Die kleine Genrefibel Teil 21: Cop Land

Mit Filmen ist das so eine Sache. Entspannend sollten sie sein, aber auch spannend. Der eine will eine Auseinandersetzung mit der Realität, ein anderer will ihr entfliehen. Diese Flucht muss nicht ständig in die Phantastik münden. Denn Phantastik entsteht auch immer dort, wo einem Erfahrungswerte fehlen, im Unbekannten. Manche interessiert das Leben auf dem Planeten Koozebane, andere würden gern wissen, wie es wohl wäre, im Knast! Natürlich nicht am eigenen Leib, aber im Kino? Mal eine Bank ausrauben, illegale Autorennen, ein Ding drehen? Das Verbrechen ist vielleicht eine der größten Sehnsüchte, wenn man stinkigen Großraumbüros, nervigen Vorgesetzten und der Langeweile des Alltags überdrüssig ist. Aber das ist nur die halbe Wahrheit, denn ein nicht minder großer Reiz geht auch von der Verbrechensbekämpfung aus.

 

 

 

Früher spielten Kinder oft Räuber und Gendarm, das gibt es heute als App von Zynga, die Faszination aber ist die Gleiche. Der meistgeschätzte Beruf in Deutschland bleibt zwar der Feuerwehrmann, aber gleich nach Altenpfleger und Kindergärtner rangiert dein alter Freund und Helfer – der Polizist. Und auch im Kino und Fernsehen ist dieser Berufsstand einer der langlebigsten überhaupt. Warum? Nun, im Grunde gibt es vielleicht gar nicht so große Unterschiede zwischen Fantasy und Cop Movies.

 

visual_copland2

 

Let´s face reality: Im Jahr 2012 belief sich der Schusswaffengebrauch der deutschen Polizei auf 36 abgegebene Schüsse, von denen 8 einen tödlichen Ausgang hatten. Das ist Polizeirealität, die schlimm genug ist. Doch die will man im Kino besser nicht sehen. Dort muss es knallen, dann nochmal knallen, es müssen Handschellenzähne einrasten und dann muss eine brummige Stimme nuscheln: “Sie haben das Recht zu schweigen!” Spricht man von Polizisten, Cops, Lieutenants, Officers, Deputys, Sheriffs, Sergeants, Inspectors, Commissioners oder Corporals im Film, dann befindet man sich weder in der Realität, noch im Fantastischen, sondern meist irgendwo in der Mitte – in Cop Land.

 

 

Überschreitung des Zuständigkeitsbereiches

 

Der Polizeifilm oder der Cop Movie ist weniger Subgenre als Sammelbegriff. Ein großer Überbegriff ist der des Kriminalfilms, dessen Hauptelemente das Verbrechen und die Verbrechensbekämpfung sind. Eine Differenzierung ist eine perspektivische Frage. Sogenannte Gangsterfilme fokussieren die Seite des Verbrechens, jene die das Verbrechen aufklären, Verbrechern das Handwerk legen, die andere Seite. Doch sind das nicht ausschließlich Polizeifilme. In diesem Fahrwasser schwimmen auch Filme über Justiz und Selbstjustiz, Gerichtsfilme, Agenten, Spione, Superhelden. Das ein Cop Movie einen Bezug zu einer Polizeibehörde haben muss, scheint sonnenklar. Aber auch irgendwie nicht, denn es gibt unterschiedliche Zuständigkeitsbereiche. Kann man alles in einen Topf werfen, vom Verkehrspolizisten über die von der Sitte bis zum FBI? Wir konzentrieren uns heute auf echte Cops, ob mit oder ohne Uniform, mit Marke und Dienstwaffe. Auch wenn man einige nicht außen vor lassen kann, beschäftigen wir uns mit dem Spezialgebiet FBI ein anderes mal. Wenn nun also der Cop Movie mehr Sammelbegriff als etwas anderes ist, welche Genremaßstäbe kann man denn trotz Allem an diesen Komplex anlegen?

 

visual_goodcop

Der Polizeifilm ist ein riesiges Haifischbecken, in dem sich Dutzende Unterarten tummeln. Klassisch tangieren Cops in Filmen die Bereiche Drama, Krimi und Thriller. Da geht’s schon los, eine häufige Frage ist, was der Unterschied zwischen einem Thriller und einem Krimi sei? Nun, in beiden Fällen können Polizisten oder anderweitige Ermittler die Hauptfiguren sein, nur ihre Verstrickung mit dem Plot gibt einen Aufschluss, ob es sich um einen Krimi oder einen Thriller handelt. Ein typischer Krimi ist der klassische TATORT, in der ein Polizist, Kommissar oder dergleichen einen Fall zu lösen hat, in dem er selbst persönlich nicht involviert ist. Polizist und Verbrecher haben meist keine Beziehung zueinander, der Polizist ermittelt und überführt lediglich.

