Angst essen Videokassette auf

Am 16. Mai läuft in deutschen Kinos THE EVIL DEAD an. Lang hat die Fangemeinde der TANZ DER TEUFEL Trilogie gehofft, Regisseur Sam Raimi würde mit einem offiziellen 4.Teil die Geschichte der kettensägenschwingenden Horrorikone Ash fortsetzen. Doch im Herbst 2011 meldete sich Darsteller Bruce Campbell persönlich und verkündete: „Wir wollen eine Neuverfilmung des Originals!“ Horrorfilmfans auf der ganzen Welt spukten Gift und Galle. Schon lange brodelt etwas in der Magmakammer unter dem Filmolymp. „Sakrileg!“, „Reine Profitgier!“, schallt es aus den Foren und man zeigt mit ausgestrecktem Zeigefinger auf den Ketzer:

 

Das Remake, Geißel der Kreativwirtschaft!

 

Argumente gegen Remakes sind zahlreich und meist ausgesprochen amüsant. „Das Original ist doch perfekt!“ ist so eines. Denn gerade bei Neuverfilmungen von großen Klassikern stellen sich viele die Frage: „Was gibt es denn da zu verbessern?“ Nun sagen Autoren, Produzenten oder Regisseure meist, es sei gar nicht ihre Intention, mit einem Remake das Original verbessern oder perfektionieren zu wollen, eine Vorentschuldigung, die es gar nicht bedarf. Denn das Remake als solches ist ja das Produkt des Umstandes, dass sich die technischen Bereiche seit der Einführung des Films 1896 immer weiter entwickelt haben.

 

 

 

 

Von Stummfilm, Tonfilm, Farbfilm bis zu digitalen Effekte, schon immer ging die Entwicklung des Filmes mit den Visionen der Filmemacher und deren Umsetzbarkeit Hand in Hand. Einen Filmstoff aufgrund besserer, realistischerer und lebendigerer Gestaltungsmöglichkeiten neu umzusetzen, ist wohl das größte Argument für eine Neuverfilmung. Remakes, wie auch Fortsetzungen, sind gerade im Horrorfilmbereich zahlreich, Horrorfranchise sind rentabel. Denn aus welchem Grund schaut sich ein Horrorfan einen Film wie „Freitag, der 13. Teil 8“ überhaupt an? Nicht, weil er eine neue Story erzählt bekommt, die dramatisch oder gar episch weitergesponnen wurde.

 

Der Zuschauer will wieder und wieder erschreckt werden, will sich gruseln, ekeln, die Fingernägel bis zum Ellenbogen abknabbern, nur weil irgend so ein Hirni zum 8. Mal in die falsche Richtung rennt. Die Geschichte ist bekannt, die Muster sind gleich. Die hohe Fortsetzungsrate von Franchise wie HALLOWEEN, NIGHTMARE ON ELM STREET oder SAW spricht aber dafür, dass auch ein knappes Storykonzept über Generationen hinweg immer wieder neu erzählt werden kann. Warum sollte das nicht auch bei Remakes so sein?

 

remake evil dead

Gerade Tanz der Teufel wirkt heute technisch ziemlich angegraut. Was nicht heißt, dass er noch immer eine zeitlose, atmosphärische Bestie von Horrorfilm ist. Aber was für den Filmnostalgiker tolle, handgemachte Effekte und Atmosphäre sind, war für den Filmemacher nur das Beste, was er aus dem Budget oder der aktuellen Technik hatte herausholen können. So ist es nur legitim, einen Horrorfilm, der sich weniger aus seiner Story als aus seiner Art der Inszenierung definiert, neu aufzulegen.

 

Natürlich ist der technische Aspekt nur einer von vielen. Oft hört man, dass Remakes selten oder nie an die jeweiligen Originale heranreichen. Filmfans sind in dieser Beziehung sehr empfindlich. Gibt es eigentlich eine ähnliche Diskussion im Musikbereich, was Coverversionen betrifft? Für viele Filmfreaks jedenfalls gibt es den einen oder anderen Meilenstein der Filmgeschichte, der auf einem Sockel gehoben wird und den es zu verteidigen gilt. Wenn der eigene Lieblingsfilm bedroht wird, helfen nur noch schwere Geschütze.

