Die kleine Genrefibel Teil 32: In Costumes

Endlich ist mal wieder Zeit für eine kleine Genrefibel, war ziemlich viel los in den letzten Wochen. Das muntere Hüpfen zwischen dem Deutschem Genrefilm auf der GENRENALE und dem Hollywood-Pomp bei den OSCARS ist ganz schön anstrengend, es geht auf die Kniegelenke und auch das Gemüt leidet unter Muskelkater, was immer das auch heißen mag. Kann der Spagat gelingen, sich wochenlang mit der unkonventionellen Subversivität des Deutschen Genrefilms zu beschäftigen und dann der Bewegung mit einer Kleinen Genrefibel über Kostümfilme nonchalant in den Rücken zu fallen? Kostümfilme im Genrefilmblog, meint er das ernst?

 

 

 

 

Sicher, auf den ersten Blick fühlt es sich ein wenig nach Hochverrat an. Der Begriff “Kostümfilm” selbst ist viel zu neutral, aber das Synonym “Kostümschinken” steht gleich neben dem Betroffenheitsdrama und der Liebeskomödie auf dem Schafott der Filmverachtung, zumindest aus Sicht von Genrefans. Sag ich jetzt einfach mal so, ob es stimmt, weiß ich nicht. Ich hatte nie ein Problem mit Kostümfilmen, ich hatte Videokassetten, auf denen Kostüm- und Splatterfilme Platz fanden, ich erinnere mich an tolle Kombinationen wie WIEDERSEHEN IN HOWARDS END und HELLRAISER 4 oder CYRANO DE BERGERAC und SIE LEBEN! Lauflängenpragmatismus nannte man dieses Phänomen, aber es hatte durchaus auch psychologischen Charakter. Wer immer sich in jener Zeit von mir DER KONTRAKT DES ZEICHNERS auslieh, musste vorher durch MEET THE FEEBLES durch. Das wiederum nannte man Genrefizierung. Hat mich allerdings auch Freunde gekostet.

 

 

Kaschmir, Seide, Dederon

 

Heute wollen wir mal luftig von der Hüfte weg über Kostüme plaudern. Wer selbst schon mal eine Reihe geführt hat weiß, bei Folge 32 kann man sich das erlauben. Doch das Thema selbst ist zu facettenreich, um es nur am Schlagwort “Kostümdrama” festzunähen. Wer Filme mit der Priorität auf Ausstattung und Kostüm als Gegenpol von Genreware ansieht, könnte falscher nicht liegen. Kostüme im Film sind Handwerkzeuge der Dramaturgie und der Figurenentwicklung in jedwedem Genre. Für Comicverfilmungen sind Kostüme von mindestens gleichgroßer Bedeutung wie für historische Stoffe. Kostüme und Genre, das wollen wir heute mal aufdröseln und beschnittmustern, bis die Nähte platzen. Als Gastautoren habe ich zu diesem Thema Keira Knightley eingeladen, aber Keira sitzt vorm Fernseher und zockt die ganze Zeit DONKEY KONG COUNTRY RETURNS, also muss ich da alleine durch.

 

Cate Blanchett im opulenten Kostümschinken ELIZABETH (1998), Kostümdesign von Alexandra Byrne

Gary Oldman als Fashion Dracula in BRAM STOKERS DRACULA (1992), Kostümdesign von Eiko Ishioka

 

Natürlich existiert er, der Begriff “Kostümschinken” und gemeint sind damit Filme mit Fokus auf Ausstattung und Kostümbild. Solche Filme thematisieren vorrangig historische Stoffe, also Filmstoffe, nicht Baumwolle, Sisal oder Dederon. Ein Kostümbild ist aber keine Erfindung der Filmindustrie, sondern essentieller Bestandteil des Theaters, welches Jahrhunderte vor dem Film existierte. Aber beim Film war dann vieles anders als auf der Bühne, vor allem funktional. Die ersten Langfilme in den 1910er und 20er Jahren waren Literaturverfilmungen historischer Ereignisse oder Personen wie Julius Cäsar, Napoleon, Salome oder die drei Musketiere und sie waren alle noch in Schwarz-Weiß, was Kostümbildner seiner Zeit vor schwierige Aufgaben stellte.