 

 

In einem Thriller hingegen ist der Protagonist, in dem Fall ein Polizist, auch persönlich mit dem Verbrecher oder dem Verbrechen verbandelt. Entweder steht der Polizist selbst unter Mordverdacht, sein eigenes Leben oder das seiner Familie ist in unmittelbarer Gefahr oder er ist Teil eines Komplotts. Der Protagonist ist einer größeren Bedrohung ausgeliefert, während im Krimi der Kommissar meist pünktlich Feierabend hat und am nächsten Morgen weiterermittelt. Ein typischer Polizeikrimi dreht sich um Ermittlungsarbeit, an dessen Ende die Aufklärung und Überführung des Verbrechers steht.

 

Im Polizeithriller ist der Protagonist weniger distanziert vom Verbrecher und es geht mehr darum, ihn an seinen Taten zu hindern. Ein Mitfiebern um das Leben des Protagonisten nimmt im Thriller eine größere Rolle ein. So hat ein Thriller auch mehrere Spannungsbögen, der Krimi steigert sich meist zu einem Spannungshöhepunkt am Ende. Auch wenn Grenzen fließend sind, entspricht der Film ZODIAC von David Fincher eher einem Krimi, während sein Film SIEBEN ein echter Thriller ist. Beide Beispiele würden allerdings gar nicht unter das Label Cop Movie fallen, sondern sind eher dem Subgenre Serienkillerfilme verhaftet.

 

Auch wenn die meisten Polizeifilme sowohl abgeklärte Aufklärung wie thrill und kill bieten, sind nicht wenige davon im Kern eher Dramen. Denn neben dem Verbrechen ist es vorrangig das Innenleben des Protagonisten im Bezug auf seinen Beruf, was einen guten Copfilm ausmacht. Im Mittelpunkt steht der Polizist, und er steht für viele Eigenschaften, die man mit ihm in Verbindung bringt. Das amerikanische Kino ist stark geprägt von der Heldenfigur. Neben dem Cowboy, dem Marshall oder dem Agent ist der Cop eine solche Heldenfigur, aber auch jene, die am häufigsten hinterfragt oder gebrochen wurde. Ein echter Cop hat geschworen, dem Recht zu dienen, das Unrecht und das Verbrechen zu bekämpfen. Er unterliegt dem Gesetz, hat damit eine Schwachstelle gegenüber Verbrechern, die das Gesetz ignorieren. Der Cop wird bewundert und verdammt zugleich. Und nicht selten fällt der Satz: “Ein echter Cop kann nicht anders!” Polizisten sind in der Fiktion so beliebt, weil sie viele persönliche, moralische und ethische Fragen aufwerfen, Widersprüche aufzeigen, Emotionen auslösen. Für Charakterisierung und Motivation ist der Polizist ein fantastischer Baustein der Figurenentwicklung.

 

Wenn man sich die berühmtesten Cops und Policeofficers der Filmgeschichte anschaut, erkennt man, dass sie selten normale Figuren sind, sondern Extreme. Denn wie Eingangs erwähnt zeigen Cop Movies selten gewöhnliche Polizeiarbeit, die zu 90% aus Bürokratie und Datenauswertung besteht – filmisch ungefähr so spannend wie Knäckebrot.

 

Interessante Cops sind vor allem gebrochene Figuren, korrupte Charaktere, Typen, die das Gesetz biegen, es brechen, offene Rechnungen haben und trotzdem Sympathieträger sind. Kaum eine andere Berufsgruppe spiegelt so sehr anthropologisches Verhalten wieder wie die des Polizisten. Ob allein oder mit einem aufgezwungenem Partner, Brisanz in Polizeifilmen liegen vorrangig in der menschlichen Auseinandersetzung.

 

 

Von Dick Tracy zu Dirty Harry

Die Ursprünge des Polizeifilms liegen im ausgehenden 19. Jahrhundert und deren Ursprung war das Verbrechen. Der Fall Jack, the Ripper zum Beispiel löste großes Interesse an Verbrechensbekämpfung in der Bevölkerung aus. Auch die Kurzgeschichten von Edgar Allen Poe gaben dieser Faszination Nahrung. Doch bevor Polizisten oder Cops fiktive Fälle lösten, waren das eher Privatdetektive wie Sherlock Holmes. So waren in der Frühzeit des Kinos auch hauptsächlich Detektive Stories die Vorläufer des Polizeifilms.

