Die kleine Genrefibel Teil 23: H.P. Lovecraft

Die Bösartigkeit des Sturmes erweckte unglaubliche Vorstellungen, ich verglich mich erneut schaudernd mit dem einzigen Menschenabbild in diesem schrecklichen Korridor, dem Mann, der von der namenlosen Rasse in Stücke gerissen wurde, denn in dem teuflischen Griff des wirbelnden Luftzuges schien eine vergeltungslüsterne Wut zu liegen, um so stärker, als sie größtenteils machtlos war. Ich glaubte, ich schrie am Ende wie wahnsinnig – ich verlor beinahe den Verstand – aber wenn ich ihn verlöre, würden sich meine Schreie in diesem Höllen-Babel heulender Windgeister verlieren. Ich versuchte, gegen den mörderischen, unsichtbaren Strom anzugehen, aber ich war völlig machtlos, als ich langsam und unerbittlich auf die unsichtbare Welt zugedrückt wurde. Ich muss endlich übergeschnappt sein, denn ich plapperte eins ums andere Mal das unverständliche Lied des verrückten Arabers Alhazred, der von der Stadt ohne Namen ahnte: “Das ist nicht tot, was ewig liegt, bis dass die Zeit den Tod besiegt!

 

 

World Of Lovecraft

 

Dort, wo wir leben, ist das Unerklärliche ein Anachronismus, befreit von Kühnheit, besiegt durch die Vernunft. Es wurde verbannt, in eine Parallelwelt namens Phantastik, schlummert in Büchern, in Comics, in Spielen, in Theaterstücken und Filmen, alte Mythen, ein Zerrbild der Vergangenheit, ein Schlüssel, ein Tor und ein Wächter. Was mag ER von dieser Zeit halten, er, den man Urvater des Horrors nennt, Urvater der phantastischen Literatur? War er doch selbst eingeschlossen in der Borniertheit und Verblendung seiner eigenen Zeit. Doch was sind schon Jahre, was sind Jahrhunderte? Was hat sich überhaupt verändert seit jenen Tagen zu Beginn des 20. Jahrhunderts, als ein verarmter, manischer, kränkelnder, menschen- und zivilisationsfeindlicher, Adjektive liebender Autor namens Howard Phillips Lovecraft mit seinen unheilvollen Geschichten den Grundstein für einen Mythos erschuf, der noch heute die Phantastik und die Popkultur beeinflusst?

 

 

H.P. Lovecraft (1890 – 1937)

 

 

Howard Phillips Lovecraft, dem heute solche Titulierungen wie “Urvater der phantastischen Literatur” nachgesagt werden, war ein sehr scheuer und exzentrischer Autor, der im Allgemeinen als schwierig galt. Sein Werk ist relativ klein, Lovecraft schrieb vorrangig Kurzgeschichten, Gedichte und Essays sowie zehntausende Briefe an andere Autoren, die sich neben persönlichen Ansichten auch auf seine Werke bezogen. Lovecraft hatte kein leichtes Leben. Er verlor früh seinen Vater, später seine Mutter, beide erlitten Geisteskrankheiten, worauf Lovecraft bei seinen Tanten aufwuchs.

 

Lovecraft übte keinen wirklichen Beruf aus, redigierte Texte anderer Autoren, seine eigenen Werke veröffentlichte er hauptsächlich in einem Pulp-Magazin namens “Weird Tales”. Lovecraft war wenige Jahre verheiratet, war kränklich, übellaunig, distanziert zu Fremden, argwöhnisch gegenüber Menschen, auch lehnte er es ab, seinen Broterwerb als Auftragsautor zu verdienen. Seine literarischen Erfolge blieben bis zu seinem frühen Krebstod im Jahr 1937 eher bescheiden. Doch mit seinen Geschichten um längst vergessene Kulturen, Götter und Traumwelten beeinflusste er bereits zu Lebzeiten andere Autoren, die sein Werk nach seinem Tode fortführten. Und Lovecrafts Werk lebt noch heute weiter, in Comics, Videospielen, in der gesamten Popkultur. Bevor wir einen Teil davon beleuchten, nämlich den Versuch, sein Werk filmisch zu interpretieren, was war das Besondere an Geschichten von Lovecraft?