 

 

Was im Film als Schwarz oder Weiß wirkt, musste in Wirklichkeit vielmehr eine Farbvariation sein, denn die Filmbeleuchtung verbot eigentlich jedwede Extreme. Neben Farben war Material ein ebenso wichtiger Faktor für die Wirkung auf der Leinwand. Und funktional mussten sie sein, Filmkostüme sind keine Wohlfühlklammotten, es zwickt, es kratzt, es sticht, viel wird mit Stecknadeln und Klammern vertackert, gezurrt, vernäht, zusammengestickt oder drapiert.

 

Die am meisten gestressten Personen am Set waren und sind Kostümbildner. Davon kann auch ich ein Lied singen ob meiner Erfahrungen bei Dreharbeiten. Neben “Walki Talki ausmachen, wenn gedreht wird, du Sau!” oder “Schnapsklappe!” war “Halte dich ja fern vom Kostümbus!” ein oft gehörter Satz am Set. Kostümbildern und Kostümassistenten sind Furien, Chaosbezwinger, Halbgötter mit Fingerhüten. Während meiner Wanderjahre durch die Gewerke des Films habe ich manch tolle Kostümbildner beobachten können, aus sicherer Entfernung, zum Beispiel Lucy Bates (ALLES AUF ZUCKER, HILDE), eine grazile Göttin der Kostümkunst. Jetzt bin ich allerdings ein wenig abgeschweift, wo waren wir stehengeblieben?

 

 

Aus dem Nähkästchen

 

Mit dem Wechsel vom Schwarz-Weiß- zum Farbfilm veränderte sich zwar nicht die Funktionalität des Kostümbilds, wohl aber die Bedeutung für die jeweiligen Schauspieler. War es in den vierziger Jahren der Rollentypus Femme Fatale, nahm diesen Platz ab den fünfziger Jahren die Diva ein, die dank des Farbfilms nun auch optisch galante Kleider vor der Kamera tragen konnte. Die haben zwar immer noch gezwickt und gejuckt, aber Opulenz und Glamour hatten größere Bedeutung. Zudem war eine geschickt geschnittene Obertrikotage nicht selten das Aushängeschild für eine teure Filmproduktion. Je filigraner und prächtiger das Kostümbild, desto mehr wurde der Film als monumentaler Epos wahr genommen.

 

Elizabeth Taylor in CLEOPATRA (1963), Kostümdesign von Vittorio Nino Novarese

DER KONTRAKT DES ZEICHNERS (1982), Kostümbild von Sue Blane

 

So soll die Garderobe von Elizabeth Taylor in CLEOPATRA 1963 allein 200.000 Dollar gekostet haben. Für CLEOPATRA musste aber nicht nur Elizabeth Taylor, sondern unzählige Darsteller und Komparsen eingekleidet werden, was kostümtechnisch eine ganz andere Dimension darstellt. Warum Kostüme im Film nach wie vor von wichtiger Bedeutung sind und ein solch hohes Budget rechtfertigen, lag auch im gesellschaftspolitischen Kontext begründet, denn Mode entwickelte sich auch über den Katalysator Film – nicht jeder konnte sich ein Taylor-Dress leisten, sich im Kinosessel danach sehnen jedoch schon. Mode im Film beeinflusste dann wieder die Mode in der Realität und wieder umgekehrt. Kunst imitiert das Leben, was die Kunst imitiert, nie passte das so treffend wie auf das Kostümbild.

 

Historische Filme haben viele Synonyme, Monumentalwerk, Geschichtsepos, aber eben auch Kostümschinken. Später sollten sich aber spezielle Formen historischer Stoffe als Kostümfilme deklarieren und für diesen Namen stehen. Eine Strömung waren die Filme von Peter Greenaway, die sich erzählerisch weit von Monumentalwerken wie CLEOPATRA entfernten, wenngleich sie in Sachen Ausstattung und Kostümbild mindestens so aufwändig waren.

 

Greenaway malte im eigentlichen Sinne Kinobilder, arrangierte Dekoration und Kostüm wie Pinselstriche auf einer Leinwand. Ich fand das unglaublich beeindruckend, Greenaways Filme wie DER KONTRAKT DES ZEICHNERS (1982), DER KOCH, DER DIEB, SEINE FRAU UND IHR LIEBHABER (1989) oder PROSPEROS BÜCHER (1991) sind wahre Kostümorgasmen. Gleichzeitig sind Greenaways Filme aber auch sperrig, chiffriert und nehmen eine Sonderstellung im Begriffskontext “Kostümfilm” ein. Denn erzählerisch gingen Kostümdramen recht konservative Wege.