 

Neu und vertraut

 

Da ist von Blasphemie die Rede, von unmoralischem Verhalten seitens der Produzenten. Man klagt weh und bang über die Ideenlosigkeit der Autoren und mangelnde Kreativität. Sollte aber ein Filmemacher es wagen, das nicht aufzuhaltende Remake in seiner Machart freier auszulegen oder zu interpretieren, tritt oft ein seltsamer Widerspruch zu Tage. Es bedarf erst des Beweises, dass ein Heath Ledger einen würdigen Joker spielen kann. Zu fest eingebrannt ist das Bild eines Jack Nicholson, als dass jemand einen Nachfolger akzeptieren würde.

 

Ohne Schwarzenegger braucht man gar keinen neuen TERMINATOR drehen und selbstverständlich funktioniert ein TANZ DER TEUFEL Remake ohne Ash nicht im Geringsten! Gerade wenn ein Remake neue Facetten der Figuren herausarbeitet oder es auch nur gegen den Strich oder die Erwartung des Zuschauers besetzt ist, stößt es in erster Linie auf Widerstand. Das ist ziemlich verwirrend! Bloß kein Remake von Film soundso, wenn doch, dann bitte ganz genau so wie das Original!

 

Fast schon ein eigenes Subgenre: Horror Remakes mit Chloë Grace Moretz

Fast schon ein eigenes Subgenre: Horror Remakes mit Chloë Grace Moretz

“Ein Remake von Tanz der Teufel braucht die Welt nicht!” lautet das Credo. Ich stimme dem zu! Das TDT-Remake braucht kein Mensch, genauso wenig wie alle anderen Filme, die jemals produziert wurden. Denn Filme sind purer Luxus, nicht lebensnotwendig. Was viele angebliche Filmfans eigentlich meinen ist, dass ein TANZ DER TEUFEL Remake in ihrer eigenen, sauberen, kleinen Filmwelt keinen Platz hat. Ich kenne sowas Ähnliches aus frühster Jugend. In meinem Zimmer stand ein Videoregal, darin meine All Time Favorits Sammlung an VHS-Kassetten, die großen Verleihhüllen, nicht die Kaufhauskacke, echte Videothekenware. Vorn dran stand sozusagen die Speerspitze der Filmkunst mit Monumentalwerken wie THE ROCK oder AIR FORCE ONE!!!

 

Aber hinter dieser Reihe lagerten auch noch Filme, Flohmarktware wie CYBORG, BASKET CASE oder auch meine original VCL-Kassette von Tanz der Teufel, die ungeschnittene Erstauflage. Aber solche Schmuddelfilme, von denen ich damals schon großer Fan war, neben COMEDIAN HARMONISTS stellen, das sieht doch nicht aus! Nein, dieses Regal bleibt sauber! Ich gab auch Sachen von mir wie: “Halloween 3 is ja voll doof, der macht die ganze schöne Michael Myers Reihe kaputt!” Dabei fand ich eigentlich, dass das so kein schlechter Streifen is und wirklich kaputt machte der Film eigentlich gar nix. Musste trotzdem hinten stehen. Und bei Diskussionen bloß nicht erwähnen, dass mir der Film gefällt! Ich hab das mittlerweile überwunden, doch gibt es da draußen noch immer viel Leid unter den Filmfreaks.

 

Bandfraß

 

Kommt da ein Remake eines alten Lieblingsfilms heraus, fühlen manche sich bedroht. Das Remake könnte am Ruf des Originals kratzen oder es vielleicht sogar zerstören! Eine Horrorvorstellung! Ich sehe es quasi vor mir: Das TDT-Remake kommt und verbeißt sich mit seinen scharfen Blu-ray-Kanten am filigranen Plastik der alten VCL-Videokassettenhülle und frisst am Ende das Original komplett auf. Dieses Schwein! Aber die Wahrheit ist, Filme, auch unterschiedlicher medieller Herkunft, sind untereinander eigentlich ganz friedlich. Das Problem liegt in der Verletzlichkeit des Betrachters.

 

Mancher verdammt die Macher oder wünscht sich einen Flop zum Kinostart. Oder jemand startet gar eine Petition gegen das Remake von THE CROW und verlangt wortwörtlich: „Wir, die Filmfans, fordern die Produzenten also umgehend auf, diese Idee aufzugeben!“ Ich frage mich, was das für „Filmfans“ sind, die sich so vehement gegen die Produktion eines Filmes aussprechen oder Sachen von sich geben wie: „Vielleicht sollte man die oder die Filmreihe erstmal 20 Jahre ruhen lassen!“

 

remakes the crow

Wird zurückkehren, wenn THE CROW mit Mark Wahlberg neu verfilmt wird: Brandon Lee

Regisseur Joe Dante hat mal gesagt: „Es gibt zwei Sorten von Filmfans: Leute, die Filme lieben und Leute, die Filme lieben, die ihnen gefallen.“ Wie Dante zähle auch ich mich zur ersten Kategorie. Ich liebe Filme! Alle Filme, besonders die Schlechten! Vor allem aber liebe ich Geschichten, und Geschichten wurden schon immer wieder neu erzählt, variiert oder interpretiert. So kann ich gar nicht genug bekommen von Remakes, Reboots oder Reimaginations.