 

 

Welche phantastischen Autoren haben denn überhaupt Fußspuren im Horrorgenre hinterlassen, egal auf welchem Medium? Bram Stokers Roman “Dracula” und Mary Shelleys “Frankenstein”, deren Wirkung auf folgende Erzählungen sind hinlänglich bekannt. Lovecrafts Geschichten sind nicht mit diesen Großwerken der phantastischen Literatur vergleichbar, Lovecraft erzählte keine klassischen Horrorgeschichten um Vampire, Werwölfe oder Geisterwesen, obwohl sein Frühwerk durchaus auch durch Edgar Allan Poe beeinflusst war.

 

Was Lovecrafts Kurzgeschichten ausmacht, ist die Erschaffung einer anderen, neuen Welt, einer Dimension, losgelöst von den Schranken der Zeit, über Jahrmillionen. Lovecraft schuf völlig neue Kreaturen und Wesen, Gottheiten und Kulte mit komplizierten Namen und Verwandtschaftsverhältnissen. Was seine Geschichten aber auch besonders macht, ist der Zugang zu diesen unvorstellbaren Welten, denn dieser liegt meist in etwas Unscheinbarem verborgen.

 

 

Ausgangspunkt dafür ist die reale Welt, die diese alten Mythen längst vergessen hat. Aber es gibt noch Hinweise darauf, in alten Schriften und Büchern, in Symbolen, Karten und Artefakten. Sie erzählen zum Teil von den einstigen Herrschern, gegen die die Spezies Mensch keinerlei Chance hätte. Diese Hinweise entdecken zumeist völlig normale Menschen. Die Suche nach Spuren führt häufig in Traumwelten, oft fallen Lovecrafts Protagonisten dem Wahnsinn anheim. Eigene Alpträume waren nicht selten eine Inspiration für Lovecrafts Geschichten. Er versah sie mit fiktiven Orten wie Arkham, Miskatonic University oder Innsmouth, angeblich wahren Begebenheiten und schuf somit ein überspannendes Netz zwischen seinen Erzählungen, in denen immer wiederkehrende Elemente die Geschichten realer und damit unheimlicher machten.

 

Lovecraft überdauert die Zeit und jedwedes Medium

Lovecrafts Werk ist sicher keine leichte Lektüre, obwohl die Kurzgeschichten kompakt und dicht geschrieben sind. Die Komplexität der Namen, Orte und Verweise, die viele Teile seines Gesamtwerkes durchziehen, ist riesig, verschachtelt und kryptisch. Aber über die Jahre macht es mir immer mehr Spaß, Lovecraft zu lesen. Inzwischen glaube ich auch, einen gewissen Humor Lovecrafts, den er durchaus hatte, zwischen manchen Zeilen herauszulesen.

 

Ich bin eher damit aufgewachsen, Bücher oder Romane anderer Autoren zu lesen, die das Werk Lovecrafts fortführten, zuerst Hohlbein, dann Lumley, erst später las ich Lovecraft selbst. Doch Motive Lovecrafts gab es überall in meiner Jugend, in Spielen wie “Alone In The Dark” oder in Songs wie Metallicas “The Call Of Cthulhu”. Auch in der Filmwelt hatte das Werk von H.P. Lovecraft Spuren hinterlassen. Während reine Adaptionen seiner Stoffe eher unbefriedigend ausfielen, beflügelte seine Phantasie auch so manchen Genrekultregisseur, die den sogenannten lovecraftschen Horror in ihren Werken spiegelten.

 

 

Westlich von Arkham…

 

Die ersten Verfilmungen von Geschichten aus der Feder von H.P. Lovecraft basierten eher lose auf seinem Werk. Große Zyklen wie der Cthulhu-Mythos schienen unverfilmbar, demnach waren es eher frühe Einzelgeschichten, die stark abgewandelt adaptiert wurden. In den fünfziger und sechziger Jahren wurde vorrangig billige Science-Fiction-Ware gedreht und ein Teil von Lovecrafts Geschichten, die generell seltsame Hybriden aus Horror, Science-Fiction und Fantasy waren, schienen dafür ganz prädestiniert zu sein. In dieser Zeit entstand auch die erste Verfilmung von “The Colour Out Of Space”, die 1965 mit Boris Karloff unter DAS GRAUEN AUF SCHLOSS WITLEY (DIE, MONSTER, DIE) in die Kinos kam.

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Lovecrafts Geschichte handelt von einem Meteoriteneinschlag nahe einer einsamen Farm, dessen Inneres das Grundwasser und somit die umliegende Flora, Fauna und eine Familie auf seltsame Weise “mutieren” lässt.

