Die kleine Genrefibel Teil 24: Spoof Movies

Nach dreiundzwanzig mehr oder weniger kleinen Genrefibeln widmen wir uns heute mal einem ernsteren Thema – der Komik. Komik, eigentlich ein schönes Wort mit einem schönen Klang, und bei dem Wort Komik passiert auch noch nicht viel, es sei denn, man sagt Komödie, dann geht das Gackern los. Für Filmfreunde aus Deutschland mit einem Hang zum Genrefilm ist der Begriff Komödie ein Reizwort, wie auch Drama, FSK oder Pilcher. Doch das ist heute nicht Thema. Wenngleich die Komödie noch immer fälschlicherweise als Genre bezeichnet wird, Genre und Komik schließen sich nicht aus, im Gegenteil. Besonders eine Spielart der Komik ist in der Lage, die Wirkungsweise von Genrekonventionen audiovisuell zu verdichten – die Parodie. Wir wollen es heute mit der grauen Theorie nicht übertreiben. Stattdessen begeben wir uns auf einen gestreiften Zug durch die Filmgeschichte des Blödelns, Feixens, Verhohnepipelns, Zotenreißens, Veräppelns und Vergackeierns.

 

 

 

 

Reingelegt, jetzt folgen erstmal sechzehn Kapitel über theoretische Betrachtungen von Komik im Film, nein, Komik in der Kunst, das wird total aufregend! Wir sitzen heute hier unter dem Titelbanner, auf dem “Spoof Movies” steht und tasten uns erstmal heran an den Begriff. “Spoof” bedeutet verulken, veräppeln, verhohnepipeln oder verarschen, wer es ein wenig verblümter mag, auch parodieren. Ich finde die Bezeichnung “Filmparodie” auch wesentlich eleganter und breiter in der Begrifflichkeit als beispielweise “Verarschefilme”, wie man manchmal so auf dem Schulhof hört. Der englische Begriff selbst kann nichts dafür, spoof klingt eben schön quietschig und passt gut zu so mancher filmischer Verballhornung. Aber man muss aufpassen. SCARY MOVIE ist ein typischer Spoof Movie, aber was ist mit TANZ DER VAMPIRE von Roman Polanski? Mit dem Begriff Parodie passiert einem das nicht so leicht, denn parodieren kann man eine Menge. Das muss nicht immer, wie im Fall SCARY MOVIE, ein anderer Film sein, eine Parodie hat, so sie durchdacht ist, wesentlich mehr auf dem Kasten.

 

Parodiert man etwas, dann bezieht man sich auf etwas. Das kann eine Filmszene sein, eine Story, eine Figur, aber auch ein ganzes Genre. Bei einer Parodie kommt es auf den Wiedererkennungswert an. Wenn etwas parodiert wird, muss die Vorlage deutlich erkennbar sein, die Durchbrechung dieser Ähnlichkeit wird dann im besten Falle Komik. Denn das Verändern von Variablen erzeugt Überraschung, die, im besten Falle übersteigert und aus der Rolle fallend, Lacher erzeugen. Jemand, der die Vorlage der Parodie nicht kennt, kann meist auch nicht lachen. Dieser Umstand sorgt für eine Ausnahme im Bereich des Urheberrechts.

 

Denn viele Filmparodien zitieren andere Filme, meist Genremeilensteine, um sie genüsslich zu zersägen. Solche parodistischen Szenen werden vom Zuschauer nun mal über audiovisuelle Kanäle aufgenommen. Es ist unabdingbar, dass der Zuschauer die Szene sofort erkennt, nur dann funktioniert der Gag in dem Moment, an dem sich etwas entscheidendes ändert. Das heißt, jene Szene muss vom Bühnenbild, der Ausstattung, den Kostümen, den Figurenkonstellationen, der Musik, der Kamera, auch vom Text her mit der Quellszene weitestgehend identisch sein. Das parodierte Werk muss erkennbar sein, Parodien sind somit nach diesen beschriebenen Grundsätzen nicht als abhängige Bearbeitungen zu klassifizieren sondern als freie Benutzung. So will es das Gesetz.