 

James Ellroy, Dick Tracy, POLIZEIBERICHT (DRAGNET, ab 1949), HEIßES EISEN (THE BIG HEAT, 1953), NUR NOCH 72 STUNDEN (MADIGAN, 1968)

 

 

In den dreißiger Jahren erschienen Comics wie Dick Tracy oder auch die Detektive Comics um Batman, die zu bekannten Verbrechensbekämpfern wurden. Dick Tracy, ein Detektiv, trat der Polizei bei, um Gangster und Mafiosi zu jagen und hinter Gitter zu bringen. Nicht aus purer Selbstverständlichkeit, auch aus eigenen, hasserfüllten Motiven. Dick Tracy gilt als erster Polizeidetektiv, der sich von gewöhnlichen Polizisten unterschied. Er war roh, verbissen, gab alles, um Verbrecher dingfest zu machen und formte so den Typus von Cop, den es so gar nicht gab, aber der dem Leser oder Zuschauer emotional ansprach. Ein Einzelgänger, ein harter Hund, aber im Kern ein guter Mensch, getrieben von großem Gerechtigkeitssinn und Loyalität.

 

THE BIG HEAT (1953)

MADIGAN (1968)

 

Die Faszination am Polizisten wuchs, wie auch das Verbrechen mehr und mehr zunahm. Es war die Zeit der großen Wirtschaftskrise, der Prohibition und der Mafia. Prägend für das Bild des Polizisten im Film wurde die “Schwarze Serie” zwischen 1941 und 1958, auch bekannt als Film Noir, die sich hauptsächlich um Privatdetektive drehte. Waren diese noch die Helden, wandelte sich das im Laufe dieser Jahre zu einer differenzierteren Abhandlung über Gewalt, Recht und vor allem Sozialpolitik. Neben diesen inhaltlichen Merkmalen war Film Noir aber auch eine Stilisierung durch Low-Key-Beleuchtung, Schatten, Schwarz-Weiß-Kontraste und verwinkelte Kameraeinstellungen. Das Hauptelement von Film Noir aber war das Verbrechen und der Held, der nicht selten ein Antiheld war und somit ein Vorreiter für den geschundenen und zerrissenen Cop in den darauffolgenden Jahren.

 

 

Im amerikanischen Kino wurde der Polizeifilm erst Ende der sechziger Jahre modernisiert. Als einer der ersten echten Cop Movies gilt NUR NOCH 72 STUNDEN von Don Siegel von 1968. Bereits wenige Jahre später wurde der Typus des modernen Cops maßgeblich von zwei Figuren geprägt. Zum einen von Det. Jimmy „Popeye“ Doyle, gespielt von Gene Hackman in dem Film FRENCH CONNECTION (1970) vom William Friedkin und zum anderen von Insp. Callahan, den man besser unter den Namen “Dirty Harry” kennt. Beide Figuren sind keine typischen Polizisten, keine Saubermänner oder strahlende Helden. Nicht selten biegen sie das Gesetz so, wie sie es für ihre Ermittlungen brauchen.

 

 

Dirty Harry (Clint Eastwood) geht sogar noch weiter, er und seine Smith & Wesson Kaliber .44 Magnum sind ein eingeschworenes Team und Callahan der Typ Cop, der erst schießt und dann Fragen stellt. In der Figur Callahan spiegeln sich unzählige Widersprüche, Ängste und die Gebrochenheit einer Nation nach dem Vietnamkrieg und innenpolitischer Unruhen.

 

DIRTY HARRY (1971)

SERPICO (1973)

 

Für die siebziger Jahre prägte vor allem die Figur Dirty Harry das Bild des desillusionierten Cops, gefolgt von Charles Bronson und Al Pacino (SERPICO, 1973). Die Cop Movies der siebziger Jahre waren sehr politisch, es ging um Waffengesetze, das Recht auf Schusswaffengebrauch, um Rassismus und Selbstjustiz. Wenngleich die Polizeifilme der siebziger Jahre straffe Actioner waren, diese politische Tiefe sollten sie in den achtziger Jahren wieder verlieren.

 

 

Ich lös den Fall auf jeden Fall!

 

Filme wie die Dirty Harry Reihe wurden auch in Amerika nicht unkritisch aufgenommen. Der Typus der einsamen Wolfes, der Recht und Gesetz nach eigenen Gutdünken auslegt, wurde durchaus kontrovers diskutiert. Das führte zu einer Veränderung des Polizistentypus in den achtziger Jahren. Bevor man aber zu viel sozialpolitische Thesen hineininterpretiert, muss man auch feststellen, es waren einfach ganz andere Typen, die die Kinosäle der achtziger Jahre füllten. Es war das Jahrzehnt der Actionhelden oder jenen Schauspielern, die zu Actionhelden gekrönt wurden.

 

Stallone, Schwarzenegger oder Willis haben mehrfach brachialorientierte Cops gemimt. Vor allem Sylvester Stallone gilt für mich als der Filmcop schlechthin, der vom nuschelnden Onlinerklopfer (CITY COBRA) bis zum schwermütigen, übergewichtigen Sheriff (COP LAND) viele Facetten eines Filmpolizisten dargestellt hat. Das war in den 80ern vor allem eine Typenfrage, denn jene Cops waren bullige, derbe Kerle mit Muskeln und das, was man in Fachkreisen einen Hammer nennt.