 

Auf “The Colour Out Of Space”, einen der ersten Kurzromane Lovecrafts, basieren auch die Filme THE CURSE (1987 mit Wil Wheaton), SAAT DES BÖSEN (2008) und DIE FARBE von Huan Vu aus dem Jahr 2010. Bis auf Letzteren  hat man sich allerdings nur das Storygerüst von Lovecraft geliehen, seinen Namen auch gar nicht werbewirksam verwendet, wohl, weil Lovecraft trotz seines Einflusses dem Massenpublikum eher unbekannt war.

 

Die Schwierigkeit, einen Stoff von Lovecraft zu adaptieren, hat verschiedene Gründe. Das, was in seinen Romanen zu beklemmender Spannung und Dichte führt, ist die Ohnmacht der Protagonisten vor dem Grauen, denen sie begegnen. In Lovecrafts Geschichten sind jene meist gar nicht in der Lage, wiederzugeben, was sie sehen, hören, fühlen. Die Wesen sind entweder nicht greifbar wie in “The Colour Out Of Space” oder im Falle des Cthulhu-Mythos unbeschreiblich riesig. Es ist diese Unschärfe, die recht schwierig auf ein visuelles Medium übertragbar ist. Lovecrafts Geschichten leben von Atmosphäre, von Langsamkeit, schwelender Ungewissheit und drohendem Wahnsinn. Viel spielt sich in den Köpfen der Figuren ab. Für populäres Science-Fiction-Kino der sechziger Jahre war das kaum adaptierbar und so blieb besonders “The Colour Out Of Space” weit hinter der Vorlage zurück. Einzig DIE FARBE versucht, das lovecraftsche Flair durch edle schwarz-weiß-Fotografie, Subtilität, Schwermut, und fiebrigem Wahnsinns wiederzugeben, weil sich jene Verfilmung nicht nur Teile seiner Geschichten lieh, sondern auch Lovecrafts Stil visualisiert wurde. Doch solche Adaptionen sind eher Ausnahmen. Lovecrafts Stoffe wurden meist in konventionelle Formen gepresst, dass sein Stil kaum erkennbar war.

 

 

1963 inszenierte Regisseur Roger Corman mit DIE FOLTERKAMMER DES HEXENJÄGERS (THE HAUNTED PALACE) zum Teil die Geschichte “The Case Of Charles Dexter Ward” und auch dieser Film blieb nicht die einzige Adaption jener Kurzgeschichte. Die zweite Verfilmung ist für mich ein kleiner Horrormeilenstein, was allerdings nicht unbedingt auf filmische Qualität bezogen ist.

 

THE CURSE (1987)

THE RESSURECTED (1991)

 

Eine der ersten Videoerfahrungen machte ich mit einem Film, dessen martialisches VHS-Cover den Titel EVIL DEAD – SAAT DES BÖSEN trug. Ganz unerfahren wähnte man einen verschollenen Teil der Raimi-Reihe, die Anfang der Neunziger sehr begehrt und bekannt war. Ich glaube, die damaligen Videothekeninhaber haben den Film auch als inoffiziellen Teil beworben. Aber mit EVIL DEAD hatte der Film nicht das Geringste zu tun, er hieß in Wahrheit THE RESSURECTED und stammte von Dan O’Bannon, Autor des Filmes ALIEN (1979). THE RESSURECTED war ebenfalls eine Verfilmung der Geschichte “The Case Of Charles Dexter Ward”, prominent besetzt mit Chris Sarandon (FRIGHT NIGHT).

 

Der Film hatte zu jener Zeit durchaus Wirkung erzielt, ein altes Haus mit einem alten Keller, in denen Kreaturen hausten und scheußliche Experimente stattfanden. Auch THE RESSURECTED wird nicht der Vorlage gerecht, ist aber insgesamt eine stimmige, ernsthafte und düstere Perle der neunziger Jahre, den ich auch heute noch empfehlen kann. Denn man muss auch zugestehen, so wenig die meisten Adaptionen lovecraftsches Flair wiedergeben, sie sind durchaus unterhaltsame Horrorfilmchen.

 

Zu jener Zeit war mir Lovecraft zwar bereits ein Begriff, habe aber die Filme THE CURSE und THE RESSURECTED nicht als Lovecraft-Verfilmungen wahrgenommen. In der Videothek meiner Wahl tauchte dann aber ein Filmchen auf, welches bis heute als gelungenste Lovecraft-Interpretation angesehen wird.