 

 

Die Waffen der Komik

 

Das ist auch gut so, denn Parodien sind auch häufig das Erste, an dem man sich als Filmemacher versucht, ob nun bewusst oder unbewusst. Was haben Peter Jackson oder Steven Spielberg als junge Buben gemacht? Richtig, sie haben im Garten etwas nachgedreht, eine Szene nachgestellt, sie eventuell parodiert. Parodieren heißt auch Weiterverarbeiten, Morphen, Umtopfen. Wie viele Filmemacher haben als Jugendliche andere Filme parodiert? Es ist oft eine der ersten Fingerübungen, auch ich habe Parodien auf VHS-C gebannt, von STAR WARS bis INTERVIEW MIT EINEM VAMPIR, als ich noch 1,60 m groß war. Aber hier hört in diesem Zusammenhang auch der Begriff Parodie auf, wirklich das abzubilden, wie in den besten Filmparodien mit Komik gearbeitet wird. In Filmparodien gibt es nicht nur Szenen, die parodistisch etwas nacherzählen. In der Filmparodie kommen wesentlich mehr Werkzeuge der Komik vor als man annimmt.

 

Parodiert wird immer und überall, besonders Filmposter-Parodien sind eine wahre Ideenfundgrube.

In Filmparodien oder Spoof Movies findet man vor allem Slapstick, Satire, Wortwitz, Verwechslungskomik, Ironie, Fäkalhumor, Comicgewalt und Absurdität. Filmparodien sind wahre Sammelbecken für verschiedene Arten von Humor, vielleicht sind sie deshalb auch so erfolgreich, weil Menschen verschiedenartig auf Humor reagieren. Der eine findet eine Furz witzig, der andere lacht sich über einen schrägen Nachnamen kaputt, ein anderer darüber, wie jemand galant auf die Fresse fliegt. Denn das sind die Elemente, die eine parodistische Szene überhaupt erst witzig machen. Die Ähnlichkeit zu einer anderen Filmszene an sich ist noch nicht lustig, erst wenn etwas Unerwartetes passiert, bestenfalls durch Slapstick, Wortwitz, etc., dann entsteht daraus vielleicht ein Lacher.

 

Wie gesagt, es bedarf nicht immer eines konkreten Filmes, um etwas zu parodieren. Man kann auch ein ganzes Genre parodieren, hier verhält es sich nicht wirklich anders als in einer Filmszene. Die Grundpfeiler des Genres müssen klar erkenntlich sein und dann gebrochen werden, dann entsteht Komik. TANZ DER VAMPIRE ist so ein Beispiel, dem weniger ein konkreter Film als eine ganze Sparte an Horrorfilmen wie die der Hammer Studios zu Grunde liegt. Auch THE FRESHMAN mit Marlon Brando parodiert vielmehr Mafia-Dramen als den PATEN an sich, wenn es auch ein grenzwertiges Beispiel ist. Beide Filme sind aber eher Beispiele für intellektuellere Filmparodien. Der gemeine Spoof Movie hingegen ist für die breite Masse konzipiert, er verarscht demzufolge auch fast ausschließlich bekannte Szenarien, bekannte Sachverhalte oder eben bekannte Filme. Denn lachen soll ja schließlich jeder.

 

Mit Klappholz und Spott

 

Die erste Filmparodie der Kinogeschichte war allerdings ein waschechter Spoof Movie, der einen anderen Film auf die Schippe nahm. 1903 erschien der Klassiker DER GROSSE EISENBAHNRAUB (THE GREAT TRAIN ROBBERY), der zudem der erste Western der Filmgeschichte war. 1905 drehte der selbe Regisseur, Edwin S. Porter, den Film THE LITTLE TRAIN ROBBERY, die erste Filmparodie überhaupt.

Es klingt relativ logisch, dass die ersten Filmparodien eher bekannte Sachverhalte aus Kunst, Geschichte oder Politik persiflierten als andere Filme, denn so viele gab es da seinerzeit nicht, die man verballhornen konnte.

 

So drehten sich die frühen Spoof Movies eher um literarische Figuren wie Sherlock Holmes oder Dr. Jekyll & Mr. Hyde. Bevor diese Tradition von den Urvätern der Filmparodie, Abbott & Costello, in den späten vierziger Jahren mit ABBOTT UND COSTELLO MEET FRANKENSTEIN begründet wurde, muss man allerdings in jedem Fall auch THE GREAT DICTATOR von 1940 anführen, vielleicht die brillanteste Filmparodie überhaupt.

 

Chaplins Meisterwerk gilt auch als Evolutionstufe der Komik im Film. THE GREAT DICTATOR wurde nicht, wie damals üblich, als Stummfilm inszeniert, der Humor vorrangig über visuellen Slapstick transportierte.