 

Klar, als Autor und Stoffentwickler bin ich natürlich auf der Suche nach neuen Plots und Ideen. Aber ich bin auch Konsument und Filmfreak und frage mich ernsthaft, welcher wahre Filmliebhaber nur alle 20 Jahre Lust auf einen neuen Batmanfilm hat? Von mir aus können sie den ganzen Quark jedes Jahr neu rebooten und remaken, ich sauge alles auf wie ein Staubsauger, denn ich liebe Filme. Und das ganze Drumherum.

 

Remakes no sense?

 

Ich bin sehr gespannt auf THE EVIL DEAD, denn gerade diese Filmreihe definiert sich durch ständige Wiedergeburt. Tanz der Teufel Teil 1 war im Prinzip schon das Langspielremake von Raimis Kurzfilm WITHIN THE WOODS, Tanz der Teufel 2 quasi ein Remake des ersten Teils. So steht die Neuverfilmung für mich eher in guter Tradition als am Pranger der Selbstgerechtigkeit. Wenn der Film dann letztendlich doch Schrott ist, hat es meist nichts damit zu tun, ob es ein Remake ist oder nicht. Hochglanzoptik und talentfreie Schauspielpüppchen gibt’s auch bei neuen Filmen. Aber mich übermannt keine Paranoia, die Neuverfilmung würde das Original verunglimpfen oder aufessen.

 

Ich bin sehr entspannt geworden. Mir gefällt auch die Neuverfilmung meines absoluten Lieblingsklassiker FRIGHT NIGHT, der ist zwar in allen Belangen dem Original unterlegen, wenn man aber nicht ständig vergleicht oder sich persönlich angegriffen fühlt, kann man in dem Remake auch einen unterhaltsamen, kurzweiligen und charmant besetzten Horrorfilm sehen. Und solange es keinen Zwang gibt, alles anschauen zu müssen, gibt es keinen Grund, Remakes zu verdammen.

 

Ich gehe sogar soweit, um zu rufen: Mehr davon! Warum nicht auch mehr deutsche Remakes? Mitte der Neunziger gab’s die GERMAN CLASSICS, das kann nicht die Spitze des Eisberges gewesen sein. Keine Angst vor großen Namen, Remakes her von METROPOLIS oder DAS CABINETT DES DR.CALIGARI! Für mich ist ein Film ein Film, kein unumstößliches Kunstwerk. Ich stehe nicht mit einem Reisigbesen da und warte nur darauf, dass wieder so ein unnötiges Remake daher kommt, um es aus der imaginären Ahnengalerie subjektiver Meisterwerke zu fegen.

 

Mein DVD-Schrank darf jetzt ruhig bunt und trashig sein und da AIR FORCE ONE sowieso schon lange aus dem Regal verschwunden, ist da auch noch Platz für das ein oder andere Remake. Wenn es sich benimmt und die Originale nicht anknabbert!

 

3 Comments

  1. Antworten
    Abel Ferrara 8. März 2013

    Toller Artikel das muss ich mal so sagen von einem echten Filmfan den ich sogar kenne…Weiter so mein Freund…ich werde das Beobachten…

    beeindruckend war deine Retrogeschichte oben mit der erwähnung “Cyborg”…grinse…ein absoluter Kinderretrofilm mit Jean Claude Van Damme…

    Grüße erstmal…

  2. Antworten

    […] Verbalauswurf, der deutsche Genrefilm sei tot, ungefähr so objektiv wie die tägliche Hetze gegen unkreative Remakes oder das Jammern über die angeblichen Selbstbeweihräucherungs-praktiken dieses ach so doofen […]

  3. Antworten

    […] ist es soweit. Der allererste Traumfalter Artikel ANGST ESSEN VIDEOKASSETTE AUF beschäftigte sich mit der Notwendigen Übelkeit von Remakes im Horrorbereich, ganz konkret am […]

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Christian Hempel | Autor, Dramaturg und Stoffentwickler | Gesslerstraße 4 | 10829 Berlin | +49 172 357 69 25 | info@traumfalter-filmwerkstatt.de