 

 

Katze tot – Details später

 

Ein gewisser Regisseur hat gleich eine Handvoll Lovecraft-Interpretationen in seiner Filmographie. Stuart Gordon lieferte bereits mit seinem Debüt 1985 die unterhaltsamste Adaption einer Lovecraft-Geschichte ab – die Verfilmung von “Herbert West – Wiedererwecker” RE-ANIMATOR. Die Titelrolle des Herbert West spielte Jeffrey Combs und in den folgenden Jahren wurden Stuart Grodon und Combs so etwas wie das Lovecraft-Dreamteam des Horrorfilms. RE-ANIMATOR wurde effekt- und sehr humorvoll umgesetzt, trotzdem erreicht der Film auch eine nicht unerhebliche atmosphärische Tiefe.

 

 

RE-ANIMATOR (1985)

 

 

Natürlich hat Stuart Gordon auch ganz tief in die Effektkiste gegriffen, RE-ANIMATOR gilt als ein Splatterklassiker, er war jahrelang indiziert und ist in Deutschland erst seit einem Jahr ungeschnitten erhältlich. Ein kleines, morbides und schwarzhumoriges Juwel der Achtziger, dem eine ebenso unterhaltsame Fortsetzung von Brian Yuzna namens BRIDE OF RE-ANIMATOR beschieden war.

 

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Der dritte Teil, BEYOND RE-ANIMATOR, fällt zwar ein wenig ab, doch Jeffrey Combs als Herbert West ist auch da einfach zum Schießen. Mittlerweile hat es RE-ANIMATOR sogar zum Musical geschafft – eine beeindruckende Evolution der 1922 erschienenen Geschichte, die eine Anwandlung von Frankenstein war und der phantastischen Literatur viel vom Zombiemythos vorwegnahm.

 

 

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FROM BEYOND (1986)

Stuart Gordon und Jeffrey Combs blieben dem Urvater der phantastischen Literatur treu, bereits ein Jahr später drehten beide FROM BEYOND nach der gleichnamigen Kurzgeschichte H. P. Lovecrafts. Auch FROM BEYOND ist sehenswert, besitzt trotz Modernisierung eine ganz eigene Atmosphäre und zählt wie RE-ANIMATOR zu den Highlights aus dem Hause Gordon, der immerhin für insgesamt fünf Geschichten von Lovecraft verfilmt hat (darunter die weniger gelungenen CASTLE FREAK, DAGON und DREAMS IN THE WITCHHOUSE innerhalb der Reihe MASTERS OF HORROR). Jeffery Combs dagegen erhielt 1993 sogar die Gelegenheit, Altmeister H. P. selbst zu mimen, in der gelungenen Anthologie H.P. LOVECRAFTS NECRONOMICON .

 

 

 

Die Gesetze der Toten

 

Jeffrey Combs als H.P. Lovecraft in NECRONOMICON (1993)

Man mag vielleicht den Name Lovecraft nur vom Hörensagen kennen, aber sein Werk hat große Genreklassiker entscheidend beeinflusst. Die Horror-Anthologie H.P. LOVECRAFTS NECRONOMICON handelt von einem mysteriösen Buch, welches Genrefreuden schon lange bekannt war. Das Necronomicon war eine Erfindung Lovecrafts, sogar eine ziemlich clevere. Lovecraft lässt es in seinen Geschichten immer mal wieder auftauchen, gibt dem Buch einen historischen Background, angeblich von einem verrückten Araber Abdul Alhazred geschrieben, enthält es Symbole und Formeln, Abbildungen alter Götter und Dämonen, vergessener Kulte und es kann sogar den Weg in andere Dimensionen öffnen. Geschrieben mit Blut, gebunden in Menschenhaut, da klingelt doch was? Richtig, jenes Necronomicon tauchte auch in Sam Raimi´s THE EVIL DEAD (1981) auf, und jene, die daraus vorlasen, erweckten ein uraltes Böses in den Wäldern.

 

Seit seiner ersten Erwähnung 1921 in “The Nameless City” bis zu THE EVIL DEAD tauchte das Necronomicon unzählige Male in Geschichten und Fiktionen anderer Autoren auf, die so den geheimnisvollen Ruf des Buches in alle Welt trugen. Es gibt nicht wenige, die wirklich daran glauben, das ein solches Buch existiert.Das tut es nicht, es bleibt eine Fiktion Lovecrafts, die am deutlichsten zeigt, wie geschickt Lovecraft Mythos mit angeblicher Wahrheit vermengte, es reichten Andeutungen und Fragmente, um es am Leben zu erhalten.

