34. Fantasy Filmfest

Schlappe acht Wochen nach den Fantasy Filmfest Nights im Juli findet nun im September auch die reguläre Festivalausgabe statt und bringt endlich wieder frische Genreware in die ausgedörrten Kinosäle sieben deutscher Städtchen. Aufgrund der immer noch widrigen Veranstaltungsumstände ist das 34. Fantasy Filmfest 2020 auf fünf Festivaltage verkürzt und das Filmangebot auf 21 Filme geschröpft worden, aber wie Rosebud Entertainment völlig richtig anmerkte, lieber ein kleines Fantasy Filmfest als gar keins. Der Fresh Blood Wettbewerb um Debüt- oder Zweitfilme junger wilder Genrefilmemacher fällt leider in diesem Jahr aus, dafür gibt es einen knalligen Eröffnungsfilm und einen deftigen Abschlussfilm, ein überaus interessantes Centerpiece sowie eine hohe Qualitätsdichte innerhalb der restlichen 18 Genrefilme, auf dessen Highlights wir wiederum einen kurzen Vorabblick werfen.

 

 

 

 

Der Eröffnungsfilm 2020 PALM SPRINGS von Max Barbakow ist ein hinreißendes Zeitschleifen High Concept in bester UND TÄGLICH GRÜßT DAS MURMELTIER Tradition und sorgte bereits auf dem Sundance Filmfestival für Begeisterungsstürme. Ganz und gar nicht begeistert ist Trauzeugin Sarah von der Hochzeitsfeier ihrer kleinen Schwester, die familiäre Beziehung ist arg angespannt, jener Hochzeitstag der Tiefpunkt in Sarahs Leben. Aber genau in diesem einen Tag bleibt Sarah in einer Zeitschleife stecken und muss den romantischen Kladeradatsch wieder und wieder durchstehen. Zum Glück ist da noch Hochzeitsgast Nyles, der schon wesentlich länger in der Zeitschleife feststeckt als Sarah und beide Gestrandeten beginnen, die Feier Tag für Tag hinterlistig zu sabotieren.

 

 

Palm Springs

PALM SPRINGS von Max Barbakow (LEONINE Distribution)

 

 

Der Debütfilm von Max Barbakow verspricht, dem vertrauten MURMELTIER Plot frische wie skurrile Aspekte abzugewinnen, PALM SPRINGS sieht bereits im Trailer hinreißend aus und könnte eine irre witzige Eröffnung des Fantasy Filmfestes werden. Mit dabei ist auch Oscar Preisträger J. K. Simmons als durchgeknallter Killer, die Zeitschleifenbühne aber gehört ganz allein den sympathischen Hauptdarstellern Cristin Milioti (THE WOLF OF WALL STREET) und Andy Samberg (BROOKLYN NINE-NINE).

 

 

Dinner in America

DINNER IN AMERICA von Adam Carter Rehmeier (Visit Films)

 

 

Nach dem überaus drastischen THE BUNNY GAME aus dem Jahr 2012 platziert sich mit DINNER IN AMERICA der neue, nicht ganz so subversive Film von Regisseur Adam Rehmeier als Centerpiece ins diesjährige Fantasy Filmfest Programm. DINNER IN AMERICA erzählt die Geschichte des ungleichen Pärchens Simon (Kyle Gallner) und Patty (Emily Skeggs), er ein abgehalfterter Punkmusiker und Drogendealer und sie eine gemobbte Außenseiterin und ihre gemeinsame Odyssee durch ein abgefucktes White Trash America. Ein zynisches wie chaotisches Arthaus-Juwel, das Fantasy Filmfest verspricht zudem großartige WTF-Momente.

 

 

BLOODY HELL

BLOODY HELL von Alister Grierson (Arclight Films)

 

 

Zum Festivalabschluss wird es dann noch deftig, mit dem australischen BLOODY HELL von Alister Grierson steht ein gut gekutterter Fun-Splatter ins Haus, in dem ein Amerikaner nach Finnland auswandert, dort aber in der titelgebenden blutigen Hölle erwacht. Gefesselt und von der Decke baumelnd geht es nun ums halbnackte Überleben von Hauptfigur Rex, was ihn da gefangen hält und physisch wie psychisch martert, bleibt noch bis zum Festivalende ein Geheimnis, denn BLOODY HELL ist eine Weltpremiere.

 

 

 

 

Zeitschleifen, White Trash und Fun-Splatter bilden die Programmklammer, die restlichen Filme bieten dazu ein verheißungsvolles Allerleirauh aus Horror, Thrill, Sci-Fi und dunkler Fantasy. Darunter auch ein paar Festival Dauergäste wie Quentin Dupieux, dessen neuer Film MANDIBLES ähnlich skurrile Kost verspricht wie sein vorheriges Portfolio. Zwei Gangster klauen ein Auto und müssen schockiert feststellen, dass sich im Kofferraum eine 1-Meter große Stubenfliege befindet. Diese scheint den beiden Ganoven nicht feindseelig gesinnt zu sein und so beginnt ein hoffentlich ebenso abgedrehter Trip wie RUBBER oder WRONG COPS.