 

 

period drama

 

Heute steht der Begriff “Kostümdrama” hauptsächlich für eine bestimmte historische Epoche. Kostümfilme thematisieren natürlich die Antike über das römische Reich, das Mittelalter, Barock, Rokoko und Renaissance. Am meisten verbindet man aber den Kostümfilm mit der Zeit des ausklingenden 18. Jahrhunderts bis zum viktorianischen Zeitalter in England.

 

So stehen heute Jane-Austen-Verfilmungen auch als Synonym für den Kostümfilm. Dabei sind Filme nach Romanen von Jane Austen keineswegs nur Modenschauen. Im Kostümbild liegen viele Facetten der Figureninterpretation verborgen, gesellschaftliche Stellung und Stand. Kostüme dienen nämlich nicht nur als optische Reizbündel, sondern helfen bereits dem Drehbuchautoren, seine Figuren von innen wie von außen zu charakterisieren.

 

Ein Kostüm verrät so viel mehr als nur Modegeschmack. Das Mädchen, welches die Asche puttelte, bekam ein tolles Ballkleid und konnte sich auf den Hof des Prinzen schleichen. Dort verlor es den gläsernen Schuh und der Prinz wurde rollig.

 

Bauernmägde wünschen sich Ballkleider, Knappen eine Ritterrüstung, Könige eine Krone und Prinzessinnen ein Diadem. Was sagt eine Uniform über eine Figur aus, was ein grauer Anzug, was ein flippiges Outfit? In FIGHT CLUB gibt es zwei Persönlichkeiten einer Figur, Ausdruck dafür ist auch das Kostümbild. Es verrät sozialen Status, Beruf, Milieu, aber auch, ob eine Figur eitel oder schludrig ist, extravagant oder duckmäuserisch, keck oder bieder. Kostüme und Kleider sind Fixpunkte der Figureninterpretation. Farben, Formen, Accessoires, ein Kostümbild kann, weil es visuell aufgenommen wird, sofort Informationen über die Figur liefern.

 

Vom Sketch zum Kostüm – Kim Novak für VERTIGO (Edith Head) & Helena Bonham Cater für ALICE IN WONDERLAND (Colleen Atwood)

 

Es liegt in dem Fall bereits in der Hand des Autors, meist sind solche Informationen aber versteckt und ein anderes Gewerk muss sie freischaufeln – eben der Kostümbildner. So beginnt die szenische Arbeit an einem Film auch mit der Visualisierung des Kostümbildes mit allem, was dazu gehört.

 

Denn das Farbspektrum der Garderobe wird auch die Farbstimmung des Films spiegeln, oder umgekehrt. Der Kostümbildner beginnt seine Arbeit am Zeichentisch, mit Skizzen oder Sketches, die die Informationen aus dem Drehbuch filtrieren und bildlich werden lassen. Erst dann wird Maß genommen, geschneidert oder irgendein Fundus geplündert. Das Kostümbild in Verfilmungen von Romanen aus der Feder von Jane Austen beispielsweise ist demzufolge nicht nur funktional und visuell, sondern auch Schlüssel zur Figureninterpretation.

 

Opulente Kostüme werden sehr wohl singulär wahr genommen, sowohl von Männlein als auch von Weiblein. Nicht selten kristallisieren sich Stil-Ikonen direkt aus dem Kostümbild eines Films heraus, die wiederum die Evolution der Mode anstacheln. Zu einer solchen Ikone ist Keira Knightley geworden, die sich wie keine andere in historische Fummel gezwängt hat und darin durchaus schnuckelig aussah. Doch Filmikonen, die die Modewelt beeinflussten, gab es schon immer.

 

Stilikonen Heute & Gestern: Jeniffer Lawrence (AMERICAN HUSTLE), Audrey Hepburn (FRÜHSTÜCK BEI TIFFANYS), Scarlett Johansson (HITCHCOCK), Marilyn Monroe (DAS VERFLIXTE 7. JAHR), Keira Knightley (ATONEMENT)

 

Audrey Hepburn in FRÜHSTÜCK BEI TIFFANYS oder Marilyn Monroe in DAS VERFLIXTE 7. JAHR gelten als Modegöttinnen, in dessen Fußstapfen heute Scarlett Johansson, Jeniffer Lawrence oder eben Keira Knightley getreten sind. Ja ich weiß, ich spare in meinem filmischen Machismo natürlich vollkommen aus, dass das Kostümbild auch dem Manne der Attraktivität dienlich war. Bond ohne Smoking, Indiana Jones ohne Fedora, John Travolta ohne offenes Hemd, ganz klar, für Männer spielt Mode eine genauso wichtige Rolle. Nachdem das jetzt in den Akten vermerkt ist, geht’s mit Nathalie Portman weiter.