 

Diese Cops waren nicht von Zynismus besessen wie Dirty Harry. Sie waren lockerer und hatten immer einen coolen Spruck auf den Lippen. Sie waren zwar auch alle Einzelgänger mit sozialen Problemen wie Bindungsängsten und insgesamt eindimensionaler. Aber Cops waren ja schließlich auch keine Schlipsträger, Anwälte oder Schreibtischhengste. Sie machten die Drecksarbeit und wurden dafür maximal vom Chief Inspector angebrüllt. Waren die Cop Movies in den siebziger Jahren düstere und depressive Angelegenheiten, hielt ab 1980 die Comedy Einzug in die Filmsparte.

 

Bezeichnenderweise sollte Sylvester Stallone nach NACHTFALKEN (1981) auch einen gewissen Det. Axel Foley spielen. Doch den Produzenten war mehr an Comedy denn Actioneinlagen gelegen, so verließ Stallone das Projekt und die Rolle wurde mit Eddie Murphy besetzt. Der Film BEVERLY HILLS COP wurde zu einem Millionenerfolg, Stallone verarbeitete Teile der Actionstory dann aber 1986 noch in CITY COBRA. Murphy war nicht unbedingt der Vorzeigecop in Sachen Power, Kraft und Ausdauer. Er war eher ein Plappermaul. Doch in genau diese Richtung ging der Copfilm in den achtziger Jahren. Bereits das Spielfilmdebüt von Eddie Murphy von 1982, NUR 48 STUNDEN, war eine Sternstunde des Polizeifilms, obwohl Murphy hier einen Strafgefangenen spielt.

 

BEVERLY HILLS COPs: Det. Axel Foley (Eddie Murphy), Det. William „Billy“ Rosewood (Judge Reinhold) & Det. Sgt. John Taggart (John Ashton)

 

Der raubeinige Cop war Jack Cates, gespielt von Nick Nolte. NUR 48 STUNDEN ist trotz des komödiantischen Einschlags ein knallharter Cop Thriller und prägte das Bild eines verkommenen Amerikas, dreckige Straßen, Dampf steigt aus Gullideckeln, in den Straßen Nutten, Gangster und Fixer. Ohne Kontakte zur Unterwelt kommt man nicht weit, so sind Polizisten wie Axel Foley oder Maria Cobretti zwar nicht so abgefuckt wie Dirty Harry, aber wohl im Stande, auf unorthodoxe Weise an Informationen zu kommen.

 

Sheriff Mark Kaminsky (Arnold Schwarzenegger, DER CITY HAI), Lieutenant Marion Cobretti (Sylvester Stallone, DIE CITY COBRA), Detective Lieutenant John McClane (Bruce Willis, STIRB LANGSAM), Detective Sgt. Martin Riggs (Mel Gibson, LEATHAL WEAPON), Police Detective Axel Foley (Eddie Murphy, BEVERLY HILLS COP)

Doch der Zuschauer weiß, tief im Inneren sind all diese rauen Kollegen gute Menschen. Nicht selten wird ihnen das zum Verhängnis, denn die Verbrecher teilen solche moralischen Werte meist nie. Für einen Cop steht deshalb immer mehr auf dem Spiel als das eigene Leben. Sie fürchten Repressalien, die Bedrohung der Familie oder der Geliebten und müssen nicht selten die Waffe weglegen, wenn ein Gangster einen Unschuldigen bedroht. Ein guter Filmcop muss viel einstecken können. Nur mit einer Sache bekommt er große Probleme, nämlich dann, wenn ihm, trotz vehementen Protestes, ein Partner an die Seite gestellt wird.

 

 

 

 

Ein Bulle ohne Kummer

 

“Buddy Movies” sind nicht nur auf Polizistenplots abonniert, aber auf keine andere Berufsgruppe passt das besser. Die Grundlage von “Buddy Cop Movies” ist eine Dramaturgische. Nehmen wir einen Plot um einen mürrischen, wortkargen Einzelgängercop, einen Typen wie Dirty Harry, der nur ab und zu mal “Make my day!” murmelt. Einen solchen Cop in der Geschichte zu folgen, kann anstrengend sein. Denn dieser Typ redet nun mal nicht viel, schießt ohnehin zuerst, brabbelt irgendwas in seinen imaginären Bart und zieht für gewöhnlich die Mundwinkel ganz weit nach unten. Aus einem solchen Typen kann man zwar was lesen, aber viel bleibt in ihm verborgen. Um ihm überhaupt menschliche Wesenszüge zu entlocken, muss man ihn reizen. Besser noch als der Oberbösewicht kann das ein nerviger Partner, der die ganze Zeit quatscht und nervt.