 

Chaplin wählte bewusst den Tonfilm, um entscheidende Dinge der Vorlage überhaupt parodieren zu können, Hitlers Stimme beispielsweise. Darüber hinaus nimmt Satire einen Großteil der Komik ein, nur funktioniert Satire losgelöst von der Parodie. Die Parodie braucht das Bild, die Vorlage, um zu funktionieren, Satire bezieht sich auf Dinge, die überhaupt nicht im audiovisuellen Fokus stehen, Satire versteht man aus dem Gesamtkontext heraus, die Parodie aus dem Vergleich. Demzufolge ist THE GREAT DICTATOR kein simpler Spoof Movie, er besitzt wesentlich tiefere Schichten des Humors.

 

 

THE GREAT DICTATOR (1940) von Charlie Chaplin

 

Die frühen Spoof Movies haben sich viel aus der Klamottenkiste der Filmkomik geborgt, allen voran Slapstick und comichafte Gewalt. Denn für Filmparodien wie die Abbott und Costello-Reihe galten andere filmische Gesetze als beispielsweise für den Film Noir. Der Charakter von Filmparodien ist häufig eine starke Dehnung der Realität. Zwar boten auch Krimis und Thriller keine wirkliche Abbildung der Realität, aber zumindest versuchten sie, realistisch zu erzählen. Eine Filmparodie ist diesen Zwängen nicht unterworfen, eine Filmparodie zeichnet sich darin aus, dass man eigentlich machen kann, was man will.

 

Dieses bewusste Brechen von Filmgesetzen oder Gesetzen der Logik an sich birgt komödiantisches Potential. Das ist in erster Linie die bereits erwähnte comichafte Gewalt. Slapstick ist eine Spielart der Komik, die stark körperbezogen ist, ganz anders als der Wortwitz oder die Satire. Beim Slapstick geht es auch gar nicht um einen Lacher, der sich aus einem Kontext oder einem Vergleich entwickelt, der Slapsticklacher ist viel tiefer in uns drin vergraben und reagiert eher reflexartig.

 

 

Spoof Maker: ZAZ (Jim Abrahams, David & Jerry Zucker), Mel Brooks, Monty Python, Pat Proft (POLICE ACADEMY)

 

Wenn jemand stolpert, die Treppe herunterfällt, sich den Kopf an einem Eisenträger stößt, von einem Auto angefahren meterhoch in die Luft gewirbelt wird oder wenn jemand eine Torte ins Gesicht bekommt, darauf reagieren die meisten Menschen, mich eingeschlossen, mit spontanem Lachen. Weiß auch nicht, warum das so ist. Ich könnte mich besudeln vor Lachen, wenn jemand auf einer Banane ausrutscht. Derartige Körperkomik geht dann soweit, dass ganze Ambosse oder Klaviere vom Himmel fielen, die Protagonisten meist taumelten, dann aber wieder aufstanden.

 

Wir haben uns an den Charakter von comichafter Gewalt im Film gewöhnt, man hinterfragt nicht, warum könnte jetzt dieser oder jener den Sturz vom Hochhaus überleben. Ich weiß gar nicht, ob das in über hundert Jahren Filmgeschichte antrainiert werden musste. In Komödien, speziell Parodien, hat man sich wohl immer mehr und mehr getraut. Das bemerkt man, wenn man mal AIRPLANE!, HOT SHOTS 2 und SCARY MOVIE nacheinander anschaut. Nicht dass man seinerzeit dachte, Dümmer ginge es nimmer, die Grenzen der Komik, der Comicgewalt und des schlechten Geschmacks wurden in jedem Jahrzehnt neu ausgelotet.

 

 

“Das ist ted, Toll…äh…toll, Ted!”

 

Wie die Jahrzehnte vergingen und Filme sich mehrten, so wuchs auch die Zahl der Filme, die diese parodierten. Ich bin nicht so ganz im Bilde über die Spoof Movies der fünfziger und sechziger Jahre, auch die Klassiker der Siebziger wie die IS JA IRRE – Reihe, FLESH GORDON oder KENTUCKY FRIED MOVIE habe ich alle erst später gesehen. In den Achtzigern jedoch begann dann eine Welle von fantastischen Spoof Movies, die weniger Parodien auf andere Filme denn Parodien auf Genre, Geschichte und Popkultur waren.