 

 

Stilikonen

 

Kostümfilme sind mitnichten nur historisches Gebälk in zugezurrten Korsagen, aufgeplusterten Rüschen und zusammengequetschte Wonderbras. Kostüme im Film nur dem Monumentalepos oder Historienschinken eine Bedeutung zuzumessen, ist zu kurz gedacht. Die großen Eckpfeiler des Genrefilms, Science-Fiction und Fantasy, niemand wird bestreiten, dass Kostüme in diesen Genres von größter Bedeutung sind. Fantasystoffe wie THE LORD OF THE RINGS sind kostümtechnisch ein gleich großes Kaliber wie CLEOPATRA seinerzeit, das Kostümbild dient dazu, in einer fremden Welt oder Epoche zu versinken.

 

 

THE HOBBIT: AN UNEXPECTED JOURNEY (2012), Kostümbild von Ann Maskrey

 

 

Auch im Fantasymärchen STAR WARS sind Kostüme untrennbar mit Figuren verknüpft. Der verwegene Schmuggler Han Solo, der Feuchtfarmer Luke und der fiese Lord Vader definieren sich auch aus ihrem Kleiderschrank. Bis heute gilt Prinzessin Leia in ihrem Bikini auf Jabba The Hutts Vergnügungsschiff als Stilikone, etwas, was Nathalie Portman in der Prequel-Trilogie leider verwehrt blieb, obwohl sie der Kostümbildner in unzählige Outfits quetschte.

 

0,4% von Nathalie Portmans Garderobe in der neuen STAR WARS Trilogie, Kostümdesign von Trisha Biggar

 

Dagegen scheint die Mode im Bereich Science-Fiction einen dezenteren, futuristischeren Weg zu gehen. Lack und Leder in allen Schwarzvariationen, Trinity aus MATRIX in hautengem Fetischfummel oder Milla Jovovich in THE FIFTH ELEMENT, spärlich bandagiert – im Science-Fiction-Bereich gibt es zwar weniger Allongeperrücken, schlicht muss die Mode der Zukunft deswegen noch nicht sein. Doch vor allem der Superheldenfilm definiert sich primär aus dem Kostüm des Helden oder Bösewichts.

 

 

Ob BATMAN, SUPERMAN, SPIDERMAN, X-MEN oder THE AVENGERS, Superheldenoutfits sind vielleicht die Speerspitze der Kostümkunst. Natürlich ist es bemerkenswert, historische Schnitte und Kleider zu entwerfen, sich mit der jeweiligen Epoche auseinanderzusetzen und eine geschichtlich korrekte Garderobe zu entwerfen. Bei einem Superheldenoutfit scheint es keine Grenzen zu geben, was nicht immer der einfachere Weg ist.

 

 

Zwar sind eine Vielzahl von Superheldenanzügen eine Adaption der Comicvorlage, aber nirgendwo kann man besser modische Einflüsse und Evolution erkennen als in der Geschichte von Superheldenkostümen. War das erste BATMAN-Kostüm in den vierziger Jahren mehr eine Stoffzusammenführung, wandelte sich Optik, Stil und Funktionalität von Verfilmung zu Verfilmung. Bekanntlich gab es sogar BAT-Nippel an Clooneys Kostüm des schwarzen Rächers, was aber weniger mit dem Modegeschmack der späten Neunziger Jahre zu tun hatte.

Ein Horrorkostüm sollte anders wirken als ein Ballkleid

 

Mode und Kostüm im Film bringt nicht selten Ikonen hervor, und damit meine ich weniger Hepburn oder Knightley. Die BLUES BROTHERS, BONNY & CLYDE, ZORRO, BATMAN, Kostüme begleiten bereits Kinder auf Faschingsveranstaltungen, später auf Halloweenpartys.

 

Stichwort Halloween, welch schöne Überleitung. Während historische Stoffe, Fantasy- oder Superheldenfilme geradezu nach einem prächtigen Kostümbild schreien, scheint der Horrorfilm modisch ein wenig bieder. Doch auch Horrorikonen wie Freddy Krüger, Jason Voorhees oder Michael Myers erschrecken in erster Linie durch die Wahl ihrer Kleidung und Accessoires. Auch das SCREAM-Kostüm ist mittlerweile ein Klassiker.