 

Aus dieser Konstellation heraus sind einige der besten “Buddy Cop Movies” entstanden. Je größer die Unterschiede, desto besser für die Dramaturgie. So wurden vor allem in den achtziger Jahren so ziemlich alles verpartnert, was man sich so vorstellen kann: Kleinganove und Cop (NUR 48 STUNDEN), Cop und Gefangene (MURPHYS GESETZ), alter Cop und junger Cop (COLORS), weißer Cop und schwarzer Cop (LEATHAL WEAPON), Cops aus verschiedenen Zuständigkeitsbereichen (TANGO & CASH), aus verschiedenen Nationen (RED HEAT) oder Straßencop und Bürocops (BEVERLY HILLS COP).

 

 

Buddies mitten im Kalten Krieg: Det. Sgt. Arthur „Art“ Ridzik (James Belushi) & Capt. Ivan Danko (Arnold Schwarzenegger) in RED HEAT (1988)

 

Die Dramatik, Spannung und das komödiantische Potential sind umso größer, je unterschiedlicher die Zweierbesetzung ist. Ein unterschätzter Film dieser Gattung ist AUF DIE HARTE TOUR mit James Woods und Michael J. Fox, der irre viel aus diesem dramaturgischen Estrich herausholt. “Buddy Cop Movies” sind nach wie vor beliebt und frequentieren das Kino bis zum heutigen Tag (END OF WATCH, 2 GUNS, R.I.P.D.), was nicht zuletzt daran liegt, dass allein aus der Kombination zweier unterschiedlicher Schauspieler großes Comedypotential inne liegt (Eddie Murphy und Robert De Niro in SHOWTIME).

 

 

Überschätzte Klassiker: LETHAL WEAPON

 

 

Die bekanntesten Buddies sind wohl Detective Sgt. Martin Riggs und Detective Sgt. Roger Murtaugh aus der LETHAL WEAPON Reihe von Richard Donner. Da muss ich jetzt mal etwas loswerden, was mir mit Sicherheit nicht viele Freunde unter den Filmfans da Draußen machen wird. Ich halte die ganze LETHAL WEAPON Reihe für mittemäßige Filmunterhaltung. Schon damals, Anfang der Neunziger, als sie in meinen Videorekorder wanderten, fand ich den ersten Teil und LETHAL WEAPON 2 – BRENNPUNKT L.A. eher zäh und grenzwertig langweilig. Ich habe die Tetralogie erst kürzlich noch mal eingeschoben und konnte das zwar für mich differenzieren, die Meinung allerdings blieb unverändert. Mal ehrlich, die LETHAL WEAPON Filme brauchen ewig, bis die Story Fahrt aufnimmt, manchmal dauert es eine dreiviertel Stunde, bis man überhaupt eine Story ausmachen kann.

 

 

Martin Riggs (Mel Gibson) und Roger Murtaugh (Danny Glover) in LEATHAL WEAPON – ZWEI STAHLHARTE PROFIS (1987)

 

Die Figur Martin Riggs ist mir zu drüber und unstimmig, wenn man alle vier Teile betrachtet. Anfangs ein wahnsinniger Irrer, gebeutelt vom Schicksal, was Frau und Hund anbelangt, letzten Endes aber zu widersprüchlich Also schlecht finde ich die Filme nicht, nur liegen zwischen dieser Reihe und Filmen wie die ersten drei DIE HARD Teile und NUR 48 STUNDEN Welten. Star des Films ist für mich sowieso nicht Mel Gibson als Riggs, weder der Schauspieler noch die Rolle. Wirklich fantastisch ist hauptsächlich Danny Glover als Murtaugh, auch die Nebenrollen sind mit Joe Pesci und Rene Russo bestens besetzt. Einzig Teil 4 hat etwas mehr Drive und eine actiongeladene tolle Autobahnszene, aber so richtig begeistern konnten mich die LETHAL WEAPON Filme nie so richtig. Hoffentlich werde ich jetzt nicht gesteinigt!

 

 

Apropos Rene Russo. Weibliche Cops sind relativ selten, aber es gibt ein paar fantastische Rollen in der neueren Filmgeschichte. Russo selbst verkörpert in den LETHAL WEAPON Filmen Sergeant Lorna Cole, eine toughe Polizistin, die eigentlich Riggs Verhalten beobachten soll, sich aber schnell zu intimen Dingen wie das Vergleichen von Narben hinreißen lässt. Sergeant Lorna Cole ist eine tolle Rolle und wird von Russo blendet gespielt. Auch Jamie Lee Curtis gibt in Katherine Bigelows Film BLUE STEEL eine Glanzvorstellung. Clarice Starling (DAS SCHWEIGEN DER LÄMMER) arbeitet zwar frisch beim FBI, ist allerdings eine Ermittlungsspezialistin mit Einfühlvermögen und weit über Genrestandards. Genauso wie die Polizistin Marge Gunderson (Frances McDormand) aus dem Film Fargo, die hochschwanger ein Chaos um grenzdebilen Gangstern beseitigen muss.