 

 

In den späten Siebzigern und frühen achtziger Jahren waren es vor allem die Filme von ZAZ, also Zucker, Abraham & Zucker, sowie Mel Brooks, die sich auf eher Zoten statt shakespeareschen Wortwitz konzentrierten. Nach ersten Erfolgen mit KENTUCKY FRIED MOVIE und AIRPLANE! wollten Jim Abrahams und die Brüder David und Jerry Zucker eine Parodie von Krimiserien á la DRAGENT realisieren. 1982 startete dann POLICE SQUAD, bekannt als Serie DIE NACKTE PISTOLE. In der Hauptrolle: Leslie Nielsen als Lt. Frank Drebbin.

 

Nielsen spielte bereits 1980 in AIRPLANE! (DIE REISE IN EINEM VERRÜCKTEN FLUGZEUG) eine Nebenrolle, die das Trio ZAZ zu der Figur Frank Drebbin inspirierte. Es war Nielsens tollpatschiger Charme, der ihn schnell populär werden ließ. Aus der Serie DIE NACKTE PISTOLE wurde dann 1988 der Kultfilm DIE NACKTE KANONE, einer der ganz großen Spoof Movie Klassiker. Was völlig neu waren an den Filmen von ZAZ die pointierten Dialoge, die oft ins nichts führen. “Zigarette?” – “Ich weiß!” Was haben wir gelacht. Oder: “Die Ärzte sagen er hätte eine fifty-fifty Überlebenschance, könnten aber auch nur 50 Prozent sein.”

 

 

THE NAKED GUN (1988)

 

Was diese Art des völligen Nonsens aber so cool und unwiderstehlich macht, ist der Kontext, in der diese Lachsalven abgefeuert werden. Denn Frank Drebbin und die anderen sprechen solche Zeilen in völligem Ernst, trotz der völlig abgehobenen Realität bleiben die Figuren in ZAZ-Filmen glaubwürdig und fallen nicht aus der Rolle. Besonders der Gesichtsausdruck von Leslie Nielsen nach einer Verwechslung oder einem zertretenem Fettnäpfchen ist eine beeindruckende, schauspielerische Leistung. Nicht ein Dialog wirkt echt, alles wird übertrieben pathetisch wie hochgeschwollen herausposaunt und doch nimmt man es ernst, während man sich kaputtlacht. Etwas seltsames umgibt Spoof Movies, die in keiner Ebene irgendwie ernst zu nehmen sind und jeder Theorie wiedersprechen – und trotzdem funktionieren in den Figuren. Zumindest in den Filmen von Zucker, Abraham, Zucker.

 

 

Frotzeln, Furzen, Zotenreißen

 

Charlie Sheen hält Spoof Movies bis heute die Treue, wie wir ihm!

Figuren sind eigentlich ein großes Problem in Filmparodien. Ihre größte Aufgabe ist es, etwas anderes zu antizipieren und das hindert eigentlich immer die eigene Charakterentwicklung. Die Frage ist, wer das einem Spoof Movie vorwirft. So hangeln sich manche Filme gern von Szene zu Szene, in der es etwas zu verarschen gibt, dazwischen allerdings passiert nicht viel. Die meisten Figuren, die eine andere Figur parodieren, bleiben selbst blass. Sie können das aber kompensieren, in dem sie der Figur etwas anderes geben. Das konnte Leslie Nielsen, das konnte auch Charlie Sheen (wie er die Augen zusammenkneifen kann, herrlich), meist ist das eine kleine Marotte oder ein Tick, aber er kann soviel tragen, soviel bereichern.

 

Es scheint logisch, dass komödiantisches Potential auch in einem Typ stecken muss, nicht nur in einer Pointe. Zudem ist ein Problem, dass Figuren in Filmen wie TOP SECRET, DIE NACKTE KANONE, HOT SHOTS oder SPACEBALLS in ihren Werken durchaus Spielraum für ihre engen Figuren hatten. Wenn Spoof Movies wie in jüngster Zeit stärker zur Nummernrevue von parodierten Filmen werden, schrumpfen auch die Figuren noch mehr zusammen. Es gibt dann dort kein Dazwischen mehr, sondern man vergackeiert sich von TITANIC zu SCREAM zu THE USUAL SUSPECTS.