 

 

FRIED BARRY

FRIED BARRY von Ryan Kruger (Rock Salt Releasing)

 

 

Ein durchgeknalltes Filmchen scheint auch FRIED BARRY zu sein, in dem der namensgebende Penner Barry von Aliens entführt, besetzt und ferngesteuert wird, um im nächtlichen Kapstadt eine psychodelische wie wahnsinnige Irrfahrt anzutreten. In PG – PSYCHO GOREMAN aus Kanada wiederum befreien zwei Kids einen uralten außerirdischen Herrscher aus seinem Grab, der fortan ihren infantilen Befehlen folgeleisten muss, was für das kleine kanadische Kaff der beiden Kids fatale Folgen hat.

 

 

 

 

Wem das immer noch zu konventionell daherkommt, der sollte sich eventuell SLAXX vormerken, in dem es um eine Killer-Jeans geht. Hab ich Killer-Jeans gesagt? Ich meine auch Killer-Jeans. Jenes Kleidungsstück aus mutierter Baumwolle macht sich in SLAXX daran, lecker Menschenbeinchen einzuverleiben, und das in der Nacht vor dem großen Verkaufsstart der neuen Jeans-Kollektion. Na Primark. Eine Spur ernster, aber immer noch reichlich schräg kommt auch DANIEL ISN’T REAL von Adam Egypt Mortimer daher, in dem sich Luke seinem eingebildeten besten Freund Daniel stellen muss, der sein Leben in eine Psychohölle verwandelt. In der Hautrolle: Patrick Schwarzenegger, Sohnemann der legendären steirischen Eiche. Was es nicht alles gibt.

 

 

RELIC

RELIC von Natalie Erika James (LEONINE Distribution)

 

 

Neben diese höchst ungewöhnlichen Genrestückchen gesellen sich ein paar interessante Horrorkleinode wie RELIC von Nathalie Erika James um drei Frauen unterschiedlicher Generationen. Nach dem Verschwinden der Großmutter suchen Tochter und Enkeltochter nach der Vermissten, welche allein in einem Waldhaus lebte. Nach Tagen ohne Lebenszeichen taucht diese aber plötzlich wieder auf, doch irgendetwas stimmt ganz und gar nicht. In POSSESSOR, dem zweiten Spielfilm von Brandon Cronenberg, Sohn von Regielegende David Cronenberg, indes geht es um beklemmenden Bodyhorror. Andrea Riseborough spielt eine Attentäterin, welche mittels Bioport in unschuldige Mitbürger eindringt und sie zu Bluttaten treibt – typisch Cronenberg.

 

 

BECKY

BECKY von Jonathan Milott & Cary Murnion (SPLENDID Film)

 

 

Was gibt es sonst noch? Mit BECKY schockiert Kevin James (KING OF QUEENS) seine Fans als Gewaltverbecher mit Hakenkreuz-Tattoo nebst Schergen, dem sich die 13-jährige Becky entschlossen entgegenstellt und für die Nazigang zu einer ernst zu nehmenden Bedrohung wird. Mit THE RECKONING gibt es düstere Fantasy von Kult Regisseur Neil Marshall (THE DESCENT), der russische SPUTNIK verspricht ebenso düsteren Sci-Fi-Horror, aus Großbritannien und den Vereinigten Arabischen Emiraten kommt der beklemmende Mystery Thriller AMULET und in GET THE HELL OUT wütete ein Zombie-Virus in Taiwans Parlament.

 

 

 

 

Zusammen mit der Hochglanz Neuverfilmung des Charles Dickens Klassikers THE PERSONAL HISTORY OF DAVID COPPERFIELD, dem südkoreanischen Rachethriller BRING ME HOME, Nervenkitzel unter Wasser mit BREAKING SURFACE, clevere Sci-Fi mit ARCHIVE sowie FANNY LYE DELIVER’D als britische-deutsche Koproduktion und INHERITANCE mit Lilly Collins und Simon Pegg ist das diesjährige Fantasy Filmfest Programm vollständig und verspricht exzellente Genreunterhaltung für allerlei Geschmäcker.

 

 

SLAXX

SLAXX von Elza Kephart (WTFilms)

 

 

Wie bei den Nights im Juli hängen die Ticketverkäufe in den Städten von den jeweiligen Hygienebestimmungen ab. Alle Filme und Infos findet ihr wie gewohnt auf der offiziellen Fantasy Filmfest Seite, wir lesen uns wieder Anfang Oktober zu einer kleinen Reviewschau der Festival Hightlights im Quick ‘n Dirty Fazit, bis dahin allen einen schönen September, seid lieb zueinander, tragt Mund- und-Nasenmasken und frönt dem bunten Dasein! Eure Traumfalter Filmwerkstatt.

 

One Comment

  1. Antworten

    […] Auf dem internationalen wie nationalen Genrefilmmarkt sah es ob der Corona-Pandemie natürlich ebenfalls fatal aus, kleinere Produktionen für Genrenischen haben es ohnehin schwerer und sind vor allem auf Festivals angewiesen, um beispielweise Verleiher zu finden. Das jene nun teilweise ausfielen, machte die Lage noch prekärer. Das Fantasy Filmfest in Deutschland hatte wenigstens das Glück, sein Jahresprogramm zu zeigen, wenn auch verspätet (Fantasy Filmfest Nights) oder entschlackt (Fantasy Filmfest). […]

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Christian Hempel | Autor, Dramaturg und Stoffentwickler | Gesslerstraße 4 | 10829 Berlin | +49 172 357 69 25 | info@traumfalter-filmwerkstatt.de