 

 

Polizistin Marge Gunderson (Frances McDormand) in FARGO (1996)

 

 

Wie Sylvester Stallone gilt allerdings Sandra Bullock als Vorzeigecop mit der größten Berufserfahrung. Was hat diese Frau nicht schon alles für Uniformen getragen, angefangen mit Stallone in DEMOLITION MAN, als Agentin des FBI und Schönheitskönigin in MISS UNDERCOVER, als robuste Ermittlerin in MORD NACH PLAN und in der unerträglichen Buddy Komödie TAFFE MÄDELS an der Seite von Melissa McCarthy.

 

 

Ganz nebenbei hat sie dann auch noch mit LAPD Cop Jack Traven (Keanu Reeves) einen Bus vorm Explodieren abgehalten – das soll Frau Bullock erstmal einer nachmachen.

 

 

 

“Streifenschwuchteln gehen zur Einsatzbesprechung. Wir gehen da nicht hin!”

 

Nachdem in den achtziger Jahren so ziemlich jeder Actionstar einen bis mehrere Cops dargestellt hatte, wurden Polizeifilme in den neunziger Jahren wieder etwas ruhiger. In BLUE STEEL (1990) spielte Jamie Lee Curtis eine tolle Polizistin, die sich mit Verrat und Korruption herumschlagen musste.

 

Jodie Foster gelang 1991 mit der Darstellung der FBI-Agentin Clarice Starling in DAS SCHWEIGEN DER LÄMMER das Kunststück, sich in der Männerdomäne Polizei nicht nur gut zu schlagen, sondern auch einen OSCAR abzusahnen. Gleichzeitig markierte der Film von Jonathan Demme auch ein Revival des Serienkillerfilms. Zwar waren es die großen Serienkiller, die in dieser Sparte faszinierten, aber nicht weniger auch die Polizisten und Kriminalisten, die jene jagten, aufspürten und zur Strecke brachten. Man kann Serienkillerfilme und Copfilme schwer trennen, denn sie leben von der Auseinandersetzung zwischen den Protagonisten und Antagonisten in gleichem Maße. Wer mehr über Serienkillerfilme und den ein oder anderen Cop darin erfahren möchte, der wird in der Kleinen Genrefibel Teil 11 fündig.

 

Von den neunziger Jahren bis heute hat sich der Cop im Film stetig weiterentwickelt. Von Wut und Hass getrieben, über Marksteine des Actionfilms, geriet er immer mehr in die eigene Hinterfragung seiner Profession. Bestimmungen, Vorschriften, Recht, Unrecht, Korruption, es wurde immer schwerer, all das mit einem lockeren Onliner wegzubrabbeln. Der moderne Cop ist dabei noch immer unfähig zu stabilen Beziehungen, muss Stunden im Wagen während einer Beschattung verbringen, braucht dringend Durchsuchungsbefehle und ermittelt nach der Suspension noch immer auf eigene Faust weiter. Moderne Cop Movies sind zwar realistischer geworden, bleiben im Kern aber weiterhin typisches Männerkino mit einer verzerrten Realität.

 

 

Detective Alonzo Harris (Denzel Washington) & Officer Jake Hoyt (Ethan Hawke) in TRAINING DAY (2001)

 

 

Herausragende Polizeifilme der letzten Jahre waren TRAINING DAY von Antoine Fuqua, NARC, HEAT, COP LAND und THE DEPARTED. Sie sind deshalb so gut, weil sie wieder viel Flair der siebziger Jahre atmen.

 

Auch der Film Noir der 40er Jahre wurde wieder aufgegriffen, was vielfach als Neo Noir bezeichnet wird, wie die Verfilmungen der Romane von James Ellroy (L. A. CONFIDENTIAL, DARK BLUE, THE BLACK DAHLIA) oder der neuzeitliche Klassiker NACH EIGENEN REGELN (MULHOLLAND FALLS). Nach wie vor gibt es unzählige düstere Copthriller und wahnwitzige Komödien.

 

 

Was mit der POLICE ACADEMY Reihe begann wurde durch filmischen Murks wie MEIN PARTNER MIT DER KALTEN SCHNAUZE nicht wirklich besser, Cops und Hunde gelten sogar als eines Buddy-Subgenre. In komödiantischen Polizeifilmen steckt meist viel Klamauk, man denke nur an die NACKTE KANONE, die LEATHAL WEAPON Parodie LOADED WEAPON oder an HOT FUZZ. Filme wie THE GUARD oder KOPPS sind da eher Mangelware. Interessanter wird es, wenn man versucht, Cops in gänzlich andere Genre zu stecken.