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Der Schweizer Künstler H.R. Giger, der am 12. Mai 2014 verstorben ist, gab dem Lovecraftmythos Necronomicon Form und Farbe, Giger veröffentlichte zwei Bildbände um das Buch des Todes, aus denen später auch das Design der Kreatur aus Ridley Scotts ALIEN hervorging. Gigers verschlungene, organische Alptraumwelt ist stark von Lovecraft inspiriert gewesen. Auch in den Scheibenwelt-Romane von Terry Pratchet taucht das unheilvolle Buch auf. H.P. LOVECRAFTS NECRONOMICON von 1993 hat mit dem Necronomicon nicht wirklich etwas zu tun, es gibt zwar eine stimmungsvolle Rahmenhandlung über das Buch und Lovecraft selbst, die Einzelsegmente der drei Geschichten allerdings basieren auf den Kurzgeschichten “The Rats in the Walls”, “Cool Air”, und “The Whisperer in Darkness”.

 

Auch Kultregisseur John Carpenter zitierte in seinen Werken lovecraftschen Horror, allen voran in THE THING aus dem Jahre 1982, der auf “The Moutains Of Madness” anspielt. Einflüsse Lovecrafts finden sich auch in DIE FÜRSTEN DER DUNKELHEIT, eine richtige Hommage an Howard Phillip Lovecraft hingegen stellt John Carpenters DIE MÄCHTE DES WAHNSINNS (IN THE MOUTH OF MADNESS) von 1994 dar. Der Film basiert auf keiner Geschichte Lovecrafts, er stellt eher einen Tribut an das Leben des Autors dar und es gibt keine andere Verfilmung, die so viele Querverweise zum Werk Lovecrafts besitzt.

 

Das Necronomicon in THE EVILD DEAD (1981)

Sam Neill als Quasi-Lovecraft in IN THE MOUTH OF MADNESS (1994)

 

Trotz wirklich toller Filme wie HEMOGLOBIN oder THE UNNAMABLE, in seiner filmischen Erfassung wurde Lovecraft kaum werkgetreu adaptiert, er wurde vielmehr zitiert und angedeutet, seine Geschichten stark vereinfacht, die Komplexität zusammengeschrumpft und die eigentümliche Art seiner Phantasien eher konventionell bearbeitet.

 

 

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Während Lovecraft in den letzten Jahren vermehrt auch im kleinsten Budgetsektor des Films aufgegriffen wurde, traute sich bislang noch kein großes Studio an eine Verfilmung des Herzstücks seines Lebenswerkes – dem Cthulhu-Mythos. Guillermo del Toro versuchte sich an einer originalgetreuen Verfilmung von “The Mountains Of Madness”, bis die UNIVERSAL STUDIOS das Projekt stoppten. Bis heute fehlt eine wirkliche Verfilmung aus dem Cthulhu-Mythos, trotz zweier Adaptionen der Geschichte “The Call Of Cthulhu”, mit der 1926 dieser Mythos seinen Anfang nahm und der über Jahrzehnte von anderen Autoren ausgebaut und erweitert wurde. Was ist das überhaupt, dieser Cthulhu-Mythos und warum ist er so schwer zu adaptieren?

 

 

Ph’nglui mglw’nafh Cthulhu R’lyeh wgah’nagl fhtagn

 

Sie kamen von den Sternen, vor Hunderten Millionen Jahren, am Anbeginn der Zeit. Wesen ohne Empfindungen, blasphemische, dunkle Götter, getrieben von der Macht, jedwede Kreatur zu unterjochen – die GROßEN ALTEN. Doch reichte ihnen diese Macht nicht aus, und so vergingen sie sich am Gesetz des Lebens selbst, schufen Dienerwesen und versklavten sie, und zogen so den Zorn einer anderen Rasse auf sich – der ÄLTEREN GÖTTER. Ein Krieg brach aus, und die GROßEN ALTEN wurden besiegt. Besiegt, nicht vernichtet. Denn selbst die ÄLTEREN GÖTTER konnten diese nicht töten. Also verbannten sie sie in Kerkern zwischen den Dimensionen: Azathoth, der Dämonensultan, im Zentrum des Universums, Hastur, der Unaussprechliche, gefangen im Sternbild Taurus, Nyarlathothep, das kriechende Chaos, zersplittert im Kosmos, Shub-Nigurrath, die schwarze Ziege, Yog-Sothoth, der Torwächter, verbannt zwischen den Sphären, und Cthulhu, der finstere Gott, gefangen auf dem Grund des Pazifiks, in der versunkenen Stadt R’leyh. In ihren Kerkern gefangen, schliefen sie, zweihundert Millionen Jahre lang, und träumten. Bis ein Rufen ertönte, der von ihrer Rückkehr berichtete: der Ruf Cthulhus.