 

ROBIN HOOD – MEN IN TIGHTS (1993)

Das ganze zeichnete sich schon in den Neunzigern ab, welche die großen Zeit der Spoof Movies wurde. Immerhin lagen nun Jahrzehnte an Filmklassikern hinter einem, die es gekonnt zu parodieren galt. Angefangen mit HOT SHOTS und HOT SHOTS 2 über LOADED WEAPON, SILENCE OF THE HAMS, ROBIN HOOD- MEN IN TIGHTS bis zu nicht mehr auseinander zu haltenden Parodien, in denen Leslie Nielsen immer wieder gern auftrat, wurde so ziemlich alles durch den Kakao gezogen, was je auf Zelluloid gebannt wurde. Das machte seinerzeit auch einen Riesenspaß, was sind wir in HOT SHOTS gerannt, in DIE NACKTE KANONE 33 1/3 oder JANE AUSTENS MAFIA. Das war eine Hochzeit des Blödelns, fürwahr. Nicht alles lief nach gleichem Muster ab.

 

Das Rezept von ZAZ nutze sich langsam ab, die Gags wurden zu oft wiederholt, zu oft wurde gegen eine Glasscheibe gelaufen, zu oft gab es eine Ohrfeige von einer ominösen dritten Hand. Aber es gab auch Abweichler vom patentierten ZAZ-Humor, GALAXY QUEST, eine erfrischend ironische und tiefsinnige STAR TREK Parodie mit Sigourney Weaver und Alan Rickman. Auch AUSTIN POWERS, eine Trilogie, die 1997 ihren Anfang nahm und 2002 in GOLDMEMBER gipfelte, fügte reiner Slapstick noch eine andere Zutat in den Parodienbrei bei – den sogenannten Fäkalhumor.

 

AUSTIN POWERS IN GOLDMEMBER ist die Parodie der Paodie der Parodie!

Gefurzt wurde zwar auch in den ZAZ-Filmen, was aber ab AUSTIN POWERS so alles geklärt und abgeführt wurde, da muss man wirklich Fan von sein. Witze auf Kosten der Peinlichkeit anderer ist keine Erfindung der Neunziger, aber es ist erstaunlich, wie stark dieses Element in neueren Spoof Movies abgefeiert wird. Vermutlich eine Folge der Überstrapazierung mit den ewig gleichen Pointen, die es verlangten, den Zuschauer mit immer größer werdenden Furz- und Kackatiraden bei Laune zu halten. In dieser Disziplin war auch AUSTIN POWERS ein Meister. Doch beim Thema Bond-Parodie muss ich wieder und wieder schmunzeln, aus einem ganz anderen Grund.

 

Neben Figuren aus STAR WARS, CASABLANCA oder GONE WITH THE WIND dürfte wohl James Bond der am meisten parodierte Filmcharakter der Welt sein, ein Missverständnis, bei dem keiner mehr so recht weiß, wem es passiert ist. Eine Parodie ist immer eine witziges Gleichnis mit einer ernsthaften Szene, einem Sachverhalt oder einer Geschichte. Denn wenn wir von Parodien sprechen, muss man erwähnen, dass es sich bei der James-Bond-Reihe nicht nur um die wohl längste Filmreihe, sondern auch um die langlebigste Filmparodie aller Zeiten handelt. Denn James Bond ist eine Parodie auf das Agentengenre, nicht mehr, aber auch nicht weniger. Was Connery oder Moore da in Bondfilmen so alles getrieben haben, geht eigentlich auf keine Agentenhaut.

 

 

 

Trotzdem spiegelten die Bondfilme wesentlich mehr zeitgeschichtliche Parallelen als andere Agentenfilme, trotz allem täuscht das nicht über den Fakt hinweg, dass alle Bondfilme waschechte Parodien sind. Nun gibt es aber unzählige Filme, die Bond zumindest szenisch persifliert haben, AUSTIN POWERS geht da sogar noch weiter, der ganze Film ist eine Bondhommage, eine deftige dazu. Nur was ist das im Endeffekt, die Parodie einer Parodie? Was ergibt das? Hebt sich das auf, kürzt sich das raus? Ich hab keine Ahnung, aber ich musste bei AUSTIN POWERS durchaus lachen, trotz Fäkalhumorlastigkeit. Es scheint wohl so, als könne man auch Parodien parodieren.