 

 

 

Einmal Cop, immer Cop

 

ROBOCOP aus dem Jahr 1987 ist eine zynische Satire um die Gewalt des Staates und ihrer Organe. Auch außerirdische Polizisten wurden auf die Straßen von L. A. geschickt, während der MANIAC COP ganz nett Horror und Cop Movie verbindet. Im Horrorfilm machen sich Polizisten eher rar, dort geht es meist um völlig normale Leute, über die das Grauen hereinbricht. Polizisten sind meist nur Staffage oder dafür da, dass der Killer einen Platz für sein Messerchen hat.

 

Vielleicht ist DEAD HEAT mit Treat Williams ein kleiner Geheimtipp in Sachen Cop Horror Movies. Ansonsten sind die Gesetzeshüter in allen Phantastiksparten mal mehr oder weniger präsent. Da gibt es einen TIMECOP, einen ANDROID COP, einen NIGHTMARE DETECTIVE und einiges mehr. R.I.P.D. ist in gewissem Maße ein Pendant zu MEN IN BLACK mit echten, untoten Polizisten und Verbrechern aus dem Jenseits. Doch vor allem im Science-Fiction-Bereich wird die Rolle des Cops manchmal interessant weitergesponnen (DREDD, MINORITY REPORT, DEMOLITION MAN).

 

Die besten TV-Cop Klassiker

 

Ist die Zahl von Cops in Filmen zum Teil unüberschaubar, gilt das für TV-Polizisten erst Recht. Ich muss sogar zugeben, dass mir zwischen CSI, THE SHIELD oder THE WIRE mittlerweile der Überblick fehlt. Aber auch mich haben Polizisten im Fernsehen geprägt, vor allem die klassischen Cop Serien wie COLUMBO oder KOJAK.

 

Das neue Zeug ist mir allerdings zu überstilisiert und es ist manchmal gar nicht so einfach, zwischen Cops und Investigativen Ermittlern, Forensikern oder Mentalisten zu unterscheiden. Gab es sowieso schon alles in einer Person, Special Agent Dale B. Cooper, aber das würde jetzt wieder zu weit führen.

 

 

Auch wenn der Schein trügt und es hier vorrangig um amerikanische Cop Movies geht, Polizisten im Film und Fernsehen umspannen den ganzen Globus. Es gibt fantastische koreanische und japanische Cop Thriller, auch aus Skandinavien kommen clevere Cops und Gesetzeshüter. In Deutschland patroullierten nicht Tatortkommissare, sondern auch die Autobahnpolizei, mehrere SOKEN oder die beliebten ROSENHEIMCOPS. Und all die Spezialeinheiten können schonmal für Verwirrung sorgen.

 

 

THE DEPARTED (2006)

 

Besonders in aktuellen Fernsehserien sieht man, dass der Themenkomplex Cop in all seinen Facetten noch längst nicht erschöpft ist. Polizeiarbeit wird für außenstehende immer interessant bleiben wie die Faszination an Gewalt und immer braucht dies einen Mittler, einen gestandenen Cop, der zwischen der Bürokratie, dem Rechtsempfinden und jedweder Moralvorstellung auf der einen Seite und dem Gerechtigkeitssinn des Zuschauers auf der anderen verhandeln soll. Niemand interessiert sich wirklich für realistische Polizeiarbeit, zu unspektakulär und zu trist. Der Cop ist ein Ideal, ein Cop ist eine tragische Figur, die Zeit seines Dienstes alles leistet, Privates hinten anstellt und das Ganze für eine kümmerliche Pension und eine beknackte Uhr. Zumindest im Film. Denn das sind die Typen, die man auf der Leinwand sehen will, Typen, die das schlucken. Helden eben.

 

 

_________________________________________________________________________________________________________________________________________

In der Reihe DIE KLEINE GENREFIBEL habe ich es mir zur Aufgabe gemacht, sämtliche Genre, Subgenre, Mikro- und Nanogenre des Genrefilms vorzustellen. Eine Aufgabe, die mich bis weit nach mein Lebensende beschäftigen wird. Ich lege den Fokus auf Dramaturgie und Buch, werde mich aber auch mit der Inszenierung sowie den jeweils besten Vertretern befassen.

 

Lesen Sie in der nächsten Folge:

 

banner_belfranco

 

 

9 Comments

  1. Antworten

    […] wir zum Vergleich mal die kleine Genrefibel Teil 21 zu Rate, dort ging es ebenfalls um einen Berufsstand, den des Polizisten. Der ist ebenso […]nn1

  2. Antworten
    Abel Ferrara 24. Mai 2014

    Guter Beitrag aus unserer prägenden Blütezeit des Filmfanatismus…:) Respect!