 

Der Cthulhu-Mythos ist unfassbar komplex und jeder Lovecraftfreund wird mich steinigen für meine Ultrakurzfassung. Es ist ein Kompendium uralter Wesen und Götter sowie Menschen, die ihnen entgegentraten, sie bekämpften, den Verstand verloren. Lovecraft selbst war sich wahrscheinlich gar nicht bewusst, was er durch seine Geschichten ausgelöst hatte, obwohl schon zu seinen Lebzeiten andere Autoren diese Motive aufgriffen und weitersponnen. Bis heute ist der Cthulhu-Mythos beinahe so etwas wie eine Religion, ein Komplex aus Geschichten, die so gigantisch sind wie jene Großen Alten, die auf ihre Rückkehr lauern. Was auch die Gründe dafür sind, dass jene Geschichten aus dem Cthulhu-Mythos so schwer zu verfilmen sind. Zu teuer für die Studios, zu komplex für den normalen Kinobesucher.

 

Gerade diese Facette Lovecrafts aber ist eine ungemein faszinierende, dass man sichtlich traurig sein darf, riesige Dämonensultane und hochhausgroße Tentakelmonster nicht auf der großen Leinwand erleben zu können. Man kann einen kleinen Blick darauf wagen, wie so etwas wirken kann, wenn man sich den Waldgott in HELLBOY 2 von Guillermo del Toro anschaut. Sämtliche anderen Darstellungen von Cthulhu oder Yog Sothoth, beispielsweise in H.P. LOVECRAFTS NECRONOMICON, werden dem Cthulhu-Mythos leider nicht im Geringsten gerecht.

 

 

Lovecraft-Fan Guillermo del Toro inszenierte krakenarmige Gottheiten in HELLBOY 2 – THE GOLDEN ARMY

 

Auch wenn der Cthulhu-Mythos der größte und bekannteste Teil des Werkes Lovecrafts ist, liegen die Stärken seiner Geschichten weniger im Gigantomanischen als in träumerischer Atmosphäre. Teil der Geschichten um Cthulhu und Co. sind auch die “Traumlandgeschichten”, die zwischen 1919 und 1926 entstanden. Ich hatte zum ersten Mal in den frühen neunziger Jahren Kontakt mit einem gewissen Randolph Carter aus einer Romanheft-Trilogie von Science-Fiction-Autor Arndt Ellmer. Randolph Carter tauchte des Öfteren auch in Geschichten Lovecrafts auf und gilt als eine Art Alter Ego des Autors.

 

THE UNNAMABLE (1988),  in Deutschland als WHITE MONSTER bekannt.

THE ORDEAL OF RANDOLPH CARTER von Chris Lackey und Greig Johnson

 

Erstmals in “The Statement Of Randolph Carter”, wo er auf einem unheimlichen Friedhof Ghoulen begegnete, über “The Unnamable”, die als WHITE MONSTER und THE UNNAMABLE 2 – THE STATEMENT OF RANDOLPH CARTER verfilmt wurden, tauchte Carter immer wieder auf und war in gewissem Maße ein Spiegel Lovecrafts. Die “Traumlandgeschichten” von Lovecraft waren stärker vom Genre Fantasy denn Horror geprägt, in denen auch Randolph Carter als Traumreisender auftrat und sogar Bekanntschaft mit den Großen Alten machte. Sie sind als Teil des Werkes Lovecrafts nicht so verbunden wie der Cthulhu-Mythos, trotzdem kann man die Geschichten rund um die Traumlande als zweiten großen Zyklus ansehen.

 

 

 

 

Derzeit entsteht mit THE DREAMLANDS von Regisseur Huan Vu (DIE FARBE) die wohl ambitionierteste Independentproduktion nach Motiven Lovecrafts, mehrere Trailer, die im Vorfeld unter anderem auf der GENRENALE präsentiert wurden, zeigen ein unglaublich gutes Gespür für lovecraftsches Flair, der in anderen Verfilmungen eher eine untergeordnete Rolle spielte. Derzeit befindet sich THE DREAMLANDS in der Finanzierungsphase mittels Crowdfunding und Crowdinvestment, der Film soll 2015 vor die Kameras gehen. Alle weiteren Infos darüber findet ihr hier.