 

Die Buben und Mädel, die dann von diesen Kostümkillern dahingemeuchelt werden, fallen selten durch ihre Kleidung auf. Im Gegenteil, der Applaus ist ihnen gewiss, sobald sie sich ihrer Kleidung entledigen.

 

Nur ein Freddy Krüger wird sich nie ausziehen oder mal in Badehose im Traum erscheinen, obgleich auch er mal das ein oder andere Alternativoutfit getragen hat. Leatherface hingegen sieht man selten im Smoking. Andere Horrorfilme, die mit Kostümen prahlen, sind dann eigentlich auch wieder historische Stoffe, INTERVIEW MIT EINEM VAMPIR beispielsweise, MARY REILLY und natürlich BRAM STOKERS DRACULA mit den fantastischen Gewändern von Kostümbildnerin von Eiko Ishioka.

 

 

 

“Ja warum isse der Mann noch nit dressed?”

 

Das ist eher selten, dass man bekannte Kostümbildner namentlich kennt. Die größte dieses Gewerkes ist sicherlich Edith Head, die acht OSCARS gewann, unter anderem für EIN HERZ UND EINE SEELE, SABRINA und DER CLOU. Man kann aber noch wesentlich weiter gehen, als Kostüme im Hinblick auf Figurendramaturgie und gesellschaftliche Wirkung zu betrachten. Edith Head arbeitete beispielweise oft mit Regisseur Alfred Hitchcock zusammen, ich kann das stilistisch nur bedingt nachempfinden, aber andere Kostümbildner gaben Filmen bestimmter Regisseure auch einen Großteil ihres Looks.

 

AVIATOR, Kostumdesign von Sandy Powell

THE ROYAL TENENBAUMS, Kostümdesign von Karen Patch

 

Die Filme von Tim Burton beispielsweise sind eine wahre Fundgrube an extravaganten Kostümen, für die zum Teil Kostümbilderin Colleen Atwood verantwortlich war. Bei Scorcese war es Sandy Powell (GANGS OF NEW YORK, AVIATOR), für Wes Anderson schneiderte Milana Canonero (DARJEELING LIMITED, THE GRAND BUDAPEST HOTEL), für PAUL THOMAS ANDERSON schwang Mark Bridges Nadel und Faden (MAGNOLIA, THE MASTER) und auch wenn man den Namen Deborah Nadoolman nicht kennt, jeder kennt Indiana Jones Schlapphut, den sie entwarf. Kostümbildner mögen nach außen hin bescheiden und scheu wirken.

 

Doch für einen Schauspieler oder mehr noch eine Schauspielerin sind sie mehr als nur laufende Kleiderbügel, nicht selten ist der Kostümbildner die einzige Person, die der Star oder die Diva respektiert. Und natürlich der Kameramann, denn was nützt das schönste Kleid, wenn der Kameramann den schönen Fummel nicht elegant ablichtet.

 

 

Kostümdesigner-Legenden: Edith Head (A PLACE IN THE SUN), Sandy Powell (AVIATOR), Michael Caplan (FIGHT CLUB), Colleen Atwood (SWEENEY TODD), Eiko Ishioka (BRAM STOKERS DRACULA), Mark Bridges (THE ARTIST)

 

Es gibt ja Stars, die sich erst im Kostüm richtig mit der Rolle identifizieren. Manche Method-Actor tragen ihre Garderobe auch in den Pausen oder auf dem Weg nach Hause, was mal mehr (BOND), mal weniger (MICHAEL MYERS) sinnig ist. Kann man das überhaupt nachvollziehen? Ich schon! Dazu muss man wohl mal in einem Filmkostüm gesteckt haben, was mir das ein oder andere mal vergönnt war. Es ist schon ein seltsames Gefühl, mal in einer SS-Uniform, in einem feinen Frack oder in einem Gefängnisoutfit zu stecken. Zu Erst einmal: Filmkostüme riechen nicht wirklich lecker, vor allem, wenn sie aus einem staubigen Fundus kommen.