 

Eins steht fest, die Vorlage der Parodie muss hinreichend bekannt sein, damit das Ganze funktioniert. Das beantwortet vielleicht auch die Frage, warum es so wenig Filmparodien von Aki Kaurismäki-Filmen gibt. Eine nationale Parodienfront scheint es nicht zu geben. Auch deutsche Filmproduktionen, die sich parodistisch austobten, bezogen sich auf bekannte US-amerikanische Produktionen. Das waren in den achtziger Jahren vor allem deutsche Komödianten wie Otto, die Gottschalk-Krüger-Filme (DIE EINSTEIGER) oder auch die subtilen Werke eines Dieter Hallervorden.

 

Ein vergessenes Kleinod deutscher Spoof-Geschichte: DIE EINSTEIGER (1985)

Die gelungene Edgar Wallace Parodie DER WIXXER (2004)

 

Aber es gibt auch ein paar Ausnahmen, in denen man versuchte, deutsche Film- und Fernsehgeschichte auf die Schippe zu nehmen. 2004 schaffte das DER WIXXER, eine Parodie alter Edgar Wallace-Filme, die genug Potential für eine Parodie besaßen, teilweise auch KAI RABE GEGEN DIE VATIKANKILLER.

 

Doch im Großen und Ganzen waren auch in deutschen Spoof Movies bekannte US-amerikanische Produktionen Vorbild – DÖRTES DANCING, HALLOWEEN HORROR HOSTEL oder EINER WIE KEINE aus der ProSieben-Reihe FUNNY MOVIES beispielsweise. Nur Otto Waalkes lieferte auch später mit 7 ZWERGE, OTTO, DER KATASTROFENFILM oder OTTOS ELEVEN reinrassige Filmparodien nach amerikanischem Vorbild im Mix mit deutschem Vorzeigehumor.

 

 

“Was hätte wohl Präsident Ford dazu gesagt?”

 

Zur Jahrtausendwende sollte der Spoof Movie nochmal kräftig Aufwind erlangen. 2000 erschien SCARY MOVIE, eine Parodie auf Teeniehorrorfilme, die durch SCREAM 1997 wieder der Renner an den Kinokassen waren. SCREAM, der anfangs selbst SCARY MOVIE heißen sollte, lieferte perfekte Vorlagen an Figuren, die es zu verulken galt. Was bei SCARY MOVIE auffällt ist, dass die Taktzahl an Gags gegenüber Filmen der achtziger und neunziger Jahren nochmal extrem erhöht wurde. Wähnte man in HOT SHOTS 2 noch jede Filmminute einen Gag, so kam man in der SCARY MOVIE Reihe fast gar nicht mehr hinterher. Das war leider nicht wirklich gut für die Qualität, denn auf einen guten Gag kamen oftmals drei klägliche Rohrkrepierer, auch gepupst wurde mehr in den Filmen der Wayanes-Brüder.

 

Aber es gab noch eine Evolution der Komik, an die man sich früher nur bedingt traute – die politische Unkorrektheit. Das war früher nicht anders, nur nicht in dieser geballten Form: Witze über Behinderte, Rassismus, Sexismus, Gewalt gegen Kinder, gegen Mikrowellen, gegen Schwule, Lesben, nichts war und ist mehr sicher. Aber eigentlich ist das auch das Schöne an der Komik in der Kunst, sie darf das, sie verlangt das, eine Auseinandersetzung. In wie weit die für jeden moralisch vertretbar erscheint, steht auf einem anderen Blatt. Spoof Movies sind letztlich auch Ventile gegen die Übermacht der moralischen Beschallung aus den Kanonen der Selbstgerechtigkeit.

Wie man nun abseits von Pietät und moralischer Fragwürdigkeit gegenüber Filmen wie SCARY MOVIE, SUPER HERO MOVIE, DATE MOVIE oder DISASTER MOVIE eingestellt ist, bleibt Geschmackssache. Filme wie DIE NACKTE KANONE habe ich vergöttert. Als ich 2000 SCARY MOVIE das erste Mal sah, fand ich das alles grenzdebil und langweilig. Als ich ihn kürzlich zum zweiten Mal sah, war ich fast schockiert, wie brav der Film mittlerweile rüberkommt und dass er fast wie ein Klassiker wirkt. Zeiten ändern sich, und auch der Humor.

 

 

Ich finde SCARY MOVIE mittlerweile fast niedlich und charmant. Zudem gibt es in Spoof Movies ja nicht nur die parodistische Ebene, sondern es ist auch viel Platz für Slapstick, Wortwitze und kleine Gemeinheiten. Worauf ich nicht so stehe ist Fäkalhumor, SCARY MOVIE 2 ist demzufolge fast unerträglich für mich, weil er mit zu viel Ekel hantiert und das genüsslich breitzieht.