 

THE DREAMLANDS Artwork von Silke Czarny

 

Nicht nur, dass es sich bei THE DREAMLANDS um ein mutiges deutsches Genreprojekt handelt, auch ist es die erste Adaption jener Geschichten Lovecrafts überhaupt, die stärker in den Bereich Fantasy tendieren und im Gegensatz zum Cthulhu-Mythos weniger düster und abstoßend sind. Bereits DIE FARBE war eine sehr ambitionierte wie gelungene Lovecraft-Verfilmung. Ich bin sehr gespannt auf THE DREAMLANDS, dessen Atmosphäre mich bereits in den audiovisuell brillanten Teasern gepackt hat.

 

 

 

 

 

 

Das Hirn von London

 

Mit THE DREAMLANDS wird endlich etwas lebendig, was ich mir seit meinem ersten Kontakt mit sogenanntem Lovecraftschen Horror gewünscht hatte. Eine meiner Wurzeln zur Phantastik liegen neben dem Film vor allem in der Lektüre von billigen Romanheften, die ich Anfang der neunziger Jahre verschlang. Dort las ich in der Heftreihe Dämonenland mit Band 23 (dieser 23. Teil der Kleinen Genrefibel kann durchaus als Tribut angesehen werden) erstmals einen Roman von Wolfgang Hohlbein namens “Lovecrafts Reise ins Grauen”, der biografisches und fiktives um H.P. Lovecraft vermischte. Hohlbein war bis dato bereits als Autor bekannt, der in seinen Büchern das Werk Lovecrafts aufgriff und zu einer der faszinierendsten Romanserien verdichtete – die Abenteuer von Robert Craven, dem Hexer.

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Als Heftromanreihe wie die Werke Lovecrafts zu komplex für den Leser, als Buchreihe umso erfolgreicher, mischte Hohlbein auch hier Lovecraft selbst unter die Protagonisten und erzählte das Erwachen der Großen Alten zur Zeit des ausgehenden 19. Jahrhunderts und jener Menschen, die sich ihnen entgegenstellten. “Der Hexer” hat mich nachhaltig beeinflusst.

 

In der 49-bändigen Heftserie tauchten zudem viele historische und fiktive Persönlichkeiten von Sitting Bull, Kapitän Nemo, Phileas Fog, H.G. Wells, Viktor Frankenstein und natürlich das Necronomicon auf, das Ganze ist in seiner Komplexität ein wildes Fantasydurcheinander, was zwar wenig mit Lovecrafts Subtilität zu tun hat, dafür aber umso abenteuerlicher und fantastischer ist.

 

Der Meister Roderick Andara, Hexer von Salem, Vater von Robert Craven, Freund von Howard Phillips Lovecraft, gemalt von Les Edwards.

Ich selbst habe mich an einer Adaption im Rahmen eines eigenen Anthologie-Filmprojektes, welches auf den Heftromanklassikern der siebziger und achtziger Jahre basiert, versucht und losgelöst aus der Reihe den fünften Band “Der Schatten der Bestie” (damals noch im Gespenster-Krimi erschienen) adaptiert.

 

Es ist eine düstere Mischung aus “The Shadow Over Innsmouth” gemischt mit Yog Sototh, Wesen aus unheiligem Protoplasma und dem Überrest eines niederen großen Alten, der im Schattenwurf des Protagonisten Robert Craven wieder zum Leben erwacht. Vielleicht wird ja daraus irgendwann auch mal etwas Visuelles.

 

Die gesamte Hexer-Saga halte ich generell für einen fantastischen Serienstoff, der leider ob seiner Komplexität und Größe wohl eher nicht für eine Verfilmung in Frage käme. Wenn auch die Großen Alten nur eine Rolle im Hintergrund spielen, aber die Abenteuer im Unterseeboot Nautilus während des Ausbruchs des Krakatau, einer Reise zum Mittelpunkt der Erde, Lovecraft als Time-Master im Orden der Templer, die Araberin Sill el Mot und eine Armee von Tempelrittern, die sieben Siegel der Macht – das alles umzusetzen wäre allerdings ein finanziell waghalsiges Unterfangen.