  3. Antworten
    Abel Ferrara 26. Mai 2014

    Off – Kommentar von Danny DeVito (Sid Hudgens) in
    L.A. CONFIDENTIAL zum Anfang des Filmes

    Trash Award

    “Kommen Sie nach Los Angeles.
    Hier scheint die Sonne das ganze Jahr,
    die Strände sind breit und einladend,
    und goldene Orangenhaine erstrecken sich soweit das Auge sehen kann.
    Es gibt Arbeit in Hülle und Fülle, und Land ist billig.
    Jeder Arbeiter kann sich sein eigenes Haus leisten,
    in dem er glücklich und zufrieden mit seiner Familie lebt.
    All das können Sie auch haben.

    Und wer weiß: Vielleicht werden Sie sogar ein Filmstar!?
    Oder kriegen wenigstens einen zu sehen!?
    Das leben ist herrlich in Los Angeles,
    ein Paradies auf Erden, jedenfalls wird das immer behauptet.
    Es wird ein bestimmtes Image verkauft,
    im Kino, im Radio und im Fernsehen.
    In der beliebten Serie „Badge of Honor“ leistet
    die Polizei von L.A. übermenschliches um die
    Stadt vom Gesindel zu säubern.

    Ja, es sieht so aus als wäre hier der Garten Eden
    aber sogar im Paradies gibt es ärger
    und der heißt Meyer Harris Cohen
    In der Stadt ist er bekannt wie ein bunter Hund
    genau wie sein Leibwächter „Johnny Stompanato“.
    Mickey Cohen kontrolliert hier das Organisierte Verbrechen,
    er hat seine Finger im Drogen und
    Schutzgeld Geschäft und in der Prostitution.
    Ein Dutzend Morde pro Jahr gehen allein auf sein Konto,
    aber seine Art zu töten hatte immer Stil.

    Und jedes mal wenn sein Foto die Titelseiten schmückt,
    kriegt das Image von los Angeles einen neuen Kratzer,
    den wie ist es möglich das in einer Stadt mit der besten
    Polizei der Welt organisiertes Verbrechen überhaupt existiert,
    dagegen muss man etwas tun, es braucht nicht mal Originell zu sein.
    Denn, Hey wir sind in Hollywood, was bei Al Capone funktioniert
    hat klappt bestimmt auch bei Mickey.

    (Mickey wird im Zeitraffer verhaftet wegen Steuerhinterziehung)

    Aber damit ist das Problem nicht gelöst, denn Mickey´s Verhaftung hat
    ein Vakuum hinterlassen und es ist nur eine Frage der Zeit bis
    jemand kommt, der skrupellos genug ist
    und die Macht übernimmt.

    Bleiben Sie dran lieber Leser, den von uns erfahren Sie zuerst,
    was noch nicht offiziell ist und was hinter Vorgehaltener Hand geflüstert wird.

    Pssst…

    Ihr Hush-Hush-Magazin

    • Antworten
      rikenbaker 26. Mai 2014

      Alter, wie geil bist du denn drauf? Alles aus dem Kopf? Großartig! Wenn wir zusammen schreiben würden, gäbe es nicht nur so läppische 4000-Wörter-Artikel. Die Leute beschweren sich immer, dass das alles viel zu kurz sei…äh…

  4. Antworten

    […] Aber natürlich gibt es auch die gute Seite, die der Verbrechensbekämpfer. Dazu zählt der Cop- oder Polizeifilm, der klassische Spionagefilm, aber auch der Gerichtsfilm und der daran angeschlossene Knast- oder […]

  5. Antworten

    […] Plötzlich bevölkerten alte und desillusionierte Helden die Leinwand, sie trafen wie beim Copfilm stärker den Nerv der Zeit beim […]

  6. Antworten

    […] ist die Rolle der Frau im Film nicht ganz so einfach wie vergleichsweise die klare Männerdomäne Cop Movie. Denn man muss anmerken, dass die Femme Fatale im Film nur bedingt eine gesellschaftspolitische […]

  7. Antworten

    […] in Action hatten wir bereits in der kleinen Genrefibel Teil 42: Bloodsport besprochen, ebenso Cop Movies, Superhelden, Spionagethriller und Action auf Hoher See. Doch sind wir ehrlich, in einem richtigen […]

  8. Antworten

    […] Zwecke. Oft ist das Auto ein Abbild seines Halters oder Fahrers, welches viel über ihn verrät. Das Polizeiauto gehört zum Cop, denn es ist in seiner Funktionalität das wichtigste Werkzeug jener Berufsgattung neben der […]

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Christian Hempel | Autor, Dramaturg und Stoffentwickler | Gesslerstraße 4 | 10829 Berlin | +49 172 357 69 25 | info@traumfalter-filmwerkstatt.de