 

Wenn man sie dann allerdings trägt, spürt man schon einen Hauch der Rolle, die man dann als Komparse oder Lichtdouble ausfüllen muss. Dazu gehört natürlich auch die Frisur und die Maske, doch das ist ein anderes Thema. So ein Filmkostüm kann wie ein magischer Umhang wirken. Kann ja jeder mal ausprobieren, als Komparse beim Film. Allerdings rate ich davon ab, irgendwas militärisches wie NVA zu machen. 12 Stunden mit Stahlhelm und Gepäck, da endet meist die Begeisterung für´s Kostümbild.

 

In den Tiefen eines Kostümfundus

DEADPOOL Masken auf Vorrat

 

Man o man, da haben wir uns heute aber ganz schön verquatscht. Ging es eigentlich auch um Filme, ich weiß gar nicht, muss ich nachher nochmal drüber lesen. Kostüme im Film sind ein aufregendes Thema irgendwie und sie bestimmen wirklich jedes Genre, jede Sparte, na gut, den Pornofilm mal ausgenommen. Aber Nichts an sagt ja auch etwas aus. Für mich gehören Kostüme zum Film wie alle anderen Elemente auch. Meist ist es so, dass sie nicht sofort ins Auge fallen, nicht im Fall wie Kostümdramen nach Jane Austen oder in Nathalie Portmans STAR WARS-Garderobe. Wenn ein Kostümbild in einem Film gut ist, kann es sein, dass es nicht auffällt, weil es homogen wirkt, in jeder Figur, jedem Statisten im Hintergrund das Flair der jeweiligen Epoche eingehaucht wird.

 

 

BLACK SWAN, Kostümdesign von Amy Westcott

 

Mode im Film wird immer mal wieder ikonische Fummel hervorbringen. Ende der Neunziger musste es der Mantel von Neo oder die Sonnenbrille von Morpheus sein, heute reißen sich die großen Modehäuser und Parfümerien um Stilikonen wie Johansson und Lawrence. Der BATMAN-Anzug wird sich von Jahrzehnt zu Jahrzehnt weiter verändern, Kinder werden dieses Kostüm auf Faschingspartys tragen, noch in fünfzig Jahren. Ich bin nun wirklich kein Modefachmann, aber ich bin durchaus großer Fan von Mode im Film. Schön, sich darüber mal auslassen zu dürfen.

 

Nun gut, damit schließen wir das etwas andere Subgenrekapitel Kostümfilm und widmen uns nächste Woche wieder einem Horrorthriller-Thema. Derweil begebe ich mich nun zu Keira Knightley auf die Couch, sie schafft nicht mal das erste Level aus DONKEY KONG COUNTRY RETURNS. Aber sie hat ihr schönes, grünes Kleid aus ABBITTE an, wenigstens darauf ist Verlass. Schließen möchte ich mit einem modischen Zitat von Wilhelm Busch: “Schmiegsam, biegsam, mild und mollig – ist der Strumpf, denn er ist wollig.” Bis dahin, liebe Genrefreunde und Garderobiere!

 

 

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In der Reihe DIE KLEINE GENREFIBEL habe ich es mir zur Aufgabe gemacht, sämtliche Genre, Subgenre, Mikro- und Nanogenre des Genrefilms vorzustellen. Eine Aufgabe, die mich bis weit nach mein Lebensende beschäftigen wird. Ich lege den Fokus auf Dramaturgie und Buch, werde mich aber auch mit der Inszenierung sowie den jeweils besten Vertretern befassen.

 

Lesen Sie in der nächsten Folge:

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2 Comments

  1. Antworten

    […] Bei den Oscars, so hieß es, gewinnen ausschließlich staubtrockene Filmdramen oder biedere Kostümschinken. Doch in den letzten Jahren bekam diese Brandmauer Risse, plötzlich rangieren in der Kategorie […]

  2. Antworten

    […] Doch noch ein weiterer Regisseur bestimmte maßgeblich die Hochphase des Deutschen Films der Weimarer Republik – Fritz Lang. Nach einer Reihe exotischer Abenteuerfilmen zog es auch Lang 1921 zum Horrorfilm, sowohl DER MÜDE TOD als auch DR. MABUSE wurden zu Kassenerfolgen und verbanden folkloristische mit psychologischen Horrorelementen. Fritz Langs Filmwerke neigten zur Gigantomanie, bereits der Zweiteiler DIE NIBELUNGEN aus dem Jahr 1924 war eine wahre Kostüm- wie Ausstattungsorgie. […]

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Christian Hempel | Autor, Dramaturg und Stoffentwickler | Gesslerstraße 4 | 10829 Berlin | +49 172 357 69 25 | info@traumfalter-filmwerkstatt.de