 

 

Serien(Traum)Adaption von DER HEXER VON SALEM aus dem Artikel MEANWHILE IN A PARALLEL UNIVERSE

 

Man braucht aber eigentlich keinen Film, um das Sphärentor zu den Welten Lovecrafts zu passieren. Seine Geschichten und Fiktionen sind auch heute noch ein unerschöpflicher Fundus und eine Inspirationsquelle für sämtliche Ausprägungen von Genrestoffen, sei es Horror, Fantasy oder Science-Fiction. Das Medium Film scheint fast zu klein für die Imaginationsgabe eines H.P. Lovecraft, dessen Erbe Generationen von Phantasten beeinflusst hat. Trotz dieses enormen Einflusses bleibt Lovecraft und vor allem Lovecraft-Verfilmungen eine Nische, die nicht für jeden zugänglich ist. Wer aber Sehnsucht nach den Weiten des Universums verspürt, den Untiefen der Träume, verbannter Dämonengötter, schlafender Oktopoden und Tore zu anderen Dimensionen, hervorgerufen durch ein Enzym der Zirbeldrüse, der wird um das Werk H.P. Lovecrafts nicht herumkommen.

 

 

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In der Reihe DIE KLEINE GENREFIBEL habe ich es mir zur Aufgabe gemacht, sämtliche Genre, Subgenre, Mikro- und Nanogenre des Genrefilms vorzustellen. Eine Aufgabe, die mich bis weit nach mein Lebensende beschäftigen wird. Ich lege den Fokus auf Dramaturgie und Buch, werde mich aber auch mit der Inszenierung sowie den jeweils besten Vertretern befassen.

 

Lesen Sie in der nächsten Folge:

 

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11 Comments

  1. Antworten

    […] viel Lovecraft, wer hätte das vor Jahren gedacht. Auch ich habe mich in diesem Jahr in der Kleinen Genrefibel Teil 23: H.P. Lovecraft mit dem Urvater der phantastischen Literatur beschäftigt. Dort habe ich auch auf das […]

  2. Antworten

    […] Horror-Anthologien ist hinlänglich bekannt, ich mag klassische Gruselgeschichten, ich mag Poe, Lovecraft, wenn ich jedoch selbst Horrorgeschichten entwickle, egal ob für eine Anthologie oder einen […]

  3. Antworten
    Drei Groschen Gänsehaut 25. Oktober 2017

    […] Autor – Wolfgang Hohlbein. Hohlbein nahm sich mit DER HEXER dem Cthulhu-Mythos von H.P. Lovecraft an, und machte ihn sogar zur Serienfigur. DER HEXER spielt zu einer fantastischen Zeit, der von […]

  4. Antworten

    […] Begebenheiten, speziell aber bei den Urvätern der phantastischen Literatur, Edgar Allan Poe und Howard Phillip Lovecraft. Beide Autoren haben im 19. bzw. 20. Jahrhundert vorrangig Kurzgeschichten verfasst, die in […]

  5. Antworten

    […] die Bücher von George R.R.Martin, sondern gefälligst die HEXER-Saga von Wolfgang Hohlbein, die im Lovecraft-Universum spielt und verdammt nochmal mindestens so episch ist wie GAME OF THRONES und LORD OF THE RINGS […]

  6. Antworten

    […] Fantasy haben interessanterweise den gleichen Ursprung wie die verschrobenen Geschichten eines H.P. Lovecraft – Pulpmagazine der 1930er Jahre. So erschien 1932 im Magazin „Weird Tales“ eine […]

  7. Antworten

    […] ähnlichen Fall hatten wir bereits in der Kleinen Genrefibel Teil 23: H.P. Lovecraft. Auch da stand ein Autor von Horrorliteratur und die filmische Interpretation seiner Arbeit im […]

  8. Antworten

    […] Magazinen und Heftromanen, mit Geschichten von John W. Campbell, Robert Heinlein, Isaac Asimov, H.P. Lovecraft oder Arthur C. […]

  9. Antworten

    […] Titelsequenzen stammt aus Stuart Gordons Film RE-ANIMATOR von 1985, nach einer Geschichte von H. P. Lovecraft. Mit Neonfarben, surrealistisch-verschwurbelter Musik und schlichtem Schriftbild ist die […]

  10. Antworten

    […] kleinen Genrefibel geadelt, deren Werk Einfluss auf die Filmkunst hatte. Die Geschichten eines H. P. Lovecraft waren eine obskure Nische der Phantastik, Stephen King hingegen veränderte den zeitgenössischen […]

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