherlich ist das historisch bedingt. Der Literaturkritiker Hans-Dieter Gelfert schrieb einst, der deutsche Humor sei Ausdruck einer Gesellschaft, die sich ihrer politischen und kulturellen Identität ungewiss ist. Nach dem Zweiten Weltkrieg und einer Phase der Verdrängungskultur eröffnete sich auch im Film wenig Raum für schwarzhumorige Boshaftigkeiten.

 

 

Die Apothekerin

DIE APOTHEKERIN (1997) von Rainer Kaufmann

 

Nach Lustspielen, Schwanks, biederen Heimatfilmen, einer Flut von Blödelbarden wie Dieter Hallervorden oder Otto Waalkes sowie diversen Flachwitzfilmchen mit Mike Krüger und Thomas Gottschalk war der Humor eines Loriots mit Sketchen und Filmen wie ÖDIPUSSY oder PAPA ANTE PORTAS Ende der 80er, Anfang der 90er geradezu revolutionär, wirklich schwarz war er allerdings nicht, eher angelehnt an britische Trockenheit und eine Parodie auf das Deutsche Gemüt. Ab den 90ern gab es dann vereinzelt Schwarze Komödien wie DIE APOTHEKERIN, NUR ÜBER MEINE LEICHE oder KAI RABE GEGEN DIE VATIKANKILLER, auf der Boshaftigkeitsskala aber rangierten sie weit unter vergleichbaren Filmen aus Großbritannien oder Skandinavien.

 

Schwarzer Humor um Minderheiten, Kriegsgräuel, Leid und Tod ist nicht die Paradedisziplin deutscher Filmschaffenden und sicherlich historisch begründet, obwohl es immer einen persönlichen Zugang zu Schwarzem Humor bedarf seitens Autoren und Regisseuren. Die Parodie und die gezügelte Satire lag deutschen Filmemachern noch am ehesten, SCHTONK von Helmut Dietl oder MEIN FÜHRER von Dani Levi haben auch schwarzhumorige Passagen.

 

Dreist geklaut wurden auch britische Humorkonzepte wie THE OFFICE mit dem deutschen Pendant STROMBERG im Bereich cringe comedy. Aber so wirklich böse, absurd, makaber oder geschmacklos kam kaum eine deutsche Komödie daher, selbst Filme abseits von seichter Komik wie die eines Detlef Buck (WIR KÖNNEN AUCH ANDERS…) oder Peter Thorwart (BANG BOOM BANG) verlieren im internationalen Vergleich an Schwarzhumorigkeit.

 

 

German Dark Comedy

STROMBERG – DER FILM (2014) von Arne Feldhusen, WIR KÖNNEN NICHT ANDERS (2020) von Detlef Buck & NEBENAN (2021) von Daniel Brühl

 

Dagegen entwickelte Österreich eine ungleich innigere Passion zum Schwarzhumor, der Wiener Schmäh ist der Inbegriff für dunklen, makabren wie selbstironischen Humor. Paradebeispiele stellen die Verfilmungen der Brenner-Krimis von Wolf Haas unter der Regie von Wolfgang Murnberger dar, bei denen der Kabarettist und Schauspieler Josef Hader nicht nur die Titelrolle übernahm, sondern auch am überaus schwarzhumorigen Drehbuch mitwirkte. Mit KOMM SÜßER TOD, SILENTIUM, DER KNOCHENMANN und DAS EWIG LEBEN lieferten Haas, Murnberger und Hader die wohl besten deutschsprachigen Schwarzen Komödien bis dato ab.

 

 

Das ewige Leben

Josef Hader in DAS EWIGE LEBEN (2015) von Wolfgang Murnberger

 

Neben den Haas Verfilmungen wirkte Josef Hader auch in schwarzhumorigen Produktionen wie INDIEN oder DIE AUFSCHNEIDER mit, bis er 2017 mit WILDE MAUS sein Regiedebüt gab. Nicht minder schwarzhumorig, dazu noch eine Spur anarchistischer und grotesker, kommen die Filme von Harald Sicheritz und Roland Düringer daher wie HINTERHOLZ 8 und POPPITZ. Möglicherweise ist es die Verquickung von Kabarett und Film, die in Österreich gut gedeiht und auch im Film Akzente setzt.

 

 

Austria Dark Comedy

DIE AUFSCHNEIDER (2010) von David Schalko, HINTERHOLZ 8 (1998) & POPPITZ (2002) von Harald Sicheritz

 

Schwarzer Humor ist keine Technik, schwarzer Humor ist überaus intim, persönlich, ein Ergebnis von weltanschaulichen Aspekten, ein eigener Zugang und Verarbeitungsmechanismus für all das Schreckliche in der Welt. Das lässt sich schwer kalkulieren oder einfach mal so inszenieren, er war immer Typensache von Künstlern, die ein ganz eigenes, wenig massenkompatibles Verständnis für Humor und Komik hatten oder einfach so gepolt waren. Schwarzen Humor kann man schwer lernen.

 

Manchmal haben Nationen wie Großbritannien, Österreich oder skandinavische Länder kulturgeschichtlich einen besseren Zugang zu Schwarzem Humor, während Deutschland mit dieser Facette etwas fremdelt. Da Schwarzer Humor aber etwas befreiendes hat und immer auch ein Spiegel der Verarbeitung von Weltgeschehen ist, wer weiß, vielleicht entwickeln künftige Generationen neue, eigene Interpretationen von Schwarzhumorigkeit, auch im Film.

 

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In der Reihe DIE KLEINE GENREFIBEL habe ich es mir zur Aufgabe gemacht, sämtliche Genre, Subgenre, Mikro- und Nanogenre des Genrefilms vorzustellen. Eine Aufgabe, die mich bis weit nach mein Lebensende beschäftigen wird. Ich lege den Fokus auf Dramaturgie und Buch, werde mich aber auch mit der Inszenierung sowie den jeweils besten Vertretern befassen.

 

Lesen Sie in der nächsten Folge:

 

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One Comment

  1. Antworten

    […] Die kleine Genrefibel Teil 5: Schwarzhumor Die Traumfalter Filmwerkstatt hat es sich nicht nehmen lassen entsprechend bissigen Humor in die Einleitung einzubringen. 😉 Neben der verschiedenen Spielarten von schwarzem Humor und der Antwort auf die Frage, welche Länder Schwarzer-Humor-Könige sind, weiß ich jetzt auch, dass die Komödie eigentlich kein Genre ist. Danke für den Denkanstoß! […]

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Christian Hempel | Autor, Dramaturg und Stoffentwickler | Gesslerstraße 4 | 10829 Berlin | +49 172 357 69 25 | info@traumfalter-filmwerkstatt.de