 

 

Subtiler Humor in SCARY MOVIE 2 (2001)

 

 

Mit Teil 3 und Teil 4 kehrten dann David Zucker von ZAZ auf den Regiestuhl zurück und es wurde wieder angenehmer, mir gefällt Teil 3 mit Charlie Sheen und Leslie Nielsen am Besten. Doch im Grunde sind so ziemlich alle US-amerikanischen Spoof Movies nach SCARY MOVIE nach gleichem Muster geschnitzt. Früher lagen parodierten Szenen viele Arten der Komik inne, doch den letzten Parodien schien es zu genügen, bekannte Filmszenen einfach nachzustellen. Dieses “…kuck mal, das is doch…” scheint manchen Machern als Gag zu genügen.

 

Auch gehen langsam die Filmvorbilder aus, bis zur nächsten Spoof-Welle müssen erstmal ein paar Vorbildkandidaten gedreht werden. Irgendeinen Hype gibt’s ja immer. Denn die Kunst der Parodie geht eigentlich immer den Weg nach vorn, selten zurück. Filme wie AIRPLANE! oder HOT SHOTS waren parodistische Bestandsaufnahmen ihrer Zeit, die viel mehr transportieren als ein paar üble Gags unterhalb der Hosenträgerschnallen.

 

 

Sie haben aber auch etwas beständiges, Slapstick beispielsweise hat sich in den Jahrzehnten Filmgeschichte nicht wirklich verändert. Noch immer wird gelacht, wenn man einen Schwerverletzten mit dem Kopf voran gegen die Krankenwagentür knallt. Spoof Movies sind eine Brücke zwischen Vergangenheit und Gegenwart der Komik, ein guter Gradmesser für Trends und Hypes und selbstverständlich ein kurzer Moment des Rekapitulierens filmischer Evolution im Einklang der Genrekonventionen. Mit Furzkissen!

 

 

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In der Reihe DIE KLEINE GENREFIBEL habe ich es mir zur Aufgabe gemacht, sämtliche Genre, Subgenre, Mikro- und Nanogenre des Genrefilms vorzustellen. Eine Aufgabe, die mich bis weit nach mein Lebensende beschäftigen wird. Ich lege den Fokus auf Dramaturgie und Buch, werde mich aber auch mit der Inszenierung sowie den jeweils besten Vertretern befassen.

 

Lesen Sie in der nächsten Folge:

 

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6 Comments

  1. Antworten
    Abel Ferrara 2. August 2014

    Wirklich ein schöner Artikel!! …und genau mein Humor. So als Filmfan schätzt man solche Filme eben.
    Die Zusammenfassung dieser Filme ist einfach gelungen und eine Frage habe ich mir dann gestellt.
    Findest du nicht das die Spencer/Hill Parodien nicht auch datz zählen?…

    • Antworten
      rikenbaker 2. August 2014

      Danke Dir, mein alter Freund! Nun ja, die meisten Spencer-Hill-Filme waren Spagettiwestern, die haben sicherlich auch parodistische Züge, waren im Grunde aber echte Italo-Neowestern. Aber in Sachen Klamauk und Slapstick sind das natürlich Granaten, allein die Soundeffekte bei den Watschen und Dampfhammern. Liebe Grüße!

  2. Antworten

    […] Hier geht es zur Erklärung von traumfalter-filmwerkstatt.de […]

  3. Antworten

    […] tragender dramaturgischer Säulen dazu geführt, dass der Western ein beliebter Spielplatz der Persiflage wurde. Waren in den Hochzeiten des Genres Komödien eher selten und auch in der Ära von Bud […]

  4. Antworten

    […] dass man ihn relativ leicht mit anderen Genres kreuzen konnte. Am einfachsten war wohl die Parodie, bereits 1932 erschien mit BOO! eine Persiflage auf die Monsterfilme der UNIVERSAL STUDIOS. […]

  5. Antworten

    […] Aber der Ritter im Film eignete sich wie der Wildwestheld oder der Vampir auch perfekt zur Persiflage. Und somit besuchte der ehrenwerte Ritter neben düsteren Abenteuerfilmen auch die […]

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Christian Hempel | Autor, Dramaturg und Stoffentwickler | Gesslerstraße 4 | 10829 Berlin | +49 172 357 69 25 | info@traumfalter-filmwerkstatt.de